Rekonstruktion wilhelminischer Bauten als praktizierter Anti-Nationalsozialismus
Es ist hier im Forum schon andernorts in dankenswerter Klarheit aufgezeigt worden, in welch unrühmliche Gesellschaft sich die dogmatischen Gegner von Rekonstruktionen in ihrer – leider teilweise schon starrsinnig zu nennenden – Unduldsamkeit begeben haben, nämlich in die der Nationalsozialisten. Letztere verwendeten häufig sogar dieselben Termini, wie. z.B. ‚Geschichtsfälschung’ oder ‚Unwahrhaftigkeit’ wenn es galt, einen originalgetreuen Wiederaufbau abzulehnen. Ihre Motivation war dabei nicht nur der Wunsch, die zerstörten Gebäude als Haß generierende Ruinen zu instrumentalisieren (dies sollte z.B. beim Goethehaus Frankfurt so geschehen), sondern auch ihre grundsätzliche Verachtung von gründerzeitlichen und wilhelminischen Bauten, wie Ingo Sommer in seinem Aufsatz ‚Zwischen Tradition und Moderne. Wilhelm II. und die Baukunst’ (in: Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte. Neue Folge 25. Band. 2015. Heft 2, S.174-175) überzeugend nachgewiesen hat. Bedauerlicherweise haben viel zu viele von diesen Entscheidungsträgern nach dem Ende der ersten deutschen Diktatur noch bis in die 70er Jahre hinein – als opportunistische Wendehälse – ihren Feldzug gegen Rekonstruktionen und Wilhelminismus ungestört fortsetzen und damit auch die nachwachsenden Generationen von Architekten und Stadtplanern negativ prägen können. Das Ergebnis sind unsere heute in weiten Bereichen verhunzten Alt-und Innenstädte.
Vor diesem Hintergrund ist jede originalgetreu sanierte gründerzeitliche Häuserfassade, jedes rekonstruierte Ecktürmchen und auch jedes wiederaufgebaute Schloß und Denkmal der Kaiserzeit als praktizierter Anti-Nationalsozialismus zu bezeichnen, also ganz das Gegenteil dessen, was uns Leute wie Herr Trüby unterstellen wollen. Wir, als ‚rückwärtsgewandt’ verleumdete Reko-Feunde, sind insofern die recht eigentlichen Avantgardisten im Kampf um die längst überfällige Entnazifizierung von Städtebau und Baukunst !
Wie anders man mit dem Wilhelminischen Erbe umgehen kann, zeigen im Übrigen in vorbildlicher Weise unsere Nachbarn Frankreich und Polen, die die Hohkönigsburg und den Kaiserbahnhof in Metz, bzw. das Residenzschloß in Posen wertschätzen, pflegen und als Touristenmagneten hochhalten.
Anbei einige Beispiele von durch die Nationalsozialisten verschandelte Bauten bzw. Bauensembles, die mir spontan eingefallen sind. Erkennbar ist jeweils wie Vielfalt und Kleinteiligkeit durch Monotonie ausgetauscht wurde.
Die Mitforisten sind herzlich aufgerufen, die Liste fortzusetzen !
01a Das Kaiser Wilhelm Denkmal auf der Hohensyburg in der Originalversion.
01b Das Kaiser Wilhelm Denkmal auf der Hohensyburg nach der ‚Umgestaltung’ im 3. .Reich. Ödnis pur.
02a Das Posener Schloß mit Kapellenturm und Apsis.
02b Das Posener Schloß nach dem Umbau mit lächerlichem ‚Führerbalkon’ statt der Apsis.
03a Die Berliner Kaiser Wilhelm Straße und Brücke vor den Abrißarbeiten der Nationalsozialisten.
(Dieses und die beiden folgenden Bilder stammen vom Mitforisten Spreetunnel).
03b Der beginnende Abbruch in den späten 30er Jahren.
03c Brücke und nördlicher Flankenbau der Kaiser Wilhelm Straße sind schon fast vollkommen verschwunden...