"Ein Sporttempel für einen totalitären Staat"

  • Interview in der NZZ: Ein Architekt versucht es sich schönzureden, dass er für eine Diktatur baut...

    Quelle: http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/literatur_und_kunst/ein_sporttempel_fuer_einen_totalitaeren_staat_1.752586.html\r
    http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/li ... 52586.html

  • Zu dem Interview gibt es einen sehr passenden Kommentar von Richard Wagner auf der Website "Achse des Guten":

    Vollständig hier:
    http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/architekt_in_peking/\r
    http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/ ... in_peking/

  • Ich finde es furchtbar schwierieg China und Architekten die in China bauen als unmoralisch verurteilen.
    Erst, fast jeder Mensch kauft Produkte, die aus nicht liberal-demokratische Staaten kommen. Dann sollten man unbedingt nicht zu Hennes und Mauritz, Ikea oder was weiss ich gehen. Unsere ganze kauf und wegwerft ist nur möglich weil jemand dafür extrem schlecht bezahlt sind.
    Die Westwelt hat eine zwiegespaltene Relation zu Entwicklungsländer. Wir wollen Demokratie aber gleichseiting billiger Produkten. Am Moment haben China zu viel Rechte für Ihre Arbeiter so die Westliche Firmen fingen an nach Bangladesh und Cambodia auszuwandern. Unsere eigene Kapitalismus und Sucht nach Gewinn und billiger Produkte brauchen Regimen, die nicht Menschenrechten achten.
    Zweiten: lass uns dann zu Öl und die arabische Welt gehen. Durch unsere sucht nach Öl unterstützen wir alle zwielichtige Regimen wie Saudi-Arabien die immer von die Familie Saudi gesteuert wird.

    Zweitens: es gibt sehr gute Projekte wo man versucht Rechtstaatliche Prinzpen in Chinesische Städten aufzubauen. Viele von dieser Projekten Zielt für ein Gerechte Rechtstaat ohne Willkür und Slums. Die Region Yunnan und die Stadt Xian machen auch riessige Fortschritten zu ein mehr Bürgerfreundliche Stadt.
    Yangzhou ist ein Musterbeispiel von Altstadtsanierung und ökologische / soziale Umstellung von dieser Art. Mehr information zu dieser gibt es auf folgende Homepage.

    http://www.gtz.de/en/aktuell/20860.htm\r
    http://www.gtz.de/en/aktuell/20860.htm
    http://www.citiesalliance.org/yangzhou/index.html\r
    http://www.citiesalliance.org/yangzhou/index.html

  • Johan, ich sehe da allerdings schon einen Unterschied: Mit dem Bau bestimmter Gebäude gibst du einem Unrechtsstaat die Möglichkeit, sich vor der Weltöffentlichkeit positiv zu repräsentieren. Das ist für mich was anderes als wenn du ein T-Shirt kaufst, das in einer Diktatur gefertigt wurde.

    Und irgendwie reden sich die Architekten, die in China bauen, die Dinge einfach schön. Beispiel aus dem SPIEGEL SPECIAL zum Thema "Architektur und Design": Da kommt mal wieder Meinhard vor Gerkan zu Wort, der sich ja bereits in einem anderen Interview darüber gefreut hat, in einem Staat bauen zu können, wo er nicht auf lästige Bürgerinitiativen Rücksicht nehmen muss. In der Spiegel-Sonderausgabe sagt er:

    Zitat

    Der chinesischen Regierung muss man zugutehalten, dass sie in der Lage war, 1,3 Milliarden Menschen zu mehr Wohlstand zu verhelfen, zu mehr Freiheit, zu mehr Bekenntnis zum eigenen Staat.

    Findet Herr von Gerkan. Amnesty International hingegen findet etwas anderes:

    Zitat

    Im Berichtszeitraum war eine Zunahme an Repressalien, Inhaftierungen und Gefängnisstrafen, die sich gegen Rechtsanwälte und Journalisten richteten, zu verzeichnen. Tausende von Personen, die ihren Glauben fernab der staatlich zugelassenen Kirchen praktizierten, sahen sich Schikanen ausgesetzt. Viele von ihnen wurden in Haft genommen oder zu Freiheitsstrafen verurteilt. Abermals verhängten und vollstreckten die Behörden im Berichtsjahr mehrere tausend Todesurteile. Wanderarbeitern aus den ländlichen Gebieten wurden ihre Grundrechte vorenthalten. Die Volksgruppe der Uiguren war in Xinjiang weiterhin massiven Repressionen seitens der Behörden ausgesetzt, ebenso wurden in Tibet und anderen tibetischen Siedlungsgebieten die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Religionsfreiheit nach wie vor in gravierender Weise beschnitten.


    Quelle: http://www2.amnesty.de/internet/deall.nsf/51a43250d61caccfc1256aa1003d7d38/1d063d69fdd93369c12572ff004510ad?OpenDocument\r
    http://www2.amnesty.de/internet/deall.n ... enDocument

  • Zitat

    Wer reinen Herzens ist, der werfe den ersten Stein...

    Na dann fang ich mal an ... ich hab' jedenfalls noch nie für einen totalitären Staat eine Sportstätte entworfen oder gebaut :engel: :gg:

  • Ich kann Johans Aussage durchaus unterstreichen. Wer ist frei davon und kauft keine Ware aus Billiglohnländern mit politischen Systemen, die unseren Vorstellungen widersprechen - wissentlich oder unwissentlich. Von Schuld möcht ich hier erst gar nicht sprechen.

    Für mich zeigt das beispielhafte Interview mit Herzog aber dennoch eine ganz spezifische Doppelmoral: Die modernistische Architekten fordern hierzulande vehement eine ehrliche Architektur ein, welche die Gegenwart nicht verleugnet und sind gewillt genau diesen Aspekt andernorts preis zu geben. Wer sich meint aus geschichtlicher Überzeugung gegen Rekos zu wettern, sollte nicht versuchen zu rechtfertigen, warum genau diese Aspekte andernorts in einer globalisierten Welt keine Rolle spielen sollen. Sie belügen sich doch selbst.

  • Was ich den Architekten des "Vogelnests" hoch anrechne: Sie haben versucht, eine spezifisch chinesische Formsprache zu entwickeln bzw. sich auf die heimische Kultur zu beziehen.
    Die meisten ihrer Kollegen, egal ob nun heimisch oder Import, tun dies nicht.
    Übrigens ruft die gesichts- und geschichtslose Glas- und Eventarchitektur auch bei den Asiaten Erbitterung hervor. Ein deutsch-vietnamesischer Freund u. Kommilitone(studiert auch Architektur) zeigte sich neulich ziemlich ungehalten über das neue Parlamentsgebäude in Hanoi. Sicher; eine nette architektonische Geste, dieses Wellendach inmitten einer asketisch anmutenden Wasserlandschaft. Nur: Was hatte das mit Vietnam und seinen Traditionen zu tun ?
    Was die -sicherlich fantasievollen und gewagten- Turm- und Hallenkonstruktionen Chinas mit dem Land selbst ?
    Das ist IMO der entscheidende Fehler, der den westlichen Architekten vorgeworfen werden kann; nicht das Bauen an sich. Nebenbei halte ich es für hochgradig verantwortungslos, mindere Bauqualität samt miserablem Energiehaushalt in derart großem Maßstab wie in China an die unwissende Kundschaft zu verhökern, zulasten künftiger Generationen. Nach dem Motto: "Na dann machts gut...ihr Trottel!"

    Nein, die werden gedünstet

  • @R.O.

    Ok. nimmt folgende Beispiel. Die Architekten wurde die Altstadt von Beijing renovieren und wiederaufbauen. Ist das richtig oder falsch? Architekten renovieren Altstädte in Cuba, China oder andere nicht demokratische Ländern. Ist das falsch?
    Sollen wir hier in Wést ein Schloss aufbauen, die entstand in eine nicht-demokratische Zeit? Eigentlich entstand die meiste schöne Gebäuden in wenig demokratische Zeiten. Vergiss Bamberg, Quedlinburg und Regensburg die in nicht-demokratische Zeiten entstand. Demokratisch gebaut ist aber Pforzheim und Duisburg.

  • Zitat von "Johan"

    Ok. nimmt folgende Beispiel. Die Architekten wurde die Altstadt von Beijing renovieren und wiederaufbauen. Ist das richtig oder falsch? Architekten renovieren Altstädte in Cuba, China oder andere nicht demokratische Ländern.

    Nur findet so etwas doch gar nicht statt. Da sind doch keine ehrenamtlichen deutschen Kulturpfleger selbstlos unterwegs. Bekannte, die eine China-Reise gemacht haben, erzählten mir vor wenigen Tagen, daß dort für die letzten Altstadt-Reste bereits die Abriss-Bagger bereit stehen. Wohnblocks und Hochhäuser werden stattdessen überall hingeklotzt. Das ist das Werk deutscher Architekten. Eine China-Reise, so jedenfalls meine Bekannten, lohne nicht.

  • Das ist aber ein Problem sowohl der chinesischen Städtebauphilosophie als auch der völligen Ignoranz deutscher Architekten gegenüber dem Schutz alter Bausubstanz im Sinne der Identitätspflege.

    Daß übrigens viele unserer deutschen Altstädte eigentlich für eine protodemokratische, sekuläre und marktwirtschaftliche Gesellschaft stehen und deshalb der Schutz bürgerlicher Profanarchitektur eine höhere Priorität besitzen sollte als der v. Barock- und Klassizismusanlagen, dürfte wohl den wenigsten Deutschen bekannt sein. Am allerwenigsten den linksliberalen Demokraten und ihrem Gefolge.

    Nein, die werden gedünstet

  • Zitat von "Heimdall"

    Nur findet so etwas doch gar nicht statt. Da sind doch keine ehrenamtlichen deutschen Kulturpfleger selbstlos unterwegs. Bekannte, die eine China-Reise gemacht haben, erzählten mir vor wenigen Tagen, daß dort für die letzten Altstadt-Reste bereits die Abriss-Bagger bereit stehen. Wohnblocks und Hochhäuser werden stattdessen überall hingeklotzt. Das ist das Werk deutscher Architekten. Eine China-Reise, so jedenfalls meine Bekannten, lohne nicht.

    Das stimmt nicht. Wer chineshsiche Altstädte sehen will, finden die auch. Fast jede Region oder Grosstadt hat ein intakte Altstadt in die nähe. Dazu sind die erhaltene Altstädte von erhebliche Grösse. Dein bekannte musste aber dann weg von die klassische Orten. Beijing selber besitzt ein grosse anzahl von altem Bausubstanz. Schaut mal einfach die Bilder von meine China-reisen an.

    http://www.architekturforum.net/viewtopic.php?t=2137\r
    http://www.architekturforum.net/viewtopic.php?t=2137

    GTZ renoviert tatsächlich die Altstadt von Yangzhou....Deutsche Architekten haben tatsächlich viele Altstädten in China renoviert.

    http://www.gtz.de/en/aktuell/20860.htm\r
    http://www.gtz.de/en/aktuell/20860.htm
    http://www.citiesalliance.org/yangzhou/index.html\r
    http://www.citiesalliance.org/yangzhou/index.html

    Ein anndere beispiel von Deutsche Expertenrenovierung ist Lijiang in Yunnan. Schweizer renovieren die Altstadt von Shaxi in gleiche Teil. So was du sagt stimmt einfach nicht 100 Prozent. Beindruckende Wiederaufbau und neukonstruktion in altem Stil finden man auch in Zhongdian in Yunnan.

    Die meisten Deutschen haben oft wenig Ahnung über China und sehen nur was sie sehen wollen.

  • ^ Deinen letzten Satz kann man nur dick unterstreichen. Es ist wohl außerdem der Angst vor einer neuen Supermacht geschuldet, dass wir gern mit dem Finger auf China zeigen. Und es ist ja nicht so, dass nur Billigprodukte in China produziert werden. Meine nicht ganz billige Harman/Kardon-Anlage wurde z.B. in China produziert (gewiss von Arbeitern, die von der Hand in den Mund leben). Modegrößen wie Gucci oder Prada, Sportartikelhersteller wie Adidas oder Nike fertigen in China. Warum der Aufstand der Gutmenschen ausgerechnet die vor Ort agierenden Architekten trifft, ist mir unverständlich. So ziemlich alle großen und mittelständischen Unternehmen dürften inzwischen ebenso in China rege planen, produzieren, bauen und forschen. Siemens baute den Transrapid in Shanghai. Ich habe bislang von keinem Unternehmen gehört, dass sie nicht nach China gingen, weil sie keinen totalitären Staat unterstützen wollen. Das IOC gab China den Zuschlag für die Olympiade in diesem Jahr. Warum sollten ausgerechnet Gerkan, Speer & Co. moralische Bedenken haben, wenn sie in und für China planen?

  • Vielleicht, zur Verdeutlichung, ein Auszug aus dem Streitgespräch zwischen Gerkan und Ingenhoven aus der genannten SPIEGEL-Ausgabe:

    Gerkan: [...] Ich baue in China vor allem aus baukulturellen Gründen, denn es ist ja unbestritten, dass das Land mit Abstand den größten Freiraum für avantgardistische Architektur bietet.

    Ingenhoven: Das ist ein Punkt, auf den ich gerne antworte. Man kann doch nicht sagen: Weil man sich in Ländern wie China nicht so wie in Deutschland mit Bezirksvertretungen oder Senatsbaudirektoren herumschlagen muss, repräsentiert das, was dann dabei rauskommt, gleich die bessere Qualität und die größere Freiheit.

    Gerkan: Aber Herr Ingenhoven, wenn wir nun ausgerechnet nicht für China und nicht für Vietnam bauen dürften, dann dürften wir für die halbe Welt nicht bauen. Denn so viel blütenweiße Demokratien gibt es gar nicht. Und sollen deutsche Architekten - und zwar nur die, weder die Industrie noch der Handel, noch der Mittelstand, noch Ingenieure - sollen die sich allen Ernstes die Hälfte der Erdkugel versagen? Ist diese Forderung nicht absurd?

    Ingenhoven: Man kann nicht einfach sagen, was die Industrie macht, das machen wir auch. Man kann nicht sagen, die Hälfte der Welt besteht nicht aus ganz lupenreinen Demokratien, und deswegen bauen wir dann gleich für die ganz Schlimmen. Lassen Sie uns mal wegkommen von China: Es kann doch nicht wahr sein, dass deutsche Architekten in Libyen die neue Regierungshauptstadt Gaddafis bauen...

    [...]

    Gerkan: [...] Meiner Meinung Meinung nach gibt es in China heute den höchsten Grad der freien Entfaltung für jedes Individuum seit Menschengedenken, trotz aller noch verbliebenen unschönen Dinge.

    Ingenhoven: Ja, aber wir müssen jetzt aufpassen. Ich wollte mich nicht hergeben zu einer Anti-China-Debatte, und Sie müssen auch keine Pro-China-Debatte führen. Es geht doch nicht darum, ob man in China einen Wohnblock bauen kann. Es geht doch darum, ob man für nichtdemokratische Staaten Repräsentationsbauten errichtet. Ich muss nicht unbedingt das Parlament eines diktatorisch regierten Landes wie Vietnam bauen, und ich muss auch nicht unbedingt am Platz des Himmlischen Friedens das chinesische Nationalmuseum bauen, wie Sie das tun, Herr von Gerkan. Ich glaube, dass man sich bei gewissen Projekten entscheiden muss. Ich weiß, dass Vietnam viel Sympathie genießt, viele Menschen machen da tolle Urlaube. Trotzdem ist es ein Einparteien-Regime, es gibt keine freie Presse, es gibt nur eingeschränkte Religionsfreiheit - das sind keine Kleinigkeiten!

  • Angesichts dessen, daß unsere Republik ebenfalls Elemente einer gelenkten Demokratie aufweist ("sanfte Zensur") und im Zuge der ethnokulturellen Disparitäten (Auseinandersetzung mit dem Islam, Nebengesellschaften, Pauperisierung, Demographieverschiebung, Extremismus aus allen Richtungen) das Autoritätsprinzip wieder tres chic werden wird, dürfte sich die Anklage von Vietnam oder Serbien zusehends schwieriger gestalten. Ob man dann hierzulande noch bauen darf ?

    Nein, die werden gedünstet