Das alte Mainz in Bildern und Postkarten

  • Anstelle einer Bildergalerie mit einer Anzahl von neuen Fotos will ich heute abend einmal einen anderen Weg gehen und nur ein Foto einstellen. Dieses hier zu sehende Foto ist ein Provisorium, bis ich den Scan des Originals hier nachliefern kann. Wir befinden uns damit heute zum allerersten Mal im alten Mainz, welches nur noch in der Erinnerung existiert.
    Dieses Bild entstammt einem glücklichen Umstand, oder sollte man es doch eine Fügung des Schicksals nennen, daß es beim ersten Mal auf Ebay gelang, den größtmöglichen Glückstreffer zu landen, der im Bereich des profanen Mainz überhaupt gelandet werden kann, und zwar das Löhr´sche Haus.
    Das Löhr´sche Haus befand sich im südlichen Bereich der Altstadt etwa in dem Bereich, wo sich heute die Rheinstraße mit der Holzhofstraße kreuzt.
    Der Bauherr des Löhr´schen Hauses, welches 1715 errichtet wurde, war der Hofkammerrat Stubenrauch, der sich in diesem Bereich der südlichen Altstadt, dieses Privatpalais durch einen unbekannten Architekten errichten ließ.
    Der Umstand, daß die Fassade auf der Stadtmauer errichtet wurde, stellte eine ungewöhnliche Tatsache dar; und führte interessanterweise aber auch dazu, daß die Fassade z.B. auf einigen Kupferstichen des 18. Jhd. zu erkennen ist. Im Vergleich zur heutigen Situation, daß das Rheinufer aufgeschüttet und etwas nach Osten hin verlagert wurde, befand sich sowohl die Stadtmauer als auch das Löhr´sche Haus wesentlich näher am Rheinufer, so daß es jenseits des Ufers bzw. auf dem Rhein sehr gut zu sehen war und zu den ersten Bildern gehörte, die man in Flußrichtung des Rheines auf einem Schiff zu sehen bekam, so wie z.B. auch der häufig in Mainz weilende Goethe.
    Mit dem als Bauherr auftretenden Hofrat Stubenrauch ergibt in Zusammenhang mit seinem Dienstherrn eine der beiden glanzvollsten Epochen der Stadt, nämlich das Episkopat Lothar Franz von Schönborns, in dessen Diensten Stubenrauch stand.
    Im Zusammenhang mit der Frage nach dem Architekten dieser größten profanen Pretiose des Mainzer Barocks ergibt sich ein Umstand, der als unbeantwortete Frage immer wieder im Raum steht.
    Genau im selben Jahr wie im Baujahr des Löhr´schen Hauses entstand unter der Meisterhand Dientzenhofers südlich der südlichen Stadtgrenze als eine Verknüpfung von Lustschloß und barocken Gesamtkunstwerks einer Gartenanlage nach Vorbild von Marly-le-roi Schönborns Favorite, bei deren Realisierung Hofrat Stubenrauch offensichtlich beteiligt war.
    Als status quo vor der Errichtung des Löhr´schen Hauses wird an dessen Stelle das Wirtshaus zum Bock angegeben

  • Weingeist, wie immer sehr sehns- und lesenwerte Fortsetzung.

    Von diesem Löhr´schen Haus hatte ich ja noch nie was gehört:



    Welcher Prachtbau mit überragender Giebelgestaltung. Das wäre doch mal ein optimaler Rekokandidat, wenn wir ein paar Mios Kleingeld übrig hätten, nicht wahr ;)

  • Es ist wirklich erfreulich und entspricht auch meiner Erinnerung, dass in Mainz doch soviel alte Substanz erhalten geblieben ist.
    Umfang und Qualität des deutschen Barock/Rokoko erstaunen immer wieder und haben mE im allgemeinen Bewusstsein noch keine hinreichende Würdigung erfahren. Möglicherweise ist daran die Vielzahl von regionalen Ausprägungen und auch die Unübersichtliche Ausbreitung schuld. Wer hätte etwa mit einem Dientzenhofer in Mayence gerechnet? Wahrscheinlich stand M. als reine Barockstadt Dresden nicht viel nach (sieht man von den Spitzenleistungen Zwinger/FK ab). Nur wurde hier halt alles vom noch reichlich vorhandenen Mittelalter überlagtert. In meinem DKV-Buch über Bamberg (ca 50er) Jahre steht, dass Bamberg neben Münster und DD zu den drei an Adelshöfen reichsten Städten D.s gehörte - eine Aussage, an der ich meine Zweifel habe.
    Zum Löhr'schen Haus hätte ich noch gerne eine Reihe von Infos. Zeigt das Bild den Abbruch um die Jahrhundertwende oder nach Kriegsende? Bzw was war sonst sein Schicksal? Sind Spolien erhalten?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Ursus Frage beantworte ich gerne - zur Zeit etwas zwischen Tür und Angel - . Was das Schicksal des Löhr´schen Hauses betrifft, gehört dies zu den Sachverhalten der jüngeren Geschichte, daß man dieses am liebsten verdrängen würde. Das Foto, das wir hier gesehen haben, wurde 1874 gemacht, als der Abbruch zugunsten der Gleisführung der Hessischen Ludwigsbahn schon begonnen hatte (siehe das fehlende Dach). Die Dauerhaftigkeit dieser Maßnahme erschließt sich am besten dadurch, indem man sich vor Augen hält, daß 10 Jahre später der Hauptbahnhof in Bau war...
    Die Spolien wurden gesichert und im Neubau des Hauses Rheinstraße 3 eingefügt. 1945 nur geringfügig beschädigt, wurde dieses Haus später abgerissen; alle Versuche von Fritz Arens, die Spolien zu sichern, wurden durch die Stadt systematisch torpediert (Zermürbungstaktik). In der Mainzer Zeitschrift des Altertumsvereins gibt es einen Beitrag vom jetzigen Landesdenkmalpfleger Dr. Glatz "Ein Abriß, wie es das Gesetz befiehlt". Vielleicht könnte man auch sagen, wie er unter Ausnutzung aller Mittel und Wege durchgezogen wurde, um neben dem Bischöflichen Palais, dem Kronberger Hof, dem Ingelheimer Hof, dem Wambolter Hof, dem Boineburger Hof, dem Breidenbacher Hof, dem Greiffenclauer Hof, dem Vorster´schen Haus, dem Haus zum ewigen Nest, dem Haus zum Oswald etc. etc. den Mainzern mit brachialer Gewalt ihre bedeutendsten Zeugnisse ihrer Geschichte zu berauben - Ernst May´s Wiederaufbaupläne sahen das so vor.
    Vom Löhr´schen Haus existiert nurmehr noch ein Fragment eines Architravs, über das ich aber auch keine weiteren Hintergründe habe.
    Wenn man sich vor Augen hält, daß 1793 ein gutes Drittel der Stadt damals schon ins Grab sank und demzufolge das bisherige Bild der Stadt nicht mehr überall belegbar ist, erscheinen die vielen Schwarzweißaufnahmen vor 1942 wie eine Fata Morgana; und im Zusammenhang, daß sowohl die Favorite europäischen Ruhm genoß als auch Mangins Dompropstei von 1786-87 als Sensationsbau des Klassizismus in Deutschland galt (Goethe war sowohl Mainzbesessen als auch ein Dompropstei-Maniac) und die Stadt auch nach dem Ehrentitels des Mittelalters der Goldenen Stadt im 18. Jhd. als die feinste und vornehmste Deutschlands galt, wird man wahrlich nicht fehlgehen, daß die nach wie vor nur unzureichende Dokumentation zwangsläufig dazu führen muß, daß Dresden einen nicht zu unterschätzenden Gegenpol hat (heute, bei der Zahl der erhaltenen Baudenkmale sowieso). Ob Münster und Bamberg da mithalten konnten oder können?
    Die nächsten Fotos müssen daher ganz zwangsläufig vom Treppenhaus des Schlosses, vom Inneren des Erthaler Hofs, dem Treppenhaus des Osteiner Hofs, dem Treppenhaus des Dalberg-Fechenbacher Hofs sowie des bürgerlichen Adelshofs drei Mohren, Neutorstraße 3, sein. Auf diese Fotos darf man sich jetzt schon freuen.

  • Danke für die umfassende Antwort, Weingeist. Es ist wirklich unfassbar, diese ideologische Verbohrung, die uns solche Verluste beschert hat. Hast du vielleicht wo ein Photo vom Spolienbau?
    Das Löhr'sche Haus sieht eigentlich wenig (Leonhard) Dientzenhoferisch aus und deutet mit seinen pittoresken, durchbrochenen Giebeln und der exzessiven Pilasterinstrumentierung viel eher in jenes Nachbarland, wo man heute Mohuč (http://cs.wikipedia.org/wiki/Mohu%C4%8D) sagt. Ich vermeine, dort einige solcher Beispiele gesehen zu haben, momentan fällt mir nur Alliprandis Kukuser Hospitalgebäude ein, vgl den ganz rechten Giebel: http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Kuks1.jpg). Es ist jedenfall immer wieder interessant, wie vielschichtig das deutsche Barockrepertoire ist und wie sehr es sogar dort, wo man es niemals erwarten würde, selbst mit anderen Landstrichen assoziierte pittoresk anmutende Sonderstile bzw Randerscheinungen umfasst.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Mir ist aufgefallen, daß wir die ganze Zeit über zwar die jetzige Altstadt gesehen haben, daß aber im Hinblick auf die ehemalige Altstadt vor 1942 das bekannteste und berühmteste Motiv noch fehlte, welches in unzähligen Bildern und Gemälden überliefert ist und sozusagen das Signet schlechthin des alten Mainz bildete: der Kronberger Hof und das Haus Betzelsgasse 1 (Zum Landeck/ Zum Kuckuck) an der Straßenkreuzung von Fuststraße, Dominikanerstraße und Betzelsgasse.
    Der (neue) Kronberger Hof entstand zwischen 1604-26 als Familiensitz des regierenden Kurfürst-Erzbischofs Johann Schweickhardt von Kronberg, der auch gleichzeitig den ersten Abschnitt der Zitadelle errichten ließ. Der Kronberger Hof entstand an der Ecke des Quartiers Fuststraße/ Dominikanerstraße auf dem Grundstück des ehemaligen Hofs zum Dürren Baum. In nördlicher Verlängerung schloß sich der zur Emmeransstraße weisende Greiffenclauer Hof an. Da im Hofbereich noch spitzbogige Gotische Arkaden vorhanden waren, ist zu vermuten, daß von einer vorherigen Bebauung noch Reste mit in den Neubau einbezogen wurden. Während die beiden Straßenfassaden eher schlicht gehalten waren, bildete der außergewöhnlich reiche Renaissance-Eckerker den mit Abstand repräsentativsten Teil des Gebäudes, der die Funktion eines Point-d-vue zur Fuststraße hin bildete und somit auch weithin sichtbar war, sowie der zweigeschossige Renaissance-Giebel, ebenfalls zur Fuststraße hin zeigend. Von 1662-1773 erfüllte der Kronberger Hof die Funktion eines Priesterseminars, in den Jahren 1782-92 und 1814-1932 folgte dann die Nutzung als Altes Gymnasium. Zwischen 1873-75 wurden im Hofbereich Erweiterungsbauten erstellt. Durch den ersten großen Angriff am 12./13.08.1942 brannte das Gebäude aus; der Giebel wurde wenige Tage später "aus Sicherheitsgründen" niedergerissen. Die ansonsten noch in den Umfassungsmauern und auch noch teilweise im Eckerker erhaltene Ruine wurde 1959 auf Betreiben von Ernst May abgerissen, um an dessen Stelle ein neues City-Parkhaus zu errichten. Wenige Reste des Erkers seien heute im Landesmuseum magaziniert. Somit verlor Mainz neben dem Bischöflichen Palais eines seiner ehrwürdigsten Baudenkmäler.


    Gemeinsam mit dem Giebel und dem Eckerker des Kronberger Hofs stand das Haus Landeck/ Kuckuck ebenfalls einst im Mittelpunkt des Interesses und verschmolz gemeinsam mit ihm zum faszinierendsten Raumbild der ganzen Altstadt.
    Die Betzelsstraße beginnt an der Fuststraße und mündet östlich in die Schusterstraße. Ihre Benennung scheint auf einen dort 1306 bezeugten Personennamen Bezilo oder Bezelinus zurückzugehen, der dort als Eigentümer der „Curia ad barbam“ geführt wird. Die Volksethymologie und der Lokaljargon führten ironischerweise das Verständnis für das Wort „Betzel“ auf die weibliche Kopfhaube zurück, während der französischen Epoche kam es somit zur Umbenennung in „Rue de bonnet“.
    Aus mittelalterlichem Straßenverlauf mit geringfügiger Biegung wuchs durch günstige Lage eine rein bürgerlich geprägte Bebauung mit Wohn- und Geschäftshäusern, wie auch Professorenhäusern der Alten Universität, welche trotz zurückhaltender Fassaden im Zusammenspiel mit den bedeutendsten Bürgerhäusern den Eindruck einer vornehmen Altstadtstraße mit erkennbarem Wohlstand vermittelte. Durch das Vorspringen der südöstlichen Quartiergrenze wurde zwar der Blick in die Schusterstraße etwas verdeckt, aber gerade dadurch die straßenbildprägende Raumwirkung des Quintinsturmes noch gesteigert.
    Die Betzelsstraße wurde vollständig zerstört.

    1 (Zum Landeck/ zum Kuckuck)
    Eine Vorgängerbebauung mit dem Hausnamen Landeck ist schon für das 15. Jhd belegbar. Später gelangte das Grundstücksareal in den Besitz der Grafen von Solms, die daraufhin den Solmser Hof errichten ließen. Nachdem dieser 1590 an Philipp Scha(a)d(e) veräußert wurde, muß der angesprochene Bau in unmittelbarer zeitlicher Folge errichtet worden sein und nahm den Hausnamen „Kuckuck“ an. Der mit dem Giebel zur Betzelsstraße weisende Bau wies in den beiden unteren Geschossen massive Bauweise auf, im 2. OG jedoch das mit Abstand reichste Zierfachwerk auf, das für das alte Mainz greifbar ist bzw. vor 1942 belegt war. Das Haus erfuhr 1764 durch Caspar Poising eine Modernisierung im Stil des Rokoko durch neue stichbogige Ladenarkaden, die als Schlußsteine Rokokokartuschen aufwiesen; auch die äußerst elegante Hausmadonna, eine der ehrwürdigsten überhaupt, dürfte auf diesen Umbau zurückzuführen sein. Die Figur stand auf einem Sockel mit einer Motivik aus Halbmond und einer vergoldeten Schlange sowie Ranken- und Muschelwerk; der Baldachin wies ebenfalls Rokokomotive auf. In der linken Hand trug die Madonnenfigur eine vergoldete Lilie. Auf dem Hausgiebel fand sich eine schmiedeeiserne Wetterfahne. Natürlich wird sich durch die Zerstörungen des Jahres 1793 und den Umstand, daß nicht alle Gebäude vor der Zerstörung vom Putz befreit waren, nicht mehr klären lassen, ob weitere Gebäude ein ähnlich reiches Zierfachwerk aufweisen konnten. Nach Freilegung desselben im April 1903 avancierte das Haus Landeck/ Kuckuck im Zusammenspiel mit dem Erker des Kronberger Hofs, auch mit der Figur des Papstes Pius V., zu den mit Abstand meistfotografierten Punkten der Altstadt, dessen Raumbild in unzähligen Aufnahmen wiedergegeben wurde und das mit Fug und Recht als Signet, ja als Aushängeschild des alten Mainz angesehen werden kann. Umso bedauerlicher ist der Verlust.

    2 (Zum Predigereck)
    Gemeinsam mit dem Erker des Kronberger Hofs und dem Haus Landeck bildete die Figur des Papstes Pius V. den dritten Bestandteil des Raumbildes an dieser Stelle.
    Das Eckgebäude zur Fuststraße wurde im Zuge der Neubebauung nach der Beschießung 1793 errichtet. Im Zusammenspiel mit dem Kronberger Hof und dem Haus Landeck nahm die 2 trotz der zurückhaltenden spätklassizistischen Grundhaltung mit 4 Geschossen ebenfalls eine äußerst prominente Rolle ein durch die singuläre Figur des Papstes Pius V. Dessen Figur an der Hausecke wurde durch ein Chronostichon der Inschrift auf das Jahr 1716 datiert (Sancte Pie Quinte has aedes tuo forti patrocinio ab igne defende), und wies neben Bandelwerkornamentik im Gewand eine für die Zeit typische Melonenform des Baldachins auf. Diese Figur stellt somit eine wiederverwendete Spolie entweder des Vorgängerbaues oder des unmittelbar benachbarten Dominikanerklosters dar, zu dessen Orden Pius gehörte. Eine offene Frage bleibt, ob sich der Name Predigereck auf das einst im Besitz des Dominikanerordens befindende Eckhaus bezog oder ob damit eine Bezugnahme auf den Ort selbst ergab.

  • Manchmal hat man einfach Glück. Ich hatte Glück; das Ergebnis ist eine Skizze aus 1833, die ein englischer Aristokrat (Francis Leweson-Gower) während einer Rheinreise in Mainz anfertigte und die nun just nach 180 Jahren den Weg nach Hause, zu mir gefunden hat. Da diese Skizze nicht weiter beschriftet ist, hat es etwas seinen Reiz, Detektiv zu spielen, um sie zu lokalisieren. Nach der Abwägung aller in Betracht kommenden Möglichkeiten bleibt nur die eine übrig, als daß der Herr damals im ersten oder zweiten OG der "Alten Krone" am Brand logierte und die Skizze die Südseite des Brand, an der Einmündung zur Seilergasse, abbildet.
    Linkerhand wäre dann mit dem Haus zum Brandenberg, auch: Klein-Brandenberg eines der bedeutendsten Fachwerkhäuser der Altstadt (noch im verputzten Zustand) abgebildet, welches, wie die ebenfalls extrem seltene Postkarte unten zeigt, aus der zweiten Hälfte des 15. Jhd. stammt. (Vermutlich um 1490 ff.). Dieses Haus war aufgrund der stetigen Überschwemmungsgefahr durch den damals noch näher vorbeifließenden Rhein im EG massiv erbaut und wurde als "Gotische Doppelhaushälfte" für zwei Besitzer unter einem Dach erbaut. Im Giebel zeigte sich eine "Nase"; die Fenster wurden 1843, 1855 und 1858 vergrößert. Die Zeichnung würde dann den Zustand vor diesen Umbauten zeigen.
    Folgend schließt sich dann an: das Haus zur Isenburg/ Eisenburg mit seinen beiden geschweiften Giebeln, nach der Einmündung der Seilergasse wäre das Eckhaus das Haus zur kleinen Himmelpforte, dem sich südlich das Haus zur halben Scheuer anschließen würde. Auf der Westseite des Brand wäre dann (hier demnach rechts zu sehen) das südlichste Haus das zum Riesen und folgend das Haus zur Rosau.
    Von besonderem Interesse wäre die Abbildung vom Eisenberg, da dieser im 19. Jhd durch einen Nachfolger ersetzt wurde und mir von Abbildungen vom Eisenberg bisher nichts bekannt ist.


  • Mal zur Abwechslung ein Haus, welches offensichtlich mittlerweile vollständig in Vergessenheit geraten ist und auch noch niemals in irgendeiner Publikation veröffentlicht wurde:
    Brand 25, Haus Zum Eiseneck/ Iseneck. Bei dem Hausnamen wäre eine Bezugnahme auf den benachbarten Eisenturm jedenfalls durchaus vorstellbar.
    Wie zu sehen, handelt es sich hier um eine Abfotografie eines uralten Fotos, das ich in einer Wirtschaft entdeckt habe (man sollte öfter mal einen Schoppen petzen gehen).
    Das Haus bildete eine städtebaulich interessante und auch bedeutungsvolle Begrenzung zwischen Brand (Ostseite) und Löhrstraße (südlichste Begrenzung der westlichen Seite) und stellte damit auch ein Raumbild dar, das sich am Übergang zum Brand ganz unmittelbar präsentierte.
    Die Löhrstraße bildete die unmittelbar anschließende Straße hinter der Stadtmauer in nördlicher Richtung, wenn man die Stadt durch den Eisenturm betrat. Während sie auf ihrer östlichen Seite mehr oder weniger kaum durch Gassen oder Einmündungen gestört wurde, mündeten auf ihrer westlichen Seite eine Vielzahl von Gäßchen ein, so daß die westliche Seite durch eine Vielzahl von Baublöcken aufgelockert war und sich somit auch eine erheblich hohe Anzahl von Eckhäusern ergab. Die sich bietenden Raumbilder müssen teilweise überwältigend gewesen sein. Zusätzlich wies die Löhrstraße auf ihrer westlichen Seite in diesen Baublöcken eine geringe Tiefe auf, sodaß sich durch jeweils nur eine bebaute Parzelle alle Häuser als Durchhäuser zeigten. Dies ist heute in der Rotekopfgasse und der Fischergasse noch nachvollziehbar.
    In der Löhrstraße befanden sich einige, zumeist dreigeschossige Bürgerhäuser von ganz außergewöhnlicher Pracht zumeist aus Barock und Rokoko. Zugleich war sie auch im Prinzip als am meisten unverändert erhalten gebliebene Straße des 18. Jhd. von Bedeutung. Als Verbindungsstraße in die nördliche Altstadt in Richtung Schloß und Deutschhaus war sie darüberhinaus auch als damalige Laufstraße nicht unbedeutend. Ihren Namen erhielt sie von den hier ansässigen Lohgerbern, den Löhern. Vorher befand sich hier ein Handelsviertel Friesischer Kaufleute und das Areal wurde im frühen Mittelalter auch als Friesenviertel bezeichnet.
    Das Haus zum Eiseneck wurde 1786 als Nachfolgebau eines Vorgängers errichtet; für die Parzelle ist schon im 15. Jhd. dieser Name überliefert.
    Wie hier zu sehen, wies das Erdgeschoß die für Alt-Mainz so typischen Ladenarkaden auf, bei denen der Hauptakzent auf der Ostseite des Hauses lag, währenddessen sie auf der Südseite zum Brandgäßchen schlichter gehalten waren. Die Kartuschen wiesen reiche Kartuschen in Louis-XVI auf, die beiden mittleren waren auf 1786 datiert und trugen noch die Initialen der Bauherrn Thaddeo Franz Manera und wohl seiner Gattin. (Initialen TM und JFM).
    Auffallend ist, daß das Haus nur dreigeschossig errichtet wurde, wobei dieses allerdings im allgemeinen in vielen Bereichen der Altstadt überwiegte.
    Mit den Putzspiegeln wurde dem Haus in Verbindung mit den Ladenarkaden eine besondere Nobilitierung zuteil, die das Gebäude in die erste Reihe der bürgerlichen Bauten dieses Zeitfensters hebt. Selten in der Stadt vertreten war übrigens die Abschrägung der Hausecke im Erdgeschoß, die mit Akanthusmotiven und Voluten endete.
    Die Parzelle ist heute genau zur Hälfte vom heutigen Kaufhaus am Brand besetzt, die freie Hälfte der Parzelle liegt zum Fritz-Arens-Platz hin zwischen Saturn, Rathausbrücke und dem Brückenturm.


  • Die neueste Errungenschaft: 14 Aufnahmen der Altstadt. Das erste Bild stammt aus den frühen dreissiger Jahren, die restlichen sind Abzüge von Glasnegativen aus 1910. Hierüber ist man natürlich überglücklich.

    Blick vom Kasteler Ufer auf die Altstadt. Deutlich erkennbar ist die damals noch so genannte Rheinbrücke, sowie der Radius der Altstadt im Bild zwischen Dom, folgend die Quintinskirche, die Stefanskirche und die Christofskirche sowie Zeughaus, Deutschhaus, Peterskirche und das Schloss.

    Eine Aufnahme ebenfalls vom Kasteler Ufer, bei einem Standort etwas weiter südlich. Erkennbar die Stefanskirche, der Dom, der Eisenturm, die Quintinskirche und rechts die Stadthalle.

    Aufnahme vom jenseitigen Ufer auf den Kernbereich der Altstadt mit Eisenturm und der Quintinskirche. Dieser Blick gehörte zu den unmittelbarsten, wenn man die Altstadt durch das Eisentor oder das Fischtor aus betrat.

    Blick von der Rheinbrücke aus in leicht nördlicher Richtung. Zu sehen ist teilweise eines der Octroi-Häuschen, was bedeutet, daß man Brückenzoll zahlen mußte. Es folgen die Peterskirche und im Zentrum des Bilds das Deutschhaus.

    Blick von der Rheinbrücke in südwestliche Richtung auf die Kernaltstadt. Rechts ist der Turmhelm der Christofskirche erkennbar, die heute nur als Kriegsruine und Mahnmal existiert. Der Helm der Christofskirche prägte die Silhouette der Stadt ganz wesentlich mit.

    Blick von der Rheinstraße aus auf den Eisenturm, der einst der wesentliche Eingangsbereich in die Stadt war. Dieses Bild war demnach sozusagen der erste Eindruck von der Stadt. Vor dem Eisenturm ist überdies noch ein Rest der Stadtmauer erhalten.

    Hinter dem Eisenturm zog sich direkt hinter der Stadtmauer die Löhrstraße etwa in Nord-Süd-Verlauf bis zum Schloß hin. Diese Aufnahme zeigt nach Süden. Erkennbar ist der Eisenturm, am südlichen Ende lag das Brandgäßchen, durch welches aus man auf den Brand und folgend auf den Markt bzw. in die Stadt gelangte.

    Eine Aufnahme fast vom gleichen Standort. Die ehemalige Durchfahrt des Eisenturms war über viele Jahrhunderte hinweg nicht begehbar und auf der Stadtseite mit zweigeschossigen bürgerlichen Bauten zugebaut, so daß sich ein pittoreskes Bild ergab. Der Eingang in die Stadt führte durch das "Eisentürlein", direkt südlich des Eisenturms, etwa in der Höhe des Brandgäßchens.

    Blick auf die bürgerliche niedrige Bebauung direkt vor dem Eisenturm.

    Blick von der Breidenbacherstraße auf die Stefanskirche. Der recht steil ansteigende Verlauf der Gaugasse ist deutlich erkennbar. Im mittleren Bereich ist überdies die Einmündung zur Ölgasse erkennbar. Die beiden Eckhäuser links und rechts sind noch erhalten.

    Blick auf die Nordostseite des Marktes und die Einmündung der Mailandsgasse. Erkennbar sind Markt 13 (Zum Boderam), Markt 15 (Zum Salmen), hier im Zustand nach dem fast vollständigen Neubau, das Haus Mailandsgasse 1 (Zum ewigen Nest, zum jungen Aben), ein im Kern romanischer Bau, der später gotisch überformt wurde und dessen Treppengiebel wenigstens teilweise erkennbar ist. Es folgt Markt 17 (Zum Schöneck, Zum kleinen Maulbeerbaum), ein relativ schlichter, aber zugleich ausgesprochen bedeutsamer Bau des Rokoko von etwa 1754 aus der Hand des Osteiner-Hof-Architekten Valentin Thoman. Anschließend ist die relativ schlichte dreiachsige Fassade von Markt 19 erkennbar (Der neue Kram unter der Münze). Anschließend folgt Markt 21, der gründerzeitliche Nachfolgebau des ehemaligen Lennighauses.
    Deutlich erkennbar ist überdies, daß der Marktbrunnen noch sein ursprüngliches Gitter besitzt.

    Der sicherlich meistfotografierteste Punkt der Altstadt war die Kreuzung Fuststraße/ Betzelsstraße. Der Blick auf das Renaissance- Adelspalais des Kronberger Hofs zur linken gemeinsam mit dem Haus Landeck/ Zum Kuckuck (Betzelsstraße 1), sowie der Figur des Papstes Pius V. wurde in unzähligen Aufnahmen überliefert und bildete sozusagen das Signet der Altstadt. Im Gegensatz zu den meisten Aufnahmen entstand dieses Bild etwas weiter südlich, sodaß das Haus Landeck etwas untergeht.

    Eine der seltenen Aufnahmen eines Teils der Schusterstraße, hier in der Blickrichtung nach Norden in Richtung Quintinskirche. Rechts erkennbar ist der Durchgang in den Humbrechthof, damit die Urdruckstätte wohl von Gutenberg, gesichert jedenfalls Fust und Schöffer.

    Das beste kommt immer zuletzt: Blick aus der Eppichmauergasse über den Bischofsplatz zum Dom. Rechts angeschnitten ist die Weihergartenstraße mit dem ehemaligen Wirtshaus Zum runden Eck, welches den Auftakt bildete zum Klassizistischen Ensemble der Weihergartenstraße und des Weihergartens. Links angeschnitten ist das Bischöfliche Palais. Im Zentrum steht einer der faszinierendsten Blicke vom Bischofsplatz aus auf die Westgruppe des Doms.

  • Vielen Dank für die historischen Aufnahmen aus Mainz, besonders die kleinen Häuschen unterhalb des Eisenturms gefallen mir. Interessant wäre eine direkte Gegenüberstellung mit dem heutigen Zustand.

  • Bücherflohmarkt auf dem Ballplatz von heute bis Montag im Rahmen des Johannisfests. Mein persönlicher Jahreshöhepunkt, ein Muß, und wenn die Welt untergeht. Und da findet man immer so schöne Sachen...! Die Beute von heute teile ich anständigerweise mit den Mitforisten, es ist ja auch noch genug Beute da.

    Das Gesamtkunstwerk eines Jahrtausends. Blick vom Westturm auf den Bereich der nördlichen Altstadt in Richtung Quintinskirche durch die Schusterstraße. Rechts angeschnitten ein wenig das Brand-Areal. Die Aufnahme ist etwas unscharf, aber es leuchtet sofort ein, daß das alles etwas ganz besonderes war und man hier eine der schönsten Städte Europas vor sich hatte.

    Blick aus der Leichhofstraße in Richtung Augustinerstraße. Das uns bereits bekannte Ensemble von Augustinerstraße 73 (Zum Kleinen Elefanten) sowie Augustinerstraße 75 (Zum Spiegelberg) präsentiert sich voller Stolz. Auch das Eckhaus zum Kirschgarten hin (Zum Großen Elefanten) bzw. dessen Nachfolger wurde hier schon einmal angesprochen und ist hier noch als gotischer Fachwerkbau mit geringfügigen Überhängen zu sehen, wenn auch verputzt.

    Die umgekehrte Richtung aus der Augustinerstraße nach Norden in Richtung Heiliggrabgasse und Leichhofstraße. Im Zentrum ebenfalls wieder das Haus zum Kleinen Elefanten und die Totale der Nordseite des Kirschgartens, der auf dieser Seite durch den Krieg auch drei Gebäude verloren hat.

    Nochmals der große und der kleine Elefant sowie das wohl bedeutendste erhaltene Bürgerhaus der Stadt, der etwa rund um 1610 entstandene Spiegelberg, bei dem auch deutlich erkennbar ist, daß die ersten beiden OGé im frühen 18. Jhd. (um 1720) barockisiert wurden, währenddessen im Giebelbereich wohl das originale Sichtfachwerk der Renaissance zu sehen ist, welches heute leider wieder zugeputzt ist. Regional das wohl bedeutendste Bürgerhaus, bei dem allein die Höhenverhältnisse eine schwache Vision z.B. auch vom alten Frankfurt vermitteln. Nebenbei: Der Abriß und ein Neubau waren 1914 genehmigt...

    Ebenfalls in dieser Form eine sehr seltene Aufnahme: Blick in die Heringsbrunnengasse. Zu sehen ist der gesicherte Rest des Hauses zum Hering, dessen Reko wir hier schon gesehen haben. Im Zug der Neuerrichtung des Stadthighway´s der Weißlilienstraße wurde das schon gesichterte Gebäude gemeinsam mit vielen weiteren, auch dem links zu sehenden Nachkriegsbau abgerissen, der Eckerker des Herings verschlampt und verschludert. Die Mär von der totalen Zerstörung des Herings bekommt gewisse Risse.

    Die erste, mir bekannte Aufnahme eines bedeutenden Gebäudes vom Tritonplatz etwa hinter dem Theater.

    Einst die Herzmitte der Stadt: The Betzel! Blick aus der Betzelsgasse in die Gymnasiumstraße mit dem Haus zum Landeck/ Kuckuck zur rechten, welches nur schwach angeschnitten ist, sowie dem einst hochberühmten Eckerker des Kronberger Hofs, dessen Abriß wir Ernst May verdanken. Linkerhand schaut Papst Pius V. auf das Ensemble. Die etwa um 1716 entstandene Figur dürfte im Zusammenhang mit dem einstmals hier stehenden Dominikanerkloster gestanden haben, so daß auch erklärbar ist, warum Haus bzw. Straßenecke als "Zum Predigereck" bezeichnet wurden. Bedingt durch die Bombardierung 1793 ist es naheliegend, daß die Figur an dem nunmehrigen Nachfolgebau eine Zweitverwendung fand. Der Blick von der Fuststraße aus auf den Kronberger Hof und das Haus Landeck dürfte mit dem größtmöglichen Abstand der meistfotografierte Punkt der Altstadt (neben dem Dom) gewesen sein - das Raumbild ist in Heerscharen von verschiedenen Bildern überliefert.

    Der Kötherhof befand sich einst in der Kötherhofstraße nahe am Schillerplatz. Heute befindet sich dort der Stadthighway der Großen Langgasse. Ein bisher vollständig unbekannter Innenhof tritt ans Licht, obwohl bis jetzt über das Gebäude nicht eine einzige gedruckte Silbe existiert. Deutlich wird auch, daß das alte Mainz ein Brunnquell sich nie erschöpfenden Wassers ist und immer neues und unbekanntes ans Licht kommt. Das ist einer der Reize der Stadt.

    Die Umbach wurde nach dem einst dort fließenden und später zugeschütteten gleichnamigen Bach benannt; das Wort war gleichzeitig eine Art geflügeltes Wort ("Die is in die Umbach gefalle"). Heute bildet sie eine kurze Verbindungsstrecke zwischen Großer Langgasse und Großer Bleiche. Auch die Umbach 9 tritt zum ersten Mal überhaupt wieder ans Licht, in allen Veröffentlichungen ist kein Bild von ihr vorhanden.

    Zum Schluß noch ein weiteres Novum mit der Ecke Münsterplatz/ Bilhildisstraße, auf deren Nordseite sich heute noch fünf der sog. Dielmannhäuser befinden. Die Anpassung des Hotels an die Dielmannhäuser, die in der Phase des Übergangs zwischen Rokoko und Klassizismus stehen, war jedenfalls meisterhaft gelungen. Auch diese Ecke bzw. der ganze Münsterplatz hat sich "ein wenig" verändert. Links verläuft die Bilhildisstraße, mittig zu sehen die Parcusstraße, folgend käme die Bahnhofstraße, nach rechts ginge es dann in Richtung Große Bleiche.

  • Sehr interessant, Weingeist. Der Verlust und Abriss des kriegsbeschädigten Kronberger Hofs für ein Parkhaus ist wirklich äußerst bedauerlich und sollte dringend durch eine Rekonstruktion rückgängig gemacht werden, gell. Für alle die sich wie ich mit der Mainzer Baugeschichte nicht so detailliert auskennen, sei auf deinen zugehörigen Beitrag in diesem Strang verwiesen.

  • Gestern kam ich in den Besitz einer schon etwas älteren Postkarte wohl vom Ende der 1970er Jahre bzw genauer etwa 1979 oder 1980. Da auch sie ein zeitgeschichtliches Dokument darstellt, ist sie im Vergleich zu heute sicher nicht uninteressant.

    Vermutlich vom Dom-Westturm bildet sie den damaligen Zustand des nordöstlichen Stadtzentrums zur damaligen Zeit dar. Erkennbar ist zunächst der Markt mit dem wieder etwa an seinen alten Standort rückversetzten Marktbrunnen. Die "Nordzeile" (um Frankfurts "Ostzeile nach Mainz zu transponieren), befindet sich im gewachsenen Zustand nach 1945. Ganz links angeschnitten ist Markt 3, welches heute (wieder) die Löwenapotheke ist. An der Stelle von Markt 5 ist das eingeschossige Provisorium zu sehen, welches bis Ende der 1980er Jahre bestand und als Geschäft von Betten Kern diente. Folgend ist mit dem giebelständigen Haus Markt 7-9 eines der ganz wenigen Beispiele erkennbar, bei denen der Neubau ein Aufnehmen der gewachsenen Mainzer Bautraditionen erkennen läßt. Ein solches giebelständiges Haus vermißt man an so vielen anderen Stellen der ehemaligen Altstadt. Es schließt sich an Markt 11 und 15; dieser Neubau erstreckte sich auf den Parzellen des Kaiserberg und des Boderam. Die Häuserakten hatte ich unlängst in der Hand, der Abriß der noch bestehenden Boderamfassade wurde um 1950 in typischer BDA-NS-Sprache damit legitimiert, daß an die Stelle der "blutleeren Fassadenhülle" nun ein moderner demokratischer Bau seinen Ort fände etc. etc.
    Auch Markt 15 ist im "alten" Zustand zu sehen; ironischerweise war dieses Gebäude das erste, dem eine rekonstruierte Fassade vorgeblendet wurde, wenn auch die des Hauses zum ewigen Nest/ zum jungen Aben, ursprünglich rechts nebenan in der Mailandsgasse 1-3.
    Schräg nebenan stößt die Mailandsgasse auf den Markt. An der nordwestlichen Ecke des Quartiers zwischen Markt und dem Übergang zum Liebfrauenplatz ist Markt 17 zu sehen, welche Fassade heute noch in dieser Form besteht. Das südliche Eckgebäude bestand bis 1997-98 und beherbergte das Listmann- und Stellwagen-Kaufhaus. An seine Stelle trat das heutige Sinn-Leffers- Kaufhaus, dessen südwestliche Ecke das bis etwa 1901 oder 1902 bestehende Lennighaus von 1814 rekonstruiert. Als der einzig verbliebene Rest der profanen Marktbebauung ist ganz rechts Markt 29-31 zu erkennen. Die Neorenaissancefassade entstand nach dem Abriß des gotischen Patrizieranwesens Zum Silberberg um 1881; die noch stehende Fassade des ausgebrannten Gebäudes wurde in das neuerrichtete Gebäude mit einbezogen.
    Das hintanliegende Areal hat auch heute sein Erscheinungsbild nicht geändert. An seiner Stelle befand sich bis 1942-45 das eigentliche Zentrum und Herz der Altstadt mit dem Brand-Areal, damit mit dem wirtschaftlichen Hauptstandort des Patriziats, welches sich natürlich auch besonders in der bestehenden Bebauung niederschlug - an keiner Stelle der weiteren Altstadt wurzelte das überkommene Bild der Altstadt noch so unverfälscht in der Romanik und der Gotik wie an diesem Ort.
    Das Rathaus am rechten Bildrand ist nicht zu übersehen; und etwa in der Bildmitte oben ist beim genauen Hinsehen erkennbar, daß zwar ein Abschnitt des "Hilton" fertiggestellt ist. Dennoch hat man den Eindruck, daß da ganz offensichtlich etwas faul ist und an seinem Erscheinungsbild etwas getürkt wurde bzw. ein Ist- oder Sollzustand hineinretuschiert wurde. Das Hilton entstand im allgemeinen etwas später als 1980, als Markt 15 noch seinen Nachkriegszustand hatte. Erst danach wurden auch in der Baugrube des Hilton die Römerschiffe entdeckt.
    Von der Stadt, die die Welt einst als Aurea Moguntia pries, sind geblieben: Mitte links der Hof zum Korb, oben links das Schloss, das Deutschhaus, das neue und das alte Zeughaus, die Karmeliterkirche, rechts der Mitte der Eisenturm sowie ganz rechts Markt 29-31, sowie der Marktbrunnen.

  • So sehr ich auch die Marktplatz-Reko in Mainz begrüße, halte ich sie im Detail dennoch teilweise für misslungen.
    Die Dächer sind einfach, zumindest links, nur grausam. Der Anschluß an die Schusterstraße ist katastrophal. Auch der freie Phantasiebau mit Erker und Giebel, der da nie stand spielt den Gegnern nur wieder in die Hände und passt auch garnicht dahin.
    Zum vergleich nochmal eine Ansicht um die Jahrhundertwene, die ja so bis 1942 weitgehend bestand hatte. Man erkennt hier auch deutlich die Wichtigkeit der Brandgiebel, die man bei der "Reko" einfach weggelassen. Darüber hinaus wirken die Fassaden in der Realität ein bisschen künstlich, meine Meinung, nicht böse sein :rolleyes:
    http://images.zeno.org/Ansichtskarten/I/big/AK06628a.jpg

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • In manchen Details der Ausführung gibt es natürlich dies und das, was wesentlich besser hätte laufen können, aber wenn man sich die Ausgangssituation anhand der Postkarte anschaut, leuchtet ein, daß der Markt für die Stadt ein ganz wichtiges Projekt bedeutete. Bei der Erinnerung, daß auf dem Brand ja das eigentliche Zentrum der Stadt stand, wiegt das alles um so schwerer. Hinzu kommt, daß noch bestehende Bebauung des Areals nach 1945 abgerissen wurde. Hier sei erinnert an den Gotischen Patrizierhof zum Widder, der zwar gesichert wurde, aber dennoch abgerissen wurde, sowie an die noch stehende Bebauung auf der Nordseite der Korbgasse, die im östlichen Bereich noch erhalten war und wahrscheinlich allesamt im Kern aus der Gotik stammte.
    Auch wenn Mainz aus mehr als dem Markt besteht - man kommt nicht von diesem Platz los.
    Die erste Karte bildet die Nordseite ab; auch Markt 7 und 9, an deren Stelle heute die ahistorische Reko steht, ist im alten Zustand gut zu erkenne.

    Es folgt eine recht genaue Aufnahme vom Boderam, bei dem der gewachsene Zustand erkennbar ist (Ursprünglich dreigeschossig, 1691 das dritte Geschoß aufgesetzt, man beachte zwischen 2 und 3 das Traufgesims). Interessant ist auch, daß man vom Salmen, Markt 15 einen kleinen Teil erkennen kann. Das Haus wurde etwa 1902 weitgehend neugebaut.

    Die Nordostseite des Marktes. Der Marktbrunnen steht noch versetzt auf seinem zweiten Standort. Auch hier lugt wieder der gotische Treppengiebel des Salmen heraus; auch Markt 17 von etwa 1754/ 55 ist erkennbar.

    Einen wenn auch ungenauen Eindruck der Erdgeschoß- Ladenarkaden von Markt 17 sowie der Ladenzone von Markt 19

    Als Stadtraum stand der Liebfrauenplatz aufgrund seiner außerordentlichen Qualität zweifellos an einer ganz prominenten Stelle. Der Römische Kaiser und das Hotel Schwan sind erhalten, umgekehrt bedeutet die Zerstörung des zu sehenden Fachwerkhauses Fischtorstraße 1 einen enormen Verlust für die Stadt. Das Haus war das "Zum halben runden Rad", auch: "Zum goldenen Rad", später wohl durch eine Fehlinterpretation der Hausmarke auch "Zum kurfürstlichen Wappen" genannt. Die immer wieder herumgeisternde Datierung auf 1567 entbehrt jeder Grundlage, da die Nachgotik in Mainz sich im gesamten 16. Jhd. und sogar bis ins Jahr 1624 noch gehalten hat. Eine Datierung auf etwa 1667 liegt da schon wesentlich eher im Rahmen des vorstellbaren.
    Die Laubenbögen des EG entstammten einem Umbau etwa um 1720 und trugen die Initialen "JMB". Das "halbe runde Rad" war in seiner Form im alten Mainz ein Solitär und auch durch die stark kubisch wirkende Gestalt der drei OGé in keinem weiteren Beispiel überliefert.

  • @ Weingeist

    Auch von mir endlich mal vielen Dank für deine profunden Beiträge über Mainz! Ich wollte schon gestern Abend auf deinen Beitrag 123 mit der Turmaussicht auf den Markt antworten, wollte mir aber noch Bedenkzeit lassen, und abwarten, ob noch weiteres kommt, was nun auch geschehen ist. Irgendwie war für mich als Mainz-Nichtkenner dieser Beitrag aber zu viel, und erst durch Vergleichen mit der Vogelschauansicht auf bing.com/maps wurde mir klar, dass es sich um die Zeile am Markt handelt, die nun ein zweites Mal rekonstruiert worden ist. Denn in allen vorangehenden Beiträgen kam ja die Markt-Zeile nicht vor, und so dachte ich doch nicht an den Ort der zweimaligen Rekonstruktion.

    Du erwähnst bspw. das eingeschossige Provisorium Markt 5. Dann heisst es weiter "Folgend ist mit Markt 5-7 eines der ganz wenigen Beispiele erkennbar, bei denen der Neubau ein Aufnehmen der gewachsenen Mainzer Bautraditionen erkennen läßt". Wahrscheinlich hast du da die Hausnummern falsch geschrieben, oder dann hat mit der Rekonstruktion die Hausnummerierung geändert.

    "Auch Markt 15 ist im "alten" Zustand zu sehen; ironischerweise war dieses Gebäude das erste, dem eine rekonstruierte Fassade vorgeblendet wurde...". Als "Mainz-Nichtkenner" dachte ich, dass in den 80er Jahren der ganzen Zeile die Fassadenrekonstruktionen in einem Guss vorgeblendet worden waren, und so war nicht klar, um welches Haus es sich handelt. Markt 15 ist doch das Haus mit dem Treppengiebel, oder?

    "An der Quartierecke ist Markt 17 zu sehen, welche Fassade heute noch in dieser Form besteht. Das Eckgebäude bestand bis 1997-98 und beherbergte das Listmann- und Stellwagen-Kaufhaus [Grammatikalisch bezieht sich dies auf den vorangehenden Satz!]. An seine Stelle trat das heutige Sinn-Leffers- Kaufhaus, dessen Ecke das bis etwa 1901 oder 1902 bestehende Lennighaus von 1814 rekonstruiert." Hier ist von gar vielen Eckgebäuden die Rede, und erst durch mehrmaliges Lesen und Nachschauen und Vergleichen erschliesst sich dann der Inhalt.

    "...und etwa in der Bildmitte oben ist beim genauen Hinsehen erkennbar, daß mit dem "Hilton" ganz offensichtlich etwas faul ist und an seinem Erscheinungsbild etwas getürkt wurde." Diese Aussage erschliesst sich wohl keinem Leser, und trägt nur zur weiteren Verwirrung im Beitrag bei.

    Ich kann dir aber versichern, dass ich alle deine Beiträge über Mainz genau mitverfolgt habe, und gespannt auf die weiteren Beiträge bin!

  • Da muß ich wohl Riegel recht geben - die häufige Verwendung meiner "Ecken" confundiert; und da ist mir doch tatsächlich der Fehler unterlaufen, statt von Markt 7-9 (Standort des heutigen Haus zum Fuchs, ursprünglich in der Augustinerstraße), diese Parzelle mit Markt 5-7 zu bezeichnen (Markt 5 ist das Haus zum Fleming). Den betreffenden Beitrag habe ich noch einmal etwas korrigiert; und man sollte sich allmählich um einen angemessenen Platz im Altersheim bemühen.
    Was die ahistorische translozierte Reko des Hauses zum Fuchs betrifft, muß man vielleicht auch noch sagen, daß wir zur damaligen Zeit einen OB gleichen Namens hatten und dieser ein Ausbund Meister an Selbstdarstellung und Selbstinszenierung war. Daß dieses Haus Kritik anzieht, erscheint nachvollziehbar, aber man muß eben halt auch sagen, daß dort ein OB seine Kindereien ausleben wollte, und sich auch nicht gescheut hat, sowohl in einer der Neidmasken sein hehres Konterfei anbringen zu lassen, sondern auch bei der Aufstellung der Heunensäule auf dem Markt sich in der Einfassung derselben auch noch mal verewigen ließ. Dieses Maß an Selbstdarstellung finde ich überhaupt nicht gut.
    Ein kleines, aber interessantes Detail fällt aber auf: Markt 5 ist vom Dalberger-Hof-Architekten Caspar Herwarthel. Die Augustinerstraße 67 war, wenn nicht von Herwarthel, dann aus seinem unmittelbaren Umfeld, so daß wir heute zwei Fassaden des spezifischen Mainzer Barock aus der Zeit etwa um 1720 nebeneinander auf dem Markt haben.

  • So einen haben wir zur Zeit auch in Bad Dürkheim (den Bgm mein ich), macht seine Sache aber ganz gut. Erfolg führt anscheinend auch in die Selbstherrlichkeit :lachen:. Deine profunden Mainz-Kenntnisse sind in der Tat immer eine Bereicherung nicht nur für die, die Mainz kennen :daumenoben:

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.