Vater dieses sich erstmals in der Galerie "Die junge Elbe" entzunden habenden Stranges ist Mündener, dem ich nunmehr ein bisschen zur Hand gehen will.
Grundsätzlich ist jeder eingeladen, sich einzubringen, denn das Thema ist denkbar umfangreich.
Ich werde mit Böhmen und Mähren beginnen, und sodann Ostösterreich als Parallele oder Kontrast darstellen.
Die Frage, ob es in Böhmen und Mähren, ja überhaupt im Deutschen Osten vor der Kolonisierung Städte gab, ist sehr kontrovers, aber im Ergebnis zweifellos zu bejahen. Der radikalste, früher sehr häufig mitgeteilte dt. Standpunkt für die Böhmischen Länder, der natürlich überheblich und provokant klingen musste, lautete folgendermaßen: Alle Städte Böhmens sind deutsche Gründungen, mit Ausnahme der Hussitenstadt Tábor.
Das ist natürlich nicht aufrechtzuhalten.
Prag, Brünn, Olmütz, Znaim, bestanden unzweifelhaft vorher als Siedlungen, die städtische Merkmale aufwiesen. Die Ausstattung mit Magdeburger Stadtrecht oder den Privilegien als "Königsstädte" muss als für die eigentliche Stadtwerdung nicht konstitutiv angesehen werden. Ähnliches gibt wohl auch für kleinere Städte, die vor allem in der Nähe alter Burgen und Befestigungsanlagen angelegt wurden, zB Neuhaus, bzw Teltsch, für welches eine Kolonisierung gar nicht nachweisbar ist.
Indes spielte die Ankunft der Deutschen auch in diesen Städten zumeist eine große Rolle für den Ausbau.
Im 13. Jh also holten die böhmischen Könige deutsche Kolonisten ins Land, die ein großes System von Städten gründeten. Ihren Höhepunkt nahm diese Entwicklung und dem letzten Przemysliden, dem zweiten Ottokar, der 1278 im Kampf und die Kaiserkrone bei Dürnkrut an der March fiel, was für das Reich wahrscheinlich keine günstige Entwicklung bedeutete, indem dadurch der Weg für das wohl unfähigste Herrschergeschlecht, das sich über Jahrhunderte im Sattel zu halten vermochte, geebnet werden sollte - unsere Habsburger. Przemysl Ottokar war natürlich alles andere als ein unfähiger Idiot, seine Politik im späteren Ostpreußen wäre wohl von romantischen Nationalisten in den Himmel gehoben worden bzw von den modernen Antideutschen als rassistisch verdammt worden, hätte diesen primitiven Sichtweisen nicht seine halbtschechische Abstammung etwas im Wege gestanden. Die weitgehende Ausrottung der Pruzzen und die Gründung des nach ihm benannten Königsberg gehen stark auf sein Konto.
Wäre bei einem Sieg Ottokars die Geschichte anders verlaufen? Wäre nicht dann Prag bzw Böhmen das Zentrum des HRR, wäre also ganz Deutschland böhmisch geworden, mit allen denknotwendigen Auswirkungen (vor allem dass die Tschechen als Bewohner dieses Machtzentrums zu einer Art Oberschicht geworden wären und sich bereitwillig vermischt hätten)?
Noch 1945 bezeichnete der hochkriminelle (eine beträchtlicher Euphemismus) Klement Gottwald Ottokars Kolonisierung als historischen Fehler, der nunmehr rückgängig gemacht werden müsse (was natürlich auch in gewissem Sinne erfolgte).
Im 13. Jh entstanden also die allermeisten Städte in Böhmen neu). Sie dennoch aus heutiger Sicht als "deutsche" Städte zu bezeichnen, geht nicht an. Viele von ihnen hatten schon relativ bald, va in der Hussitenzeit, ihre Besitzer gewechselt und nahmen eine tschechische Entwicklung. Spätgotik, Renaissance, zwei wichtige Stile, die für böhmische Städte prägend wurden, erlebten diese Städte unter tschechischer Hoheit. Sogar auf üblicherweise zum deutschen historischen Besitzstand gezählte Städte wie Saaz oder Prachatitz trifft dies zu.
Wir müssen uns klar sein, dass wir hier nur den nackten Grundriss betrachten.
In Böhmen konkurrierten zwei deutsche Platzformen : der süddeutsche Längsmarkt und der sich erst mit der Ostkolonisation herausbildende ostdeutsche Zentralmarkt.
Zweifellos ist zweitgenannte Form in Böhmen überwiegend, dies auch dann, wenn der Stadtgrundriss von schwierige Geländeformen bestimmt wurde.
Beispiele für den Längsmarkt sind interessanterweise gehäuft in Ostböhmen anzutreffen, jedenfalls mehr als im Süden: Königgrätz, Jaromiersch, Leitomischel, Zwittau (bereits Mähren). Aber auch im Süden gibt es Beispiele: Taus, Wittingau, Zlabings. Bei Märkten ist diese Form überhaupt stark vertreten: Oberplan, Hohenfurth, Kalsching uva.
Typisch für die böhm. Länder ist der quadratische Ringplatz. Er findet sich im groß- wie im kleinstädtischen Bereich. (ideal: Budweis, riesig: Pilsen: 139 x 193). Daneben existieren auch Rechteckformen (Prachatitz, riesig: Iglau). Dieser "Ring" wurde so typisch, dass eine tschechische Neugründung im 16- Jh nur aus einem ummauerten Ringplatz bestand, und dies trotz ungünstiger Geländeformen, die die Ebenmäßigkeit des Platzes offenbar nicht beeinträchtigte: Neustadt an der Mettau,
Diese neuen Städte verdrängten idR nicht slawische Vorgängersiedlungen, sondern wurden in ihrer Nachbarschaft errichtet. Diese bekamen häufig das Attribut Alt- vorangesetzt.
Der Stadtumriss ist idR rund bzw oval. Mitunter zwingen die Geländeformen zu unregelmäßigen Lösungen, v.a bei Flussschlingen. In Nordmähren findet man auch viereckige Umrisse, zB M. Trübau und Neutitschein.
IdR standen die Monumentalbauten wie Großkirchen, Schlösser, nicht am bzw auf dem Ring, sondern etwas abseits. Aber auch hier gibt es Ausnahmen, wie die Bartholomäuskirche zu Pilsen, die quasi die Stadtmitte markiert, vgl auch Bischoftheinitz, Bechin, Jamnitz. Am (nicht auf dem) Ring stehen die Hauptkirchen in Taus, Königgrätz, Chrudim.