München - die Kirchen (Galerie)

  • St. Johann Nepomuk „Asamkirche“

    Sendlingerstraße 32
    Filialkirche der Pfarrei St. Peter
    Erbaut 1733-46
    Typus: schmale, langgestreckte und tonnenüberwölbte Saalkirche mit umlaufendem Emporengeschoß

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    Das reich stuckierte Asamhaus, das Wohnhaus von Egid Quirin Asam, links neben der Kirche:

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    Das Priesterhaus rechts neben der Kirche:

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    Baugeschichte:

    - 1729-34 erwerben die Asambrüder vier Häuser an der Sendlinger Gasse
    - 1733 Grundsteinlegung, 1734 Rohbau benediziert, 1735 Deckenfresko von C.D. Asam, 1737 feierliche Einholung der Reliquienpartikel des hl. Johann Nepomuk aus Prag, 1738 oberer Choraltar, 1741 Glassarg mit der Figur des hl. Johann Nepomuk am unteren Choraltar, 1746 Weihe
    - 1750 Tod Egid Quirin Asams, zu diesem Zeitpunkt sind die Fassungen und Vergoldungen des Kirchenraums zum größten Teil noch nicht fertig
    - 1751 Einbau der Orgel und Errichtung des Glockentürmchens, 1752 Stiftung einer großen Glocke durch die Dreifaltigkeitsbruderschaft, 1757 Grabstein für den Grafen Zech in der Vorhalle durch Ignaz Günther
    - 1771-73 Neubau des rechts anschließenden Priesterhauses sowie Fertigstellung der Fassungen und Vergoldungen des Innenraums der Asamkirche
    - 1776 Schmiedeeisernes Gitter des Vorraums, 1783 Erneuerung des Aufsatzes des unteren Choraltars mit Silberpyramide und Strahlenkranz durch Roman Anton Boos, 1787 Ölgemälde „Fußwaschung“ an der rechten Wand vermutlich durch Franz Erasmus Asam, dem Sohn C.D. Asams, 1794 Ölgemälde „Tempelreinigung“ an der linken Wand von Thomas Christian Wink
    - 1795 Das Altarblatt des oberen Choraltars, ein versilbertes Stuckrelief, ist durch eingedrungenes Regenwasser schwer beschädigt und beginnt sich aufzulösen
    - 1798 Stiftung einer kleinen Glocke durch die Dreifaltigkeitsbruderschaft
    - 1824 Ersetzung des versilberten Stuckreliefs am oberen Choraltar durch ein Gemälde der Dreifaltigkeit von Andreas Seidel
    - 1853-57 Neuerrichtung des Bruderschaftsaltars
    - 1860/61 Innenrenovierung
    - 1886-95 Dach- und Fassadenrenovierung
    - 1908 wird der Zustand des Deckenbildes als ruinös festgestellt
    - 1913 Aufstellung eines von der Pfarrkirche von Grießstätt erworbenen Altaraufsatzes bestehend aus einem Tabernakel mit verehrenden Engeln von Ignaz Günther
    - 1931 bauliche Instandsetzung der Kirche, 1939 Beginn einer Innenrenovierung, 1941/42 Reinigung des Deckenbildes
    - 1944/45 schwere Bombenschäden an Altarraum, Sakristei, Decke, Fenster, Portal und Dach, Zerstörung des Chorerkers und des Glockenturms
    - ab 1946 Wiederherstellungsarbeiten: Wiedererrichtung des Chorerkers (unter Versetzung desselben um 70cm weiter nach außen), Westfenster im Gewölbebereich mit Korbbogen statt dem ursprünglichen Segmentbogen rekonstruiert, Änderung der Belichtung der oberen Chorkapelle durch Nichtwiedereinfügen der Holzdecke auf Höhe des Hauptgesimses, dadurch heller von oben beleuchtet als vor der Zerstörung, 1954-56 provisorische Restaurierung des Deckenbildes, 1958-60 Anbringung eines geschnitzten und versilberten Reliefs des hl. Johann Nepomuk von Franz Lorch am oberen Choraltar vor grau marmoriertem Hintergrund, welches einen zum Himmel emporfahrenden J. Nepomuk darstellen soll, Aufstellung einer neuen, wesentlich voluminöseren Mensa in der oberen Chorkapelle, die mit den restlichen, teilweise geretteten Ausstattungsgegenständen nicht sonderlich harmonierte
    - 1972/73 Fassadenrenovierung von Kirche und Asamhaus, Rekonstruktion des Glockenturms
    - 1975-82 umfassende, vom Unternehmer Leo Benz finanzierte und von Erwin Schleich durchgeführte Renovierung der Kirche: Wiederherstellung der Farbfassung des Innenraums nach Befunden und alten Farbaufnahmen, Deckengemälde total retuschiert, die unteren Wandbilder durch Karl Manninger erneuert; in der oberen Chorwand wird gegen den Protest einiger Fachleute ein großes, später verkleinertes Fenster ausgebrochen und somit die Lichtführung des Kirchenraumes verändert; diese Maßnahme stützt sich auf die Annahme von Schleich und einiger Kunsthistoriker, dass von E. Q. Asam ursprünglich ein solches Fenster realisiert worden sei. Am unteren Choraltar wird der Strahlenkranz von 1783 verkleinert. Zu diesen Maßnahmen später mehr.
    - 1998/99 Renovierung der Fassaden von Kirche und Asamhaus
    - 2009 Wiederherstellung der geschwungenen Stufen am unteren Choraltar


    Die Asamkirche ist ein Hauptwerk der bayerischen Barockarchitektur und stellt auch im europäischen Zusammenhang eines der „extremsten und exzentrischen Beispiele spätbarocker sakraler Inszenierung“ (Bayer. Denkmaltopographie) dar. Der fast schon exzessive, alle Möglichkeiten der Fantasie ausschöpfende Reichtum ihrer Ausstattung dürfte für nicht-katholische Augen auf den ersten Blick unerträglich und selbst für Katholiken ungewohnt sein; bei genauerem Hinsehen wird aber schnell klar, dass es sich um ein einzigartiges Gesamtkunstwerk handelt.

    Nachdem der Bildhauer und Stuckateur Egid Quirin Asam zusammen mit seinem Bruder Cosmas Damian mehrere nebeneinanderliegende Häuser in der Sendlinger Gasse erworben und eines davon zu seinem Wohnsitz umgebaut hatte, reifte in ihm der Wunsch, auf einem der anderen Grundstücke eine Hauskapelle zu errichten: „ex bona intentione absque ullo voto“, wie Egid Quirin in seinem Gesuch um Baugenehmigung schrieb. Nachdem die benachbarten Bürger in der Sendlinger Gasse aber gegen eine reine Privatkirche erfolgreich Protest eingelegt hatten, änderte Egid Quirin seine Pläne und versprach, die Kirche für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
    Der Bauplatz war der eines Bürgerhauses und somit sehr schmal und lang, was die Innenarchitektur und vor allem die Lichtführung sehr erschwerte. Dementsprechend einfach ist der Grundriss gehalten: die Innenarchitektur dient hier im Grunde nur als Leinwand für die unglaublich aufwendige Dekoration, bei der die beiden Asambrüder alle Register ihres Könnens zogen.
    Auch die kurvierte Fassade wirkt eher wie eine barocke Festdekoration und weniger wie das Ergebnis einer architektonischen Konzeption. Den fantastischen Reiz der Kirchenfront erhöht die Umrahmung aus dem außergewöhnlich reich stuckierten Wohnhaus von Egid Quirin links und dem Priesterhaus rechts (dessen um ein Geschoß erhöhter Neubau von 1771 allerdings die Kirche ungünstig bedrängt und damit das Gleichgewicht des Ensembles beeinträchtigt). Man mag an diesem insgesamt dezidiert dekorativen Charakter erkennen, dass Egid Quirin im Grunde kein Architekt, sondern ein Bildhauer und Stuckateur war.
    Dominiert wird die Kirchenfassade durch den großen Triumphbogen mit seinem sehr plastischen, reich profilierten Gebälk sowie der über dem Portal äußerst effektvoll dargestellten Himmelfahrt des hl. Johann Nepomuk, dem die Kirche geweiht ist und der 1729 heiliggesprochen worden war.
    Auffällig an der Fassade ist, dass sie, zum Zweck einer ausreichenden Belichtung des Innenraums, hauptsächlich aus Öffnungen und Rahmungen besteht: Portal und große Fenster sowie Bogenformen und Stützen. Die Felsbrocken als Sockel der Kirche können als Anspielung auf Matthäus 16,18 verstanden werden: „Ich aber sage dir: Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen.“
    Alles zusammengenommen ist dieses Ensemble sicherlich eines der malerischsten Barockensembles Bayerns.

    Der 9m breite, 28m lange und 18m hohe Innenraum wirkt durch seine relative Dunkelheit und die Fülle an Dekoration zunächst etwas verwirrend; das Auge muss sich erst zurechtfinden und entscheiden, wohin es sich als erstes wenden soll:

    Der erste Eindruck beim Betreten des Hauptraumes ist berauschend. Die Überfülle des Figürlichen wirkt erdrückend, der schwere Prunk der Farbe mit dem vielen Gold betäubend. Auch das Schiff ist in leichtes, träumerisches Halbdunkel getaucht; nur auf einzelne Partien sind Lichter aufgesetzt, wie bei einem barocken Tafelbild. In dem geheimnisvollen Halblicht wirkt die schäumende Bewegtheit der Formen noch phantastischer. Das Auge weiß nicht, wo es beginnen soll. Der Reichtum ist so gepreßt, daß es zwecklos erscheint, ein Einzelnes herauszulösen, weil sich sofort die benachbarte Form in das Bewußtsein drängt. Die einzelne Form, aus dem Zusammenhang gerissen, bleibt auch unverständlich, weil sie nur in ihrem Verhältnis zur daneben liegenden Form richtig gesehen werden kann, und weil nur das große Ganze erklärt, wie beim Sehen von Bildern. Sie ist letzten Endes auch nebensächlich, weil der Zusammenhang von belebter Form und belebender Farbe, weil Stimmung und Inhalt das Wichtigste sind. Auch eine Trennung von Architektur und Dekoration ist nicht möglich, weil beide eines sind, weil die Ausstattung schon in der schöpferischen Konzeption mit dem Raume verwachsen ist. (…) Raumerweiterung und Raumdurchbrechung sind für den Eindruck wichtiger als der abgegrenzte Raum; der visionäre Raum in den Wand- und Deckenbildern drängt sich herein, mit den Sinnen Faßbares und Übersinnliches gehen ineinander über, das Statische löst sich auf und der prunkende Reichtum an Einzelheiten erzeugt ein undefinierbares Rauschgefühl. Der ganze Bau besteht aus Ahnung und Erfüllung.” (Adolf Feulner, 1932)

    Die durch die Enge des Grundstücks bedingte Dunkelheit des Erdgeschoßes nützte Egid Quirin Asam zu einer beeindruckenden Lichtsteigerung nach oben aus, indem er den Raum vertikal in drei Lichtbereiche gliederte: den dunklen, mystischen Gemeinderaum, die auf halber Raumhöhe umlaufende, durch das große Fassadenfenster lichter und weiter wirkende Empore und schließlich das freskierte Tonnengewölbe, das durch unsichtbare, von einer vorkragenden Hohlkehle verdeckte Seitenfenster indirekt beleuchtet wird und über dem Gesims zu schweben scheint. Dazu kommt eine durchgehend polychrome, teils marmorierte, teils stuckierte und vergoldete Oberflächengestaltung, die sich zusammen mit den Malereien und Figuren zu einem berauschenden barocken Gesamterlebnis vereint.

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Nun einige Anmerkungen zur Ausstattung mit besonderem Augenmerk auf weniger bekannten, aber sehr interessanten Aspekten.

    Das kunstvolle Gitter, welches den Vorraum vom Gemeinderaum trennt, stammt nicht aus der ursprünglichen Konzeption Egid Quirin Asams, sondern wurde erst 1776, also lange nach seinem Tod, eingefügt. Trotz seiner kunsthandwerklichen Schönheit wirkt sich seine Hinzufügung eher ungünstig aus: es unterbricht erstens den fließenden Übergang vom Vorraum in den Hauptraum, indem sein oberer Rand ein Ornamentband an der Decke sowie einen Engelsflügel überschneidet und verhindert außerdem den ungehinderten Blick auf den Hauptraum und die Altargruppe, der sich dem Eintretenden einst bot: “Fast wie eine Vision und begrenzt durch die Öffnung vom Vorraum zum Gemeinderaum bot sich die Vierergruppe der Altäre dem Blick als ein vielgeschossiger Aufbau, der hinaufreichte bis in das Deckengemälde, wo als oberster Abschluß, als einziger Teil des Freskos sichtbar, ein in illusionistischer Perspektive gemalter Bogen auf vier Säulen mit einem dahinterliegenden Kuppelraum und einer Laterne darüber das Ganze bekrönte. (…) In jähem Anstieg hatte man von der niedersten Stelle des Kirchenraums einen Ausblick auf eine kaum noch faßliche Höhe, die wirklich in den Himmel zu ragen schien.” (Lehmbruch 1973)

    Das Gitter vom Vorraum aus gesehen:

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    Das Deckenfresko von Cosmas Damian Asam stellt verschiedene Szenen aus dem Leben des hl. St. Johann Nepomuk dar, u.a. seinen Brückensturz von der Karlsbrücke in die Moldau, seine Bergung und seine anschließende Verehrung; Höhepunkt des Freskos ist die perspektivische Darstellung des Veitsdoms in Prag, in dem sein Grab liegt. Das Fresko war schon um 1900 in schlechtem Zustand, Wilhelm Hausenstein beschreibt es in den 1930er Jahren als “schwarz und weiß und bleichgolden”; nach zwei eher provisorischen Rettungsversuchen (1941/42 und 1954-56) wurde es erst bei der Restaurierung unter Erwin Schleich 1975-82 wieder grundlegend gereinigt und retuschiert, wobei es Meinungen gibt, die das Ergebnis an einigen Stellen als qualitativ und auch farblich mangelhaft ansehen; indes ist der wichtige Gesamteindruck wiederhergestellt.

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    Nicht mehr original sind die flächenfüllenden Wandbilder auf den Seitenwänden des Erdgeschoßes, es handelt sich heute um Nachkriegskopien von Karl Manninger nach den Originalen von Christian Winck und Franz Erasmus Asam.

    Bemerkenswert ist, dass E. Q. Asam seiner ursprünglich als Privatkapelle geplanten Kirche den Charakter einer Hofkapelle gab: vor allem die Empore ist ein Zitat aus der Tradition der Schlosskapellen, in der eine solche grundsätzlich dem Monarchen reserviert war. Auch hier in der Asamkirche weisen die über der Brüstung liegenden Stuckdraperien, die nach französischem Hofzeremoniell die Anwesenheit des Königs signalisierten, sowie das kaiserlich-bayerische Wappen über der Orgel (die Kirche wurde in den Jahren ausgestattet, in denen der bayerische Kurfürst Karl Albrecht römisch-deutscher Kaiser war) auf die symbolische Anwesenheit des Kurfürsten hin. Eine weitere Reminiszenz: ähnlich wie im spanischen Escorial die königlichen Privatgemächer Philipps II. so mit der Klosterkirche verbunden waren, dass der König von seinem Schlafzimmer aus den Hochaltar sehen konnte, war auch das Wohnhaus Egid Quirin Asams mit seiner Kirche verbunden, so dass dieser ebenfalls von seinem Schlafzimmer aus auf den Altar schaute. Zusätzlich legte Egid unter der Kirche eine Gruft an, in der er bestattet werden wollte, was sich aber später nicht erfüllen sollte, da er 1750 in Mannheim starb.

    Die Gruft unter der Asamkirche:

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    Der vielleicht interessanteste, am meisten veränderte und teilweise auch sehr kontrovers diskutierte Bereich ist der Chor. Er ist mit zwei übereinander liegenden Altären versehen, worüber als bekrönendes Element die Dreifaltigkeit in Form eines Gnadenstuhls schwebt: Gottvater den von Engeln umgebenen Gekreuzigten haltend, darüber die Taube des hl. Geistes.

    Die beiden Altarbereiche wurden im Laufe der Zeiten immer wieder verändert und sind in ihrem ursprünglichen Zustand nicht mehr vollständig bekannt. Beginnen wir mit dem unteren Altar. Lehmbruch schreibt 1973: “Am schwerwiegendsten sind die Veränderungen am Altaraufbau des Chorovals. Besonders im Erdgeschoß kann man sich kaum noch ein Bild von der ursprünglichen Wirkung dieses Raumteils machen. Dort steht, allzusehr nach vorn und ins Licht gerückt, ein frühklassizistischer Altar. Man erkennt hinter ihm noch die Reste des Asamschen Altars, der ganz in die Architektur integriert war. Der gläserne Schrein mit den Reliquien des Johann Nepomuk war wie in ein Nischengrab unter die Wölbung der vorkragenden Galerie gestellt und noch nicht übertönt von dem harten, starren Glanz der übergroßen Strahlenglorie. Man kann sich kaum einen größeren Gegensatz denken als zwischen der Bewegtheit der heute gerade noch sichtbaren Engel, die über dem ersten Altar einen Stuckvorhang zurückschlugen, und der Steifheit und Härte des späteren Aufbaus.”

    Dieser nachvollziehbar unschöne Kontrast bewog Erwin Schleich bei seiner berühmt-berüchtigten Restaurierung 1975-82 dazu, den Strahlenkranz zu beschneiden und somit den dahinterliegenden Stuckvorhang mit den Engelhermen wieder besser sichtbar zu machen. Ob das Resultat nun befriedigender ist oder nicht, sei dahingestellt - die Strahlenglorie sieht seitdem arg gestutzt aus und der störende Kontrast besteht trotz der Maßnahme immer noch.

    Zustand vor der Restaurierung 1975: https://www.bildindex.de/document/obj20…dium=mi02248d11

    Heutiger Zustand nach Kürzung des Strahlenkranzes:

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    Der Glassarg unter der klassizistischen Strahlenglorie enthält eine hölzerne Nachbildung des Leichnams Johann Nepomuks und stammt noch aus der ursprünglichen Planung E. Q. Asams.

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Kommen wir zum Altar auf der Empore. Der ursprüngliche, von der Dreifaltigkeitsbruderschaft gestiftete Altar wurde Mitte des 19. Jhs verkauft (er ist heute verschollen) und 1913 durch einen aus der Pfarrkirche von Griesstätt (Nähe Rosenheim) erworbenen, 1767 von Ignaz Günther angefertigten Altar ersetzt. Über diesem befindet sich nun der Bereich, der Ende der 1970er Jahre eine große öffentliche Kontroverse auslöste: das über dem Altar angebrachte gelb verglaste Westfenster mit Glorie und den Figuren Marias und des hl. Johann Nepomuk. Der folgende Sachverhalt ist sehr kompliziert und obwohl ich versucht habe, die unterschiedlichen Positionen und Argumente vereinfachend zusammenzufassen, ist es trotzdem ein längerer Text geworden; da die Asamkirche aber eine sehr bedeutende Kirche ist und weder in der Literatur noch im Netz eine ausreichende Übersicht über die Problematik existiert (selbst die offiziellen Kirchenführer streifen das Thema nur äußerst oberflächlich), denke ich, dass eine ausführliche Zusammenfassung doch lohnend sein und den einen oder anderen interessieren könnte.

    Die Kontroverse um das Westfenster

    Die Kontroverse entzündete sich hauptsächlich an zwei Fragen: der originalen Gestaltung des Altars auf der Chorempore im Zusammenhang mit der möglichen Existenz eines großen Fensters dahinter (Westfenster) sowie der Frage der originalen Lichtführung im Zusammenhang mit den beiden Nordfenstern der Empore.

    Widmen wir uns zunächst der Frage des möglichen Westfensters und der Gestaltung des oberen Choraltars. Das ursprüngliche Aussehen des Altars ist nicht genau überliefert, es existieren nur zwei vage Beschreibungen des Priesterhausdirektors Blasius Miller von 1795 und 1817, aus denen abgeleitet werden kann, dass an der Chorwand ein versilbertes Stuckrelief mit dem vor Maria knieenden Johann Nepomuk angebracht war. Blasius Miller schreibt zunächst von einem “Altarblatt”, lässt dann aber verstehen, dass es sich dabei um ein versilbertes Stuckrelief gehandelt haben muss: “Altarblatt des oberen Chor, welches von Stukadorarbeit und versilbert ist” und „Bildniß der unbefleckten Mutter Gottes, und des hl. Joh.v. Nep, vor selber kniend, von Stukador-Arbeit“.
    In der Beschreibung von 1795 beklagt sich Miller gegenüber dem bischöflichen Ordinariat Freising, dass durch ein oberhalb des Reliefs liegendes “groß rundes Fenster, wovon die Mauer am unteren Theile zwar mit Eisenblech eingemacht, welches sich aber an die herablaufenden Eisenstangen nie ganz angeschlossen anbey aber vom Rost so zerfressen und durchlöchert” soviel Wasser eingedrungen und das Relief dadurch so beschädigt sei, dass dieses sich bald ganz auflösen werde. 1824 wurde deshalb das inzwischen irreparabel geschädigte Relief durch ein großes Ölgemälde der Dreifaltigkeit von Andreas Seidl ersetzt. 1933 entdeckte der Architekt Klett im Zuge von Restaurierungsarbeiten eine fensterförmige Vermauerung samt Sohlbank und Gewände in der Chorwand genau hinter dem Gemälde von Seidl. In Anlehnung an ähnlich gestaltete Altaraufbauten Egid Quirin Asams in Sandizell und Osterhofen setzte sich nun in den 1930er Jahren, ausgehend vom Kunsthistoriker Adolf Feulner, die Meinung durch, dass Asam auch hier ursprünglich eine durch ein rückwärtiges Fenster erleuchtete Glorie mit Figuren angefertigt habe und dass das oben erwähnte Stuckrelief nur fälschlicherweise als solches beschrieben worden, in Wahrheit aber eine vollplastische Figurengruppe gewesen sei. (Hierzu sei angemerkt, dass z.B. auch die große Johann-Nepomuk-Figur, die heute als Kopie im Hof des Asamhauses steht [das Original befindet sich im Diözesanmuseum Freising], in einem Inventar des Priesterhauses aus dem 18. Jh als “Bildnis” bezeichnet wurde - also auch hier ein für den heutigen Sprachgebrauch irreführender Begriff.) Das Fenster sei nach Meinung von Klett und dem Kunsthistoriker Carl Lamb, der sich damals intensiv mit der Sache auseinandersetzte, 1824 bei der Anbringung des Gemäldes von Seidl zugemauert worden.
    Für die 1939 beginnende große Restaurierung der Asamkirche wurde nun mit Zustimmung des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege die Öffnung des Westfensters geplant, aufgrund des Krieges und der damit verbundenen Materialknappheit und -rationierung (vor allem Glas) dann aber nicht durchgeführt. Noch während des Krieges bekam daraufhin der Bildhauer Franz Lorch den Auftrag, ein neues Nepomuk-Relief anstelle des Gemäldes von Seidl zu fertigen, welches schließlich nach Kriegszerstörung des Chorerkers in die neue Erkerwand eingesetzt wurde.

    Die Idee, das als original angenommene Westfenster wiederherzustellen, blieb aber lebendig und so machte der Architekt Erwin Schleich bei der von ihm geleiteten Restaurierung ab 1975 unter Billigung des Bauherrn und des Denkmalschutzamtes den Versuch, das Westfenster probeweise in die Chorwand einzubrechen und die bereits erwähnte Stuckfigur des Hl. Johann Nepomuk, von der angenommen wurde, dass sie im 18. Jh in der Kirche stand, zusammen mit einem sie umgebenden Strahlenkranz davorzustellen.
    Hierauf regte sich großer Protest vonseiten jüngerer Kunsthistoriker, die Schleich eine falsche Auslegung der Quellen vorwarfen und die Wiederherstellung des vorherigen Zustands forderten. Die vier Kunsthistoriker Richard Bauer, Gabriele Dischinger, Hans Lehmbruch und Heinz Jürgen Sauermost veröffentlichten im Sommer 1977 die Schrift “St. Johann Nepomuk im Licht der Quellen”, in der sie anhand einiger Quellen darzulegen versuchten, warum das Einbrechen des Westfensters falsch und die vorherige Lichtsituation hingegen original und richtig gewesen sei; Erwin Schleich antwortete wenige Monate später mit der Veröffentlichung seines Büchleins “Die Asam-Kirche in München – Ein Beitrag zur Restaurierung im September 1977”, in dem er anhand seiner Auslegung der Quellen und vor allem vieler Baubefunde seine Sichtweise zu beweisen suchte.
    Nachdem sich der Streit unter reger Anteilnahme der Öffentlichkeit incl. diverser Verunglimpfungen und Beleidigungen in allen möglichen Kanälen hochgeschaukelt hatte, entschied sich das Landesamt für Denkmalpflege schließlich für eine Art „Kompromisslösung“: die große Johann-Nepomuk-Figur wurde wieder entfernt, das Westfenster stark verkleinert und eine gelb verglaste Glorie mit seitlich angebrachten Figuren Marias und Johann Nepomuks (in Anlehnung an Sandizell und Osterhofen) davorgestellt - eine Lösung, die bis heute Bestand hat.

    Sehen wir uns nun die jeweiligen Argumente beider Seiten an: auf der einen Seite Schleich (sowie ursprünglich Adolf Feulner, Carl Lamb, Georg Lill und Hugo Schnell), auf der anderen die vier oben erwähnten Kunsthistoriker, die ich der Einfachheit halber von nun an “Gegner” nennen werde.
    Die Argumente Schleichs für die Existenz eines Westfensters wurden oben schon kurz angeschnitten, seien aber hier noch einmal genauer aufgeführt:

    1. Das Auffinden der halbsteinstarken Fenstervermauerung mit Gipsauffüllung innen und die Tatsache, dass in nahezu jeder von den Asambrüdern konzipierten Kirche ein gelbverglastes Fenster mit Glorie und/oder ein Bühnenaltar mit vollplastischer Figur vorhanden sei: Weltenburg, Rohr, Sandizell, Osterhofen, Johanni-Kapelle im Freisinger Dom, Hochaltar der Klosterkirche Fürstenfeld (der wahrscheinlich nach Entwurf von E. Q. Asam gebaut wurde). Die Idee stamme natürlich ursprünglich von Bernini, der sie bei seiner Cathedra Petri im römischen Petersdom umgesetzt hatte. Das Vorbild Petersdom werde in der Münchner Asamkirche übrigens auch an den vier gewundenen Säulen ersichtlich, die sich E. Q. Asam vom Ziborium des Petersdoms abgeschaut habe und die in München aber auf der Brüstung der Empore stehen und mittels eines Gebälks den darüber befindlichen Gnadenstuhl tragen.

    2. Die Überzeugung, dass die Münchner Asamkirche wie alle anderen Asamkirchen und die meisten Barockkirchen überhaupt symmetrisch angelegt sei, sowohl was die Ausstattung als auch die Lichtführung betrifft und dass deswegen die beiden Nordfenster auf der Empore, die keine Entsprechung auf der Südseite besitzen und den Innenraum einseitig belichten, nachträglich eingefügt worden sein müssen. Wenn sie aber nachträglich eingefügt wurden, müsse ursprünglich zum Zweck einer ausreichenden Beleuchtung des Chors unbedingt ein zentrales Chorfenster d.h. ein Westfenster vorhanden gewesen sein. Dieses Argument der Symmetrie soll weiter unten bei der Frage nach der originalen Lichtführung noch genauer erörtert werden.

    3. Die Verwendung der Johann-Nepomuk-Statue aus dem Hof als zentrale Altarfigur sei dadurch gerechtfertigt, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit im 18. Jh in der Kirche stand und zusammen mit den in den beiden Seitennischen stehenden Figuren des Johannes Baptist und Johannes Evangelist eine Dreiergruppe bilde, wie sie E. Q. Asam sehr ähnlich auch in der Johann-Nepomuk-Kapelle des Freisinger Doms realisiert habe. Sie könne auch zusätzlich zu einer um eine Lünette angeordnete Figurengruppe aus Johann Nepomuk und Maria, d.h. davor, aufgestellt gewesen sein; zumindest aber sei in Anbetracht des Verlustes der ursprünglichen Gestaltung eine Aufstellung der Johann-Nepomuk-Figur in der heutigen Kirche eine angemessene und passende Lösung.

    4. Schleich nimmt an, dass das Westfenster nicht als reine Lichtquelle gedacht war, “sondern durch einen großen Strahlenkranz transzendentes goldgelbenes Licht gebracht hat, wie das bei den meisten Asam-Kirchen in vielfach abgewandelter Form immer wieder zu beobachten ist” und dass deshalb in den 1770er Jahren (angeblich nach Abbruch des nördlichen Seitenanbaus, wozu wir im Anschluss kommen werden) zur zusätzlichen Belichtung die beiden langgestreckten Nordfenster anstelle von zwei älteren Türen eingebrochen worden seien. Wichtig sei aber laut Schleich gerade das ursprünglich indirekte Licht gewesen, was durch die beiden Nischen der Johannesfiguren sowie das mit goldgelbem Glas versehene Chorfenster sanft und gleichmäßig eingeströmt sei und den Raum weit gemacht habe, anders als die scharfen und einseitigen Lichtakzente der neuen Nordfenster.

    Nun zu den Argumenten der Gegner (wiederum mit Entgegnungen von Schleich). Es habe kein Westfenster auf Emporenhöhe gegeben, sondern es habe sich bei der halbsteinstarken Vermauerung um eine Nische gehandelt, in der das von Blasius Miller beschriebene versilberte Stuckrelief angebracht gewesen sei. Überhaupt zweifeln die Gegner die Genauigkeit der Untersuchungen von Klett und Lamb an; ihrer Meinung nach haben die beiden nur ein Fenstergewände entdeckt und daraus geschlossen, dass es auf der anderen Seite auch ein zweites geben und es sich somit um ein vermauertes Fenster handeln müsse. Schleich verweist auf die Bestätigung der baulichen Untersuchung Kletts durch zwei Fachleute, den Kunsthistoriker Hugo Schnell und den Vorstand des Landbauamtes Karl Hocheder. Die Nischentheorie erscheint Schleich darüber hinaus aber auch deshalb nicht plausibel, weil die Mauer bloß eine Stärke von 34cm hatte (Einsteinstärke) und eine Nische eine Mauerstärke von nur der Hälfte übriggelassen hätte, was für eine Außenwand entschieden zu wenig gewesen wäre. Das Fenster sei aus folgenden Gründen nur halbsteinstark vermauert worden, weil die Fenstergewände erstens innen höchstwahrscheinlich architektonisch gestaltet gewesen seien und zweitens die Eisenkonstruktion des Fensters, von der Blasius Miller schreibt, aus Zweckmäßigkeit belassen und die Innenseite des Fensters einfachheitshalber mit Gips aufgefüllt worden sei (der bei den Untersuchungen von Klett und Lamb auch tatsächlich vorgefunden wurde). Zudem sei die Außenseite der Vermauerung mit einem Schindelbelag gegen die Witterung geschützt worden. Dies alles seien laut Schleich typische Behelfsmaßnahmen und könnten nicht als ursprünglich so geplanter Zustand angenommen werden. Die Befürworter der Nischentheorie hingegen argumentieren, dass eine halbe Steinstärke absolut ausreichend sei und dies auch in anderen Fällen so gehandhabt worden sei: man brauche bloß einen Bogen darüber zu mauern, um für die nötige Stabilität zu sorgen. Zudem hätte die außen an den Chorerker angebaute Sakristei, die vor ihrer Zerstörung im 2. Weltkrieg vierstöckig gewesen war, ein hypothetisches Westfenster in Emporenhöhe zum Teil verdeckt und Blasius Miller habe in seiner Beschreibung mit “groß rundem Fenster” daher das darüber liegende Gewölbefenster gemeint und nicht ein Fenster auf Höhe der Chorempore. Schleich hält dagegen, dass die Sakristei ursprünglich nur zweistöckig gewesen sei und weist mithilfe von Baubefunden auf Basis von alten Plänen sowie Fotos nach der Zerstörung überzeugend nach, dass die Sakristei erst später aufgestockt wurde.
    In Bezug auf die von Schleich probeweise getätigte Aufstellung der Johann-Nepomuk-Figur auf der Empore argumentieren die Gegner, dass die Johann-Nepomuk-Statue viel zu groß für die Chorempore sei und sie ursprünglich auch nicht etwa zusätzlich zu einem Stuckrelief aufgestellt gewesen sein könne, weil die Zeremonien der Dreifaltigkeitsbruderschaft, die nachweislich am oberen Altar abgehalten wurden, durch das raumgreifende Volumen der Statue sehr schwer, wenn nicht sogar unmöglich gemacht worden wären.

    Gehen wir zum zweiten Streitpunkt, der Frage nach der originalen Lichtführung und damit der beiden Nordfenster.

    Laut Schleich soll es einen zweistöckigen nördlichen Seitenanbau an den Chorerker analog zum bestehenden südlichen Seitenanbau gegeben haben; die Nische mit der Figur des Johannes Evangelist auf der Nordseite der Chorempore sei genauso wie die entsprechende Nische mit Johannes dem Täufer auf der Südseite nach hinten offen und mit einem Oratorium hinterbaut gewesen. Daraus ergebe sich als Konsequenz, dass die beiden langgestreckten Nordfenster nachträglich eingebaut worden seien und damit die Lichtführung verändert worden sei. Indizien:

    1. Farb- und Putzbefunde, die eindeutig zeigen, dass die Nische längere Zeit nach hinten offen war und erst nachträglich vermauert wurde (Existenz von mehreren Farbschichten, die ohne Unterbrechung von der Innenwand auf die heutige Außenwand durchgehen).

    2. Regelmäßige Balkenlöcher an der heutigen Nordwand auf exakt der Höhe der Empore und der Johannesnische analog zum Seitenanbau auf der Südseite.

    3. Fund einer Eisenschlauder im Mauerwerk auf Höhe des Hauptgesimses (auf der die Decke des Oratoriumsanbaus erwartet werden müsste), welche die sich dort 20 cm nach außen neigende Polygonecke umklammert und vor weiterem Wegdriften schützt; die dazugehörigen, nur 3 cm schmalen Streifenschlitze im Mauerwerk, durch welche die Eisenschlauder gelegt ist, seien mit einer dermaßenen Präzision herausgeschnitten und mit Ziegelriemchen wieder verschlossen worden, dass ihre Entstehung laut Schleich nur im Klassizismus angenommen werden könne: im Barock sei das Maurerhandwerk in München “souverän verschlampt”, erst im Klassizismus und speziell durch das Wirken von Klenze sei es wieder zu einer größeren handwerklichen Genauigkeit gekommen, weswegen diese Präzisionsarbeit nicht in der Zeit des Barocks durchgeführt worden sein könne. Auslöser für die Verschiebung nach außen, die natürlich von den Schubkräften des Gewölbes des Hauptraums ausgehe und auf der Südseite aufgrund des dortigen Seitenanbaus nicht festzustellen sei, sei der Abriss des nördlichen Seitenanbaus in den 1770er Jahren gewesen, also lange nach E.Q. Asams Tod. Weitere Mauerwerksuntersuchungen insbesondere im Bereich der beiden Nordfenster, die Aufschluss über ihre Entstehungszeit hätten geben können, untersagte das Landesamt für Denkmalpflege aus Sorge vor Zerstörung von Originalsubstanz.

    4. Auffinden von zwei Balustern, einer Volute und drei Vierpassplatten aus Stuckmarmor in der Bodenauffüllung der Empore vor dem nördlichen oberen Fenster, wie sie genau entsprechend auf der Südseite in der Stuckumrahmung um die Türe, in der Balustrade der Konsole und im unmittelbar an den südlichen Seitenanbau anschließenden Stiegenhaus des Asamhauses vorhanden sind - ein Indiz für eine ursprünglich symmetrische Ausbildung der Architektur.

    5. Das im Krieg zerstörte Rückgebäude des Priesterhauses, welches einem Seitenanbau im Wege gestanden wäre, stamme nicht aus der Entstehungszeit der Asamkirche, sondern sei erst nach 1775 errichtet worden, als das Grundstück samt Priesterhaus in den Besitz der Stadt München überging. Es habe die Deckenbalken nicht, wie in München vom Mittelalter bis zum Ende des Barock üblich, parallel zur Fassade, sondern im rechten Winkel dazu gehabt - eine Änderung, die in München erst mit Beginn des Klassizismus eingetreten sei. Außerdem sei seine nördliche Außenmauer entgegen altem Münchner Brauch an und nicht auf der Grundstücksgrenze gebaut gewesen - gemäß dieser sogenannten “kommunischen” Tradition seien Außenmauern lange Zeit üblicherweise direkt auf die Grundstücksgrenze gebaut worden und hätten von späteren Nachbarbauten mitbenutzt werden dürfen; die Tatsache, dass dies hier nicht geschehen sei, ließe auf eine spätere Erbauungszeit schließen.

    6. Der Zugang zur Kanzel sei bis zur Zerstörung “außen in höchst primitiver Weise an die Kirche angeklebt (gewesen), wie dies in der Regel nur bei Landkirchen zu finden ist”; laut Schleich sei es unvorstellbar, dass E. Q. Asam mit so einer primitiven Lösung zufrieden gewesen sein solle und sieht hier ein weiteres Indiz für die Existenz eines nördlichen Seitenanbaus, in dem auch der Aufgang zur Kanzel untergebracht gewesen sei.

    7. Das im Krieg zerstörte sogenannte “Frauenhofersche Oratorium”, ein kleiner einstöckiger Anbau unterhalb der Empore zwischen Polygonwand und Rückgebäude des Priesterhauses, dessen Existenz als weiterer Beweis gegen einen höheren nördlichen Anbau an gleicher Stelle vorgebracht wurde, sei baulich klar ersichtlich erst später an die Nordseite angebaut worden und könne nicht Teil der ursprünglichen Planung gewesen sein.

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Für Schleich stand somit fest, dass die Kirche erstens ursprünglich zu beiden Seiten bis zur Hauptgesimshöhe von Seitenanbauten umrahmt war, zweitens die Apsis von Anfang an Teil der Planung und des Baus war und drittens die beiden heute noch existierenden Nordfenster der Empore erst nach dem Abriss des nördlichen Seitenanbaus in den Jahren 1771-73 eingebrochen wurden und somit die Lichtführung von einer ursprünglich symmetrischen zu einer asymmetrischen geändert wurde. Daran schließe sich eine entsprechende symmetrische architektonische Gestaltung des Innenraums an.
    Die Gegner dieser Theorie bestreiten dies und gehen von einer von E. Q. Asam so geplanten asymmetrischen Lichtführung aus, zu der die beiden Nordfenster von Anfang an gehört hätten; ihrer Meinung nach habe es nie einen mehrstöckigen nördlichen Seitenanbau gegeben, weil das Hintergebäude des Priesterhauses schon zur Erbauungszeit der Kirche existiert habe und damit für einen nördlichen Seitenanbau kein Platz gewesen sei - die bis zum Krieg bestehende Hofsituation, die im Stadtplan von Consoni 1806 erstmals dokumentiert wurde, sei die originale gewesen. Es gebe in den verschiedenen Archiven der Stadt und der Diözese keinerlei schriftliche Belege für einen Neubau des Rückgebäudes nach 1774. Schleich weist hier darauf hin, dass Dokumente zu Neu- oder Umbauten aus jener Zeit des öfteren nicht in den Archiven vorhanden seien und dies deshalb kein Beweis sei, dass Baumaßnahmen nicht stattgefunden hätten.
    Was die Farb- und Putzbefunde sowie die im Mauerwerk gefundenen Balkenlöcher betrifft, mutmaßen die Gegner, dass möglicherweise zwischen dem Rückgebäude des Priesterhauses und dem Chor der Kirche ein hölzerner Verbindungsgang auf Höhe der Empore existiert habe, um der Frauenhoferschen Familie, den Besitzern des Rückgebäudes und Stiftern eines Ewiglichtkapitals für die Kirche, einen Gefallen zu erweisen und ihnen einen privaten Zugang zur Kirchenempore samt Oratorium zu ermöglichen. Dieses Oratorium sei dann bei Anfügung der Apsis an den Chor, welche ihrer Meinung nach erst 1739, also einige Jahre nach Fertigstellung des Rohbaus, erfolgt sei (Indiz dafür: die Apsis sei bei der Bombardierung im 2. Weltkrieg allzu glatt heruntergefallen), entfernt und auf Erdgeschoßhöhe neugebaut worden: dadurch sei das bereits erwähnte, im 2. Weltkrieg zerstörte Frauenhofersche Oratorium entstanden. Laut Schleich sei die Apsis, basierend auf Baubefunden, hingegen Teil des Ursprungsplans- und baus gewesen und nicht erst später hinzugefügt worden.

    Die schließlich vom Denkmalamt angeordnete, bereits oben beschriebene „Kompromisslösung“, das Westfenster stark zu verkleinern, die Figur des Johann Nepomuk zu entfernen und durch zwei versilberte und seitlich der Öffnung angebrachte, neu anzufertigende Stuckreliefs (eigentlich Figuren) von Maria und Johann Nepomuk zu ersetzen, ist eine Lösung, die Schleich natürlich wesentlich mehr entgegenkam als den Gegnern eines Westfensters, denen im Grunde nur blieb, dass die von Schleich angedachte Rekonstruktion des nördlichen Seitenanbaus samt Öffnung der rechten Seitennische unterblieb. Der Grund für diese Bevorzugung Schleichs war, dass vonseiten höhergestellter Kunsthistoriker im Denkmalamt, des zuständigen Ministeriums sowie des erzbischöflichen Ordinariats Sorge bestand, dass Erwin Schleich und Leo Benz, der als Unternehmer die gesamte Renovierung großzügig finanzierte, verärgert werden und abspringen könnten, falls man ihnen zu viele Steine in den Weg legen würde. Man war nämlich froh, dass mit dieser aufwendigen und teuren Renovierung zum ersten Mal die ursprüngliche Farbigkeit des Kirchenraums und vor allem das stark verwitterte Fresko wiederhergestellt werden konnten und wollte diese Unternehmung somit auf keinen Fall gefährden.

    Zustand 1824-1944 mit dem Gemälde von Andreas Seidel (Foto von 1937):

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    (Quelle: Bildarchiv Foto Marburg)

    Zustand 1958-1975 mit dem versilberten Relief des hl. Johann Nepomuk von Franz Lorch:

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    (Quelle: Timeline Images)

    Weiteres Foto mit dem Relief: https://www.bildindex.de/document/obj20…dium=mi12822e01

    Zustand nach dem Einbruch des Westfensters und der Versetzung der Johann-Nepomuk-Figur von E.Q. Asam samt neu angefertigtem Strahlenkranz auf die Altarempore (1977):

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    (Quelle: Alamy)

    1982 aber tauchte ein bis dato unbekannter Querschnitt des Chors von 1812/13 auf (also vor der Umgestaltung des Chors und der Anbringung des Gemäldes von Seidl), in dem auf der Empore kein Fenster, sondern wie von den Gegnern postuliert eine geschlossene Wand zu sehen ist:

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    Dieser Fund beantwortet also die Frage nach dem Westfenster abschließend und im Sinne der Fenstergegner; allerdings war zu diesem Zeitpunkt das Westfenster schon eingebaut und die Restaurierung abgeschlossen, so dass diese Lösung nicht mehr rückgängig gemacht werden konnte.

    Heutiger Zustand mit dem verkleinerten Westfenster und den versilberten Stuckfiguren:

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    Nahaufnahme des oberen Altars:

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    Es bleibt die Frage nach der symmetrischen Lichtführung und der möglichen Existenz eines nördlichen Seitenanbaus, eine Frage, bei der die Baubefunde von Schleich durchaus schwer wiegen und nicht so leicht widerlegt werden können; wenn es allerdings nachgewiesenermaßen kein Westfenster auf der Empore gegeben hat, muss das Licht fast zwangsläufig von woanders hergekommen sein, denn das westliche Gewölbefenster dürfte für eine angemessene Belichtung des Chors wohl kaum ausgereicht haben. Johannes Erichsen schreibt 1983 in der Kunstchronik:

    Der so (d.h. von Schleich) herausgearbeitete „originale Baugedanke“ führt bei der Suche nach Vergleichsbeispielen zwangsläufig zu Altären mit von rückwärts einfallendem vollen Licht, nach Sandizell und Osterhofen (Seitenaltar), ohne nach den besonderen Bedingungen dieser Altäre fragen zu müssen. Er führt hingegen nicht nach Rohr, wo sich die Altarlösung findet, auf die E. Q. Asam in seiner Hauskirche offensichtlich wirklich zurückgegriffen hat: die Inszenierung einer Assumptio vor dunklem Fond, indirekt beleuchtet durch weißes Seiten- und gelb-goldenes, „himmlisches“ Oberlicht. Damit wird die Entwicklungslinie mißachtet, die vom Rohrer über den Osterhofener Hochaltar (in dem seitlich „Oratorien“ in den Fenstern eingeführt werden) nach St. Johann Nepomuk führt. Nach allem, was die Forschungen der letzten Jahre erbracht haben, bestand die geniale Leistung in der überaus schwierigen, nur im Westen und Nordwesten Höfe berührenden Baulücke an der Sendlinger Gasse ja eben darin, daß Asam den dämmerigen Raum nicht nach Westen zur Nachmittagssonne hin aufgerissen, sondern mit Seiten- und Oberlicht den Chor aufzuhellen und dem silbern schimmernden Schlußbild im oberen Altar eine quasi überirdische Atmosphäre zu geben verstanden hat.“

    Abschließend kann man Schleich vorwerfen, eine weniger denkmalpflegerische als vielmehr eine „ästhetizistische“ Herangehensweise praktiziert zu haben, bei der er sich im Asamschen Formenvokabular frei bedient hat, um eine zwar ästhetisch stimmige, aber eben nicht historisch belegbare Lösung für die Chorempore zu kreieren. Schleich äußerte sich 1981 in der Süddeutschen Zeitung dazu: „Kein Mensch weiß zuverlässig, wie der obere Chor der Kirche ursprünglich ausgesehen hat … Es wäre zu wünschen, daß endlich anstatt weiterer theoretischer Spekulationen Ruhe eingeräumt wird für eine sorgfältig erarbeitete künstlerische Lösung.“ Und in einem weiteren Artikel im Münchner Merkur vom Juni 1981: „Die Vervollständigung der Asamkirche muß auf das Gesamtwerk des Egid Quirin Asam bezogen werden, das eine Fülle von großartigen, beispielhaften Lösungen aufweist. Es kann hinreichend Aufschluß geben über das künstlerische Wirken und die Planungsideen der Asam-Brüder.“

    Auf jeden Fall hat sich die Schleichsche „Kompromisslösung“ inzwischen über 40 Jahre gehalten und fällt heute wohl keinem Besucher mehr störend auf - fast niemand weiß überhaupt, dass hier einmal etwas verändert wurde. Die Haltung der heutigen Kunsthistoriker bleibt aber verständlicherweise ablehnend, wie zwei Zitate belegen mögen:

    „… so wurde der zweite Versuch bis heute geduldet. Es ist Zeit, ihn zu beenden und die Altarwand wieder zu schließen, denn das gelbe Fenster verändert in unglücklicher und unzulässiger Weise die von Asam geplante Lichtführung. Das Stuckrelief von 1980 ist in seinen grobschlächtigen Formen unerträglich, neben den virtuosen Plastiken Egid Quirin Asams. Es ist auch vom Programm her falsch, weil es eine Jungfrau anstelle einer Mutter mit Kind als Vision des Heiligen zeigt und weil es die Krone, die ein Englein, das auf den Stuckgirlanden schaukelt, im Himmel für den Heiligen bereithält, vorwegnimmt.“ (Peter B. Steiner, 2010)

    Seit 1977 ist die Rückwand zu einer Lichtöffnung aufgebrochen. Diese denkmalpflegerische Maßnahme, die den vermeintlichen Ursprungszustand wiederherstellen sollte und ganz München in zwei Lager spaltete, hat sich inzwischen als Irrtum herausgestellt. In der Tat bringt die allzu helle Lichtöffnung den ganzen oberen Raumabschluss aus dem Gleichgewicht, da sie das Hauptmotiv, den Baldachin, und selbst den Gnadenstuhl penetrant übertönt. Die Öffnung, die nur ein leeres Loch ist, sollte unbedingt wieder geschlossen werden. Denn nur so käme die Lichtsituation des Raums, die heute empfindlich gestört ist, wieder uneingeschränkt zur Geltung, der sakrale Dämmer, in welchem das Licht wie eine eigene Materie schwebt. Nur so wäre der Andächtige wieder ganz von jener eigentümlichen Stimmung des Raums erfüllt, die anders als sonst im bayerischen Barock etwas Mystisches hat.“ (Bernhard Schütz, 2000)

    Ich denke allerdings nicht, dass man in absehbarer Zukunft etwas am Status quo ändern wird, denn für solche idealistischen Spielereien dürfte im Moment kein Geld verfügbar sein - die Kirche und der Staat haben vorerst genügend damit zu tun, die dringendsten baulichen Mängel in den vielen Kirchen zu beheben. Ich hätte auch die Befürchtung, dass man im Falle einer Umgestaltung heutzutage eine moderne Lösung favorisieren würde, die zu einem noch viel inakzeptableren stilistischen Bruch führen würde. Ob die naheliegendste und im Endeffekt wünschenswerteste Option, nämlich das 1944 angefertigte und bis 1977 in der Kirche hängende Stuckrelief von Franz Lorch wieder anzubringen, möglich ist, weiß ich nicht; mir ist nicht bekannt, ob es noch in einem Magazin existiert. Von daher ist es wahrscheinlich am besten, man belässt vorerst alles so, wie es ist und was durch seine über 40-jährige Existenz vielleicht auch eine gewisse Daseinsberechtigung und eine Art Denkmalcharakter bekommen hat.

    Momentan wird gerade eine Renovierung der Kirchenfassade durchgeführt, von der sich Stuckteile gelöst haben.

    Zum Abschluss noch ein Zitat von Bernhard Rupprecht von 1980 über den wahrscheinlich wichtigsten Aspekt beim Betrachten eines solchen Asamschen Kirchenraums:

    Heute, ungefähr zweieinhalb Jahrhunderte nach ihrer Entstehung, tauchen bei der Betrachtung Asamscher Räume, Bilder und Skulpturen gewisse Gefahren auf. Die größte davon ist die Isolierung dieser Architekturen und Bildwerke aus dem kulturellen Zusammenhang, in dem sie entstanden und standen, und von dem sie ein wichtiger Teil waren. Diese Gefahr des Mißverstehens ist deswegen so ernst, weil die inzwischen so ganz andersartige technisch-industrielle Welt- und Lebensverfassung diesen Werken so fern gerückt ist. Sie sind weniger als Kunst-Attraktionen, als künstlerische Schöpfungen in einem modernen Verständnis anzusehen, sondern sie waren eingebettet in ein lebendiges Ineinander von Kultur und Kult, von Liturgie, Zeremoniell und Bild. Ein Abendschein dieses Zusammenwirkens und dieses Zusammenklangs einer einheitlichen Lebensform war aufbewahrt in der nachtridentinischen Liturgie der römischen Kirche. Die Reformen im Gefolge des zweiten vatikanischen Konzils haben auch diesen letzten Abglanz zum Verlöschen gebracht. Es bedarf neben der Kraft der Anschauung und künstlerischer Sensibilität auch eines Wissens und der Einfühlung in die historische Entstehungslage der Asamschen Werke, damit diese nicht als funktionslose Artefakte und verödete Festsäle zu Staffagen eines rührigen Kunstbetriebs werden, der nur zu bereit ist, barocke Klosterkirchen als stimmungsvollen Rahmen sommerlicher Festivals zu vereinnahmen.”

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

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    Der Gnadenstuhl mit Gottvater, der seinen gekreuzigten Sohn vor sich hält:

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    Karl Kraus

  • Nun zur umlaufenden Empore. Ich möchte behaupten, dass man die Asamkirche erst dann wirklich kennenlernt, wenn man auf der Empore steht; unten scheint der Kirchenraum je nach Lichteinfall oft sehr düster und eng, erst oben weitet sich der Blick und man bekommt unglaublich spannende Einblicke.

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    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Ich glaube Erwin Schleich hätte sehr gut in dieses Forum gepasst. Was er denkmalpflegerisch und ästhetisch für München geleistet hat, ist unglaublich. Da kann ich ihm seine Neigung zu Ästhetik ganz gut verzeihen.

    Hat die Schönheit eine Chance-Dieter Wieland

  • Diese Galerie macht einen dreifach sprachlos: ob der (mir bislang unbekannten) Pracht vieler Münchner Kirchen. Der Wiederaufbauleistung. Und der fast wissenschaftlichen Akribie, mit der das eine und das andere hier dokumentiert wird.

  • Ich hab jetzt eine Übersichtskarte der Kirchen in der Altstadt in den ersten Beitrag gestellt.

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Die heutige Lösung mit dem verkleinerten Westfenster ist natürlich die allerschwächste - weder Fisch noch Fleisch. Gerade durch die Verkleinerung gewinnt das Fenster an Wirkung. Vorher diente es nur der besseren Inszenesetzung des Joh. Nep., heute ist es Mittel- und Höhepunkt des Altars, eine monstranzartige Hervorhebung, leider in sehr banaler Färbelung. Mit keiner der Vorgängerlösungen kann der heutige Zustand mithalten. Ein typischer Fall, dass die WaschmirdenPelzabermachmichnichtnass-Lösung zumeist nicht funktioniert.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Es gibt aber auch außerhalb der Altstadt noch einige sehenswerte Kirchen, ich hoffe, ich komme noch dazu, bevor Du nach München fährst :) schau Dir aber bitte vor allem noch die Residenz, Schloss Nymphenburg mit Parkburgen (Amalienburg!) und Schloss Schleißheim an. Und evtl. das Bayer. Nationalmuseum in der Prinzregentenstraße.

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Die heutige Lösung mit dem verkleinerten Westfenster ist natürlich die allerschwächste - weder Fisch noch Fleisch. Gerade durch die Verkleinerung gewinnt das Fenster an Wirkung. Vorher diente es nur der besseren Inszenesetzung des Joh. Nep., heute ist es Mittel- und Höhepunkt des Altars, eine monstranzartige Hervorhebung, leider in sehr banaler Färbelung. Mit keiner der Vorgängerlösungen kann der heutige Zustand mithalten. Ein typischer Fall, dass die WaschmirdenPelzabermachmichnichtnass-Lösung zumeist nicht funktioniert.

    Bzgl. der heutigen Lösung geb ich Dir recht, das ist nicht Fisch nicht Fleisch. Ich finde aber auch die erste Schleichsche Lösung mit der Johann-Nepomuk-Figur auf der Empore nicht gut, die 2m große Figur ist dort viel zu wuchtig und der Strahlenkranz samt Baldachin wirkt auf mich tatsächlich etwas kitschig. Am besten würde mir, glaube ich, die direkte Nachkriegslösung mit dem versilberten Relief gefallen.

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    Karl Kraus

  • Noch ein Nachtrag zum Asamhaus: die ursprünglichen, reich geschnitzten Türflügel befinden sich seit langem im Diözesanmuseum Freising, am Asamhaus sind seitdem vergleichsweise einfach kassettierte Türflügel montiert.

    Hier eine Ansicht mit den heutigen einfachen Türflügeln:

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    Die ursprünglichen Türflügel:

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    (https://stadtgeschichte-muenchen.de/bilder/d_fotos.php?id=12226, © Gerhard Willhalm, Türen - Wohnhaus Gebrüder Asam, CC BY-NC 4.0)

    Hier eine Fotomontage des Portals mit den originalen Türflügeln:

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    (https://stadtgeschichte-muenchen.de/bilder/d_fotos.php?id=12283, © Gerhard Willhalm, Asamhaus mit orginalen Portaltüren, CC BY-NC 4.0)

    Ich verstehe, dass die originalen Türflügel zu wertvoll sind, um sie dem Wetter und eventuellem Vandalismus auszusetzen, aber es wäre sehr schön, wenn man sie vielleicht nachschnitzen könnte... es würde das Asamhaus nochmal in hervorragender Weise aufwerten!

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    Karl Kraus

  • Allerheiligen-Hofkirche (profaniert)

    Marstallplatz, aber zu Residenzstraße 1 gehörig
    Erbaut 1826-37
    Typus: zweifach überkuppelte Wandpfeilerkirche mit runder Chorapsis und Empore

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    Baugeschichte:

    - 1826 Entwürfe Leo von Klenzes und Grundsteinlegung, erstes Modell mit Angabe der Disposition der Malereien in der Kirche
    - 1827 erste Entwürfe der Malereien von Heinrich von Heß
    - 1828 Beginn der Maurerarbeiten
    - 1829 Modelle Konrad Eberhards für die Skulpturen der Fassade; Verkleidung des Ziegelbaus der Fassade mit Quadersteinen; Beginn der Errichtung der aus statischen Gründen notwendigen Seitenanbauten; Errichtung des Dachstuhls
    - 1830 Beginn der Ausführung der Malereien durch Heinrich von Heß, Johann Schraudolph, Carl Koch, Johann Baptist Müller, Alexander Maximilian Seitz und Joseph Anton Schwarzmann
    - 1833 Vollendung der Ausmalung der östlichen Kuppel
    - 1835 Entwürfe Klenzes zu Altarleuchtern und Ampel
    - 1836 Stuckmarmorarbeiten und gemalte mosaikartige Dekorationsmalerei
    - 1837 Fertigstellung und Weihe
    - 1943 Beschädigung der Fassade, 1944 Zerstörung des Daches, der Gewölbe und weiter Teile des Kircheninneren
    - 1956-58 Abbruch des linken Seitenanbaus zugunsten des sich direkt an die Kirche anlehnenden Staatstheaterneubaus sowie Abbruch von weiteren einsturzgefährdeten Teilen und den Resten des Gewölbes
    - 1964 Entscheidung zum Abbruch der Ruine, welcher aufgrund starker Proteste aber nicht durchgeführt wird
    - 1968 Beschluss des bayerischen Landtags, die Kirchenruine zu erhalten
    - 1970 Beginn der baulichen Sicherungsarbeiten, neue hölzerne Dachkonstruktion von Hans Döllgast
    - 1988-95 Neueinwölbung nach originalen Plänen und Sanierung der Fassade
    - 2001-2003 Umbau des Innenraumes zu einem Veranstaltungssaal


    Nach der Unterbrechung durch die Säkularisation (1803) war die Allerheiligen-Hofkirche der erste Kirchenneubau in Bayern, womit ihr auch in der auf Aussöhnung zwischen Staat und Kirche bedachten Kirchenpolitik Ludwigs des I. eine große Bedeutung zukam. Außerdem gilt sie als erste neobyzantinische Kirche Europas und war zudem die erste historistische Kirche Münchens. Die Idee zu dieser Kirche kam Ludwig I., als er 1817 und 1823 zweimal Weihnachten in Palermo verbrachte und die Christmette in der dortigen Cappella Palatina, der Hofkapelle der Normannenkönige, besuchte. Er beauftragte seinen Architekten Leo von Klenze mit einer Adaptation als neue Hofkirche für seine Residenz in München, die dieser schließlich als Mischung aus mehreren Elementen konzipierte: neben der Cappella Palatina dienten auch der Dom in Palermo, San Marco in Venedig und der Dom von Piacenza als Vorbild. Die Fassade erscheint dreischiffig-basilikal, was aber nicht dem Innenraum entspricht; die seitlichen Flanken der Fassade, von denen nach Abriss nach Kriegsbeschädigung nur noch die rechte existiert, standen vor zwei vom Kirchenraum abgetrennten Nebenräumen, die lediglich praktischen Zwecken dienten. Auf diese Weise konnte die gewünschte romanische Außenerscheinung mit einem für Hofkirchen typischen Emporengeschoß kombiniert werden, ohne den Innenraum einzuengen. Die seitlichen Anbauten machten es zudem möglich, auf äußere Strebekonstruktionen zu verzichten.

    Der Bau der Allerheiligen-Hofkirche ist außerdem im Zusammenhang mit der von Ludwig I. durchgeführten Neugestaltung der gesamten Residenz zu sehen, in deren Zuge nicht nur der Königsbau im Süden und der Festsaalbau im Norden an die älteren Teile der Residenz angebaut wurden, sondern auch der seit dem großen Residenzbrand von 1750 heruntergekommene und bis dato nur provisorisch wiederhergestellte östliche Teil durch den Neubau der Kirche ein neues Gesicht bekommen sollte.

    Das Wichtigste aber war die an die Cappella Palatina angelehnte farbliche Innengestaltung, die von Klenze konzipiert wurde. „Aus erlesenem Marmor bestanden das kostbar gemusterte Pflaster, die Säulen, die helle Chortreppe und die weiße Mensa des Hauptaltars. Die Pfeilerkörper und Wände des Erdgeschosses waren mit gepflegtem Stuccolustro verkleidet, verbunden der tektonischen Substanz, zugleich aber auf Farb- und Lichtwirkungen bezogen. Zum geometrischen Feldersystem florentinischer Inkrustationen kamen „normannisch-byzantinische“ Flecht- und Zangenmotive. Inschriften zeigten selbständige Typen. Im Obergeschoß führte Malerei auf mehr textile Weise die Dekoration fort. Der Gesamtton war von vornehmer Wärme, gedämpft auf Rötlich, Gelbbraun, Mattgrün und Dunkelgrau. Die vergoldeten Kapitelle - das einzige plastische Element - konsonierten mit den Goldgründen der Malereien. Angeregt aus den Eindrücken von Palermo und Venedig sollte die Hofkirche ein Raum monumentaler Sakralmalerei werden - das Gegenstück zur antikischen Glyptothek.“ (Norbert Lieb, 1973)

    Die bildlichen Darstellungen wurden nicht wie von Ludwig ursprünglich gewünscht in Mosaiken, sondern in der von Klenze favorisierten Freskotechnik ausgeführt und hauptsächlich von Heinrich von Heß entworfen, wobei er in die Gestaltung der Gewölbe und der Apsis auch Peter von Cornelius’ nazarenischen Historienstil einfließen ließ. Die Motive vereinten biblische Szenen mit Heiligen- und Sakramentdarstellungen sowie der Darstellung der Trinität in der Apsis. Es war das erste Mal seit der Barockzeit, dass eine solche polychrome sakrale Monumentalmalerei wiederaufgegriffen wurde: “Bahnbrechend nach jahrzehntelangem nachbarockem Purismus in der Kirchenausstattung war die den Gesamtraum umfassende intensive, stimmungsvoll wirkende, als religiös empfundene Polychromie, die von den Initiatoren beabsichtigte Wiederbelebung der sakralen Monumentalmalerei sowie das Wiederauftreten einer vielschichtig differenzierten Ikonographie, die den ganzen Raum beziehungsreich interpretierte.” (Bayer. Denkmaltopographie)

    Zusammenfassend schreibt Norbert Lieb über die Allerheiligen-Hofkirche: „Der Bau, der praktisch als unnötig erscheinen konnte, vollzog ein geistiges Konzept: die Wiedergewinnung des sakralen Bildraums in einer wesentlich katholischen Art. Was im Zusammenwirken von Bauherr, Architekt und Maler entstand, war keine historische Kopie, sondern „ein geniales Werk poetischer Nachschöpfung“ (Arthur Weese, 1906) - und mehr als das. Die Kirche war eine Hofkirche. Ihr Titel hatte etwas Hofstaatlich-Sakrales, wie es bildlich in der zweiten Kuppel und in der Hauptapsis interpretiert wurde. Ein traditionell hofkirchliches Element waren die Emporen. Als ein hofkirchliches Charakteristikum darf man auch die erhabene Vertikalspannung ansehen (in München vorgeprägt in St. Michael und der Theatinerkirche). Königlich wirkten Säulen und Pfeiler, Kuppeln und Apsis. Die Kirche hatte im Unterteil „basilikale“ Struktur, das ganze Innere konnte wie ein „Hof“-Raum erscheinen. Die Emporen dienten sowohl als Faktoren struktiver Ordnung wie auch als Aufenthaltsbereich einer hofkirchlichen Rangordnung. In besonderem, zeiteigenen Sinn war dieser Raum die Hofkirche eines verfaßten und kulturgesonnenen Königtums. (…) Zugleich war die Hofkirche öffentlich, von außen her allgemein zugänglich. Bei aller königlichen Zeremoniosität und „Bildung“ hatte der Raum allgemeinmenschliche Werthaltigkeit. Seine Sakralität tauchte in die Tiefen des Mittelalters zurück - und doch war sie innerlich auch jenem des barocken Innenraums gar nicht fern. Der von Kunst getragenen Neubelebung der Sakralräumlichkeit entsprach gleichzeitig die Wiederaufnahme des Gregorianischen Chorals und der vorbarocken Vokalmusik - eine neue Kirchenmusik und Orgelkultur. In der Gesamtgeschichte kirchlicher Raumkunst besaß die Allerheiligen-Hofkirche einen hohen Rang.“

    Heute ist nach den Kriegszerstörungen bis auf winzige, versteckte Reste nichts mehr von der einstigen dekorativen Pracht des Innenraumes erhalten. Auch die äußere Form ist nicht mehr ganz gewahrt: wie bereits erwähnt fehlt der linke Seitenanbau und somit auch die linke Seitenflanke der Fassade. Die Zerstörungen waren dabei insgesamt nicht gravierender als in vielen anderen Bereichen der Residenz, auch wenn weite Teile des Gewölbes eingestürzt und somit fast die gesamte Deckenmalerei verloren war. Im Gegenteil: die Malereien an den Wänden waren größtenteils noch vorhanden und hätten, ebenso wie der noch vorhandene linke Seitenanbau, bei rechtzeitiger Eindachung des Kirchenschiffs gerettet werden können. Stattdessen blieb die Ruine 26 Jahre lang, bis 1970, ungeschützt Regen, Schnee und Eis ausgesetzt, was die Dekoration natürlich fast komplett zerstörte. Wieso entschloss man sich nicht zu einer Rettung und ließ die wiederaufbaufähige Ruine stattdessen verfallen?

    Die Gründe liegen einerseits in einer damals generell verbreiteten Geringschätzung der Architektur des 19. Jhs, weswegen man der Allerheiligen-Hofkirche, wie auch den anderen klassizistischen Trakten der Residenz, keinen großen Wert zumaß; andererseits lag es aber auch an der Person Rudolf Esterers, des Spiritus Rector des Wiederaufbaus der Münchner Residenz, der den ganzen nordöstlichen Teil der Residenz neuen, praktischen Zwecken zuführen wollte, welchen die Allerheiligen-Hofkirche im Wege stand. Diese neuen, als unausweichlich für eine zumindest teilweise zeitgemäße Nutzung der wiederaufzubauenden Residenz angesehenen Funktionen bestanden zunächst in der Unterbringung des neuen Konzertsaals (Herkulessaal) und der Akademie der Wissenschaften in den Trakten am Hofgarten, die zu diesem Zweck nur äußerlich wiederhergestellt, innen aber völlig umgestaltet wurden. Dazu sollte nach Esterers Vorstellungen der nördlich der Allerheiligen-Hofkirche gelegene Apothekenstock das im Krieg ausgelagerte Alte Residenztheater (Cuvilliés-Theater) aufnehmen, welches für den Betrieb natürlich zusätzliche technische Hinterräume benötigte; genauso erforderten das Neue Residenztheater, welches nach Kriegszerstörung der baulichen Hülle des Alten Residenztheaters an dessen Stelle errichtet wurde, sowie die wiederaufzubauende, südlich daneben gelegene Staatsoper ebenfalls größere Technik- und Magazinräume als noch vor dem Krieg. Dieser Raumhunger konnte letztendlich nur auf Kosten der Residenz gehen und im Zentrum des Spannungsfeldes - nämlich genau zwischen Apothekenstock und Neuem Residenztheater - stand die Allerheiligen-Hofkirche, der wie bereits erwähnt sowieso kein hoher kunsthistorischer Wert beigemessen wurde. Selbst als sich herausstellte, dass der zur Verfügung stehende Platz auch bei einem Abriss der Allerheiligen-Hofkirche nicht für die geplanten Erweiterungsbauten ausgereicht hätte und deshalb von 1959 bis 1963 das langgestreckte Magazingebäude der Staatsoper an der Alfons-Goppel-Straße gebaut wurde, bedeutete dies für die Allerheiligen-Hofkirche keine Rettung. Hinter dem langen Gebäuderiegel versteckt, verfiel sie weiter vor sich hin und sollte 1964 abgebrochen werden, doch der zuständige Finanzminister Dr. Pöhner vollzog den Abbruch nicht. Nach weiteren Protesten von Kunstsachverständigen beschloss der Landtag 1968 schließlich die Erhaltung der Kirche und leitete die Sicherung der Ruine ein, die 1970 - nach insgesamt 26 Jahren - nun endlich ein Notdach erhielt. Probleme bereiteten die Fundamente, die aufgrund der Isarregulierung abgesackt waren; bei der Sanierung entstand ein geräumiger Keller, der später für Garderoben, Toiletten und Technikräume genutzt werden konnte. In den 80er Jahren diskutierte man dann über die zukünftige Verwendung der Kirche: angedacht war zunächst interessanterweise eine Mischnutzung aus gelegentlichen Gottesdiensten und der Ausstellung der Paramentensammlung des Residenzmuseums auf den Emporen, was sich allerdings aufgrund unvereinbarer Anforderungen an Raumklima und Licht nicht realisieren ließ. 1986 beschloss der Landtag, die abgegangenen baulichen Bestandteile der Kirche als Ziegelrohbau originalgetreu wieder zu errichten, so dass ab 1988 die Gewölbe mit den zwei Kuppeln rekonstruiert, die Fehlstellen in den Mauern geschlossen und die Fassade restauriert wurde. Der bereits 1956 abgebrochene linke Seitenanbau samt Fassadenteil konnte dabei leider nicht rekonstruiert werden, da an dessen Stelle bereits zuvor ein direkt an die Kirche angelehnter Erweiterungsbau des Residenztheaters errichtet worden war. 2001-03 wurde das Innere der profanierten Kirche schließlich zu einem Veranstaltungssaal umgebaut, bei dem die neu hinzugekommenen Elemente moderner Denkmalpflege gemäß durch Verwendung von Glas und Stahl zwar klar ablesbar von der historischen Substanz abgesetzt wurden, aber insgesamt doch vergleichsweise unauffällig blieben. Nichtsdestotrotz sei angemerkt, dass die Allerheiligen-Hofkirche der einzige historische Bereich des Residenzmuseums ist, bei dessen Wiederherstellung nicht ein stilistisch harmonisches und möglichst originalgetreues Gesamtbild angestrebt, sondern eine eher “geschichtsbewusste” Lösung realisiert wurde. Auch die durch Granateneinschläge vernarbte Fassade der Kirche wurde nur soweit repariert, wie dies für deren Stabilität und Haltbarkeit nötig war. Die Allerheiligen-Hofkirche fällt somit etwas aus dem Rahmen der übrigen Residenz, ist aber dennoch ein architektonisch beeindruckender Raum, der als Veranstaltungssaal für Konzerte und Vorträge inzwischen zu großer Beliebtheit gelangt ist. Eine Rekonstruktion der verlorenen Malereien wäre zwar theoretisch möglich, da die Vorzeichnungen von Heinrich von Heß noch existieren, ist aber auf absehbare Zeit illusorisch, auch wenn ihr Verlust natürlich sehr bedauerlich ist und eine Wiedergewinnung den Raum extrem aufwerten würde.
    Vor allem aber muss man sehr dankbar sein, dass die Allerheiligen-Hofkirche trotz Kriegszerstörung und des bereits beschlossenen Abbruchs überhaupt überlebt hat.

    Und vielleicht, ganz vielleicht ergibt sich sogar in nicht allzu ferner Zukunft die Möglichkeit, den linken Seitenanbau zu rekonstruieren und dadurch die Fassade zu komplettieren…


    Ursprüngliches Aussehen noch mit dem linken Seitenannex (Foto von 1875):

    Allerheiligen-Hofkirche-1875.jpeg
    (Stadtarchiv München, Creative-Commons-Lizenz Namensnennung - Keine Bearbeitungen 4.0 International)

    Ursprüngliche Gesamtsituation, Blick Richtung Norden zum Apothekentrakt und Festsaalbau (1910):

    Allerheiligen-Hofkirche-und-Apothekentrakt-1910.jpeg
    (Stadtarchiv München, Creative-Commons-Lizenz Namensnennung - Keine Bearbeitungen 4.0 International)

    Ähnliche Ansicht: https://www.bildindex.de/document/obj22…medium=fm120354

    Blick Richtung Süden zum Rückgebäude des Nationaltheaters und zum Alten Residenztheater (Cuvilliéstheater), 1924:

    Allerheiligen-Hofkirche-und-Marstallplatz-1924.jpeg
    (Stadtarchiv München, Creative-Commons-Lizenz Namensnennung - Keine Bearbeitungen 4.0 International)

    Ähnliche Blickrichtung: https://www.bildindex.de/document/obj22…medium=fm120355

    Außenansichten nach den Kriegszerstörungen:

    - https://www.bildindex.de/document/obj22…medium=fm202094
    - https://www.bildindex.de/document/obj22…medium=fm202093
    - https://stadtarchiv.muenchen.de/scopeQuery/detail.aspx?ID=419850

    Heutige Situation, links angeschnitten das Instituto Cervantes (ein sich perfekt einfügender Nachkriegsbau), rechts der Apothekenstock, der das wiederaufgebaute Cuvilliéstheater beherbergt:

    53430423211_7eecdca894_h.jpg

    Ganz links das Kulissenmagazin des Nationaltheaters, dann die Rückgebäude des Nationaltheaters und des Neuen Residenztheaters:

    53430742399_86ce29cad5_h.jpg

    Richtung Norden mit dem Eingang zum Kabinettsgarten, dem Apothekenstock und dem Festsaalbau, rechts angeschnitten das Instituto Cervantes:

    53430741819_51f994bfd5_h.jpg

    Der reizvolle Kabinettsgarten:

    53430574618_8dfcb9679b_h.jpg

    Die Nordseite der Allerheiligen-Hofkirche vom Kabinettsgarten aus:

    53429496662_9728895ddc_h.jpg

    Ausblick von der Empore der Kirche Richtung Norden zum Apothekenstock:

    53430422631_5cd4de270d_h.jpg

    Die Kuppel im Hintergrund ist die Bayerische Staatskanzlei, das ehemalige Armeemuseum:

    53430851860_0380691ddc_h.jpg

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Nun zu den Innenansichten.

    Vor der Zerstörung:

    Nachtmann_F_X_Allerheiligenhofkirche_Innenansicht_GR_51-402_2-ONLINE.jpg
    (Franz Xaver Nachtmann, Münchner Stadtmuseum, CC BY-SA 4.0)

    1324px-Allerheiligen_Hofkirche1886a.jpg
    (Ferdinand Finsterlin, Wikimedia Commons, Public Domain)

    Weitere alte Innenansichten:

    - https://www.bildindex.de/document/obj22…medium=fm622000
    - https://www.bildindex.de/document/obj22…dium=mi07396g05
    - https://www.bildindex.de/document/obj22…dium=mi07396g06

    Nach der Zerstörung:

    - https://www.bildindex.de/document/obj22…medium=fm202614
    - https://www.bildindex.de/document/obj22…medium=fm202615
    - https://www.bildindex.de/document/obj22…medium=fm202074
    - https://www.bildindex.de/document/obj22…dium=mi02259g08

    Heute:

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    Einer der wenigen Überreste der alten Dekoration:

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    Wirkt alles natürlich sehr nüchtern und nackt, aber wie bereits gesagt, muss man froh sein, dass die Kirche überhaupt noch steht...

    Weitere Fotos der Allerheiligen-Hofkirche hier: https://www.flickr.com/photos/1619455…177720313720249

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus