Würzburg 2020 Innenstadt - Teil 1

  • Ich bin dennoch überrascht, dass du den Wiederaufbau in der BRD so wenig differentiert betrachtest. Für mich gibt es auf jeden Fall einen enormen Unterschied zwischen z.B. Stuttgart und Würzburg.

    Kann ich leicht erklären.

    1) Ich war noch nie in Stuttgart.

    2) Kein vernünftiger Mensch, genauer so weit mir erschichtlich: keiner hier behauptet, dass Stuttgart so gut wiederaufgebaut worden sei.

    Aber man kann es auch tiefsinniger probieren, also, noch einmal (was hatten das schon öfter, aber du sprichst mich darauf an, und anhand der letzten konkreten Bilder ist es schön zu zeigen):

    3) Darüber hinaus scheint mir die Problematik in Würzburg eine andere zu sein. Ich beurteile den Wiederaufbau einer Stadt nicht so sehr nach dem konkreten Erscheinungsbild, sondern nach der Ausschöpfung des Potentials. So gibt es zB in DD ausradierte Stadtteile ohne jegliche ästhetisch-künstlerische Relevanz. Hier gilt für mich: hin ist hin, und wo nichts zu machen ist, hat der Kaiser das Recht verloren. Hier differenziere ich nicht großartig, wie schiach was ist. Das Wesen eines guten Wiederaufbaus besteht darin, eine würdige Fassung für die (in Würzburg eben hinreichend) erhaltenen Reste zu bieten. Und hier wurde auf ganzer Linie versagt. Die Kirchen, Palais, ansatzweisen Bürgerhäuser ertrinken förmlich in einem Meer der Banalität. Und da diese doch in gewisser Zahl erhalten waren, gilt hier ein anderer Maßstab als zB in der Pirnaischen Vorstadt. Nimm die letzten vier Bilder aus dieser Galerie - man merkt ihnen den Wiederaufbau, dh eine gewisse fehlende Authentizität durchaus an, aber sie sind darüberhinaus eigentlich untadelig. Das Problem ist nur: ich weiß, was passiert, wenn man sich dort irgendwohin umdreht. Auch am Winkel um den Döpfnerplatz, der an sich besterhaltenen oder auch bestwiederaufgebauten Ecke der Stadt. Das hier verspielte Potential ist für mich weit ärger und schwererwiegend als alle Pirnaischen Vorstädte mitsammen. In Brittens Oper Billy Budd wird das im Prolog sehr gut auf den Punkt gebracht: But the good has never been perfect ... there ist always a devilish stutter in the divine speach.

    Nicht, dass mir jetzt wer vorwerfe, ich erwartete in Wü. "Perfektion" oder so. Davon ist die Stadt an wirklich jeder Ecke weit entfernt. Es ist immer was Gravierendes, was einem in die Suppe spuckt. Nicht, dass ich über das Gebäude links nicht hinwegsehen könnte:

    IMG_0081_sil.jpg

    Jeder weiß, dass das Problem gegenüber außerhalb des Bildes liegt.

    Die erwähnte Karmeliterstraße ist für mich ein Gegenbeispiel für deine These. Hier ist einfach mehr als woanders erhalten geblieben, und um so schwerer fällt ins Gewicht, dass keine Mühe für die Schaffung eines ansprechenden Gesamtbildes verwendet worden ist.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Jeder weiß, dass das Problem gegenüber außerhalb des Bildes liegt.

    Da es vermutlich kaum jemand weiß - das Problem ist der Innenhof mit den unschönen Neubauten, die vermutlich Studentenwohnheime sind. Die habe ich tatsächlich nicht fotografiert, sie sind rechts und hinter diesem kleinen Gebäude, daneben ist ein wenig grüne Wiese.

    IMG_0084_sil.jpeg

    Indes - es geht dahinter gleich flächendeckend im "Würzburg-Stil" weiter. Um das mal mit Warschau zu vergleichen - hinter der Hauptachse der Neustadt, der Freta, kommt normalerweise eine, zwischenzeitlich auch mal eine doppelte Häuserzeile.

    Danach ist die historisierende Bebauung sofort zu Ende, es kommt bis zum Stadtrand in etwa 9 Kilometern kein einziges "klassisches" Gebäude mehr, sondern nur noch Platte oder sozialistischer Realismus:

    IMG_3022_DxO.jpeg

    Das würde ich also alles gern im Kontext bewerten.

    Easy does it.

  • Generell gibt es viele verschiedene Methoden des Wiederaufbaus, und entsprechend viele Kriterien, um einen Wiederaufbau zu bewerten.

    Modell Würzburg: ich erhalte großflächig Strukturen, bebaue flächendeckend erkennbar neu im Stil der 50er-Jahre und rekonstruiere einzelne Highlights

    Modell Warschau: ich erwecke auf einer sehr kleinen Fläche den Eindruck einer unzerstörten Altstadt, investiere aber im wesentlichen in sozialistischen Klassizismus und Moderne

    Modell Hannover: ich möchte die verkehrsgerechte Stadt und nehme die Zerstörung für eine komplette Neubebauung zum Anlaß, es gibt aber eine winzige Traditionsinsel (mit teilweise unpassenden Bauten)

    Und die DDR-Variante zu Hannover, Magdeburg: ich baue die Stadt komplett neu und räume weitgehend alles ab, obwohl es teilweise noch erhalten war.

    Das Modell "ich baue großflächig alles so auf, wie es vorher war" habe ich in der Realität noch nirgendwo gesehen.

    Das kann man ganz unterschiedlich bewerten:

    Vielleicht mag jemand die Architektur der Moderne oder lebt viel lieber im Grünen, auch wenn es ein Plattenbau oder Großblockbau ist, als in einem Altbau. Vielleicht legt jemand auf gute Verkehrsinfrastruktur wert und interessiert sich überhaupt nicht für Architektur. Oder jemand empfindet bei engen Altstadtgassen Beklemmung usw. Alles legitim.

    Easy does it.

  • Ich kann Ursus' Kritik zum Teil verstehen, der grosse Unterschied ist aber, dass ich mit den einfachen aber angepassten Bauten der 50er Jahre keine Probleme habe. Daher finde ich das Stadtbild in Ordnung. Problematischer sind die Bauten ab etwa 1965 und leider auch der letzten Jahre.

    Ursus findet ungestörte Ensembles am wichtigsten, daher ist für Ursus die Innenstadt in Dresden (Neumarkt usw.) besser als Ihr Würzburger Pendant, wo immer wieder Nachkriegsbauten ins Blickfeld rücken. Ich finde Würzburg dagen als Stadt weit besser, weil man dort stundenlang rumlaufen kann und so manche interessante Entdeckungen machen kann. Es ist einfach eine "echte" Innenstadt, die es in Dresden so nicht gibt.

    Aber das ist natürlich meine subjektive Meinung.

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Vielleicht mag jemand die Architektur der Moderne oder lebt viel lieber im Grünen, auch wenn es ein Plattenbau oder Großblockbau ist, als in einem Altbau. Vielleicht legt jemand auf gute Verkehrsinfrastruktur wert und interessiert sich überhaupt nicht für Architektur. Oder jemand empfindet bei engen Altstadtgassen Beklemmung usw. Alles legitim.

    Nein, das ist nicht alles (gleich) legitim. Z.B. bloß weil ich mich nicht für Architektur interessiere, kann ich nicht mir selbst und der Gesellschaft eine verkehrsgerechte Stadt verordnen, bei der man sich am besten in einem fahrenden Fahrzeug aufhält, und sonst es nirgends aushält. Plakativ gezeichnet.
    Das geht schon wieder viel zu sehr alles in dieses phlegmatisch, Debatten zersetzende ,,Jeder hat eben einen anderen Geschmack und somit kann es da keinen Konsens geben und alles ist gleich gut oder schlecht".

  • Lauf mit offenen Augen und Vergleichsbildern durch die Stadt, dann fällt dir schnell auf, dass das auch auf das schöne München nicht zutrifft.

    Hat die Schönheit eine Chance-Dieter Wieland

  • Nein, das ist nicht alles (gleich) legitim.

    Jedes persönliche Empfinden bezüglich Architektur ist legitim. Man darf es nur nicht zur Regel für alle machen, zumal wenn die Mehrheit anders empfindet. Ein Fehler, den die Modernisten seit vielen Jahrzehnten ohne Einsicht begehen.

    In dubio pro reko

  • Jedes persönliche Empfinden bezüglich Architektur ist legitim. Man darf es nur nicht zur Regel für alle machen, zumal wenn die Mehrheit anders empfindet. Ein Fehler, den die Modernisten seit vielen Jahrzehnten ohne Einsicht begehen.

    Die Modernisten ignorieren, dass es beweisbar schlechtere und bessere Architektur und Städtebau gibt, dass es sich also lohnt traditionelles Wissen darüber auszuschöpfen. Jeder noch so klägliche Entwurf wird in den Himmel gelobt, wenn er nur bestimmten formalen Regeln der Moderne folgt. Dass diese Regeln dann eben nicht universal sind, das ist ne Binse. Ich spreche hier aber von Regeln, die durchaus für alle anwendbar sind. Hier dann davon zu reden, dass das nicht möglich ist, redet den Modernisten Mund, die mit so etwas stets jede Kritik abzuweisen wissen, indem sie den Kritiker als hyper individuell im ,,Geschmackspluralismus" verorten und damit nichtssagend, wobei wohlgemerkt dieses geschmackliche, ähnlich wie die Formulierung buarques, extrem weit gefasst wird, im Prinzip sich auf alles bezieht - eben auch auf klar gegenteilig messbares.
    Von welchen Regeln (von grundsätzlicher Natur) rede ich konkret: Z.B. dass Autoverkehr und Fußgängerverkehr schwer nur in Einklang zu bringen sind. Dass also im Zweifel überall da wo viele Fußgänger erwünscht sind, man nicht eine Individualsverkehrutopie errichten kann. Auch - noch so eine Regel - weil deutscher motorisierter Individualverkehr sehr viel Platz braucht, mehr als andere Formen. Somit ist die autogerechte Stadt Feind von attraktiver Architektur, weil sie besonders große Schneisen schneidet, die Wege verlängert und den Aufenthalt verleidet.

  • Die Modernisten ignorieren, dass es beweisbar schlechtere und bessere Architektur und Städtebau gibt

    Aber anhand welcher Kriterien und inwiefern ist das objektiv möglich? Wahrscheinlich möchte ich lieber in einer langen Zeile im Grünen wohnen als in einer dicht bebauen Altstadt, auch wenn eine Stadt natürlich ziemlich unstrukturiert aussehen würde, wenn es alle so halten würden ...

    Die "verkehrsgerechte Stadt" Hannover wurde ja nicht wie in einer Diktatur so vorgeschrieben, sondern in über 400 Versammlungen begründet und war dann mehrheitsfähig. Die Immobilienbesitzer gaben sogar überwiegend kostenlos und freiwillig ihren Grund für breitere Straßen ab und bauten dann niedriger als zuvor, um den Verkehr in der Innenstadt zu reduzieren.

    Easy does it.

  • Aber anhand welcher Kriterien und inwiefern ist das objektiv möglich? Wahrscheinlich möchte ich lieber in einer langen Zeile im Grünen wohnen als in einer dicht bebauen Altstadt, auch wenn eine Stadt natürlich ziemlich unstrukturiert aussehen würde, wenn es alle so halten würden ...

    Ich hatte mich bereits mit dem Begriff 'Regel' schwer getan, habe aber meinen Punkt darauf noch beziehen können, bei 'Kriterien' wird es noch schwieriger. Es geht nämlich nicht darum ganz konkrete Vorgaben zu machen, denn dazu ist jede Stadtsituation zu individuell, von ländlichen Räumen gar nicht erst anfangen. Es geht eher um Leitplanken. Z.B. dass Verdichtung erwiesenermaßen nur bis zu einem gewissen Punkt anzustreben ist. Wir wissen heute, dass es ein zu wenig und ein zu viel gibt. Oder z.B. dass es leichter ist bessere Achitektur zu schaffen, wenn die Fassaden in bestimmten Höhe zu Breite Verhältnissen sind, kleinzelliger Stadtgrundriss u.a. genannt. U.a. beugt man damit vor, dass eine verunglückte Fassade sehr prägnant den Stadtraum prägt. Und noch ein Beispiel: Anzustreben ist lange Standzeit der Bauten. Dies wird u.a. gewährleistet, indem Gebäude vor Feuchtigkeit und Verwitterung geschützt werden. Es kann nicht sein, dass wir Abdichtungen nutzen, die garantiert nach 30 Jahren versagen. Wir können auch keine Fassadenausgestaltungen uns erlauben, die bereits nach 10 Jahren völlig abgewittert aussehen. In all diesen und natürlich vielen weiteren Punkten versagt moderner Städtebau, versagt moderne Architektur, brauchen wir einen common sense, dass das objektiv schlecht ist (mindestens langfristig und unter Abwägung aller Für und Wider). In anderen professionellen Bereichen hat sich 'best practice' durchgesetzt. Im Bau versucht man irgendwie durch Gesetze und Baunormen so etwas wie historische Erfahrung einzubinden. Da kommt keine 'good architecture practice' heraus.

  • Die "verkehrsgerechte Stadt" Hannover wurde ja nicht wie in einer Diktatur so vorgeschrieben, sondern in über 400 Versammlungen begründet und war dann mehrheitsfähig. Die Immobilienbesitzer gaben sogar überwiegend kostenlos und freiwillig ihren Grund für breitere Straßen ab und bauten dann niedriger als zuvor, um den Verkehr in der Innenstadt zu reduzieren.

    (Abstimmende) Mehrheiten treffen auch fortlaufend falsche Entscheidungen. Das ist kein Gegenbeweis, dass es keine allgemeingültig schlechte Architektur, keinen allgemeingültig schlechten Städtebau gibt. Aufgabe aller, die sich intensiv damit auseinandersetzen, möglichst alle Für und Wider beleuchten, und vor allem Lehren ziehen aus 100 Jahre moderne Architektur, 60 Jahre moderner Städtebau, ist die Mehrheiten aufzuklären und ihnen zu helfen sich für das einzusetzen, was man gute Architektur und guten Städtebau für im Endeffekt alle bedeutet.

  • Das Modell "ich baue großflächig alles so auf, wie es vorher war" habe ich in der Realität noch nirgendwo gesehen.

    Das ist natürlich keine realistische Alternative. Letztlich lässt sich "fränkisches Mittelalter" eben nicht flächig rekonstruieren. Was ich indes monieren würde, wäre abgesehen von einem Gefühl für Ensembles, was auch einzelne Ex-Nihilo-Rekos an gewissen neuralgischen Punkten bedeuten würde, so etwas wie EIN BISSCHEN Qualitätsbewusstsein. Und genau daran scheitert das "Modell Würzburg":

    ich erhalte großflächig Strukturen, bebaue flächendeckend erkennbar neu im Stil der 50er-Jahre und rekonstruiere einzelne Highlights

    Es kommt eben auf die Qualität der flächendeckenden Neubebauung an. Und diese ist inferior. Dadurch erübrigt sich das an sich diskutable oder gar brauchbare Konzept. "Strukturen" oder "Grundriss" bedeutet nichts, wenn es nicht mit gewissem Leben erfüllt ist.

    Es ist klar, dass ich das Modell Warschau deshalb präferiere, weil es konsequent und qualitativ umgesetzt worden ist. Das heißt nicht, dass es der einzige Weg sein müsste. Wobei ebenso klar ist, dass sich das "Modell Warschau" nicht auf fränkisches Mittelalter umlegen lässt. Man hat es in Warschau leichter gehabt und es sich zT auch leichter gemacht, was nicht verboten ist. Das Ergebnis dürfte überzeugen. Überdies sind auch andere Modelle denkbar: Wie wär es aber mit einem Modell "Münster", einem Modell "Braunschweig", ev. sogar mit einem "Modell Bremen", wo man natürlich das erhaltene Schnoorviertel abziehen muss. Diese Modelle sind allesamt hinterfragbar, aber letztlich besser umgesetzt, was zur Folge hat, dass alle dieser Städte, obgleich alles andere als "perfekt", in ihrer Wirkung doch ungleich schöner sind, eben weil auf gewissen, zumeist zentralen Strecken noch so etwas wie ein "Stadtbild" aufweisen. Das mag historisch sein (Braunschweiger Traditionsinseln, die allerdings in Würzburg künstlich geschaffen hätten werden müssen), oder durch moderne Gestaltungen (Münsteranischer Prinzipalmarkt), die wenigstens die Würde der alten Platzräume wahren.

    Letztlich erscheint mir sogar der Begriff eines Modells Würzburg unangemessen. Die Stadt wirkt so, als hätte man planlos, möglichst schnell und ohne Rücksicht auf ästhetische oder historische Ansprüche alles möglichst dicht, kostengünstig und raumsparend wieder aufgebaut. Das ist alles verständlich angesichts der damaligen Situation; und es ist natürlich durchaus legitim, dass Einheimische wie Zeno an dem Ergebnis aufgrund persönlicher Verbundenheit hängen, ihm eine gewisse Heimeligkeit abgewinnen können.

    dann fällt dir schnell auf, dass das auch auf das schöne München nicht zutrifft.

    Ja, aber wenigstens nicht überall. Es gibt in München großflächig sehr gut wiederaufgebaute Viertel. Es bleibt genug zu kritisieren, aber es steht fest, dass die Stadt über gewisse Strecken ihre Schönheit bewahrt hat.

    Ich finde Würzburg dagen als Stadt weit besser, weil man dort stundenlang rumlaufen kann und so manche interessante Entdeckungen machen kann. Es ist einfach eine "echte" Innenstadt, die es in Dresden so nicht gibt.

    Nein, das seh ich nicht so. Ich würde sagen: Das glatte Gegenteil ist der Fall. Dresden hat eine echte Innenstadt, so klein sie auch sein mag (oder auch nicht, das wird hier übertrieben), in Würzburg ist der Begriff "Innenstadt" oder "Stadtmitte" bloß rein geographisch bzw durch einzelne Relikte oder auch als zufällig wirkende Agglomerationen von solchen Relikten definiert. Das ergibt eben KEIN Stadtbild, dass man mit "Innenstadt" assoziieren würde. Die zentralen Straßenzüge sind zB sogar weitaus schäbiger und ahistorischer als jene zB in Wien-Favoriten, wo alles in allem mehr (wenngleich entstuckte) Gründerzeit erhalten ist. Mag sein, dass es da und dort gewisse "Entdeckungen" zu machen gibt. Aber das wiegt das von einem solchen "Stadtbild" hervorgerufene Unwohlempfinden nicht auf.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Die Stadt wirkt so, als hätte man planlos, möglichst schnell und ohne Rücksicht auf ästhetische oder historische Ansprüche alles möglichst dicht, kostengünstig und raumsparend wieder aufgebaut.

    Hm, vielleicht war es so. Soweit ich weiß, war Baumaterial sehr knapp. Ich habe die Unterlagen unseres Hauses, der Materialverbrauch musste genehmigt werden.


    Die Leute hausten nach der Zerstörung in Kellnern. Die ausgebrannten Fassaden in der Domstraße hat man wohl abgerissen, um dir Stockwerke niedriger zu machen (Stichwort Materialverbrauch und schnellerer Aufbau).


    Dazu kommt ja, dass man schon von einem Totalschaden in der Würzburger Altstadt sprechen kann. Ich habe irgendwie die Zahl von 6 Häusern im Kopf, die keinen Schaden hatten. Dazu gehören die Hirsch-Apotheke, das Haus "Zur Stadt Kitzingen" und das Handwerkerhaus.


    Im übrigen finde ich die Häuser, die Ende der 40er und in den 50ern gebaut wurden erheblich harmonischer als alles danach.


    Mein Eindruck ist aber, dass die wirklich schönen Häuser oft nicht wahrgenommen werden neben den schlechten Nachkriegsbauten.

  • Ich finde es interessant, dass wir eine Stadt so unterschiedlich beurteilen können! Ich war schon mehrmals in Würzburg (zuletzt in 2020) und habe mich dort jedesmal sehr wohl gefühlt. Bei Nürnberg war es leider nie der Fall..

    Um kurz zurück zum Wiederaufbau zu kommen. Fangen wir mit dem Bild aus der Domstrasse an:

    Zitat

    Alle Häuser sind hier nach 1945 erbaut, nur der Grafeneckart (Turm) ist wiederaufgebaut. Für mich zumindest ist dies eine sehr gute Leistung, keineswegs kaotisch. Aber natürlich gibt es auch an der Domstrasse schlechte Bauten:

    Zitat

    Für mich ist dieses Bild ein Paradebeispiel des Wiederaufbaus in Würzburg: Parzellierung und Grundriss sowie Kubatur mehr oder weniger erhalten. Sehr gute Neubauten der frühen 50er Jahre, aber leider auch ein wirklich unpassender Bau aus den 60er Jahren. Man kann aber nicht ernsthaft bahaupten, dass dieser Wiederaufbau planlos oder kaotisch gewesen ist. Das trifft eher auf Köln, Frankfurt oder Kassel zu.

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker