• Also ich muss sagen, dass mir das Ganze gar nicht gefällt. Alleine diese vielen überkragenden Gebäude rauben den Wegen und Straßen soviel Licht und Leichtigkeit. Ebenso die Eintönigkeit der Sichtbetonfassaden und die scharfen Kanten. Wenn mein Blick darüber schweift, so sehne ich mich nach den Farben, den Rundungen und der Harmonie der alten Gebäude.

    Den großen Flächen, seien es nun Fenster- oder Wandflächen fehlt einfach Sanftheit und Freundlichkeit. Stattdessen sehe ich einen Haufen Gebäude, die einander zu konkurrieren scheinen, welches am wenigsten zur Umgebung passt.
    Sicher bin ich nicht gänzlich gegen die Moderne, aber diese Bauten sind für mich eine ganz besondere Dimension, was Kälte und Leere in städtebaulicher Hinsicht angeht.

    Einmal editiert, zuletzt von Zellerfelder (11. Juli 2014 um 20:58)

  • Neue Mitte Teil 2 Gebäude die in den letzten Jahren renoviert aufgestockt oder Neu gebaut wurden, weiteres wird die nächsten Jahre folgen. Es geht mit der Umgestaltung noch einige Jahre weiter.

    Museumsgesellschaft,

    Bürgerservice Stadt Ulm,

    Büro u. Geschäftshaus, vor 3 Jahren aufgestockt,

    Ulmer Wohnungs u. Siedlings GmbH, Neubau in alter Baulücke,

    Wohnungen, altes Gebäude verschwand

    Jetzt kann sich jeder selbst ein Bild machen mir gefällt auch so einiges nicht, aber so ist eben die jetztige Zeit, es regiert nur noch der Mamon.

  • Wenn ich auch all diese Ansichten mehr oder weniger kenne, so dreht sich mir Magen um bei der Betrachtung dieser brachialen Stadtbildzerstörung. Da ist es mir doch egal, wieviel Zäsurwirkung die breite Neue Straße gehabt hat, ich will sie wieder haben, wie sie in den 80ern war. Diese totale Umgestaltung mit massenhaft Neubauten ist unerträglich. Noch nicht einmal das östliche Ende ist ungestört. Frauenstraße 1 und Neue Straße 104 zerstören die einstige Idylle.

    Da werden wir uns nicht einigen. Die Neue Straße fand ich immer schlichtweg widerlich. Sie ist für mich der Innbegriff einer menschenfeindlichen Stadtgestaltung, die den Menschen dem Auto unterordnet. Das ist nicht nur ein Eintageseindruck; in Ulm habe ich während meines Wehrdienstes immerhin 3 Monate zugebracht und ich war auch davor und danach öfters da. Die Architektur der Neubauten entspricht nicht wirklich meinem Geschmack; ich hätte mir kleinteiligere und den örtlichen Traditionen enger angepaßte Häuser gewünscht. Doch schlecht sind die Neubauten nicht; es ist eine recht coole moderne Architektur und an dieser Stelle, wo ein großes Vakuum zu füllen war, finde ich auch große Bauten akzeptabel.
    Solche modernen Häuser, die sich an den für Ulm typischen Giebelhäusern orientieren, finde ich gar nicht schlecht! So kann man eine stark kriegszerstörte Altstadt angemessen ergänzen. Vielen Dank auch an R.F.T. Ulmer für die Bilder!

  • Von dem auf dem letzten Bild gezeigten Neubau des Teiles 2 der Galerie (Neue Straße / Grünhofgasse) wurde m. W. im Forum bisher nicht berichtet. Mir ist aber auch einigermaßen die Lust vergangen, denn die Veränderungen sind eher deprimierend. 2011 war das Haus fertig.

  • Eine Schwäche der Ulmer Baupolitik ist das Fehlen von Rekonstruktionen. In Bereichen, die der Krieg, bzw. die Nachkriegsabrisse völlig zerstört haben, kann und sollte man m. E. modern bauen. An der Neuen Straße hat sich die städtebauliche Situation durch den Krieg so stark verändert, daß Rekonstruktionen dort nicht sinnvoll waren. Der ganze westliche Teil der Altstadt ist völlig von Nachkriegsarchitektur bestimmt; Rekonstruktionen oder historisierende Bauten wären dort Fremdkörper. Es gibt aber viele andere Stellen in der Altstadt, an denen man historische Ensemble durch Rekonstruktionen wirkungsvoll ergänzen könnte. Kurz gesagt: In den besser erhaltenen Teilen der Altstadt sollte man rekonstruieren oder angepaßt bauen; ansonsten aber konsequent auf gute moderne Architektur setzen.

  • Das erscheint mir persönlich auch eher wie ein Gruselkabinett. Der dunkle Klinkerbau sieht ganz nett aus. Allerdings hätte da ein Fenster im Giebel nicht geschadet und ob die dunklen Klinker nach Ulm passen, bezweifel ich etwas.

  • Der ganze westliche Teil der Altstadt ist völlig von Nachkriegsarchitektur bestimmt


    Außer dem Fischerviertel, das freilich nur eine kleine Traditionsinsel ist.

    Und selbst die Nachkriegsbebauung wird nach und nach ersetzt. Deutschhof, Bahnhofstraße, Sedelhofgasse, ...

  • Das Fischerviertel habe ich natürlich nicht gemeint und im Geiste eher zum südlichen Teil der Altstadt gerechnet. Deutschhof, Bahnhofstraße, Sedelhofgasse - ist es um die schade? Dem Bereich zwischen Bahnhof und Münsterplatz weiche ich bei meinen Besuchen nach Möglichkeit aus.

  • Das Fischerviertel kann aber nicht als Insel bezeichnet werden. Es schließt sich daran an nach Osten das Gebiet an der Stadtmauer mit Metzgerturm bis zur Herdbrücke, nach Norden das Gerberviertel bis zur Neuen-straße, nach Nordosten das Gebiet um das Schwörhaus und nach Westen geht es bis zur Wilhelmshöhe und der Promenade. Wobei das Gebiet der Promenade hinunter zum Kobelgraben sehr viele kleine schöne Häuser besitzt, desweiteren sind die Villen am Kobelgraben auch nicht ohne. Das ganze alte Viertel ist wesentlich mehr als nur die Fischerhäuser an der Blau. :wink:

  • Ja so könnte man es auch sagen. Südlich des Münsters wird allgemein immer nur vom Fischerviertel gesprochen, eingebunden alles bis zur Herdbrücke, wobei das eigentliche Fischerviertel sehr klein ist. Manche zählen ja noch den Marktplatz mit Rathaus dazu, was aber so eben nicht ist.

  • Der ganze westliche Teil der Altstadt ist völlig von Nachkriegsarchitektur bestimmt; Rekonstruktionen oder historisierende Bauten wären dort Fremdkörper.

    Die Argumentation kann ich nicht ganz nachvollziehen. Die überdimensionierten Flachdach-Gebäude wirken auch wie Fremdkörper inmitten der Nachkriegsbebauung. Also dann schon lieber ein rekonstruierter Fremdkörper. Jedenfalls wäre mir dieser "spannende Kontrast" lieber.

  • Ich würde auch anders zugunsten der Neuen Mitte argumentieren, als es Tübinger in diesem letztzitterten Satz getan hat.
    Aber ansonsten stimme ich ihm zu.
    Ich halte die NM wirklich für ein beachtenswertes Projekt, das der Mitte sogar etwas Mittelalterlichkeit zurückgibt und so ein wichtiges Bindeglied zwischen den wunderbaren beiden Altstadtteilen im Norden und im Süden ist.
    Die beiden erstaunlich ausgedehnten Altstadtreste sind mE das Hauptargument, warum hier auf traditionelle Architektur verzichtet werden kann: diese würde sich angesichts des Érhaltenen zu schwach ausmachen. Angesichts der erhaltenen Großartigkeit besteht kein Bedarf an müdem Abklatsch. Seien wir darüber froh.
    Für Rekos wäre ich natürlich immer zu haben, aber das Problem dürfte wohl Inder mangelnden Dokumentierung sowiein der generellen Anonymität mittelalterlicher Architektur liegen.
    Man muss Ulm als Ganzes erleben. Natürlich ist viel noch nicht fertig, und natürlich ist die Neue Mitte nur ein erster Schritt. Natürlich gehört noch viel mehr weg, angefangen von der schrecklich belanglosen, ja banalen Westfront des Münsterplatzes, der wohl schmerzlichsten Wunde im Stadtgefüge. ICh würde michsogar für eine Reko der historistischen Vorkriegshäuser aussprechen. Irgendwann wird man sich auch überlegen müssen, ob man nicht auch die Walfischgasse wiedererstehen lassen will, vielleicht auch nur auf einem kurzen Abschnitt, als Art Postkartenmotiv.
    Natürlich ist es zu begrüßen, dass immer mehr von der grauenhaften Nachkriegsarchitektur verschwindet, wie auch diese Brutalo-Schneise als solche.
    Ehrlich gesagt verstehe ich nicht, was ein so ästhetisch penibler Zeitgenosse wie Zeno an dieser für einen Narren gefressen hat. Ich hab sie in natura niemals gesehen, glaube aber kaum, dass sich da bedeutende Sichtachsen ergeben haben. Überhaupt gibt es derlei Horror noch in genügend Städten.
    Im übrigen gibt es in der Südaltstadt einige sehr gute Beispiele für gelungenen Wiederaufbau.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Zitat

    Sind viel störender nicht solche Sachen?

    Nicht viel störender, aber - für sich betrachtet! - ungefähr gleich störend. Ich weigere mich, zwischen Unrat großartig zu differenzieren.
    Aber darum geht es ja nicht. Kein Mensch verteidigt das Bahnhofsviertel. Hier wäre im Hinblick auf die Sichtachsen ein historisierender Neubau, der allerdings kleinstädtischer daherkommen müsste, in der Tat wünschenswert.

    Aber diese von mir so ungeschätzten Bauten stehen am Münsterplatz, und das ist nicht IRGENDEIN Stadtraum. Hier im Herzen, könnte sich die Stadt schon eine würdevollere Bebauung leisten.
    a) Reko des historistischen Vorkriegszustandes
    b) Transloziierung von einzelen FWH (wie am Braunschweiger Altstadtmarkt mit dem Rüninger Zollhaus) in neuen sinnfälligen Ensembles. Bei der Abrissquote angesichts eines völlig ineffizienten bzw nicht vorhandenen Denkmalschutzes sollte es kein Problem sein, geeignete Objekte zu finden.
    c) Erweiterung der Neuen Mitte-Bauten auf dieser Stelle wäre zwar unzweifelhaft besser als der status quo, den ich für wirklich unerträglich erachte, aber dennoch nicht die wünschenswerterste Option.
    Ein dermaßen schäbiger und so geschmack- wie formloser Armeleutestil, quasi Beton gewordener Plebejismus hat an einer derartigen prominenten Stelle nichts verloren.

    Zitat

    Hätte man die Neue Mitte nicht mit solchen Gebäuden bebauen können wie diesem hier:

    Ich gebe zu, dass man sich diese beiden Fassaden durchaus a, Münsterplatz wünschen würde.
    Allerdings strahlen sie auch eine beträchtliche Kälte aus und machen dich in einer gewissen Häufung alles andere als froh.
    Es ist halt die Frage, wie man das Thema Neue Mitte diskutieren soll, mit welcher Einstellung man herangeht:
    Ist es eine Verbesserung des Vorzustandes?
    Wäre eine bessere Lösung vorstellbar gewesen?
    Ergibt es einen befriedigenden Stadtraum, der der Ulmer Altstadt würdig ist und die Aufenthaltsqualität mit sich bringt?

    Ich würde alle drei Fragen unbedingt bejahen. Natürlich kann man alles an Frage 2 anknüpfen. Ideal wäre natürlich eine flächenmäßige Komplettreko, aber war eine derartige Option irgendwie realistisch?
    Ein historisierender Wiederaufbau der ganzen Fläche dürfte mE an der Fachwerkproblematik scheitern. Nur so grob angepasste Giebelhäuseln - das wäre auf einer so zentralen Fläche lähmend. Schau dir hingegen das Haus der Museumsgesellschaft an - entspricht das nicht eher der alten Fachwerkaltstadt als dein gegebenes Beispiel?

    Ich glaube Zeno, dass uns viel verbindet, aber dass wir in einem Punkt ganz andere Herangehensweisen haben. Du kannst dich mit typisch westdeutschen Wiederaufbauszenarien wie Würzburg, Nürnberg und das frühere Ulm abfinden. Ich hasse diese, und das macht mich gegenüber Projekten wie Ulms Neue Mitte weit toleranter.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

    Einmal editiert, zuletzt von ursus carpaticus (16. Juli 2014 um 09:52)

  • Ebenso wie Ursus empfinde ich der heutige Münsterplatz, vor allem seine Westseite, als eine Herabwürdigung des Münsters. Man vergleiche z. B. die Münsterplätze in Freiburg i. Br. oder Straßburg.
    Manche der früheren Gründerzeitlern paßten durch ihren burgähnlichen Charakter ganz gut zum Münster. Es gab auch noch einige vorindustrielle Häuser. Ich halte auch die Gründerzeitler, vor allem auf der Westseite, für rekonstruktionswürdig.

    VBI DOLOR IBI VIGILES