St. Johann Nepomuk „Asamkirche“
Sendlingerstraße 32
Filialkirche der Pfarrei St. Peter
Erbaut 1733-46
Typus: schmale, langgestreckte und tonnenüberwölbte Saalkirche mit umlaufendem Emporengeschoß
Das reich stuckierte Asamhaus, das Wohnhaus von Egid Quirin Asam, links neben der Kirche:
Das Priesterhaus rechts neben der Kirche:
Baugeschichte:
- 1729-34 erwerben die Asambrüder vier Häuser an der Sendlinger Gasse
- 1733 Grundsteinlegung, 1734 Rohbau benediziert, 1735 Deckenfresko von C.D. Asam, 1737 feierliche Einholung der Reliquienpartikel des hl. Johann Nepomuk aus Prag, 1738 oberer Choraltar, 1741 Glassarg mit der Figur des hl. Johann Nepomuk am unteren Choraltar, 1746 Weihe
- 1750 Tod Egid Quirin Asams, zu diesem Zeitpunkt sind die Fassungen und Vergoldungen des Kirchenraums zum größten Teil noch nicht fertig
- 1751 Einbau der Orgel und Errichtung des Glockentürmchens, 1752 Stiftung einer großen Glocke durch die Dreifaltigkeitsbruderschaft, 1757 Grabstein für den Grafen Zech in der Vorhalle durch Ignaz Günther
- 1771-73 Neubau des rechts anschließenden Priesterhauses sowie Fertigstellung der Fassungen und Vergoldungen des Innenraums der Asamkirche
- 1776 Schmiedeeisernes Gitter des Vorraums, 1783 Erneuerung des Aufsatzes des unteren Choraltars mit Silberpyramide und Strahlenkranz durch Roman Anton Boos, 1787 Ölgemälde „Fußwaschung“ an der rechten Wand vermutlich durch Franz Erasmus Asam, dem Sohn C.D. Asams, 1794 Ölgemälde „Tempelreinigung“ an der linken Wand von Thomas Christian Wink
- 1795 Das Altarblatt des oberen Choraltars, ein versilbertes Stuckrelief, ist durch eingedrungenes Regenwasser schwer beschädigt und beginnt sich aufzulösen
- 1798 Stiftung einer kleinen Glocke durch die Dreifaltigkeitsbruderschaft
- 1824 Ersetzung des versilberten Stuckreliefs am oberen Choraltar durch ein Gemälde der Dreifaltigkeit von Andreas Seidel
- 1853-57 Neuerrichtung des Bruderschaftsaltars
- 1860/61 Innenrenovierung
- 1886-95 Dach- und Fassadenrenovierung
- 1908 wird der Zustand des Deckenbildes als ruinös festgestellt
- 1913 Aufstellung eines von der Pfarrkirche von Grießstätt erworbenen Altaraufsatzes bestehend aus einem Tabernakel mit verehrenden Engeln von Ignaz Günther
- 1931 bauliche Instandsetzung der Kirche, 1939 Beginn einer Innenrenovierung, 1941/42 Reinigung des Deckenbildes
- 1944/45 schwere Bombenschäden an Altarraum, Sakristei, Decke, Fenster, Portal und Dach, Zerstörung des Chorerkers und des Glockenturms
- ab 1946 Wiederherstellungsarbeiten: Wiedererrichtung des Chorerkers (unter Versetzung desselben um 70cm weiter nach außen), Westfenster im Gewölbebereich mit Korbbogen statt dem ursprünglichen Segmentbogen rekonstruiert, Änderung der Belichtung der oberen Chorkapelle durch Nichtwiedereinfügen der Holzdecke auf Höhe des Hauptgesimses, dadurch heller von oben beleuchtet als vor der Zerstörung, 1954-56 provisorische Restaurierung des Deckenbildes, 1958-60 Anbringung eines geschnitzten und versilberten Reliefs des hl. Johann Nepomuk von Franz Lorch am oberen Choraltar vor grau marmoriertem Hintergrund, welches einen zum Himmel emporfahrenden J. Nepomuk darstellen soll, Aufstellung einer neuen, wesentlich voluminöseren Mensa in der oberen Chorkapelle, die mit den restlichen, teilweise geretteten Ausstattungsgegenständen nicht sonderlich harmonierte
- 1972/73 Fassadenrenovierung von Kirche und Asamhaus, Rekonstruktion des Glockenturms
- 1975-82 umfassende, vom Unternehmer Leo Benz finanzierte und von Erwin Schleich durchgeführte Renovierung der Kirche: Wiederherstellung der Farbfassung des Innenraums nach Befunden und alten Farbaufnahmen, Deckengemälde total retuschiert, die unteren Wandbilder durch Karl Manninger erneuert; in der oberen Chorwand wird gegen den Protest einiger Fachleute ein großes, später verkleinertes Fenster ausgebrochen und somit die Lichtführung des Kirchenraumes verändert; diese Maßnahme stützt sich auf die Annahme von Schleich und einiger Kunsthistoriker, dass von E. Q. Asam ursprünglich ein solches Fenster realisiert worden sei. Am unteren Choraltar wird der Strahlenkranz von 1783 verkleinert. Zu diesen Maßnahmen später mehr.
- 1998/99 Renovierung der Fassaden von Kirche und Asamhaus
- 2009 Wiederherstellung der geschwungenen Stufen am unteren Choraltar
Die Asamkirche ist ein Hauptwerk der bayerischen Barockarchitektur und stellt auch im europäischen Zusammenhang eines der „extremsten und exzentrischen Beispiele spätbarocker sakraler Inszenierung“ (Bayer. Denkmaltopographie) dar. Der fast schon exzessive, alle Möglichkeiten der Fantasie ausschöpfende Reichtum ihrer Ausstattung dürfte für nicht-katholische Augen auf den ersten Blick unerträglich und selbst für Katholiken ungewohnt sein; bei genauerem Hinsehen wird aber schnell klar, dass es sich um ein einzigartiges Gesamtkunstwerk handelt.
Nachdem der Bildhauer und Stuckateur Egid Quirin Asam zusammen mit seinem Bruder Cosmas Damian mehrere nebeneinanderliegende Häuser in der Sendlinger Gasse erworben und eines davon zu seinem Wohnsitz umgebaut hatte, reifte in ihm der Wunsch, auf einem der anderen Grundstücke eine Hauskapelle zu errichten: „ex bona intentione absque ullo voto“, wie Egid Quirin in seinem Gesuch um Baugenehmigung schrieb. Nachdem die benachbarten Bürger in der Sendlinger Gasse aber gegen eine reine Privatkirche erfolgreich Protest eingelegt hatten, änderte Egid Quirin seine Pläne und versprach, die Kirche für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Der Bauplatz war der eines Bürgerhauses und somit sehr schmal und lang, was die Innenarchitektur und vor allem die Lichtführung sehr erschwerte. Dementsprechend einfach ist der Grundriss gehalten: die Innenarchitektur dient hier im Grunde nur als Leinwand für die unglaublich aufwendige Dekoration, bei der die beiden Asambrüder alle Register ihres Könnens zogen.
Auch die kurvierte Fassade wirkt eher wie eine barocke Festdekoration und weniger wie das Ergebnis einer architektonischen Konzeption. Den fantastischen Reiz der Kirchenfront erhöht die Umrahmung aus dem außergewöhnlich reich stuckierten Wohnhaus von Egid Quirin links und dem Priesterhaus rechts (dessen um ein Geschoß erhöhter Neubau von 1771 allerdings die Kirche ungünstig bedrängt und damit das Gleichgewicht des Ensembles beeinträchtigt). Man mag an diesem insgesamt dezidiert dekorativen Charakter erkennen, dass Egid Quirin im Grunde kein Architekt, sondern ein Bildhauer und Stuckateur war.
Dominiert wird die Kirchenfassade durch den großen Triumphbogen mit seinem sehr plastischen, reich profilierten Gebälk sowie der über dem Portal äußerst effektvoll dargestellten Himmelfahrt des hl. Johann Nepomuk, dem die Kirche geweiht ist und der 1729 heiliggesprochen worden war.
Auffällig an der Fassade ist, dass sie, zum Zweck einer ausreichenden Belichtung des Innenraums, hauptsächlich aus Öffnungen und Rahmungen besteht: Portal und große Fenster sowie Bogenformen und Stützen. Die Felsbrocken als Sockel der Kirche können als Anspielung auf Matthäus 16,18 verstanden werden: „Ich aber sage dir: Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen.“
Alles zusammengenommen ist dieses Ensemble sicherlich eines der malerischsten Barockensembles Bayerns.
Der 9m breite, 28m lange und 18m hohe Innenraum wirkt durch seine relative Dunkelheit und die Fülle an Dekoration zunächst etwas verwirrend; das Auge muss sich erst zurechtfinden und entscheiden, wohin es sich als erstes wenden soll:
“Der erste Eindruck beim Betreten des Hauptraumes ist berauschend. Die Überfülle des Figürlichen wirkt erdrückend, der schwere Prunk der Farbe mit dem vielen Gold betäubend. Auch das Schiff ist in leichtes, träumerisches Halbdunkel getaucht; nur auf einzelne Partien sind Lichter aufgesetzt, wie bei einem barocken Tafelbild. In dem geheimnisvollen Halblicht wirkt die schäumende Bewegtheit der Formen noch phantastischer. Das Auge weiß nicht, wo es beginnen soll. Der Reichtum ist so gepreßt, daß es zwecklos erscheint, ein Einzelnes herauszulösen, weil sich sofort die benachbarte Form in das Bewußtsein drängt. Die einzelne Form, aus dem Zusammenhang gerissen, bleibt auch unverständlich, weil sie nur in ihrem Verhältnis zur daneben liegenden Form richtig gesehen werden kann, und weil nur das große Ganze erklärt, wie beim Sehen von Bildern. Sie ist letzten Endes auch nebensächlich, weil der Zusammenhang von belebter Form und belebender Farbe, weil Stimmung und Inhalt das Wichtigste sind. Auch eine Trennung von Architektur und Dekoration ist nicht möglich, weil beide eines sind, weil die Ausstattung schon in der schöpferischen Konzeption mit dem Raume verwachsen ist. (…) Raumerweiterung und Raumdurchbrechung sind für den Eindruck wichtiger als der abgegrenzte Raum; der visionäre Raum in den Wand- und Deckenbildern drängt sich herein, mit den Sinnen Faßbares und Übersinnliches gehen ineinander über, das Statische löst sich auf und der prunkende Reichtum an Einzelheiten erzeugt ein undefinierbares Rauschgefühl. Der ganze Bau besteht aus Ahnung und Erfüllung.” (Adolf Feulner, 1932)
Die durch die Enge des Grundstücks bedingte Dunkelheit des Erdgeschoßes nützte Egid Quirin Asam zu einer beeindruckenden Lichtsteigerung nach oben aus, indem er den Raum vertikal in drei Lichtbereiche gliederte: den dunklen, mystischen Gemeinderaum, die auf halber Raumhöhe umlaufende, durch das große Fassadenfenster lichter und weiter wirkende Empore und schließlich das freskierte Tonnengewölbe, das durch unsichtbare, von einer vorkragenden Hohlkehle verdeckte Seitenfenster indirekt beleuchtet wird und über dem Gesims zu schweben scheint. Dazu kommt eine durchgehend polychrome, teils marmorierte, teils stuckierte und vergoldete Oberflächengestaltung, die sich zusammen mit den Malereien und Figuren zu einem berauschenden barocken Gesamterlebnis vereint.