Leipzig - Lindenauer Markt und Kaufland-Projekt

  • Zitat von "ursus carpaticus"

    Bei historistischer Massenware hingegen treten derartige Probleme nicht auf.

    Der Beweis steht noch aus. Gibt bisher nicht allzuviele Gründerzeitrekos. :zwinkern:

    Da ich mich persönlich immer für Weiterentwicklung und Perfektionierung ausgesprochen habe, wäre ich natürlich gerade bei quantitativer Massenware bescheidener Qualität (aus welchem Zeitraum auch immer, der Historismus hatte ja bekanntlich nur das Pech, Unmengen an Wohnraum zu günstigen Preisen schaffen zu müssen!), nicht unbedingt für die Wiederherstellung eines mittelprächtigen Zustandes, sondern stattdessen für eine aufgewertete und qualitätvollere Version. Hier könnte man aus der Zerstörung gar Nutzen ziehen und es eines Tages besser machen. Und zwar unter den Bedingungen, die der Historismus damals eigentlich verdient gehabt hätte. Der Glaube an eine solche Entwicklung fehlt mir natürlich.

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

  • Diejenigen unter uns,die tagtäglich mit Bauen zu tun haben, werden bestätigen können, dass man in der heutigen Zeit ein derartiges Haus nicht ohne weiteres nachbauen kann. Theoretisch ist dies zwar denkbar, käme aber heute einer Einzelanfertigung gleich, dem gleichen Aufwand, mit dem man in der Renaissance ein besonderes Renaissance-Haus schuf. Dies liegt einfach daran, dass diese Art zu Bauen in der Gründerzeit Standard war, der heutige Standard aber ein ganz anderer ist (kein handwerkliches Bauen mehr, sondern ein industrielles Bauen). Diejenigen, die sich intensiver mit der Materie befasst haben, werden auch zugeben, dass Rekonstruktionen oft im Detail erheblich vereinfacht sind, weil einfach ganz andere Baukonstruktionen dahinter stehen. Von der fehlenden Geschichtlichkeit, die nicht reproduzierbar ist, ganz zu schweigen.
    Also: Die Zerstörung jedes Originals ist ein Verlust, meine ich.
    Übrigens wäre dies Haus in meiner westdeutschen Heimat das mit Abstand schönste Haus des ganzen Stadtviertels gewesen. Und hier bei den Ossis rufen ganz viele in den Wald, dass man ruhig weiter abreissen kann, weil ja angeblich alles reproduzierbar ist.

    Was mich noch viel mehr ärgert, ist die fehlende Wertschätzung gegenüber dem Alten. Noch in der Gründerzeit war es ein rein handwerkliches Bauen. Wenn auch die Steine vielleicht schon industrielle gefertigt wurden, so ist vieles andere wirkliche Handarbeit. Die vielen Türen und Fenster sind alle einzeln angefertigt und sauber eingebaut, die dafür notwendige Man-Power gäbe es heute gar nicht mehr, von dem fehlenden Know-How ganz zu schweigen. Vor Ort auf der Baustelle wurde alles sorgfältig angepasst, so dass alles Fügungen perfekt passten. Jede Stuckdecke ist für den Raum eigens gemacht, freilich gab es hier gewisse Wiederholungen.
    In unserem heutigen Zeitalter, in dem handwerkliche Arbeit nichts mehr wert ist, denken alle, das wäre alles so einfach gewesen wie ein paar Maus-Klicks am Computer (gell, Dase?)

  • yungi schrieb:
    Der Beweis steht noch aus. Gibt bisher nicht allzuviele Gründerzeitrekos.


    Ich kann da nur von Wien reden - da gibt es ein prominentes Beispiel. Und es ist wirklich ganz problemlos gelungen, durch nichts zu unterscheiden.
    Den Wiener Barockrekos merkt man hingegen mitunter eine gewisse Synthetizität an (Naglergasse, Am Hof...).

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • @ Leipziger: hier geht es nicht um die Wertschätzung für das Gebäude an sich, und auch nicht um die sicherlich Handgearbeiteten Türen, Treppengeländer etc. im Inneren. Ausgangsforderung war, die industriell gefertigten Fassadenornamente vor Abriss abzumontieren und einzulagern. Erstens sehen wir an hunderten teilrekonstruierten Gebäuden in [lexicon='Leipzig'][/lexicon], dass weitaus komplexere und individuellere Ornamente in gleicher Qualität wiedererstehen können (oh Wunder, die werden nicht am 3D-Plotter ausgedruckt, sondern tatsächlich auch heute noch von Handwerkern händisch gearbeitet), zweitens macht es aufwandsseitig keinen Unterschied, ob neue oder eingelagerte Ornamente an einen Neubau angebaut werden.

    Dass das Original stets über jedweder Reko steht, ist doch vollkommen unbestritten, nur sollte man bei einem Arbeiterwohnhaus doch mal die Kirche im Dorf lassen. Jeder Euro, den man hierfür ausgegeben hätte (unter der Prämisse, dass der Abriss beschlossene Sache war), wäre ein Euro weniger für noch existierende Baudenkmäler. M.E. kann man das durchaus als scheinheilig beurteilen.

  • Zitat von "LE Mon. hist."

    Hier noch Fotos von der Demmeringstraße 12 während des Abrisses am Freitag morgen.


    Ist das nicht Henricistraße 12?
    http://www.bing.com/maps/?v=2&cp=sjpmytj0v6xs&scene=10797042&lvl=2&sty=b&where1=Henricistra%C3%9Fe%2012%2C%2004177%20Leipzig\r
    http://www.bing.com/maps/?v=2&cp=sjpmyt ... %20Leipzig

    Zitat von "Dase"

    Ausgangsforderung war, die industriell gefertigten Fassadenornamente vor Abriss abzumontieren und einzulagern. Erstens sehen wir an hunderten teilrekonstruierten Gebäuden in [lexicon='Leipzig'][/lexicon], dass weitaus komplexere und individuellere Ornamente in gleicher Qualität wiedererstehen können (oh Wunder, die werden nicht am 3D-Plotter ausgedruckt, sondern tatsächlich auch heute noch von Handwerkern händisch gearbeitet), zweitens macht es aufwandsseitig keinen Unterschied, ob neue oder eingelagerte Ornamente an einen Neubau angebaut werden.

    Dass das Original stets über jedweder Reko steht, ist doch vollkommen unbestritten, nur sollte man bei einem Arbeiterwohnhaus doch mal die Kirche im Dorf lassen. ...


    Diese Argumentation verstehe ich nicht wirklich, auf der einen Seite sind das "abwertend" industriell gefertigte Ornamente, auf der anderen Seite werden diese "industriell" gefertigten Teile heute "händisch" gearbeitet. Als ob da in der Gründerzeit nicht auch "händisch" gearbeitet wurde. Natürlich wurden da auch Grußformen herangezogen, aber damals war es eben immer noch mehr "Handwerk" als es je heute sein wird. Welche Ornamente eines Gründerzeithauses wurden überhaupt je eingelagert? Nur weil es vielleicht, so scheint es, noch solche Häuser in Hülle und Fülle gibt, meint man nichts einlagern zu müssen.
    Die Einlagerung gründerzeitlicher Spolien behindert (kostenmäßig) mit Sicherheit nicht andere Rekos (auch Teilrekos), das ist erstmal eine pure Behauptung, ebenso dass es sich beim abgerissenen Haus um ein sog. Arbeiterwohnhaus handelt. Der Begriff "Arbeiterwohnhaus" ist so dehnbar wie Gummi. Dieser Begriff soll doch nur die "Wertlosigkeit" dieses Gebäudes unterstreichen. Alle gründerzeitlichen Wohnhäuser in den Größstädten dieser Art waren "Arbeiterwohnhäuser". Dann wären alle anderen auch nichts wert. Die Art von Arbeiterhäuser, die damit vielleicht gemeint sind, gab es früher hier im Ruhrpott, die waren wirklich nichts wert. Kein Vergleich zu dem doch reichlich verzierten "Mittelstands-Arbeiter-Angestellten Wohnhaus" in der Henricistraße 12.

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • Fassadenrekonstruktionen gelingen nur, wenn es sich um eine Instandsetzung handelt, bei der die ursprüngliche Fassade noch ausreichend vorhanden ist, dass Profile und Details abgeformt werden können.

    Komplettrekonstruktionen gehen ganz oft im Detail daneben, man schaue sich in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] jenes spätklassizistische Gebäude an Grimmaischenstraße Ecke Universitätstraße an, dessen in den 1930er Jahren vereinfachte Fassade nach Abbruch 2006 nach älteren Fotos von ca.1900 rekonstruiert wurde: viel zu Detailarm (Konsolen fehlen usw.), viel zu flach. Und dadurch, dass zwei Gebäude (an der Universitätsstraße) optisch zu einem zusammengefaßt wurden, ohnehin unhistorisch. Darüber hinaus ist jetzt alles Putz, früher waren es wirkliche Sandsteingewände an den Fenstern.
    Im übrigen sind solche Rekonstruktionen absolute Einzelfälle. In Stadtteilen wie Lindenau undenkbar, auch in Zukunft, es sei denn, das heutige standardisierte Bauen gerade im Wohnungsbau mit großformatigen Steinen, Standard-Fensterstürzen und Rolladenkästen usw. würde abgeschafft. Damit ist jedoch nicht zu rechnen.

  • @ Leipziger

    Was macht diese Gebäude so besonders, dass ausgerechnet hier (mal von der von dir bereits angesprochenen Stadtteillage abgesehen) eine künftige Rekonstruktion auch nur angedacht werden sollte? :schockiert:

    @ Aedificium

    Zitat

    auf der einen Seite sind das "abwertend" industriell gefertigte Ornamente, auf der anderen Seite werden diese "industriell" gefertigten Teile heute "händisch" gearbeitet. Als ob da in der Gründerzeit nicht auch "händisch" gearbeitet wurde. Natürlich wurden da auch Grußformen herangezogen, aber damals war es eben immer noch mehr "Handwerk" als es je heute sein wird.

    Ehemals industriell gefertigte Bauteile werden heute meist handgefertigt. Sollte wieder ein massenweiser Bedarf entstehen wie vor 100 Jahren, würde aber sicherlich wieder eine industrielle Fertigung erfolgen.

    Zitat

    Dieser Begriff soll doch nur die "Wertlosigkeit" dieses Gebäudes unterstreichen.

    Es geht hier nicht um Wertlosigkeit, sondern um Relationen. Und ja, wenn du es schon in eine Wertigkeitsskala einordnen willst, so steht bei mir ein industriell gefertigtes Fassadenelement, dass so an etichen Gebäude der Umgebung zu finden ist, im künstlerischen Wert unter einem Gebäude, dessen Ornamente explizit für dieses Entworfen und schliesslich handwerklich geschaffen wurden.

    Zitat

    [...]Die Einlagerung gründerzeitlicher Spolien behindert (kostenmäßig) mit Sicherheit nicht andere Rekos (auch Teilrekos), das ist erstmal eine pure Behauptung [...]

    Ich sprach von der Sicherung existierender Gebäude, nicht von Rekos. Wer soll denn das Einlagern bezahlen? Die Stadt. Wer finanziert das städtische *hust* Gebäudesicherungsprogramm? Die Stadt. Wer hat kein Geld ohne Ende? Die Stadt. Jeder Cent, der in eine solche Aktion gesteckt wird, fehlt bei der städtischen Unterstützung dieses und anderer Programme (Selbstnutzer, Wächterhäuser), die tatsächlich noch existierende Baudenkmäler vorm Abriss bewahren.

    Zitat

    [...]pure Behauptung[...] dass es sich beim abgerissenen Haus um ein sog. Arbeiterwohnhaus handelt

    Auch zu Gründerzeiten waren Arbeiterwohnhäuser in Vierteln wie Lindenau einfacher gearbeitet als Bürgerhäuser im Waldstraßen- oder graphischen Viertel. Dies betrifft zunächst die Konstruktion an sich, Dicke und Aufbau von Decken und Wänden, aber nicht zuletzt auch die künstlerische Qualität von Ornamenten. Das ist eine simple Tatsache, kein Abwerten.

    Zitat

    Welche Ornamente eines Gründerzeithauses wurden überhaupt je eingelagert?

    Mir fielen da spontan die Karl-Heine Ecke Zschochersche Straße ein oder die herabgestürzten Teile der Waldstraße Ecke Feuerbachstraße, die bis zur Sanierung eingelagert wurden.

  • Hier noch die entsprechende Pressemitteilung des Stadtforums vom 16.02.2010 (die Genehmigung zur Veröffentlichung an dieser Stelle liegt mir vor):

    Stadtforum [lexicon='Leipzig'][/lexicon] fordert eine Perspektive für den Lindenauer Markt anstelle eines Kaufland-Centers

    Seit über zehn Jahren blockiert am Lindenauer Markt das Projekt für ein Kaufland-Center die dringend notwendigen Ansätze für eine nachhaltige, kleinteilige Entwicklung. Verwaltung und Stadtrat werden aufgefordert, das Vorhaben nun endgültig zu den Akten zu legen und damit endlich den Weg frei zu machen für eine vernünftige Entwicklung des Marktes sowie der angrenzenden Straßenzüge.

    Mit guten Gründen hat sich die Stadt in ihrem neuen Stadtentwicklungskonzept (SEKO) davon verabschiedet, Kaufkraft in solche Center zu lenken. Ziel soll nun eigentlich die Stärkung von integrierten Standorten, wie den Magistralen und eben den alten Ortsteilzentren mit einer Ballung kleinteiliger Einheiten sein. Weiter sollten Denkmalabbrüche für derartige Einzelhandelsprojekte nicht mehr vorkommen. Kaufland-Märkten fielen in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] bereits der alte Straßenbahnhof in Reudnitz oder die alte Brauerei in Gohlis zum Opfer, beides Denkmale von weit überlokaler Bedeutung.

    Das mit ca. 3.800 m² Verkaufsfläche geplante Center mit großem Parkdeck soll täglich ca. 10.000 Kunden anziehen, die zu großen Teilen aus anderen Stadtvierteln und unter den motorisierten Umland-Pendlern gewonnen werden sollen. Für die damit verbundenen Verkehrsprobleme sind tragfähige Konzepte weder vorgesehen, noch eigentlich denkbar. Dem Vorhaben fiel in der vergangenen Woche bereits das denkmalgeschütztes Wohnhaus Henricistraße 12 zum Opfer. Drei weitere denkmalgeschützteund zum Teil voll sanierte Wohn- und Geschäftshäuser unmittelbar am Markt sollen bis zum April folgen. Die teilweise gut vermieteten Häuser wurden gezielt leer gezogen,
    Mietanfragen von Gewerbetreibenden seit längerem abgewehrt. Erhalten bleiben sollen die mehrstöckigen Fassaden vor einer ansonsten zweigeschossigen Bebauung. Die ansonsten belanglosen straßenzuglangen Außenwände des Centers sowie der Kunden- und Lieferverkehr werden das gesamte Viertel nachhaltig beschädigen. Sanierungen, Vermietungsaussichten und bereits konkretisierte Stadthausplanungen sind massiv gefährdet. Durch die erheblichen Kaufkraftverschiebungen werden die umliegenden Einzelhandels- und Dienstleistungsbetriebe in ihrem Bestand bedroht, wie nicht zuletzt die Erfahrung mit Kaufland in Reudnitz bewiesen hat.

    Wolfram Günther (Sprecher): "Das Projekt ist ein Planungsfossil aus einer längst vergangen geglaubten Zeit. Eigentlich dürfte so etwas heute gar nicht mehr ernsthaft diskutiert werden. Dem Nutzen ganz weniger Projektbetreiber stünden immense wirtschaftliche Verluste und Verluste von Lebensqualität eines ganzen Stadtteils gegenüber. Die Reduzierung stadtbildprägender Baudenkmale auf eine mehrstöckige freistehende Fassade in der Art von Western-Kulissen ist der Stadt [lexicon='Leipzig'][/lexicon] unwürdig und geradezu absurd."

    Alexander Khorrami (Sprecher): "Neue Supermärkte können auch ein Gewinn für ihr Viertel sein. Doch dazu müssen sie eine standortgerechte Größe und Architektur haben. Wie das funktioniert, hat in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] wiederholt der Konsum gezeigt, etwa in der Könneritzstraße. Am Lindenauer Markt könnte ein Markt mit 800 m², vielleicht 20 Stellplätzen und einer hochwertigen zum Markt orientierten Fassade diese Funktion erfüllen."

    http://www.stadtforum-leipzig.de

  • Die Entscheidung über den Kaufland-Bau am Lindenauer Markt (B-Plan Nr. 286 "Stadtteilzentrum Lindenauer Markt") wird in etwas mehr als einem Monat auf der Stadtratssitzung am 24.03.2010, ab 14:00 Uhr, gefällt. Bis dahin wird es vermutlich noch weitere öffentliche Diskussionen und Meinungsbekundungen geben, die hoffentlich zur Meinungsbildung der Leipziger Stadträte beitragen können. Die eine Nachfrage oder der andere Hinweis an die Fraktionen kann da durchaus noch Berücksichtigung finden: http://www.[lexicon='leipzig'][/lexicon].de/de/buerger/politik/stadtrat/fraktionen/\r
    www.[lexicon='leipzig'][/lexicon].de/de/buerger/politi ... raktionen/

    Bisher hat sich meines Wissens nur die SPD-Stadtratsfraktion öffentlich erneut positioniert, sie bzw. ihr Lindenauer Stadtrat Christian Schulze befürwortet die Ansiedlung eines Kaufland-Centers.

    [lexicon='Leipzig'][/lexicon], den 17. Februar 2010
    Stadtteilzentrum stärken, Umfeld positiv entwickeln
    SPD-Stadtrat befürwortet Kaufland-Center am Lindenauer Markt
    http://www.spd-fraktion-leipzig.de/presse/1096-st…5b49c5a2d5fec2e

    Dazu auch:
    Für ein starkes Stadtteilzentrum und ein positives Umfeld: SPD-Stadtrat befürwortet Kaufland-Center am Lindenauer Markt
    LIZ, Daniel Thalheim, 18.02.2010
    http://www.l-iz.de/Politik/Brennp…auer-Markt.html

  • LIZ, Daniel Thalheim, 21.02.2010
    Kaufland in Lindenau: Für Siegfried Schlegel braucht der Stadtteil einen Einkaufsmarkt
    http://www.l-iz.de/Politik/Brennp…kaufsmarkt.html

    Ich finde es hochinteressant, dass Siegfried Schlegel wie schon zuvor Christian Schulze (SPD) überhaupt nicht auf die konkreten Kritikpunkte unter anderem des Stadtforums eingeht, sondern stattdessen nur die gleichen Worthülsen wie seit Jahren ausspuckt. Da werden immer noch Schlachten geschlagen, die schon längst entschieden sind. Wer baut und plant denn in und um [lexicon='Leipzig'][/lexicon] noch "überdimensionierte Handelsflächen auf der 'grünen Wiese'"? [Geplante Outlet-Center an der A9 haben mit dem Thema Kaufland nichts zu tun, das läuft unabhängig von der Stadt [lexicon='Leipzig'][/lexicon] und vom Lebensmittelsektor.] Warum serviert man immer noch die Begründungen gegen eine Entwicklung, die schon längst gestoppt ist? Die drohende Verödung der Innenstädte fürchtet ja nun wohl keine_r mehr ( http://www.deutsches-architektur-forum.de/forum/showthre…1749#post251749 ).

    Insgesamt ist der Tenor: Wir haben bislang nicht nur am Lindenauer Markt immer alles richtig gemacht und dafür auch Preise eingestrichen. Also stört nun unsere Kreise nicht. Wir haben nun schon jahrelang im Stadtplanungsamt und Stadtrat abgewogen und nun wollen wir das Ding endlich vom Tisch haben.

    Mit keiner Silbe wird die kritisierte Größe des Marktes angesprochen und auch nicht der Vorschlag, an der Stelle durchaus einen Lebensmittelmarkt, aber eben einen deutlich kleineren zu bauen. Es wird so getan, dass die Entscheidungsmöglichkeit nur dieses Riesen-EKZ oder gar keine Einkaufsmöglichkeit heißt.

    Kurioserweise steht in der Stellungnahme: "Von Anbeginn konnte sich der Planungsausschuss an diesem Standort aber keine, andernorts so 'beliebte' und noch in Mode befindliche 'Mall' vorstellen – besser als Einkaufshöhlen zu bezeichnen." Was anderes als eine solche "Einkaufshöhle" mit kleiner "Mall", drei nahezu geschlossenen Fronten zu Henricistraße und Kuhturmstraße und Parkdeck darüber soll denn dort entstehen? Schlegel spricht von einem angeblich vorgesehenen „Zugang auch von der Straßenseite“ aus. Sieht man mal von den beiden Nebeneingängen direkt um die Ecke vom Haupteingang ab gibt es einen solchen zumindest auf den veröffentlichen Plänen nicht:
    http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp4/kais02.nsf/docid/DECA43B1DC8FA661C1257248002969FA/$FILE/IV-ds-2266-anlagen.pdf

    Völlig absurd wird es allerdings, wenn dann steht: „Der gemütliche Flanier-Charakter soll also bleiben, ohne für einen Kaugummi oder ein Brötchen in den Supermarkt stiefeln zu müssen.“ Wenn Herr Schlegel mal wieder auf dem Lindenauer Markt gewesen wäre, hätte ihm vielleicht auffallen können, dass die nächsten beiden Bäcker nur ein paar Meter weiter an der gleichen Seite des Marktes liegen, man die verschiedensten Kaugummisorten an mehr an einem halben Dutzend Läden rings um den Markt bekommt und der kleine Konsum an der Ecke Demmeringstraße/Rabenerstraße genau das schon längst bietet. Und 3.800 m² Verkaufsfläche für ein paar Brötchen und Kaugummis?

    Dass es hier darum geht, ein Planungsfossil doch noch zu reanimieren und die Entwicklungen der letzten Jahre völlig ausgeblendet werden zeigt meines Erachtens der letzte Satz am allerdeutlichsten. „Unter vielen Leipzigern können sich auch einige Stadträte noch gut daran erinnern, dass beispielsweise Bewohner des Waldstraßenviertels immer überlegten, ob sie in der „Stadt“ (Zentrum) oder in Lindenau größere Einkäufe tätigen. So gab es in der Merseburger Straße sogar zwei Kaufhäuser, den jetzt umgenutzten „Josef-Konsum“ an der Karl-Heine-Straße und eines an der Ecke Demmeringstraße, das zuletzt durch Karstadt bis Anfang der Neunziger Jahre betrieben wurde.“ Da muss man sich schon mühevoll daran erinnern, denn mit der aktuellen Situation im Waldstraßenviertel hat diese Beschreibung nichts zu tun. Es gibt einen Konsum an der Jahnallee, ein weiteren in der Waldstraße und noch einen in der Sebastian-Bach-Straße, den Netto am Ranstädter Steinweg und einen ALDI in der Elsterstraße. Ein weiterer Supermarkt soll nun im Haus [lexicon='Leipzig'][/lexicon] in der Elsterstraße entstehen. Hinzukommen zahlreiche kleinere Läden in der Jahnallee, Waldstraße und in den Nebenstraßen und es werden immer wieder neue eröffnet. In Lindenau, aber auch in Plagwitz, Schleußig und Leutzsch ist die Nahversorgungslage bekanntlich nicht schlechter.

    Allerdings lenkt Siegfried Schlegel freundlicherweise den Blick wieder auf einer der Kernfragen, die ungelösten Verkehrsproblematik. Wie gelangen die Bewohner_innen des Waldstraßenviertels für ihre „größeren Einkäufe“ an den Lindenauer Markt? Werden sie, wenn sie dafür mit dem Auto und nicht mit der Straßenbahn fahren, den vorgesehenen Schlenker über Lützner Straße und Kuhturmstraße nehmen oder einfach gerade aus durch die verkehrsberuhigte Zone am Straßenbahnhof Angerbrücke brettern? Und wie kommen sie nach dem Einkauf eigentlich wieder nach Hause? Von der Zschocherschen Straße aus darf man bekanntlich nicht nach links auf die Lützner Straße abbiegen. Also über die Verlängerung der Jahnallee oder den Bogen über Zschochersche Straße, Karl-Heine-Straße und Käthe-Kollwitz-Straße? Oder wie anders?

    Zumindest bei mir bleibt der Eindruck, dass der offensichtliche Unwillen einiger Stadträte, sich mit konkreten Einwänden des Stadtforums und nicht weniger Anwohner und Bürgerinnen Leipigs zu diesem Vorhaben zu beschäftigen und diese stattdessen pauschal als gegenstandslos und „fortschrittsfeindlich“ abzubürsten bzw. mit den immer gleichen Allgemeinplätzen abzutun, kein gutes Licht auf deren Arbeit wirft.

    Aber auch Daniel Thalheim von der LIZ tut das Seinige hinzu mit zumindest missverständlichen, meines Erachtens eher den wahren Sachverhalt verschleiernden Bildunterschriften wie "Häuser, zur Entkernung vorgesehen." Unter einer Entkernung verstehe ich, alle Einbauten und die eine oder andere Zwischenwand zu beseitigen. Von vier Wänden drei zu beseitigen und nur die Fassade stehen zu lassen gehört meines Erachtens nicht unter die Rubrik Entkernung, sondern unter (Teil)-Abbruch.

    Die tatsächlich wenig attraktive Park- und Brachfläche an der Henricistraße, die auch als Standort für den kleineren Einkaufsmarkt vorgeschlagen wurde, wird als "geplanter Standort: Freifläche am Lindenauer Markt" angepriesen. Dass die "Schon vor Jahren von Häusern beräumt(e) [...] Freifläche an der Kuhturmstraße" ebenfalls überbaut werden soll, muss man dagegen schon selbst wissen.

  • Am 11.3.2010 wird von 19:30 bis 21:15 Uhr im Großen Saal im Theaterhaus am Lindenauer Markt eine moderierte Podiumsdiskussion zum Thema „EinKaufland Lindenauer Markt!“ von der Lindenauer Bürgerinitiative veranstaltet.

    LIZ, Daniel Thalheim, 06.03.2010
    Podiumsdiskussion zum Center am Lindenauer Markt: Stadträte, Stadtplaner und Kaufland werden sich den Bürgerfragen stellen müssen
    http://www.l-iz.de/Politik/Brennpunkt/2010/03/Podiumsdiskussion-zum-Center-am-Lindenauer-Markt.html\r
    http://www.l-iz.de/Politik/Brennpunkt/2 ... Markt.html

    Verlinkt wird in dem Artikel unter "mehr zum Thema" ein etwas älteres, aber immer noch lesenswertes Interview mit Hermann Knoflacher (69), Professor an der Technischen Universität Wien und Vorstandsmitglied des Instituts für Verkehrsplanung und -technik

    LIZ, Daniel Thalheim, 05.05.2009
    Prof. Dr. Hermann Knoflacher im Interview: Wie kommen die Shopping Center wieder aus der Stadt?
    http://www.l-iz.de/Wirtschaft/Mobilit%C3%A4t/2009/05/Prof.-Dr.-Hermann-Knoflacher-im-Interview.html\r
    http://www.l-iz.de/Wirtschaft/Mobilit%C ... rview.html

  • Ich arbeite als Restauratorin für Wandmalerei und Grafikerin. Zum Thema Massenware Gründerzeit. Auf den ersten Blick scheint da was dran zu sein. Schemata wiederholen sich, ebenso Grundrißlösungen. Was ich in meinem Job aber als absolut erstaunlich erlebt habe, ist der Umstand, daß es bei den Innendekorationen der Häuser eine nie dagewesene Individualität gegeben hat. Seit der Wende sammle und dokumentiere ich Dekorationsmalerei aus Leipziger Häusern. Meine Sammlung umfaßt ungefähr 1800 Motive von Spätklassiszismus bis Art Deco. In den ganzen dreißig Jahren sind mir höchstens mal 5-10 doppelte Motive vorgekommen. Jedes Haus hat eine eigene, individuelle Bemalung und Dekoration. Ein unglaublicher Schatz.

  • Die Diskussion ist jetzt schon ein bisschen alt, ich möchte aber dennoch hier meinen Senf dazugeben. In der Vergangenheit hatte ich das auch geglaubt - von wegen Gründerzeit ist nichts wert und wurde industriell gefertigt. Das verträgt sich allerdings nicht mit meinen persönlichen beruflichen Erfahrungen. In der Tat ist es so, daß Dinge oberflächlich betrachtet gleich oder ähnlich SCHEINEN, es aber bei weitem nicht sind. Nicht einmal ansatzweise.

    Ich bin Restauratorin für Wandmalerei und dokumentiere seit der Wende historische Ornamente, Muster und Schablonen. Mein Musterbestand umfaßt 1800 Ornamente. Dabei hatte ich im Verlauf von 20 Jahren Freiberuflichkeit höchstens 5-8 Doppelte. Das heißt: jedes Gebäude, jedes Haus ist einzigartig. Jedes Haus ist eine Einzelanfertigung.