Noyers (Yonne, F) (Galerie)

  • Noyers-sur-Serein in Burgund


    Eine mittelalterliche Festungsstadt, einst im Besitz des Bischofs von Auxerre, der die Burg vergrößerte und die Stadt zu ihren Füßen anlegen ließ, liegt ihre Einwohnerzahl heute mit etwas mehr als 700 Bewohner mit Sicherheit deutlich unter den mittelalterlichen Werten.


    Der Ort liegt in einer Flussschleife, und wurde ursprünglich um einen langgestreckten, dreieckigen Marktplatz herum errichtet, der allerdings heute zum Großteil überbaut und deshalb in drei kleine Plätze aufgeteilt ist. Die Befestigungsanlagen sind beeindruckend, die Stadt war an drei Seiten mit einer Mauer umgeben, die mit D-förmigen Türmen im Abstand von jeweils etwa 100 Metern versehen war und zu einem guten Teil auch heute noch Stadt.


    Der Ort brannte zuletzt um 1470 großflächig ab, sodass die heutige Bausubstanz an den Plätzen und Hauptstraßen aus Prachtvollen spätgotischen Fachwerkhäusern sowie solchen der frühen Renaissance, und Steinbauten der Stile Frühgotik bis Klassizismus besteht, während in den Nebenstraßen hauptsächlich schlichte Häuser aus Bruchsteinmauerwerk stehen, in deren Reihen nur selten das eine oder andere kleine Fachwerkhaus eingefügt ist.


    Zunächst ein Plan der Stadt, wie sie im Mittelalter ausgesehen haben mag:


    http://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm….jpg?uselang=de

    Nun zu den Bildern; wir beginnen am Südtor, das sich auf der Ansicht rechts befindet:



    Das Tor wurde im 16. Jahrhundert stark umgebaut; der Erker mit Musketenscharten sowie die Schießscharten für Armbrüste im obersten Geschoss zeugen davon.


    geht man nun durch das Tor, so bietet sich folgende Ansicht...



    Das Fachwerkhaus auf der linken Straßenseite stammt aus der Zeit kurz nach dem Stadtbrand von 1470 und weist einige sehr feine Details auf...


    Zusammen mit einem schlichten Bau des 17./18. Jahrhunderts und einem anderen Haus aus dem frühen 16. Jahrhundert bildet diese Gebäude die wohl markanteste (und deshalb auch bekannteste) Gebäudegruppe in Noyers, die mitunter auch schon als Filmkulisse diente:


    Das rechte Haus bietet ebenfalls einige reizvolle Details, die sowohl noch der Spätgotik als auch schon der Frührenaissance entstammen:




    Eine Linksdrehung, und man blickt auf das eher unspektakuläre Rathaus des Ortes:




    Fortsetzung folgt...  :thumbup:


  • Nun abermals eine Linksdrehung, und die Sache schaut so aus:


    Auch die beiden Arkadenhäuser links sind im Kern Fachwerkbauten, denen man jedoch später Steinfassaden über Arkaden vorgesetzt hat.

    Siehe auch hier:

    Man hat einfach die Seitlichen Brandwände nach vorne verlängert und durch eine Steinfassade verbunden; dabei wurde scheinbar aber sogar die Vorkragung der alten Fassade erhalten.

    Nun zur dritten Seite des Marktplatzes:


    Die beiden Giebelhäuser sind sehr repräsentative Bauten aus der Zeit um 1500, aber auch die kleinen Häuser in der Mitte sind deutlich älter, als sie auf den ersten Blick ausschauen.

    Die Seitenfassade des Rechten der drei mittleren Häuser:


    Die Fachwerkfassaden besitzen, wie fast immer in Noyers, schöne bauzeitliche Schnitzereien:

    Nun zum nächsten Platz, an dem die schönsten Fachwerkhäuser der Stadt stehen:



    Diese Häuser wurden erst vor Kurzem restauriert, und sind über und über mit spätgotischen Verzierungen, etwa Freigespärren in Spitzbogenform, oder den Fialen an den Ständern verziert.

    (Für eine Ansicht des Zustands vor der Restaurierung siehe Google Street View)

    Das Haus ganz links wurde über einem Durchgang zur Parallelstraße errichtet, und dürfte das Älteste am Platz sein:

    Auch auf der anderen Seite vermag der Platz zu überzeugen; dort mit etwas jüngeren Häusern, die teilweise schon Renaissancedekor tragen:


    Das linke Haus ist etwa so alt wie das frisch restaurierte am rechten Bildrand, das Mittlere über der Durchfahrt ebenfalls; das rechte Fachwerkhaus gehört schon der Renaissance an.

    Ein Kreuzstockfenster vom rechten Haus:


    Noch ein Blick zurück:


    Wieder auf der Hauptstraße, und immer noch in Richtung Norden, treffen wir noch auf einige spätgotische Fachwerkhäuser, auf die ich jetzt aber nicht näher eingehen werde:

    (Bienennester gibt es dort an jedem zweiten Haus)


    Nun der nördlichste Teil des ursprünglichen Marktplatzes, der ebenfalls einiges zu bieten hat:

    Zunächst einmal dieser Bau an der Südseite des Platzes:


    mit einer sehr komplizierten Eckvorkragung:


    Weiter nördlich befindet sich der beste Renaissancebau der Stadt, ein ehr kleines Steinhaus des 16. Jahrhunderts:





    Noch das letzte Stück dieser Straße:



    Aber auch hier findet sich noch ein erwähnenswertes Fachwerkhaus:


    Zum Schluss kommt das nördliche Stadttor:


    Dahinter beginnt das Areal der Burg(-ruine), die ich jedoch nicht besichtigt habe; daher nur ein Bild von unten:


    So sieht es aus, wenn man sich ein Stück nach rechts dreht:


    Das wars für Teil 2:

    Fortsetzung folgt  :thumbup:

  • Wahnsinn! Diese Fachwerkhäuser sind einfach unglaublich! Wie kommt es, dass sie so gut erhalten sind (später wurden sie ja scheinbar gar nicht verändert, sie scheinen ja im Originalzustand zu sein!) und das Stadtbild so geschlossen erhalten ist? Und Neubauten oder überhaupt Häuser, die jünger als 200 Jahre sind, scheint es nicht zu geben. Das sind ja nahezu paradiesische Bilder ;)
    Vielen Dank und LG!

  • Danke für die Bilder so weit, das sieht alles super aus. Frankreich ist in diesem Forum keinesfalls überrepräsentiert. Welche Städte hast Du Dir noch angesehen? Ins Burgund muss ich auch noch mal. Zum Thema Frankreich außer Paris kann ich, wie vermutlich mancher, außer wenigen Küsten- und Randbereichen, wie dem Elsass, nicht viel beitragen.

  • Zitat

    Welche Städte hast Du Dir noch angesehen?

    Das ganze war eine Art Rundreise: angefangen in Basel, über Dijon, Noyers, Orléans, Beaugency, Loches, Tours, Chinon, dann eine Zeit am Meer, von dort aus Vannes und Guérande, und zu guter letzt noch Rouen und ein Paar Bilder aus Reims.

    Zitat

    Wie kommt es, dass sie so gut erhalten sind (später wurden sie ja scheinbar gar nicht verändert, sie scheinen ja im Originalzustand zu sein!) und das Stadtbild so geschlossen erhalten ist?


    Das dürfte damit zusammenhängen, dass der Ort ab dem 16. Jahrhundert praktisch bedeutungslos wurde. Ich hatte ja am Anfang geschrieben, dass dort heute nur noch etwa 700 Menschen wohnen; die Autobahn ist zwar relativ nah, aber der örtliche Bahnhof mitsamt Bahnstrecke seit langem stillgelegt.

    Wahrscheinlich war es auch das Glück, dass es dort seit 1470 nicht mehr groß gebrannt hat.

    Neben den Fachwerkbauten gibt es dort ja auch eine Menge alter Steinbauten, die jedoch neben den Fachwerkhäusern kaum auffallen, und deren Alter meist nur noch an Fensterstürzen mit gotischer Ornamentik erkennbar ist:

    Etwa hier:


    Das kam bisher noch nicht vor; ein Fenstersturz des 13. Jahrhunderts, muss aber nicht sein, dass der sich schon immer hier befand; eine Zweitverwendung des Materials abgetragener Bauten, vor allen der örtlichen Burg, käme auch in Betracht.

  • Im letzten Beitrag erwähnte ich die mittelalterlichen Steinbauten der Stadt, die man jedoch meist nur anhand einzelner Details der Epoche zuordnen kann.

    Daher hier einige mittelalterliche Fensterrahmen aus allen Teilen der Altstadt.

    Zweitverwendet als Türsturz...


    Noch ein Fenstersturz vom selben Haus:



    Ein Türsturz mit Wappenschild:


    Der bereits gezeigte frühgotische Fenstersturz:


    Und noch ein Paar spätgotische Fenster:



    wiederhergestellt...

  • Nun der letzte Teil des Rundgangs, mit einigen Seitenstraßen und der Stadtkirche

    Noch einmal der letzte Standpunkt


    Hier biegen wir nun rechts ab


    Der Baubestand dort ist meist recht unspektakulär, nur selten finden sich noch Reste der mittelalterlichen Fachwerkbebauung, wie etwa hier.


    Hier bestand einmal ein Erker, nur die Konsolen zeugen noch davon (wohlgemerkt, Seitengasse)


    Und hier zeugt eine Brandmauer mit Vorkragung von einem ehemaligen Fachwerkbau:


    Einige Straßen weiter folgt dann die Stadtkirche, ein makelloser spätgotischer Bau des 15. Jahrhunderts.


    (in Deutschland wäre eine Kirche in einem solchen Zustand längst als "abrissreife Ruine" deklariert worden)

    Auch das Portal ist vollkommen in den leicht überladenen, aber dennoch sehr eleganten Formen der französischen Spätgotik gehalten:


    Auch die Tür selbst mit ihrem reichen Faltwerk ist noch bauzeitlich.

    Noch einmal der Chorabschluss:


    Innenbilder habe ich leider nicht, da ich am Sonntag dort war und gerade eine Messe gefeiert wurde.


    Hinter der Kirche gibt es noch einen weiteren Platz mit einigen weiteren spätgotischen Fachwerkhäusern.



    Dieses Haus mit einer Renaissance-Steinfassade besitzt die wahrscheinlich schönste geschnitzte spätgotische Ornamentik des gesamten Ortes


    Und zwar an der rechten Traufseite in einem kleinen Innenhof:






    So etwas findet man an keinem deutschen Fachwerkhaus dieser Zeit...


    So, das war nun die Stadt an sich. Es folgt noch ein letzter Teil zur Stadtmauer.

    Einmal editiert, zuletzt von Mündener (22. Mai 2014 um 12:10)

  • Die beiden erhaltenen Stadttore wurden ja bereits gezeigt, und eine gewöhnliche Stadtmauer hätte sicher nichts, was herausragend genug wäre, um es zu zeigen.
    Anders jedoch in Noyers.
    Wie ich bereits zu Anfang der Galerie erwähnt habe, wurde Noyers als Festungsstadt planmäßig angelegt, und der Stadtmauer wurde neben der bedauerlicherweise kaum erhaltenen Burg die größte Bedeutung zugemessen, weshalb sie aufgrund ihrer Mächtigkeit einerseits und ihrer Einheitlichkeit andererseits höchst beeindruckend wirkt (wirken würde, wenn ihre Umgebung nicht so über alle Maßen idyllisch wäre  :biggrin: )


    Aber seht selbst:



    Leider sind nicht alle Türme so gut erhalten...


    Fortsetzung folgt jeder anderslautenden Ankündigung zum Trotz  :biggrin:

  • Nun der wirklich letzte Teil. Er zeigt noch ein Paar Eindrücke der Stadt, die ich bis jetzt nicht wirklich unterbringen konnte.




    Außerdem noch ein vermutlich sehr altes Fachwerkhaus (ich schätze 14. Jahrhundert), das sein Alter aber nur auf der Rückseite preisgibt:




    In Vordergrund noch ein weitestgehend abgetragener Stadtmauerturm:


    Und noch zwei Bilder vom Markt:



    Und noch die zwei letzten Bilder:



    Fin

  • Vielen Dank für die Fortsetzung des Rundganges duch diesen Ort!

    Es ist einfach ein Jammer, dass in Frankreich die Fachwerkforschung nicht so fortgeschritten ist wie in unsern deutschsprachigen Ländern. Das hochentwickelte Gefüge hatte sich im Verlauf der Jahrhunderte viel weniger verändert als bei uns. Ich nehme an, dass du die Altersschätzungen aufgrund der Ornamentik vorgenommen hast, nicht?

  • Zitat

    Ich nehme an, dass du die Altersschätzungen aufgrund der Ornamentik vorgenommen hast, nicht?

    Bei diesen mit datierbaren Details reich verzierten Bauten bietet sich das natürlich an, aber sobald spätgotische /Frührenaissance-Details fehlen, wird es auch schon schwierig mit dem Datieren. Da man aber offensichtlich schon im 16. Jahrhundert viel mit Stein gebaut hat in der Stadt, dürften mehr oder weniger alle Fachwerkhäuser spätestens bis 1550 erbaut worden sein.

    Interessant wird es vor allem bei den Häusern, die ich definitiv vor den Stadtbrand von 1470 datieren würde. Bisher ist dies ja nur das eine Haus, das ich von hinten gezeigt habe. Aber auch da kann man sich Details wie sehr große Gefache oder geschossübergreifende Ständer fürs Datieren zunutze machen.

    Zitat

    Es ist einfach ein Jammer, dass in Frankreich die Fachwerkforschung nicht so fortgeschritten ist wie in unsern deutschsprachigen Ländern.

    Allerdings! Dabei ist das französische Fachwerk mindestens genauso vielfältig wie das Deutsche. Ich habe bisher aus Frankreich noch nicht eine einzige dendrochronologische Datierung gesehen, und die Erfahrungen, die damit in Deutschland seit den 70er Jahren und in England seit etwa 10-15 Jahren gemacht werden, zeigen ja immer wieder, das vieles für jünger gehalten wird als es ist.

    Gerade in Rouen habe ich eine ganze Reihe von Bauten gesehen, die allein aufgrund dekorativer oder bautechnischer Details spätestens ins frühe 14. Jahrhundert oder teilsweise sogar noch ins 13. Jahrhundert datieren. Aber auch von dort liegen keinerlei dendrochronologische Datierungen vor, und die Informationen der Denkmalliste sind größtenteils auch schon über 50 Jahre alt.

  • Diese Häuser wurden erst vor Kurzem restauriert, und sind über und über mit spätgotischen Verzierungen, etwa Freigespärren in Spitzbogenform, oder den Fialen an den Ständern verziert.

    (aus Beitrag 2)

    Es ist interessant, dass sich diese Fialen an den Ständern auch am Kirchenprtal wiederfinden:

    Auch das Portal ist vollkommen in den leicht überladenen, aber dennoch sehr eleganten Formen der französischen Spätgotik gehalten:

    Auch die Tür selbst mit ihrem reichen Faltwerk ist noch bauzeitlich.

    (aus Beitrag 7)


    Beim Objekt auf dem nächsten Bild glaube ich, dass die Fassade einst zugebaut, und erst bei einer Restaurierung wieder freigelegt worden war:

    (aus Beitrag 7)

    Das Fenster am 1. Obergeschoss ist sicher nachträglich ausgebrochen worden, denn man sieht an den Holznägeln, dass die Strebe einst bis an den Sturz weiterlief. Dafür ist das wohl ursprüngliche Fenster links zugemauert worden. Das 2. Obergeschoss dürfte jünger sein, da die Strebe dort aussen angeschlagen ist. Die eigenartigen Einschnitte könnten von einer in die Balken eingestemmten Treppe stammen. Von daher vermute ich, dass die Fassade einst zugebaut war.


    Das Haus ganz links wurde über einem Durchgang zur Parallelstraße errichtet, und dürfte das Älteste am Platz sein:

    (aus Beitrag 2)

    Auch an diesem Haus finden sich Spuren eines abgegangenen Freigespärres, wahrscheinlich ebenfalls in Spitzbogenform. Man sieht einige Spuren deutlicher, wenn man für die Vergrösserung ins Bild klickt.


    Man muss bedenken, dass in Frankreich schon im 19. Jahrhundert weitgehende Restaurierungen und Rekonstruktionen (Viollet-le-Duc!) erfolgten. So müsste man bei der Erforschung der Fachwerkbauten zuerst diese Restaurierungen und Ergänzungen eruieren. Viollet-le-Duc (und wohl auch andere) hat ja vieles zeichnerisch festgehalten und veröffentlicht. Nur so kann ich mir erklären, dass im Historismus in Deutschland und der Schweiz die Freigespärre in diesen Bogenformen Eingang gefunden haben.

  • Die Ansichten dieses stadtartigen Dorfes wirken so unwirklich, da wir ganz anderes gewöhnt sind. Dass es so etwas heute noch gibt, fällt einem schwer zu realisieren. Fast hätte ich gefragt, ob Du diese Ansichten wirklich in echt gesehen hast oder nur geträumt hast, so fern unserer Realität erscheint dieses Ortsbild.

    eine gewöhnliche Stadtmauer hätte sicher nichts, was herausragend genug wäre, um es zu zeigen


    Wie sich im folgenden zeigen sollte, meinst Du mit Stadtmauer die Stadtbefestigung generell. Ich verstehe unter "Stadtmauer" stets nur die Mauer selber, also ohne die Türme und Toranlagen und ohne alles sonstige, wie Gräben, Zwingermauern etc.. Dass eine Stadtbefestigung i. a. R. zeigenswert ist, steht für mich aber außer Frage. Dass ihre Reste in Noyers offenbar im wesentlichen aus den beiden Toren und diversen Türmen bestehen, aber in Originalhöhe erhaltene Mauerzüge nicht mehr bestehen, relativiert den ansonsten guten Eindruck des Ortes schon etwas. In punkto Stadtbefestigung hat das französische, nein, nicht französische, sondern lediglich frankophone Freiburg im Üechtland deutlich mehr zu bieten, kann aber mit der Pittoreskität von Noyers nicht mithalten.

    Andererseits sagst Du:

    Die Befestigungsanlagen sind beeindruckend

    In Franken lässt sich als Pendant am ehesten vielleicht Mainbernheim denken, evtl auch Seßlach. Dennoch ist der Unterschied erheblich und der Bestand an jahrhundertealten Häusern in Noyers geradezu umwerfend.

    Besten Dank, Mündener, für die Eindrücke aus diesem bemerkenswerten Dorf!