Bergungsgut von Abrissen nach 1945

  • Die Rettung der verbliebenen immobilen Kunstschätze aus den Trümmern Dresdens und Nürnbergs durch deren Einwohner in der Nachkriegszeit ist eine beeindruckende Demonstration bürgerlichen Gemeinsinns.

    Abseits vom Wahn der Politik- und Gesellschaftsutopien des 20. Jahrhunderts, zeugen diese Taten zur Bewahrung deutscher Kunst- und Kulturwerte von echtem Patriotismus; mehr als alle kruden Schriften der Herren Kommunisten und Nationalsozialisten zusammen, bewiesen diese Menschen echte Verbundenheit zu ihren Städten, wenn diese sie am dringendsten benötigten.

    Einfache Bürger, Kunsthistoriker, Beamte, Handwerker und Helfer transportierten in den Jahren 1945 bis 1950 so viele Kunstschätze aus den Trümmern der rauchenden Städte, dass eine vollständige Inventarisierung lange Zeit nicht möglich war.

    Am Beispiel Nürnbergs und mit Einblicken in das „Denkmalarchiv“, möchte ich eine Reihe eröffnen, die uns zeigen soll, welche Schätze in den gut gehüteten Räumen deutscher Städte lagern. Immer noch – 60 Jahre nach Kriegsende!

    Sicherlich gab es neben Dresden und Nürnberg ähnliche Tätigkeiten in anderen deutschen Städten. Es wäre sehr interessant, hier einmal zu sammeln, welche Städte ähnliche Vorgehensweisen durchführten
    (Recherche über Denkmalbehörde und Stadtarchiv).

    Leider muss man anmerken, dass viele in den chaotischen Verhältnissen der Nachkriegszeit gerettete Objekte heute jedoch unauffindbar sind oder unsachgemäß gelagert werden.

    Nachfolgend einige Bilder aus einem der Denkmalarchive in Nürnberg. Dort war vor zwei Wochen „Tag der offenen Tür“ und es war für mich ein „Alt-Nürnberg-Nirvana“. Ich verbrachte drei Stunden in den Räumlichkeiten und es kam mir vor wie zwanzig Minuten.

    Leider konnte auch nach Gesprächen mit den dort Verantwortlichen nur zu einem Bruchteil der Objekte eine Klassifizierung herausbekommen. Hier ist Arbeit angesagt...

    Jetzt aber einige Bilder (*?*: konnten vor Ort nicht eindeutig zugeordnet werden).

    und bitte im Hinterkopf behalten: die meisten Objekte die so "lieblos herumliegen", sind in der Regel 400 - 500 Jahre alt... also da war Berlin noch ein Dorf... :gg:

    Hier der erste Blick im Eingangsbereich:

    Nürnberger Reichsadler ohne Reich:

    Barocke Gartenfiguren aus den ehemaligen Hesperidengärten vor den Toren der Stadt (zerstört 1945)

    *?*

    *?*

    *?*

    *?*

    *?*

    Bergungskisten von 1945:

    geborgene Kachelöfen unterschiedlicher Epochen:

    Wand-und Deckenvertäfelung:

    gerettete Haus- und Wohnungstüren (von der weissen Farbe darf man nicht fälschlich auf das Alter schliessen...):

    *?* (rechts mehrere Fenster):

    zwei Bilder vom fehlenden Teil des "Schönen Zimmers" im Rathaus:

    *?*

    geborgene Friesbretter aus dem Hof Karlstrasse 23 (zerstört 1945), um 1530/1540:

    hier im Orginalzustand:

    *?*

    *?*

    Dutzendweise Tür- und Fenstergriffe, kleine Beschläge und sonstiges:

    Türbeschläge (meist aber von allen vorhandenen nur ein Muster gerettet - Altmetall?)

    Türbeschläge:

    Teile der Decke "Adlerstrasse 27"?:

    *?*

    *?*

    "Jungfrauenadler"

    *?*

    *?*

    Glocken evt. aus Nürnberger Kapelle (Moritzkapelle?):

    Wie gesagt, es wäre sehr Interessant, Infos aus anderen Städten zu bekommen. Ich bin mir sicher Nürnberg und Dresden sind keine Einzelfälle!

    Grüße aus Nürnberg

  • Extrem eindrucksvoll, aber wohl schlecht gelagert:
    alles wirkt nach durcheinander, schlecht gepflegt etc. . Konntest du viele Objekte deswegen nicht zuordnen, weil es nicht mehr bekannt ist, wo die Einzelteile herkommen, oder wurde dir die Info verweigert?

    Auf jeden Fall lagert hier viel Potential, man könnte die Öffentlickeit vielleicht mit Hilfe musealer Ausstellungen motivieren bzw. aktivieren.

  • Sauerländer
    Ja, das hat uns auch geschockt: Der nachlässige Umgang mit den Objekten. Es existiert z.B. wahrscheinlich auch gar keine vollständige Inventar-Liste, das muss man sich mal vorstellen!!
    Eigentlich fast ein Skandal, wie aus Geldmangel mit dem geschichtlichen Erbe Nürnbergs verfahren wird!

    Wir überlegen gerade, ob wir das privat machen können, aber naja, wir haben ja auch noch unsere regulären Berufe und immer nur am Wochenende Zeit. Ausserdem bräuchte man richtig Platz, um größere Objekte mal auszulegen, zu photographieren und in Ruhe einzuordnen... ein großes Zelt oder so.

    Also eine Recherche bezüglich Bergungsgut in eueren Städten würde sich bestimmt lohnen. Aber seid auf alles vorbereitet: Besser als in Nürnberg ist es wahrscheinlich nicht... Da braucht man dann als erstes mal Freiwillige zur Bestandsanalyse und dann mal weitersehen, wofür man die Öffentlichkeit Sensibilisieren kann... Ein langer Weg, aber das liegt bei unserem Thema sowieso in der Natur der Sache. Wichtig ist, das solche Objekte überhaupt noch da sind und vielleicht irgendwann wieder eingebaut werden können.

    Grüße

  • Das Problem hierbei ist die Zeit. Nicht alles ist photographisch festgehalten und die Zeitzeugen werden in den nächsten Jahren knapp...

    Danach ist eine eindeutige Zuordnung wohl unmöglich!

  • Sauerländer
    Ich denke, wir sind - realistisch gesehen - die letzten, die diese Arbeit noch einigermassen adäquat durchführen können. Eine oder zwei Generationen später werden wahrscheinlich die Mutmassungen überwiegen. Deswegen denke ich, wir sind es unseren Städten eigenlich schuldig... Wenn nicht wir, wer dann?

    In den nächsten Jahren sollte das schon angegangen werden - man kann sich ja nicht nur auf schriftliche/photographische Dokus verlassen, wie Du erwähnst!
    Und die Zeitzeugen werden wirklich langsam rar!

    Grüße

  • Interessant, welche Schätze in Nürnberg noch zu heben sind !
    Eine Schande für den Denkmalschutz, diese zum Teil herausragenden
    Funde in irgendeinem alten Keller verfallen zu lassen.
    Gehört diese Behörde nicht abgeschafft, wenn schon diese
    Kunstwerke nicht angemessen gelagert werden (können) ?

    Ich hoffe für Nürnberg, daß diese Kulturgüter schnellst möglich
    in die richtigen Hände (Altstadtfreunde) kommen und damit ein
    weiteres Teil im großen Nürnberger Puzzle hinzugefügt werden kann !
    :D

  • @ jürgen
    beeindruckend! danke für deine mühe. :)

    ja, ich denke auch, dass wir es jetzt angehen müssen! der verfall ist ebensowenig aufzuhalten wie das dahinscheiden der zeitzeugen!
    kann mann nicht einen raum mieten (oder wenn man ein stadtbekannter verein ist, vielleicht von der stadt bezahlt bekommen? oder dass die stadt einen raum stellt? öffentl. gebäude hat sie ja wohl) und diese dann einfach mal ausstellen mit wirkungsvollen zitaten, vergleichsfotos und spendenaufrufen? flyer / broschüren könnte man mit wenig geld- und zeitaufwand ebenfalls drucken und durch ehrenamtliche mitarbeiter in der ganzen stadt - in geschäften, behörden, kirchen, museen und in der einkaufzone verteilen? falls keine "austräger" vorhanden sind, macht einen aushang in einer örtlichen schule und bietet dafür ein wenig geld für's austeilen. schüler werden sich um solche kleine jobs scharen (wie ich es auch tu :) )

  • wunderbare und beeindruckende bilder! danke, jürgen.

    man sieht immer wieder, wieviel man noch machen könnte, wenn der politische willen da wäre. wobei ich durchaus auch für bürger-engagement bin, finde aber, dass ein staat, der beim bürger soviel geld eintreibt, sich auch um so etwas kümmern müsste. gut, aber das haben wir ja schon so oft geklagt und das ändert auch nichts. bauliche tradition gehört eben schon seit jahrzehnten nicht zu den unter politikern interessanten themen.
    inwieweit könnte aber der altstadtverein helfen? ich weiß natürlich, dass auch bei ihm das geld extrem knapp ist, aber könnte er einen gewissen anschub geben. warum könnte man nicht z.b. ein mehrjäriges projekt für studenten von kunstgeschichte, architektur, etc. daraus machen? das wäre sehr billig und würde allen helfen.

    sehr erfreulich ist auch, dass es noch einige teile vom schönen zimmer gibt. damit müsste eine rekonstruktion doch relativ problemlos möglich sein, oder?

    inwieweit in berlin noch solche objekte lagern, kann ich jetzt auf anhieb nicht sagen. kleine teile lagern im lapidarium und ich galube auch in der zitadelle spandau. ich meine auch mal gelesen zu haben, dass es irgendwo noch ein altes industrieareal gibt, auf dem noch objekte lagern. ach ja, und in den einzelnen museen in diversen kellern soll auch noch einiges liegen.

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • Antiquitus
    Bezüglich der Lagerorte in Berlin: Es gibt sicherlich viel viel mehr als in Nürnberg, aber das ist nur mit sehr viel Aufwand herauszubekommen (andererseits auch eine klasse Zeitbeschäftigung... :D ). Schon in Nürnberg mit seinen knapp 500.000 Einwohnern gab es zeitweise bis zu 6 verschiedene Bergungsstellen, deren Objekte im Laufe der Jahrzehnte immer wieder verlagert wurden.

    Bei 3,5 Mio Einwohnern in Berlin kann man getrost von mindestens 20 Orten ausgehen (ist aber natürlich nur eine Schätzung, klar...).

    Grüße

    Jürgen

  • Sieht sehr interessant aus...SO viele Kleinigkeiten, wie diese Türbeschläge und so...Was davon wohl jemals wieder das Tageslicher erblicken wird...?

    Ich habe mit schon öfters vorgenommen, hier in's Lapidarium zu gehen, aber irgendwie ist nie was daraus geworden...

    Wo sonst noch Fragmente stehen? Da fällt mir nue die Ruine des Franziskanerklosters ein. Da stehen ein Paar Einzelteile vom Schloss...

    Und dann noch die hier im Schlosspark...

    BTW Weiß jemand, was diese ganzen Statuen hier sollen? Die stehen auch in Charlottenburg...Gehören die auch zum Schloss oder zu anderen Bauten...?

  • In Nürnberg gibt es auch einige Stellen, an denen urplötzlich historische Fragmente stehen, oder angebracht sind, bei denen kein Betrachter so richtig versteht, wie die dahin kommen, oder was die da sollen... Wie schon erwähnt, wurde ja direkt nach dem Krieg in ganz Deutschland so viel aus den Trümmern gezogen, dass man gar nicht mehr wusste, wohin damit. Die gesammelten Fragmente der Frauenkirche sind da nur ein prominentes Beispiel das jeder kennt. Das mit den Statuen ist eindeutig so ein Fall, da wette ich.

    Schon mal überlegt, das die Dinger völlig ungeschützt im Freien stehen?

    Bei den geborgenen Teilen des ehemaligen Hirsvogelsaals, hat man mehrere Jahrzehnte genauso verfahren. Das Resultat seht ihr hier:

    Das Hirsvogelsaal – die entschiedenste Renaissance in Nürnberg (Zustand 1945):

    Die vom Denkmalpfleger 1951 zur Bergung vorgesehenen Teile am Hirsvogelsaal:

    Stierschädel, Schalen und Girlanden am tadellos erhaltenen Kranzgesims:

    Zwei Relikte, entdeckt im Jahre 2004 - bei näherer Betrachtung eindeutig als Teile vom Hirsvogelsaal identifizierbar:

    Bild 1:

    Bild 2:

    Die Fragmente müssen – obwohl nach 1945 gerettet – mehrere Jahrzehnte mit der Reliefseite nach oben im Freien gelagert worden sein. Anders ist eine solche Erosion der Arbeiten nicht zu erklären!

    @antiquitus@ben
    Bezüglich dem Lapidarium: Meint ihr, dass man da mal rein könnte und Bilder machen kann? Würde mich brennend interessieren, was vom alten Berlin noch zur Verwendung da ist.

    Grüße


    PS: Man hat das innere des Hirsvogelsaals 2001 grandios rekonstruiert, aber auf das Äußere verzichtet. Begründung der Stadt war damals, daß keine Orginalteile mehr vorliegen... :wuetenspringen:

  • @ben
    Antiquitus
    Na also dann: Battery Pack laden und ab geht er... :gg:
    Wie gesagt: würde mich brennend interessieren wie es dem Bergunsgsgut in Berlin so geht... ob das auch so ein Hinterhofdasein fristen muss?

    Was ich noch erwähnen muss: Die richtig wertvollen Teile wurden in Nürnberg natürlich in die Archive des Germanischen Nationalmuseums verbracht, das ist klar. Solche Kulturbanausen sind die Nürnberger dann doch wieder nicht, dass sie ihre Originale von Kraft, Vischer oder Stoss so herumliegen lassen...

    Aber andererseits: Wer weiss, welche Geheimnisse noch gelüftet werden können und ist dieses "Füllmaterial von eher unbekannteren Künstlern" für das abgerundete und stimmige Gesamtbild einer Stadt nicht am wichtigsten?
    Also verdient am meisten, wieder angebracht zu werden?

  • Zitat von "Jürgen"

    @ben
    Antiquitus
    Na also dann: Battery Pack laden und ab geht er... :gg:

    Jo, da warte ich auch schon länger drauf, dass er von diesen Dingen dort Bilder macht! :gg:

  • nun ja, ins lapidarium möchte ich schon seit langer zeit. bin auch schon ein, zwei mal dran vorbeigekommen, aber halt noch nie rein. wird schon noch kommen. und ja, die kamera nehme ich freilich mit. ;)

    jürgen,
    wie sieht denn der hisrvogelsaal jetzt äußerlich aus? könnte man in nachträglich rekonstruieren?

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • Zitat von "Jürgen"

    PS: Man hat das innere des Hirsvogelsaals 2001 grandios rekonstruiert, aber auf das Äußere verzichtet. Begründung der Stadt war damals, daß keine Orginalteile mehr vorliegen... :wuetenspringen:


    Nunja... "rekonstruiert" ist nicht ganz der richtige Ausdruck, schließlich waren die Holzvertäfelungen von Peter Flötner und das Deckengemälde von Georg Pencz noch erhalten. Ich nehme an, daß der Fußboden und die Fenster nicht mehr original sind. Deswegen würde ich von einer Teilrekonstruktion sprechen.

  • da ich mich auch nicht zu den authentizitäts-fanatikern zähle, stört es mich kaum, dass die rekonstruktion insgesamt sich aufschlüsselt in originalteile, neue teile nach altem vorbild (soz. die reinste form der reko ;) ) und neue teile, die nur ans alte angelehnt bzw. mit ihm verträglich sind.
    organisches bauliches fortschreiten ist auch hier das beste konzept. besser kann man nicht rekonstruieren.

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • In meiner Bemerkung sollte auch keine Bewertung drinstecken. Ich wollte nur den Eindruck vermeiden, daß der Hirsvogelsaal ein komplette Rekonstruktion ist (wie etwa das Bernsteinzimmer, zumindest zum allergrößten Teil). Wie gesagt: keine Bewertung, nur Information.

  • Er wurde schon rekonstruiert!

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Zitat von "Norimbergus"


    In meiner Bemerkung sollte auch keine Bewertung drinstecken. Ich wollte nur den Eindruck vermeiden, daß der Hirsvogelsaal ein komplette Rekonstruktion ist (wie etwa das Bernsteinzimmer, zumindest zum allergrößten Teil). Wie gesagt: keine Bewertung, nur Information.

    hatte das missverständnis befürchtet, aber das "auch" in "da ich mich auch nicht zu den authentizitäts-fanatikern zähle" war sicherheitshalber auf dich gemünzt. kam aber wohl nicht so rüber...
    ich weiß, dass bei dir vermutlich keine wertung drinsteckte, aber wenn wir schon dabei sind, was wäre denn deine wertung? ;)

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.