Bad Rappenau - Möglicher Abriss eines Fachwerkhauses aus dem 16. Jahrhundert

  • Hallo liebe Forumsgemeinde,

    ich wende mich heute mit einem persönlichen Thema an euch in der großen Hoffnung, dass mir der ein oder andere bei meinem Anliegen weiterhelfen kann. Es geht darum, dass in einem Dorf namens Treschklingen, der Großen Kreisstadt Bad Rappenau in Baden-Württemberg zugehörig, ein ortsbildprägendes Fachwerkhaus aus dem späten 16. Jahrhundert abgerissen werden soll. Es handelt sich um das ehemalige Gasthaus Krone, das sich inmitten des Dorfes befindet.

    Der Ort an sich ist sehr beschaulich und hat nicht einmal 1000 Einwohner. Geprägt wurde die Ortschaft bis in die 1980er bzw. 1990er Jahre hinein von einem großen Gutshof. Das dazugehörige "Schloss", im Besitz derer von Gemmingen, besteht noch heute, der großartige Gutshof mit all seinen Wirtschaftsgebäuden wurde restlos abgerissen. Auf den Flächen des Gutshofes entstand in den 90er Jahren relativ belanglose Wohnbebauung und ein sogenanntes Bürgerhaus. Ein Bach, der früher den Ort durchfloss, wurde leider verdolt. In den letzten Jahren wurden immer mehr Gebäude in der Ortsmitte abgerissen und der ursprüngliche Charakter ging nahezu gänzlich verloren. Der Ort entwickelte sich zu einem ruhigen und belanglosen Dörflein. Einige Gebäude wie das Gemmingsche Amtshaus wurden jüngst renoviert. Auch das Alte Rathaus oder das Pfarrhaus sind vorbildlich saniert worden. Unten einige Bilder zum Ort (ich habe momentan leider keine aktuellen Bilder, versuche dies über Weihnachten jedoch nachzuholen):

    Ortsmitte mit altem Rathaus (rechts) und Pfarrhaus (drittes Gebäude von links):

    https://de.wikipedia.org/wiki/Treschkli…n-ortsmitte.jpg

    Das kleine Schlossgebäude:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Treschkli…gen-schloss.jpg

    Das Gemmingsche Amtshaus von 1806 (links angeschnitten die Wohnbebauung auf dem ehemaligen Gutsgelände):

    https://de.wikipedia.org/wiki/Treschkli…en-amtshaus.jpg

    Das Alte Rathaus mit schönem Nachbargebäude:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Treschkli…athaus-1809.JPG

    Und die sehr schöne evangelische Kirche des Dorfes (wegen welcher die Einwohner auch als "Kerchrucker", also "Kirchenverrücker", bezeichnet werden):

    https://de.wikipedia.org/wiki/Treschkli…-kirche2009.jpg

    Nun wenden wir uns dem ältesten Gebäude des Ortes und mit Sicherheit auch einem der ältesten Fachwerkhäuser der ganzen Umgebung zu, dem ehemaligen Gasthaus Krone. Auf der folgenden Ansicht, auf welcher der Krebsbach noch offen durch den Ort fließt, ist es direkt links neben der Baumkrone zu erkennen:

    Quelle: https://www.badrappenau.de/stadtleben/sta…e/treschklingen

    Über das Haus ist nicht allzu viel bekannt. Klar ist jedoch, dass es Ende des 16. Jahrhunderts erbaut worden sein muss. Ich werde mich in nächster Zeit mit meiner Verwandtschaft in Verbindung setzen, um mehr über das Haus in Erfahrung zu bringen. Es war im 20. Jahrhundert ein Gasthaus und gehörte bis in die 1980er Jahre hinein meiner Familie. Seitdem gab es viele wechselnde Besitzer, die das Haus als Gastwirtschaft nutzten. Ich kenne das Innere noch sehr gut und muss sagen, dass ich selten ein bezaubernderes Gebäude gesehen habe. Ein wahrhaftes Hexenhäuschen, alles schief, urig, alt und den Geist der Vergangenheit verströmend. Den auf einem Deckenbalken stehenden Spruch "Es trinkt der Mensch, es säuft das Pferd, in der Krone ist es umgekehrt." habe ich als Kind damals freilich noch nicht ganz verstanden. Nun ja, allerdings zeigt dieser Spruch auch, dass die Krone immer der Dorfmittelpunkt war. Mein Vater erzählte hier immer sehr interessante Geschichten aus den 60er und 70er Jahren.

    Um es kurz zu machen: Das Gebäude soll abgerissen werden. Es steht, nein, stand, zwar unter Denkmalschutz, der wurde aber schwuppdiwupp aufgehoben. Die Krone steht seit Mitte der 2000er Jahre leer und wurde 2009 veräußert. Seitdem tat sich: nichts. Der Ortsvorsteher sowie die Stadt Bad Rappenau empfinden das wunderschöne Gebäude als "Schandfleck". Der Ortsvorsteher meinte vor einigen Monaten, den Schandfleck solle man doch abreißen und schöne neue Häuser darauf bauen. Folgende Passage zitiere ich aus einem Artikel der Heilbronner Stimme, der leider hinter einer Bezahlschranke zu lesen ist:

    "Das ist allerdings nicht so einfach, denn das Gebäude steht unter Denkmalschutz, das bestätigt der Bad Rappenauer Hochbauamtsleiter Alexander Speer. "Die jetzigen Besitzer haben einen Abrissantrag gestellt", so Speer. Laut Oberbürgermeister Sebastian Frei wurde dieser aber mittlerweile bewilligt: "Die Stadt will und wird das Grundstück kaufen, dann schauen wir, wie weiter verfahren wird." Potenzielle Käufer hätten sich bereits gemeldet, bestätigt Frei. Der Stadt gehört das Grundstück neben der Krone, ein Kauf beider Areale liegt also nah. Spruchreif sei allerdings noch gar nichts, betont Speer. "Der Gemeinderat wird eine Entscheidung treffen, wenn es soweit ist", sagt der OB, für den es wichtig ist, dass der Bereich städtebaulich erschlossen wird."

    Quelle: https://www.stimme.de/kraichgau/nach…t140019,4410343

    In einem frei lesbaren Artikel der RNZ (https://www.rnz.de/nachrichten/si…rid,569895.html) finden sich weitere Angaben. Anscheinend sei das Gemäuer stark angegriffen durch Überflutungen des nebenan fließenden Krebsbaches (diese gibt es alle paar Jahre einmal) und das Gebäude nicht zu retten. Aus diesem Artikel zwei sehr bezeichnende Zitate:

    "Es ist ein kommunalpolitischer Wunsch, dass das Gebäude abgerissen wird", sagte Oberbürgermeister Sebastian Frei auf eine Anfrage aus der Bürgerschaft. Der Besitzer habe beim Denkmalamt einen Abrissantrag gestellt, dem inzwischen auch stattgegeben wurde."

    Und:

    "Wichtig ist, dass der Bereich aufgewertet wird. Und das passiert schon mit dem Abtragen des Gebäudes."

    Quelle beide Zitate: https://www.rnz.de/nachrichten/si…rid,569895.html

    Dies zeigt, wohin es gehen soll. Leider haben die Verantwortlichen keinerlei Gespür für die über 4-450jährige Geschichte dieses wunderschönen Fachwerkhauses. Hauptsache weg. So denken die Verantwortlichen im Jahr 2020. Nachhaltigkeit spielt hier keine Rolle. Rendite zählt.

    An diejenigen, die nun bis hierher gelesen habe, habe ich nun folgende Bitte: Da mir dieses Gebäude sehr am herzen liegt (Zum Einen aufgrund seines Alter, seiner Einmaligkeit und seiner enormen ortsbildprägenden Bedeutung und zum Anderen natürlich aufgrund der Verbindung meiner Familie zum Haus), wollte ich drei Dinge fragen:

    1. Kann denn jemand, nur aufgrund der wenigen Bilder im Artikel, weitere Aussagen zum Gebäude treffen? Vielleicht was das Fachwerk hinter dem Putz angeht?

    2. Weiß jemand, wie ich an weitere Informationen kommen kann? eine frei zugängliche Denkmalliste des Landes BW existiert ja bekanntlich nicht.

    3. Hat das Forum Ideen, wie man hiergegen vorgehen kann? (Leserbriefe an Stimme und RNZ sind in Arbeit)

    Vielen Dank bereits im Voraus für eure Hilfe. Ich bin, hoffentlich, nächste Woche in der alten Heimat und kann detaillierte Fotos nachliefern.

    Liebe Grüße,

    Grimminger

  • Die Art des Fachwerks ist nicht zu erkennen, selbst an der Giebelwand, wo man anhand der Risse einige Streben erkennen kann. Auffallend sind an der Ecke des 1. Obergeschosses die beiden vorstehenden Balkenköpfe auf gleicher Höhe. Das wäre ein Detail von Interesse.

    Wichtigste Sammelstelle von öffentlich einsehbaren Baudaten etc. bietet die Seite Arbeitskreis für Hausforschung - Regionalgruppe Baden-Württemberg an. Wenn man dort Mitglied ist, findet man auch Kontakt zu den Hausforschern, die die Bauuntersuchungen im Auftrag der Denkmalpflegeämter

    ausführen.

    Bei den Menüs links das Stichwort "Datenbank" anklicken, und dann kannst Du mit der Suche beginnen. So auf anhieb mit "Bad Ruppenau" erschien nichts.

    Versuch mal den Bauforscher Burghard Lohrum aufindig zu machen und mit ihm Kontakt aufzunehmen. Ich kenne ihn zwar eher von seinem Forschungsgebiet zwischen Bodensee und Villingen-Schwenningen, aber sein Wissen und seine Kontakte sind viel weitläufiger.

  • Das Haus ist nicht mehr zu retten. - Die übliche Behauptung. Sanieren und das Fachwerk freilegen. Dann wäre das Gebäude ein Schmuckstück für diesen Ort. Aber so weit können die Lokalpolitiker ja leider nicht denken.

    https://www.stimme.de/storage/image/…Cs0L_jjilGe.jpg

    Es ist auch sehr schade, daß man diesen Bach abgedeckt hat. Solch ein Wasserlauf hat schon eine große idyllische Wirkung.

    https://www.badrappenau.de/thumbs/5/15fe0…f66078c7c02.jpg

  • Jaja, die lieben Provinzpolitiker. Überall das Gleiche! Engstirnig und selbstgerecht. Mir wird schon wieder übel. :kopfschuetteln:

  • Es ist auch sehr schade, daß man diesen Bach abgedeckt hat. Solch ein Wasserlauf hat schon eine große idyllische Wirkung.

    In der Tat. Ein großer Verlust für das Dorf. Im Ort gibt es auch noch zwei Brunnen mit großen Brunnentrögen. Früher zum Tränken der Tiere genutzt sind sie heute im Sommer sehr gut, um sich abzukühlen.

    Es muss vielleicht noch erwähnt werden, dass Treschklingen eine große Nähe zu Bad Rappenau und Bad Wimpfen aufweist. Auch Heilbronn ist in 20min über die Landstraße zu erreichen. In 5min ist Die Anschlussstelle der A6 erreicht. In Bad Wimpfen entsteht gerade die riesige neue Hauptverwaltung von Lidl und Schwarz. Die Bodenpreise in der Gegend sind daher stark gestiegen und die Gegend verzeichnet Zuzüge. Daher die "Dringlichkeit", die hier an den Tag gelegt wird. Das Haus steht seit über 400 Jahren an dieser Stelle, war sicher mehrmals von Hochwasser betroffen. Und jetzt muss es auf einmal weg. Hm.... Mich würde auch interessieren, warum die Denkmalbehörde den Denkmalschutz so schnell aufgegeben hat. Naja, die Antwort kann ich mir allerdings gleich selbst geben...

    Jaja, die lieben Provinzpolitiker. Überall das Gleiche! Engstirnig und selbstgerecht. Mir wird schon wieder übel. :kopfschuetteln:

    Das kann man leider so sagen. Engstirnig, keinen Sinn für Ästhetik und leider nicht vorausschauend in ihrem Handeln.

    Es wurden im Ort in den letzten Jahren auch einige grauenhafte Häuser neu errichtet. Bilder werde ich nachliefern.

  • Ein Fachwerk sollte niemals einfach verputz werden und schon gar nicht mit einem falschen zementhaltigen Putz, der dem Holz dauerhaft Schaden zufügt. Die Schäden in den Ausfachungen(Also der Bereich zwischen den Holzbalken) sind jederzeit einfach zu reparieren, da hier keine Last getragen wird. Wichtig ist nur der Zustand des Holzes. Aber selbst wenn mehrere Balken morsch sein sollten, kann das Haus an der entsprechenden Stelle gestützt und die Balken ausgewechselt werden. Ich sehe, dass die obere Ecke des Gebäudes stark beschädigt ist, dieser Schaden sollte zu beheben sein. Bei den beschriebenen Überschwemmungen wurde das Holz wahrscheinlich etwas nass und fing, dadurch das man ihm nicht die Möglichkeit gibt die Feuchtigkeit wieder abzugeben, an im unteren Bereich zu faulen. Für eine genauere Beurteilung brauchen wir aber etwas mehr Bildmaterial.

    Das Wichtigste für das Haus wird es wohl sein, einen richtigen Eigentümer zu finden, der etwas Geld hat um es wieder auf Vordermann zu bringen. Der jetzige Besitzer müsste dem Verkauf natürlich zustimmen.

    Ich würde gut gestaltete Flyer, auf denen das Gebäude etwas hermacht empfehlen. Die kommen bei den Leuten immer gut an. Vielleicht könnte man darauf zeigen, wie das Gebäude früher aussah und wie es im guten Zustand heute noch den Ort verschönern würde.

    Hier ein Gebäude ähnlicher Größe:

    "Moderne Architektur heißt seit über 50 Jahren: Rechtwinklig, weiß, kahl, leer, gebaut von immer schwarzgekleideten Architekten."

    -Gerhard Kocher

  • Super, vielen Dank. Das ist eine gute Idee. Ich werde mich nächste Woche mit einigen Anwohnern kurzschließen und im Dorf Werbung machen. Ich habe gestern schon Kontakt zu Verwandten gehabt, die meinten, dass es der Großteil der Einwohner schade finden würde. Als einen "Schandfleck" betrachtet es allerdings wohl jeder. Naja, aber das Geld hat leider momentan niemand... Und die Stadt will so schnell wie möglich Fakten schaffen. In anderen Dörfern wurden jüngst Häuser renoviert, die wesentlich jünger sind. Es geht halt immer nur um den Willen und Geld. Ganz einfach.

  • Es ist traurig, aber wahr. Es geht auch hier ausschließlich um Geld . Die Verfahrensweise ist immer die gleiche. Man erwirbt ein altes Gebäude in günstiger Lage und wartet ab, ohne jede Aktivität. Nach ca. zehn Jahren dürfte der Verfall, notfalls durch Entfernen von Dachziegeln, ein Stadium erreicht haben, welches zur Aufhebung des Denkmalschutzes ermuntert. Dabei ist es weniger die Fäulnis, sondern der gefährliche Hausschwamm, der die Kosten für eine Instandsetzung in eine gewaltige Höhe treiben kann. Auch Brandsanierung ist nicht selten. Sogar hier in Dessau, wo ca.85 Prozent der Altbausubstanz dem Bombenterror zum Opfer fielen. Eine uralte Traditionsgaststätte, der "Goldene Stern" zerfiel buchstäblich in der genannten Zeit und wurde abgerissen. Ein mutiger Denkmalschützer schaffte es gerade noch, den Namenszug und den Stern heimlich zu bergen. Nun ist dort an einer Straße, die einmal zum einzigen historischen Boulevard der Stadt werden sollte, eine Freifläche. Der Fehler lag auch hier am unbedachten Verkauf der Immobilie. Nur ein seriöser Käufer könnte im vorliegenden Fall das Fachwerkhaus noch retten.

  • Wichtig wäre es, eine Graphik anzufertigen, wie das Haus nach einer Sanierung aussehen würde. So können sich die Bewohner der Stadt ein Bild machen, welches Schmuckstück dort entstehen würde.

  • In meiner alten Heimat war es oft so, dass die Giebel von alten Häusern z. B. von solchen aus der Renaissance auf der Innenseite, also im Speicher/Dachboden, nicht verputzt waren. Dort war das Fachwerk unverputzt zu sehen. Nur die Felder zwischen den Riegelwänden waren mit Flechtwerk und Lehmgemisch gefüllt. Vielleicht wäre es einen Versuch wert, den Speicher mit Fotokamera zu besichtigen. Sofern der derzeitige Eigentümer dem zustimmt. Diese Begehung könnten ja evtl. auch Verwandte von dir übernehmen. Falls dort am Giebel das Fachwerk von Innen sichtbar ist, könnte man es fotografieren. Wenn man Glück hat, handelt es sich sogar um Zierfachwerk , das im 16. Jh. sehr beliebt war, z. B. Andreaskreuze etc.

    Solche Fotos könnten dabei helfen das Interesse bei möglichen Käufern wecken. Man könnte diese Fotos evtl. in den Flyer mit aufnehmen. Unser lieber Mitforist, Bentele hat ja selbst in Punkto Rettung von Fachwerkhäusern in Bietigheim viel persönliche Erfahrung gesammelt und große Verdienste erworben. Vielleicht könnte er dir gute Ratschläge erteilen oder anderweitig wertvolle Hinweise geben. Vielleicht ebenso unser Mitforist Riegel, der als Architekt und Fachmann bei der Erhaltung vieler Fachwerkhäuser sehr verdienstvoll tätig war und über große Erfahrung aus der Praxis verfügt.