Berliner Wohnsiedlungen bis 1945

  • Das Berliner Straßenbild ist in erstaunlich weiten Teilen von Wohnsiedlungen geprägt, die nach der ersten gründerzeitlichen Wachstumsphase der Stadt ab Anfang des 20. Jahrhunderts insbesondere in den Außenbezirken errichtet wurden. Die oft im Stil des Neuen Bauens eher zurückhaltend gestalteten Wohnsiedlungen entstanden meist im Blockrand und prägen ganze Quartiere. Bemerkenswert viele entstanden trotz der instabilen wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse zu Zeiten der Weimarer Republik. Die Siedlungen stehen heute meist unter Denkmalschutz - auf der Denkmalkarte Berlins machen sie eigentlich den größten Teil der markierten geschützten Wohnblöcke im Stadtgebiet aus.

    Die Wohnanlagen befinden sich meist im Besitz von Baugenossenschaften oder städtischen Wohnungsbaugesellschaften, die meisten sind inzwischen vorbildlich saniert und beliebte Wohnlagen - auch wenn ein wirklich urbanes Gefühl dort deutlich weniger aufkommt als in den gründerzeitlichen Quartieren. Aber diese Ruhe war und ist ja durchaus erwünscht.

    Bemerkenswert ist weiterhin, dass Verluste durch Bombenschäden, Nachkriegsabrisse und Entstuckungen bei den Berliner Wohnsiedlungen der Vorkriegszeit nur in geringem Maß vorhanden sind - auf Grund der meist eher peripheren Lage und wohl auch der Tatsache, dass der Stil des Neuen Bauens auch in der Nachkriegszeit keine Phase des schlechten Ansehens durchlaufen musste wie die Bauten der Gründerzeit, bei denen auch die Rate der denkmalrechtlichen Unterschutzstellungen bis heute leider wesentlich geringer ist. Auch Entstuckungen und sonstige Entstellungen waren kaum zu beklagen, da die Wohnsiedlungs-Bauten von vornherein nur sehr sparsam ornamentiert waren und daher zumeist die ursprünglichen Proportionen und Fassadengestaltungen erhalten geblieben sind.

    Ich werde nach und nach Wohnsiedlungen aus den Jahrzehnten zwischen ca. 1900 und 1945 hier vorstellen, möchte aber ausdrücklich auch andere Foristen einladen, hier Fotomaterial und Wissen einzubringen.

    Beginnen möchte ich mit der Wohnanlage am Volkspark, errichtet 1926 bis 1930 auf einem großen Block in Alt-Wilmersdorf südlich des Volksparks, zwischen den Straßen Am Volkspark, Livländischer Straße, Schrammstraße und Hildegardstraße. Architekt war Jürgen Bachmann.

    Eintrag Denkmaldatenbank

    Streetview-Ansicht

    Ansicht Am Volkspark - Ecke Livländische Straße:

    Zum Volkspark, Nordseite:

    Etwas zurückgesetzte, dem leichten Gefälle zum Volkspark hin folgende Terrassenerhöhung:

    Der Block besitzt eine der ersten unterirdischen Großgaragen der damaligen Zeit, die Schramm-Garagen:

    Portal:

    Aufnahmen von Dezember 19.

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Im Südwesten Berlins, etwa auf halbem Weg zwischen Mitte und Potsdam, liegt die 1927 - 1930 nach Entwürfen von Eugen Bruker und Gustav Kemper erbaute Thielecksiedlung. Bauherr war die Landesfinanzdirektion Berlin, die für ihre Beamten der höheren Besoldungsgruppen größere Wohnungen errichten lassen wollte.

    Die Wohnsiedlung ragt in architektonischer Hinsicht sicherlich nicht aus dem damaligen Durchschnitt des Wohnsiedlungsbaus heraus, die Bauten zeigen Stilelemente des Neuen Bauens, Nachklänge des Expressionismus, aber auch konservative Züge des Landhaus- und Heimatstils. Ähnliche Siedlungsbauten aus der Weimarer Zeit findet man wohl in den meisten größeren Städten Deutschlands. Der freundliche, gartenstadtartige Charakter der Bauten prägt das Stadtbild auf angenehme Art - wenn es überall in unseren Vororten so aussähe, hätten wir hier wohl wenig Grund zur Klage.

    Die Wohnanlage steht unter Denkmalschutz und ist von Landesdenkmalamt sorgfältig dokumentiert.

    36-seitige Broschüre des Landesdenkmalamts (pdf)

    Datenbank Landesdenkmalamt

    Streetview

    Ansicht Berliner Straße, Ecke Thielallee:

    Andeutungen expressionistischer Stilelemente hier z.B. oberhalb der Rundbögen:

    Oder oberhalb der Eingangstür:

    Auch waschechte Expressionisten schienen sich hier wohlzufühlen:

    Auch Reihenhäuser gehören zu dem Ensemble:

    Doppelhäuser:

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • An der Potsdamer Chaussee, der historischen Straßenverbindung zwischen Berlin und Potsdam, liegt zwischen Zehlendorf und Nikolassee die 1923-24 gebaute Siedlung Am Heidehof. Architekten waren Paul Mebes und Paul Emmerich.

    StreetView (Objekt verpixelt)

    Trotz ihrer vergleichsweise schlichten und gleichförmigen Gestaltung wirkt die Siedlung freundlich, ja idyllisch, und handwerklich qualitätvoll. Sie zeigt eindrücklich, dass in früheren Zeiten auch unter wirtschaftlich schwierigen Rahmenbedingungen Wert auf gute Baukunst gelegt wurde.

    Eintrag des Landesdenkmalamts Berlin

    Broschüre des Landesdenkmalamts als pdf (43 Seiten)

    Interessant in den Informationen des Denkmalamts fand ich den Hinweis darauf, dass der Architekt Paul Mebes die Baukunst der "Zeit um 1800" als vorbildhaft angesehen habe, "die letzte historische Epoche, die noch im Handwerk wurzele und eine eigenständige, einheitliche Ausdruckweise besäße". Es "gelte, an die damals formulierten Qualitäten Bescheidenheit, Sachlichkeit, Volkstümlichkeit, Allgemeinverständnis, Gefühl und Anstand anzuknüpfen" (Zitate des Architekten nach Dr. Susanne Willen).

    Ansicht von der Potsdamer Chaussee:

    Eingangsbereich:

    Zur Niklasstraße:

    Die Spitzbögen und die Verwendung von Ziegeln verweisen auf den norddeutschen Backsteinexpressionismus. Die Klappläden erinnern an das idyllische und gesunde Leben in Gartenstädten.

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Die in wesentlichen zwischen 1926 und 1931 errichtete Onkel-Tom-Siedlung in Berlin-Zehlendorf wurde als städtische Großsiedlung von den Architekten Bruno Taut, Otto Rudolf Salvisberg und Hugo Häring entworfen. Der ungewöhnliche Name geht auf ein dort früher gelegenes Ausflugslokal zurück, ein gleichnamiger U-Bahn-Zugang liegt nahebei. Die Siedlung liegt in einem von hohen Kiefern bestandenen Waldgebiet im Südwesten Berlins.

    Die folgende kurze Fotogalerie soll einige kommentierte Impressionen dortiger Gebäude zeigen und erhebt keineswegs Anspruch auf Vollständigkeit.

    Eintrag Landesdenkmalamt

    StreetView

    Bauten von Bruno Taut entlang der Wilskistraße:

    Onkel-Tom-Siedlung Berlin-Zehlendorf

    Ich finde die Bauten von Bruno Taut (dem Bruder von Max) ganz überwiegend recht schön anzusehen. Dennoch zeigen diese Beispiele der frühen Moderne in meinen Augen bereits einige gestalterische Probleme, die hier noch kaum negativ auffallen, in späteren Jahrzehnten jedoch auf Grund der stilbildenden Vorbildhaftigkeit dieser Bauten größere Bedeutung erlangten. Hier möchte ich auf die Dominanz des Treppenhauses in der Fassadengestaltung hinweisen, bzw darauf, dass dieses, anders als bei gründerzeitlichen Häusern, überhaupt von der Straße aus erkennbar ist. Form follows function. Leider wird dadurch jedoch die horizontale Gliederung der Fassade gestört, das Gesamtbild somit unruhig und ungleichmäßig. Hier ist es noch ganz ordentlich proportioniert - in späteren Zeiten waren jedoch lange nicht mehr alle Architekten gleichermaßen begabt bzw befähigt.

    Onkel-Tom-Siedlung Berlin-Zehlendorf

    Hier zeigt sich mit den senkrechten, über den Großteil der Fassade gezogenen Treppenhausfenstern das gleiche Problem (ebenfalls Wilskistraße), auch wenn der Gesamteindruck noch recht gut ist. Eine gewisse Verspieltheit liegt wohl in den kleinen, horizontal gereihten Dachgeschossfenstern:

    Onkel-Tom-Siedlung Berlin-Zehlendorf

    Eckbau:

    Onkel-Tom-Siedlung Berlin-Zehlendorf

    Onkel-Tom-Siedlung Berlin-Zehlendorf

    Auch dieser Siedlungsbau aus einer späteren Bauphase zeigt das Problem der ungenügenden horizontalen Gliederung und des somit unruhigen Fassadenbildes durch die ungleichmäßige Fenstersystematik. Es ist der am wenigsten ansprechende Teil der Siedlung entlang der Argentinischen Allee:

    Onkel-Tom-Siedlung Berlin-Zehlendorf

    Ein weiteres gravierendes, noch folgenschwereres Problem ist die Aufgabe des auf die Straße bezogenen Reihenbaus zugunsten eines in die Tiefe gehenden Zeilenbaus mit quer zum Straßenverlauf liegenden Blöcken. Ich kann ja vollauf nachvollziehen, dass diese Bauform in der damaligen Zeit auch unter gesundheitlichen Aspekten sehr begrüßt wurde, denn hier war natürlich eine gute Belichtung und Belüftung aller Wohnungen gewährleistet. In den Hinterhöfen der "Mietskasernen" grassierten demgegenüber damals noch Tuberkulose und Rachitis, manche Erdgeschosswohnungen in Hinterhöfen hatten kaum je direktes Sonnenlicht, Querlüften war kaum möglich. Dennoch steht der Zeilenbau für einen bedeutenden Schritt Richtung Enturbanisierung. Dem Passanten wird kaum noch ein ansprechendes und kurzweiliges Straßenbild geboten. Aber die Prioriäten waren damals anders.

    Bauten von Bruno Taut entlang der Argentinischen Allee:

    Onkel-Tom-Siedlung Berlin-Zehlendorf

    Onkel-Tom-Siedlung Berlin-Zehlendorf

    Reihenhäuser, m.W. von Hugo Häring:

    Onkel-Tom-Siedlung Berlin-Zehlendorf

    Späterer Bauabschnitt entlang der Argentinischen Allee:

    Onkel-Tom-Siedlung Berlin-Zehlendorf

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Eine weitere, etwas kleinere Wohnsiedlung im Berliner Südwesten ist die Wohnanlage Margaretenstraße, zwischen Steglitz und Lichterfelde-West entlang der Straße Unter den Eichen gelegen. Die Anlage wurde von 1925 bis 1926 nach Entwürfen des Architekten Bruno Langkeit für eine städtische Wohnungsbaugesellschaft (Gagfah) errichtet. Auffallend an der Anlage ist eigentlich ihre Schlichtheit, die jedoch nicht primitiv, hässlich oder billig wirkt, sondern durchdacht, ja gefühlvoll, fast romantisch. Mich erinnerten die schlichten, aber harmonischen Fassaden mit den leicht hervorgehobenen Portalen an einfache Bürgerhäuser aus der Barockzeit. Diese Wirkung war wohl durchaus beabsichtigt - so schreibt Dr. Susanne Willen vom Landesdenkmalamt Berlin in ihrer unten verlinkten Denkmalpflegeplan-Monografie: "Langkeit vertritt eine Architekturrichtung, die in der Schlichtheit, Behaglichkeit und charakervollen Eigentümlichkeit der Zeit um 1800 ihr Vorbild sah. Die schmucklosen, ockergelben Baukuben mit hohen Walmdächern, einfachen Gauben und außenbündigen, kleinteilig gegliederten Fenstern lassen Bezüge zu Goethes Weimarer Gartenhaus deutlich erkennen".

    StreetView

    Eintrag Denkmaldatenbank

    Broschüre mit Denkmalpflegeplan des Landesdenkmalamts (pdf)

    Leider geben meine Fotos die Gesamtanlage nicht sehr gut wieder. dennoch einige Impressionen:

    Ansicht von Unter den Eichen:

    Wohnanlage Margaretenstraße Berlin

    Zur Straße Unter den Eichen springt die Hausreihe in einer Art Ehrenhof teilweise zurück:

    Wohnanlage Margaretenstraße

    Hauptrisalit:

    Wohnanlage Margaretenstraße Berlin

    Portal mit keramischer Rahmung und ornamentaler Figur:

    Wohnanlage Margaretenstraße Berlin

    Eckbau zum Tietzenweg:

    Wohnanlage Margaretenstraße Berlin

    Ruhigere Seite zum Tietzenweg:

    Wohnanlage Margaretenstraße Berlin

    Rückwärtig zur Margaretenstraße öffnet sich der Komplex zu einer großen Hofanlage mit pavillonartigen kleineren Wohnbauten (links im Bild):

    Wohnanlage Margaretenstraße Berlin

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Nur wenige Schritte entfernt liegt die 1927 bis 1929 nach Entwürfen des Architekten Eberhardt Postlack errichtete Wohnanlage für Marineangehörige in der Hortensienstraße. Die keramischen Fassadendekorationen nehmen Bezug auf Motive der Seefahrt - eine freundliche und generöse künstlerische Geste, die man heutzutage bei kommunalen Wohnbauten wohl nicht mehr erwarten darf. Der Architekt verwendete auch zeittypische backsteinexpressionistische Gestaltungselemente, obwohl die konservative Gesamtkonzeption sicherlich den Erwartungen der zukünftigen Bewohner Rechnung tragen sollte.

    StreetView (reicht leider nicht weiter in die Straße hinein)

    Eintrag Landesdenkmalamt

    Reizvoll ist die Lage entlang einer Biegung der Hortensienstraße:

    Marinesiedlung Hortensienstraße

    Ich vermute mal, dass die Fassaden in absehbarer Zeit eine Sanierung erhalten werden:

    Marinesiedlung Hortensienstraße

    Marinesiedlung Hortensienstraße

    In einem Rücksprung der Hausreihe öffnet sich ein kleine Platzszenerie, zu der hin die Fassaden mit an nordeuropäische Hansestädte erinnernden Treppengiebeln gestaltet wurden:

    Marinesiedlung Hortensienstraße

    Blick nach links:

    Marinesiedlung Hortensienstraße

    Erker mit keramischen Seefahrtsmotiven:

    Marinesiedlung Hortensienstraße

    Detail:

    Marinesiedlung Hortensienstraße

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Eine Zwischenbemerkung, bevor es weitergeht: was bringt es uns heutzutage, uns mit Wohnanlagen der Weimarer Zeit zu befassen? Eine ganze Reihe von Lehren, denke ich. Zum einen: ein eng gesteckter Termin- und Finanzrahmen sollte Architekten und Bauträger nicht davon abhalten, auf ein harmonisches, schönes und menschenfreundliches Erscheinungsbild ihrer Neubauten Wert zu legen. Die Einhaltung eines menschlichen Maßstabs, die Berücksichtigung lokaler und baukünstlerischer Traditionen schafft einen Mehrwert, der sich von Anfang an als Gewinn für die Bewohner, ihr Zusammenleben, und auch für das gesamte Umfeld auswirkt. Damals war dies alles eine Selbstverständlichkeit, heute ist es die rühmliche Ausnahme. Mit vergleichsweise geringem Aufwand kann so viel erreicht werden, und das Erreichte für die Ewigkeit Bestand haben. Das gebaute Umfeld eines Menschen wirkt tief in seine Seele hinein und prägt ihn für ein Leben, bewusst und unbewusst. Dieses liebevoll und sorgfältig zu gestalten ist vielleicht nicht weniger wichtig für den Einzelnen und für die gesamte Gesellschaft, als die elementaren Bedürfnisse eines jeden Kindes nach Liebe und Fürsorge zu erfüllen. Diese Notwendigkeit erhält in der Bautätigkeit der heutigen Zeit nicht genügend Aufmerksamkeit.

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Ich habe ja eine ausgeprägte Schwäche für die Architektur der 20er Jahre und liebe Deine Ausflüge in die Großsiedlungen dieser Zeit, Snork. Ich sehe das im übrigen genauso, wenn es um menschliche Architektur zu vertretbaren Preisen geht, dürfte diese Form der Bebauung auch heute noch ziemlich weit oben stehen, auch wenn sie natürlich nicht unbedingt urban im klassischen Sinne ist.

    Schön zu sehen, was in Berlin noch alles steht und einfach faszinierend, der Formen- und Variantenreichtum, den diese kurze Zeit trotzdem noch zu Stande gebracht hat.

  • Ebenfalls im Bereich zwischen (Neuem) Botanischen Garten (1903 eröffnet) und dem gleichnamigen S-Bahnhof befindet sich das 1927-28 nach Entwürfen von Hans Kraffert gebaute Blumenviertel. Es wurde kürzlich denkmalgerecht saniert und erst im April zum Denkmal des Monats gewählt. Typisch für die Stilrichtung des Neuen Bauens ist das Nebeneinander von Putzflächen und Anteilen von Ziegelstein in den Fassaden, im Falle der Blumensiedlung auch mit einer gelungenen Betonung der horizontalen Gliederung.

    Blumenviertel Lichterfelde

    Blumenviertel Lichterfelde

    Blumenviertel Lichterfelde

    Blumenviertel Lichterfelde

    Blumenviertel Lichterfelde

    Blumenviertel Lichterfelde

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Eine weitere, in der Weimarer Zeit errichtete Wohnanlage zwischen Botanischem Garten und S-Bahn befindet sich zwischen Unter den Eichen und Tulpenstraße, an den kurzen Seiten begrenzt von Lilien- und Hyazinthenstraße. Sie wurde im Auftrag einer Baugenossenschaft errichtet. Leider ist es mir nicht gelungen, Architekten und genaue Bauzeit herauszufinden - erstaunlicherweise steht der Komplex (noch?) nicht unter Denkmalschutz.

    Ausschnitt Denkmalkarte

    Auffallendstes Gestaltungsmerkmal der Anlage sind wohl die nur im Erdgeschoss angebrachten Klappläden - ein romantisierendes Stilzitat der "Alten Zeit", welches sich beispielsweise auch bei im holländischen Stil errichteten Barockbauten in Potsdam finden (Beispiel siehe unten). Entlang der alten Potsdamer Chaussee trägt die langgestreckte, dabei keineswegs monoton wirkende Wohnanlage zum freundlichen vorstädtischen Charakter der Gegend bei. Trotz der sparsam eingesetzten Gestaltungsmerkmale wirkt die Gesamtkomposition der Häuser und die Anordnung von Fenstern und Türen mit sicherer Hand entworfen und gibt einen Eindruck von Können und Bildung der damals noch tätigen Generation von Architekten.

    Ansicht von Unter den Eichen:

    Wohnanlage UdE-Tulpenstraße

    Wohnanlage UdE-Tulpenstraße

    Wohnanlage UdE-Tulpenstraße

    Wohnanlage UdE-Tulpenstraße

    Nur im Erdgeschoss angebrachte Klappläden im "Holländischen Etablissement" im Neuen Garten in Potsdam, erbaut in den 1790er Jahren:

    Wohnanlage UdE-Tulpenstraße

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Im Zuge der Wachstums der Gesamtstadt und der weiterhin erheblichen Wohnungsnot wurden nach dem 1. Weltkrieg größere Areale zwischen den ehemals dörflichen Ortskernen von Groß-Berlin mit Wohnsiedlungen bebaut. Entwicklungen im Bankwesen erleichterten die Bereitstellung ausreichender finanzieller Mittel für die Errichtung von Großsiedlungen durch städtische Träger. Pläne für die später so genannten Ceciliengärten gab es bereits 1912, tatsächlich realisiert wurde die nach Plänen von Heinrich Lassen erbaute Wohnsiedlung dann 1922 bis 1927. Die in Berlin-Schöneberg gelegene Anlage zeigt Stilelemente von Art Déco und Expressionismus, während viele etwa zeitgleich erbaute Wohnsiedlungen im Stil des Neuen Bauens bereits eine noch weiter reduzierte Ornamentik aufweisen.

    Die denkmalgeschützte Anlage macht einen sauberen, gepflegten Eindruck; Graffiti habe ich nicht gesehen.

    Wikipedia-Artikel

    Seite des Bezirksamts

    StreetView

    Herausragendes Stilelement ist wohl die betonte horizontale Gliederung durch Gesimse, vermutlich inspiriert von stromlinienförmigen Dekorleisten des Art Déco:

    Wohnsiedlung Ceciliengärten Berlin-Schöneberg Juni 2020

    Wohnsiedlung Ceciliengärten Berlin-Schöneberg Juni 2020

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Fassadenaufbau - die meisten Wohnungen dürften über Loggien verfügen:

    Wohnsiedlung Ceciliengärten Berlin-Schöneberg Juni 2020

    Portal:

    Wohnsiedlung Ceciliengärten Berlin-Schöneberg Juni 2020

    Wohnsiedlung Ceciliengärten Berlin-Schöneberg Juni 2020

    Eingang zum zentralen Gartenbereich von der Rubensstraße her:

    Wohnsiedlung Ceciliengärten Berlin-Schöneberg Juni 2020

    Durchgang:

    Wohnsiedlung Ceciliengärten Berlin-Schöneberg Juni 2020

    Wohnsiedlung Ceciliengärten Berlin-Schöneberg Juni 2020

    Wohnsiedlung Ceciliengärten Berlin-Schöneberg Juni 2020

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Sehr schön gegliederte Fassaden zum zentralen Gartenbereich:

    Wohnsiedlung Ceciliengärten Berlin-Schöneberg Juni 2020

    Die Gartenanlage steht eigens unter Denkmalschutz:

    Wohnsiedlung Ceciliengärten Berlin-Schöneberg Juni 2020

    Die Bronzeplastiken sind von Georg Kolbe:

    "Der Morgen":

    Wohnsiedlung Ceciliengärten Berlin-Schöneberg Juni 2020

    "Der Abend":

    Wohnsiedlung Ceciliengärten Berlin-Schöneberg Juni 2020

    Wohnsiedlung Ceciliengärten Berlin-Schöneberg Juni 2020

    Blick auf das südlich begrenzende Tor- bzw Atelierhaus - den Turmaufbau kann man von der anderen Seite gut von der S-Bahnlinie 1 nahe dem S-Bahnhof Friedenau sehen:

    Wohnsiedlung Ceciliengärten Berlin-Schöneberg Juni 2020

    Wohnsiedlung Ceciliengärten Berlin-Schöneberg Juni 2020

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Auch ein Springbrunnen ist in Betrieb:

    Wohnsiedlung Ceciliengärten Berlin-Schöneberg Juni 2020

    Die Portale und dekorativen Ornamente sind individuell gestaltet und weisen einen beachtlichen Motivreichtum auf:

    Wohnsiedlung Ceciliengärten Berlin-Schöneberg Juni 2020

    Wohnsiedlung Ceciliengärten Berlin-Schöneberg Juni 2020

    Wohnsiedlung Ceciliengärten Berlin-Schöneberg Juni 2020

    Wohnsiedlung Ceciliengärten Berlin-Schöneberg Juni 2020

    Wohnsiedlung Ceciliengärten Berlin-Schöneberg Juni 2020

    Wohnsiedlung Ceciliengärten Berlin-Schöneberg Juni 2020

    Wohnsiedlung Ceciliengärten Berlin-Schöneberg Juni 2020

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Diese Gedenktafel erinnert an den obersten Planer und damaligen Schöneberger Stadtbaurat Heinrich Lassen (1864 - 1953):

    Wohnsiedlung Ceciliengärten Berlin-Schöneberg Juni 2020

    Namenspatronin für die vorbildliche Wohnsiedlung war die vormalige Kronprinzessin Cecilie von Preußen - die Monarchie war zur Zeit der Erbauung bereits Geschichte.

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Welch ein Zufall, Snork! Genau mit dieser großartigen Wohnanlage wollte ich Dir in dieser Galerie zur Seite treten, habe mir aber dann wohl zu viel Zeit gelassen. Mir bleiben daher nur ein paar Ergänzungen...

    Rubensstraße nach Süden

    Östlicher Durchgang in die Gärten.

    Fontäne im südlichen Abschnitt.

    Torbau des Südausgangs.

    Von außen, Semperstraße.

    Baumeisterstraße, parallel zur S-Bahn.

    Wieder in den Gärten.

    Nordostecke.

    Nordwestecke, der Kriegsschaden wurde im Stil der Zeit (Ende der 1950er-Jahre) geschlossen.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Danke fur diese grossartige Bilderserie - diese Wohnsiedlungen sind wunderschön. In Stockholm waren Wohnsiedlungen wie in Berlin gang und gebe.

  • Diese Wohnsiedlingen ab 1918 waren allen Klasse!!! Sehr beliebt und schön gestalltet. Genau wie in Stockholm. Hamburg hatte auch so Einiges
    Ab 1900 aber wurden alle grossartige Gr.Zeit bauten und vielen Gr.Zeit "Wohnpaläste" gebaut. Glucklicherweise existieren die meiste Bauten noch in Berlin, leider vielen nicht mehr im Originalformen. Die prachtvolle Bilder sind heute leider beim Publikum nicht mehr bekannt.

  • Auch vor 1914 konnten sich nicht alle Bauvorhaben einer üppigen Finanzausstattung erfreuen. Dennoch erscheint es dem heutigen Betrachter offensichtlich, dass bei vor 1914 errichteten Bauten ein gewisses Niveau der Gestaltungsqualität niemals unterschritten wurde. In den 1920er Jahren begann in dieser Hinsicht ein neues Zeitalter der Architekturgeschichte: es wurden nun erstmals äußerlich gänzlich anspruchslose Wohnanlagen errichtet, bei denen die Bemühung um eine harmonische oder gar "schöne" Gestaltung der Straßenfassaden offensichtlich weitgehend zum Erliegen kam. Vielleicht stellten die Architekten sich nun mitunter die Frage, welche negativen Konsequenzen es eigentlich haben würde, sich alleine auf die angeforderte Beschaffenheit der Wohnungen zu konzentrieren und keinen nennenswerten Aufwand mit der äußeren Gestaltung mehr zu betreiben, die "Baukunst" im Sinne einer Bereicherung des schönen Stadtbilds also aufzugeben. Die Antwort lautete: gar keine.

    Diese Entwicklung möchte ich exemplarisch am Werk des Architekten Paul Mebes belegen, der zwischen 1906 und 1938 in Berlin und anderen Städten zahlreiche Einzelbauten und Wohnsiedlungen entwarf. In dem verlinkten Wikipedia-Artikel sind eine ganze Reihe seiner Bauten mit Fotografien dargestellt. Ich hatte weiter oben bereits die kurz nach dem 1. Weltkrieg von diesem Architekten noch mit wesentlich höherem Gestaltungsanspruch entworfene Wohnanlage "Heidehof" vorgestellt. Heute hingegen möchte ich Bilder der 1926 - 1928 errichteten Wohnanlage Rubensstraße in Berlin-Schöneberg zeigen - benachbart den in den vorangegangenen Beiträgen gezeigten Ceciliengärten. Die Wohnanlage wurde nach Entwürfen der Architektengemeinschaft Mebes und Emmerich durch die Gemeinnützige Baugesellschaft Berlin-Heerstraße errichtet.

    Eintrag Denkmaldatenbank

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Lagebeziehung zu den Cecilienhöfen entlang der Rubensstraße in Berlin-Schöneberg: links die Cecilienhöfe (1922 - 27), rechts die Wohnanlage Rubensstraße von Mebes und Emmerich (1926 - 28):

    Wohnanlage Rubensstraße Berlin

    Ansicht Streetview

    Statt den bei Wohnanlagen des Neuen Bauens häufig verwendeten Backsteinrahmungen werden hier offenbar vorgefertigte Kunststeinrahmen für Portale und Balkone werwendet:

    Wohnanlage Rubensstraße Berlin

    Wohnanlage Rubensstraße Berlin

    Wohnanlage Rubensstraße Berlin

    Wohnanlage Rubensstraße Berlin

    Einfahrt zur Traegerstraße:

    Wohnanlage Rubensstraße Berlin

    Hinten links geht es zur 1924 - 28 vom gleichen Träger erbaute Wohnanlage Eisackstraße, deren gezackte Erker - bei gleicher Farbgebung - auf einen anderen Architekten schließen lässt: in diesem Fall Heinrich Lassen , dem Entwurfsplaner der oben vorgestellten Ceciliengärten:

    Wohnanlage Rubensstraße Berlin

    Eintrag Denkmaldatenbank

    Gegenüber erkennbar in den 1950er Jahren errichtete Wohnbauten - gleiche Traufhöhe, 1 Etage mehr:

    Wohnanlage Rubensstraße Berlin

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir