Lübeck - Neubauten im Gründerviertel

  • Schade, dass sich (die) Lübeck(er) offenbar immernoch so wenig der eigenen Schätze gewahr ist (sind).
    Diese Stadt hat wohl doch nicht richtig verstanden, was "Weltkulturerbe" wirklich bedeutet.

    Es bedeutet nämlich auch gelebte und fortgeführte Kultur. Angesichts des Potenzials ist im historisch so bedeutsamen Gründerviertel leider wenig Baukultur und Traditionsbewusstsein zu erkennen.
    Man hätte sich z.B. an den Bremer Vierteln Schnoor und Böttcherstraße mit ihrem Mix aus Originalen, vielen expressionistischen Backsteingotik-Zitaten aus den 1920ern und später eingepassten Bauten orientieren können, wenn man schon etwas Neues, Interessantes schaffen möchte.

  • Ja, das ist wirklich sehr schade. Ich denke, es liegt zu einem nicht unerheblichen Teil daran, dass Lübeck einfach vergleichsweise geringfügig zerstört wurde. Im Krieg gingen zum Glück "nur" ca. 20% der Altstadt verloren und danach durch Abrisse leider vielleicht noch einmal 10%. Auch, wenn ausgerechnet im prächtigsten Teil, dem Gründungsviertel, die Zerstörung am größten war, so ist doch die gesamte, größere Osthälfte der Altstadt fast komplett erhalten. Zudem alle Großbauten wie sämtliche vor dem Krieg noch vorhandenen Kirchen, das Rathaus und die beiden großen Stadttore. Und selbst im Gründungsviertel ist mit einem großen Teil der Mengstraße noch einiges an prächtiger Originalsubstanz erhalten.

    Ich denke, dass in Lübeck einfach der Leidensdruck, die Sehnsucht oder wie man es auch nennen will, sehr viel geringer ist als in einer Altstadt, die nahezu vollständig und damit (fast) bis zur Unkenntlichkeit zerstört wurde - wie z.B. Frankfurt am Main.

    Zudem sind in Lübeck seit langer Zeit leider meist die falschen Leute in den entsprechenden Positionen. Hätten wir noch Bürgermeister Knüppel (war danach bei der Deutschen Stiftung Denkmalschutz) oder Bausenator Stimmann, sähe das Gründungsviertel wohl anders aus. Es hätte ja nicht unbedingt jedes Haus rekonstruiert werden müssen, aber eine gesunde Mischung aus Rekonstruktionen und angepassten Neubauten hätte mit Sicherheit viel lebendiger gewirkt als die jetzige Melange aus meist sterilen Dreiecksgiebeln ohne jegliche Lübeck-Zitate.

    Dafür hätte man nur einige Leitbauten bestimmen müssen. Prädestiniert wären Fischstraße 19, 22, 25 und 27, sowie vielleicht 2 oder 3 Häuser in der Alfstraße gewesen. Mehr hätte es ja gar nicht sein müssen. Tja, leider eine vertane Chance, aber dennoch immerhin viel besser als die elenden Berufsschulen.

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Die neuen "Bürgernachrichten" Nr. 117 der BIRL sind hier online als PDF zu lesen.

    Darin auch wieder Beiträge zum Gründungsviertel. Auf Seite 23/24 zum Thema Mengstraße 6 / Fischstraße 19, Auszug:

    Des weiteren zum Thema auf den Seiten 25-28.

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Zitat von Frank1204


    Dieser Gedanke wurde sehr frühzeitig geäußert und er stand lange „im Raum“, leider
    haben sich weder die Gründerviertel-Neubauplaner der Bauverwaltung noch
    die Denkmalpfleger ernsthaft damit auseinandergesetzt. (es hätte sogar zu einem
    frühen Zeitpunkt einen Investor gegeben)

    Was mal wieder zu erwarten war.

  • Neuer Artikel bei HL-Live mit der Überschrift "Gründungsviertel: Jetzt geht es los!":

    https://www.hl-live.de/aktuell/textstart.php?id=112425

    Zitat

    Historische bedeutsame Substanz im Boden darf nicht beschädigt werden, alte Keller aus der Gründungszeit Lübecks müssen in die Neubauten integriert werden.

    Nicht erwähnt wird leider, dass nur noch auf 3 Grundstücken (Fischstraße 24, 26 und 28) einzubindende Kellerreste vorhanden sind. Auf den restlichen 35 (!) Grundstücken wurde alles weggebaggert, was nicht schon beim Bau der Berufsschulen zerstört wurde. Und das war immerhin noch eine ganze Menge.

    Zitat

    Für die Fassaden gibt es genaue Regeln. 15 Gestaltungsvorschläge sind bereits genehmigt.

    Das wundert mich. In den Gestaltungsbeiratssitzungen wurde bisher nur insgesamt 14 Fassaden behandelt. Und inzwischen habe ich Informationen, dass die sehr unschöne Fassade Alfstraße 19 (siehe weiter oben) doch noch nicht genehmigt wurde - das hatte ich wohl falsch verstanden. Sie soll noch einmal komplett neu gemacht werden. Macht summa summarum bisher 13 genehmigte Fassaden. Wo die beiden anderen herkommen, weiß ich nicht. Vielleicht gingen auf dem "kleinen Dienstweg" außerhalb der Sitzungen durch.

    Zitat

    Am 24. März wird ein Preisgericht über die Gestaltung der zentralen Parkgarage entscheiden, am 25. März werden die Ergebnisse in der Handwerkskammer vorgestellt.

    Der Termin ist notiert. Ich werde versuchen hinzugehen und wie immer zu berichten. Hoffentlich kommt da was brauchbares raus...

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Auch die Lübecker Nachrichten berichten heute unter der Überschrift "Gründungsviertel: Baustart im Mai":

    http://www.ln-online.de/Lokales/Luebec…Baustart-im-Mai

    Sehr merkwürdig, da HL-Live gerade gestern einen Baustart für April angekündigt hatte. ?(
    Irgendwie wird es immer später. :(

    Und auch hier ist merkwürdigerweise von 15 genehmigten Entwürfen die Rede. Als neue Information kann man dem Artikel immerhin entnehmen, dass die Stadt den Schul-Rest auf dem Grundstück Braunstraße 14 nun selbst umbaut und dann verkauft. Hoffentlich kommt dabei etwas brauchbares heraus. Wichtig wäre, dass die Fassade in die Straßenflucht gerückt wird und das Dach von trauf- auf giebelständig "gedreht" wird.

    Denkwürdig dieser Satz aus dem Artikel:

    Zitat

    Die Fassaden sind zwar neu – orientieren sich aber an der Gestaltung der alten Kaufmannshäuser.

    Aha. Das war mir bisher außer bei vielleicht zwei oder drei Fassaden gar nicht aufgefallen. Die übergroße Mehrzahl hat ja gerade absolut nichts mit der Gestaltung der alten Kaufmannshäuser zu tun, was das größte Manko an dem ganzen Projekt ist. Es sind vielmehr irgendwelche neutralen Giebelhäuser, die überall stehen könnten. Wenn man keine Ahnung hat, sollte man sich mit solchen Aussagen zurückhalten. :kopfschuetteln:

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Es scheint ja wie überall zu sein: die Kubatur, hier ein einfacher Spitzgiebel, muss als Remisniszenz reichen. Vielleicht gibts noch Backstein dazu - das war's es aber auch.

  • Heute war wieder Gestaltungsbeiratssitzung (ja, es sind tatsächlich schon wieder 3 Monate um!) mit neuen Entwürfen und auch einigen Überarbeitungen für das Gründungsviertel.

    Vorweg soviel: Es gibt erste Entwürfe für die Fischstraße und endlich auch mal etwa sehr erfreuliches!!! :D

    Vorgestellt wurden heute die folgenden neuen Entwürfe:

    Braunstrasse_14_kl.jpeg
    Abb.1: Braunstraße 14, Entwurf: Architekt Siegmund. Die Fassade kommt dem klassizistischen Vorkriegsbau relativ nahe. Hier handelt es sich um die von mir weiter oben erwähnte besondere Situation. Auf dem Grundstück steht noch der Rest der Berufsschule, der nicht abgerissen werden kann, weil sonst das gotische Haus Nr. 12 abrutschen würde. Der Schulrest wird überbaut, dabei wird wie von mir schon erhofft die Fassade bis an die historische Bauflucht vorgezogen und das Dach von trauf- auf giebelständig gedreht. Ein relativ schlichter, aber dennoch an dieser Stelle sehr gut passender Entwurf.


    Gerade_Querstrasse_3_kl.jpeg
    Abb.2: Gerade Querstraße 3, Entwurf: Architekt Ellinghaus. Moderne Adaption eines typischen traufständigen Lübecker Kleinhauses mit Zwerchgiebel. Von den Proportionen her meiner Meinung nach sehr gelungen. Bei den Fensterteilungen wird sich aber noch etwas ändern. Die Mittelpfosten oben waren als für Feuerwehreinsätze herausnehmbar geplant. Wie das realisiert werden sollte, was noch nicht konkretisiert worden. Das war dem Gestaltungsbeirat aber zu aufwändig und ohne Nutzen/Mehrwert. Es wurde angeregt, die Mittelpfosten einfach wegzulassen und normale zweiflügelige Fenster zu nehmen, was auch ich sehr begrüßen würde. Das EG-Fenster soll u.U. auch noch anders bzw. die rechte Seite weiter geteilt werden. Der GBR bemängelte die jetzige Teilung als bezuglos zur restlichen Fassade.


    Fischstrasse_16_kl.jpeg
    Abb.3: Fischstraße 16, Entwurf: Architektin Hangebruch. Einer der Siegerentwürfe aus dem Wettbewerb und wie ich schon einmal äußerte, eigentlich mein Lieblingsentwurf unter den Siegern. Da auf dem Grundstück nur 2 statt 3 Vollgeschosse vorgesehen sind, musste die Architektin den Entwurf aber entsprechen anpassen. Wie ich finde, verliert er dadurch gegenüber dem besser proportionierten Original leider etwas. Ein wenig störend finde ich auch die links und rechts "überstehenden" Fenster im 1.OG. Ich würde diese entweder etwas zusammenschieben oder die EG-Fenster etwas nach außen ziehen, um einen bündigen Abschluss von EG- und OG-Fenstern herzustellen. Das würde die Fassaden in meinen Augen noch angenehmer werden lassen. Ein kleiner Wermutstropfen ist die Materialwahl der unteren, grauen Bereichs: Es soll leider Sichtbeton werden. Auch der BGR sah das kritisch. Die Architektin versicherte aber, dass der Beton eine rauhe Struktur erhalten werde und dass sie damit schon sehr gute Erfahrungen gemacht hätte. Naja, mal sehen, wie es aussehen wird. Auf jeden Fall endlich einmal ein Entwurf, bei dem - im Gegensatz zu den meisten anderen - tatsächlich "Zitate eines Lübecker Kaufmannshauses" ablesbar sind.


    Fischstrasse_5-9_kl.jpeg
    Abb.4: Fischstraße 5 (links) und 7-9 (rechts). Diese beiden Entwürfe wurden nicht im Gestaltungsbeirat vorgestellt, waren aber dort im Aushang zu sehen. Ich gehe daher davon aus, dass sie "zwischendurch" genehmigt wurden. Die Grundstücke gehören einem Privatinvestor und wurden nicht zusammen mit dem Rest des GV vermarktet. Die beiden Entwürfe orientieren sich in stark vereinfachten Formen an der Vorkriegsbebauung (Nr. 5 ehem. Renaissance-Treppengiebel und Nr. 7-9 ehem. Rokokopalais auf zwei zusammengefassten mittelalterlichen Parzellen). Das Haus Nr. 7-9 (rechts) hat ein Stockwerk mehr bekommen und erscheint mir insbesondere in Bezug auf die dann weiter rechts folgenden Nachbarn zu hoch.


    Und jetzt kommts: :trommeln::trommeln::trommeln:
    Tataaa:

    Was ich nicht mehr für möglich gehalten hatte, wird nun doch wahr:
    Es kommt tatsächlich eine Rekonstruktion!!! :harfe:cheers:)

    Und zwar handelt es sich um die Fassade Fischstraße 17:

    Fischstrasse_17_kl.jpeg
    Abb.5: Fischstraße 17, Entwurf: Schröder-Berkenthien-Architekten. Bauherr ist kein geringerer als Alexander von Bismarck. :kuss::thumbup::applaus:
    Die Originalfassade wurde von 1800-1802 erbaut. Es erfolgt in allen Belangen eine 1:1-Rekonstruktion des Vorkriegszustands! Allein über die endgültige Farbfassung muss noch entschieden werden. Der Gestaltungsberat ging erstaunlich positiv mit dem Thema um und forderte lediglich, dass die Fassade exakt und mit historischen Bautechniken errichtet werden solle. Zudem müssen aber auch alle Auflagen, z.B. der Energieverordnung und der Feuerwehr erfüllt werden. Leider gibt es keine Fotos von der Rückfassade, so dass diese nicht rekonstruiert werden kann und modern wird. Das fand der GBR sogar ein wenig schade, hatte ich das Gefühl.

    Generell hätte ich zwar lieber die Rekonstruktion eines gotischen oder Renaissance-Treppengiebels gesehen (z.B. die direkt daneben liegende Nr. 19), aber ich bin schon so glücklich und will nicht meckern. Und wer weiß, vielleicht geschieht ja noch ein weiteres Wunder! :thumbup:

    Es folgen in Kürze noch weitere Bilder von Überarbeitungen und die neuen Gesamtansichten.

    Alle Fotos von mir.

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

    Einmal editiert, zuletzt von frank1204 (19. Mai 2023 um 18:49) aus folgendem Grund: Bilder wiederhergestellt

  • Des weiteren waren einige Überarbeitungen zu sehen (jeweils links der alte und rechts der überarbeitete Entwurf):

    Alfstrasse-15.jpegAlfstrasse_15_kl.jpeg
    Abb.1: Alfstraße 15, sso-Architekten: Das linke EG-Fenster wurde um eine Tür, wahrscheinlich für einen Ladeneingang, erweitert. Leider eine sehr störende Verschlechterung der Fassade. Muss das unbedingt sein? :(


    Alfstrasse-17.jpegAlfstrasse_17_kl.jpeg
    Abb.2: Alfstraße 17, Mißfelft-Kras-Architekten: Die Fenster im 1. und 2. OG wurden zu zwei Dreiergruppen zusammengezogen und so die Mitte betont. Finde ich ok und nicht mehr ganz so langweilig wie zuvor. Irgendwie passt Die Anordnung der Giebelfenster aber nun nicht mehr so ganz dazu. Vielleicht muss ich mich auch dran gewöhnen. Sehr ungewöhnlich das ziegelsichtige EG und die darüber verputzte Fassade. Ist in Lübeck sonst umgekehrt... huh:)


    Alfstrasse-19-neu.jpegAlfstrasse_19_kl.jpeg
    Abb.3: Alfstraße 19, links (alt) Architekt Zeschke, rechts (neu) Architektin Ulitzsch: Nachdem auch der hier links zu sehende zweite Entwurf von Herrn Zeschke im GBR durchgefallen war, wurde von einer anderen Architektin eine neue, aber ähnliche Fassade entworfen. Aber auch hier war der GBR nicht ganz zufrieden. Es soll jetzt geprüft werden, ob man daraus nicht einen Klassizisten mit Attika über dem 3. OG machen könnte, auch um die eintönige Reihe von einfachen Spitzgiebeln (sie merken es offenbar langsam selbst) in der Alfstraße aufzulockern. Vielleicht gar keine schlechte Idee.


    Alfstrasse-21.jpegAlfstrasse_21_kl.jpeg
    Abb.4: Alfstraße 21, Architekt Mäder: Auch hier wurde die Fensteranordnung zur Betonung der Mitte verändert. Hätte m.E. nicht unbedingt sein müssen, stört aber auch nicht groß. Das ehemals sehr gedrungen wirkende EG wurde durch Erhöhung der Putzfläche bis unter die Fenster des 1.OG und Erhöhung der EG-Fenster deutlich verbessert! Der Zierstreifen unterhalb des Giebeldreiecks wurde leider entfernt.


    Braunstrasse-28.jpegBraunstrasse_28_kl.jpeg
    Abb.5: Braunstraße 28, Architekt Stricker: Die vorher schon unschönen zusammengefassten beiden Giebelfenster wurden sogar noch vergrößert, was die Situation weiter verschlechtert. Mir ist zudem schleierhaft, wieso hier das gleiche Motiv (zusammengefasste Fenster über mehrere Stockwerke) offenbar als Verbesserung gesehen wird, während es beim ersten Entwurf von Alfstraße 19 zu dessen Ablehnung führte. Im Giebel nach wie vor sehr unbefriedigend. Einfache Fenster, etwas kleiner als die der Mittelzone, ähnlich wie bei Alfstraße 15, wären hier die deutlich bessere und unaufgeregtere Lösung.

    Alle Fotos von mir.

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

    Einmal editiert, zuletzt von frank1204 (19. Mai 2023 um 20:15) aus folgendem Grund: Bilder wiederhergestellt + Adresskorrektur

  • So, und jetzt noch die neuen Straßenansichten, jetzt das erste Mal mit Fischstraße:

    Alfstrasse-13-31-20170303_kl.jpeg
    Abb.1: Alfstraße Südseite, links das Studentenwohnheim. Anmerkung: Im Aushang heute im GBR war leider die Fassade Alfstraße 25 nicht mehr zu sehen. Ich vermute, dass der Bauherr wohl abgesprungen ist, was ich sehr schade finde, da das eine der besseren Fassaden der Straße war. Ich habe sie deshalb erstmal noch dringelassen... :(


    Fischstrasse-16-28b-20170303-kl.jpeg
    Abb.2: Fischstraße Nordseite, rechts das Studentenwohnheim.


    Fischstrasse-5-27-20170303-kl.jpeg
    Abb.3: Fischstraße Südseite. Die Fischstraße fängt ja sehr vielversprechend an. Hoffentlich setzt sich das so fort.


    Braunstrasse-6-32-20170303-kl.jpeg
    Abb.4: Braunstraße Nordseite.

    Montagen von mir mit meinen Fotos auf Basis des Rahmenplans der Hansestadt Lübeck.

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

    Einmal editiert, zuletzt von frank1204 (19. Mai 2023 um 20:40) aus folgendem Grund: Bilder wiederhergestellt

  • Vielen Dank für deine wunderbaren Vor-und Darstellungen!

    Im grossen und ganzen wird das stimmige Gassenzüge geben. Von der Grösse des Bauvorhabens (nicht in m2, sondern in der Menge von Einzelbauten) wird ein Vergleich mit Dresden und Frankfurt spannend. Über die komischen Füllbauten in Dresden verlieren wir lieber keine Worte mehr, auch diese ewigen viereckigen Dachgauben dort hängen einem zum Hals heraus, genau wie die anthrazitfarbenen Dacheindeckungen auf den modernen Gebäuden. In Frankfurt gibt es leider einzelne schwarze Schafe, die bis jetzt noch nicht ausgerüstet worden sind. Ein Aufschrei wird es dann geben, wenn die Fassade Markt 30 von Morger+Dettli ausgerüstet ist (wie schäme ich mich heute noch dafür, dass Morger während meines Studiums mein Assistent war).

    Es scheint aber, dass Lübeck vor solchen Auswüchsen verschont bleiben wird. In der 1:1-Ausführung wird ein grosser Teil der Fassaden aber sehr banal sein. Grösstenteils flächige Fassaden mit eingestanzten Fensteröffnungen und zweiflügeligen, sprossenlosen Fenstern.

    Es scheint ja wie überall zu sein: die Kubatur, hier ein einfacher Spitzgiebel, muss als Remisniszenz reichen. Vielleicht gibts noch Backstein dazu - das war's es aber auch.

    Konstantindegeer spricht aber eher diese oder diese Investorenarchitektur an, und davon heben sich die Lübecker Entwürfe doch sehr ab - keine modernistischen, bodentiefen Fenster, stimmiges Verhältnis von Mauerflächen- und Fensteranteil, abgesetzte Erdgeschosse.

    Wenn ich aber Abb. 1 und 2 drei Beiträge weiter oben betrachte, hege ich Befürchtungen von grossteils flächigen Fassaden. Vor allem von diesen schrägen, einseitigen Fensterleibungen haben wir jetzt bei der Investorenarchitktur in Berlin und Dresden genug bekommen - sie sind lediglich originell wirken wollend, und nichts mehr. Als guter Architekt würde ich mich von solch modischem Schnick-Schnack distanzieren.

  • Die Fischstraße wird ja erst in den Abschnitten 3 und 4 (ab Frühjahr bzw. Herbst 2018) bebaut. Bis dahin ist also noch reichlich Zeit, so dass die weiteren Fassaden sukzessive alle 3 Monate im Gestaltungsbeirat folgen werden.

    Lediglich die Fassaden Fischstraße 25+27 (und damit auch Einhäuschen Querstraße 1+2 sowie Braunstraße 32+32a) auf dem Investorengrundstück mit Tiefgarage und Blockheizkraftwerk, für die momentan ein gesonderter Wettbewerb läuft, werden Ende März feststehen.

    Es fehlen ja auch noch einige Fassaden in Alf- (29+31 und wohl leider auch wieder 25) und Braunstraße (18+20). Für die wird es langsam höchste Zeit, wenn keine unschönen Baulücken entstehen sollen. Zudem wäre es auch logistisch extrem schwierig einzelne Häuser nachträglich in die Lücken zu bauen.

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)


  • Es fehlen ja auch noch einige Fassaden in Alf- (29+31 und wohl leider auch wieder 25) und Braunstraße (18+20). Für die wird es langsam höchste Zeit, wenn keine unschönen Baulücken entstehen sollen. Zudem wäre es auch logistisch extrem schwierig einzelne Häuser nachträglich in die Lücken zu bauen.

    Baulücken?
    Frank, hast du eine Ahnung woran das liegt? Bisher wurde in den Medien doch immer der Eindruck vermittelt, dass sich die Grundstücke im neuen Viertel höchster Beliebtheit erfreuen würden?!

  • Also ursprünglich hieß es ja, dass es über 300 Interessenten für die insgesamt 38 Grundstücke gab. Als es dann konkreter wurde und man sich für die Grundstücke bewerben konnte, waren daraus dann plötzlich im Schnitt nur noch 2-3 Parteien pro Grundstück geworden. Bei einigen Grundstücken gab es vielleicht 6 Bewerber, dafür bei anderen keinen. Zuletzt wurden bis Ende Januar noch 5 freie Grundstücke angeboten, die jetzt aber offenbar alle weg sind.

    Auf die Befürchtung mit den Baulücken komme ich, weil der erste Bauabschnitt (Alf- und Braunstraße) im April oder Mai beginnen soll. Für diesen Abschnitt waren aber 2 Fassaden noch gar nicht im Gestaltungsbeirat (Braunstraße 18 und 20), sind noch nicht genehmigt und sollen überarbeitet werden (Alfstraße 19) oder wurden offenbar zurückgezogen (Alfstraße 25). Und die nächste Sitzung des GBR tagt erst im Juni. Wenn man davon ausgeht, dass die fehlenden Entwürfe vielleicht auch nicht bei der ersten Sitzung durchgehen, sind wir dann schon im September. Und da werden die ersten Rohbauten sicher fast fertig sein, während die o.g. noch nicht begonnen haben. Aber vielleicht geht das dann ja auch außerhalb der Sitzungen wegen Dringlichkeit durch. Wir werden es sehen, war nur so eine Befürchtung basierend auf meinen Beobachtungen.

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Ich hatte es weiter oben schon einmal angerissen, aber um einen erweiterten Eindruck von der Materialität und Qualität der Fassaden zu gewinnen, stelle ich hier mal die bisher vorhandenen Fassadenproben der Alfstraße dar. Sie wurden an einem Lehrgerüst an der Einhäuschen Querstraße aufgemauert.

    Probefassaden.jpeg
    Abb.1: Lehrgerüst mit Fassadenproben der Alfstraße. Rückseitig sind die Fassadenproben der Braunstraße aufgebracht. Da die Rückseite zur Baugrube hin zeigt, sind brauchbare Fotos von der Straße aus leider kaum zu machen. Dort sind ohnehin erst drei Proben zu sehen


    Hier die Zuordnungen der Proben zu den Entwürfen im Detail:

    Alfstrasse_13_kl.jpegAlfstrasse_13-Probe_kl.jpeg
    Abb.2: Alfstraße 13, sso-Architekten. Ziegelfassade, Ziegelbild relativ rauh und bunt und schönes unregelmäßiges Fugenbild, aber leider sehr kleines Steinformat. Farblich gut in die Altstadt passend, das sehr kleine Steinformat allerdings nicht. Neben einigen Fenstern Rücklagen in halber Fensterbreite und voller Fensterhöhe. Der Gestaltungsbeirat regte nach Sichtung der Fassadenprobe an, die dort kaum wahrnehmbaren Rücklagen am Haus tiefer zu gestalten. Fensterrahmen Anthrazit.


    Alfstrasse_15_kl.jpegAlfstrasse_15-Probe_kl.jpeg
    Abb.3: Alfstraße 15, sso-Architekten. Putzfassade in drei verschiedenen Grautönen (oberhalb EG fast weiß). Fensterrahmen ebenfalls grau. Ich habe so meine Bedenken, ob das in voller Hausgröße nicht zu abweisend aussehen wird, lasse mich aber gern positiv überraschen.


    Alfstrasse_17_kl.jpegAlfstrasse_17-Probe_kl.jpeg
    Abb.4: Alfstraße 17, Mißfeldt-Kras-Architekten. EG ziegelsichtig, angenehme und hierher passende Farbe. OGs Putz, hellgrau, fast weiß. Ich habe so meine Bedenken, ob das neben dem ebenfalls weißen Haus Nr. 13 (s.o.) nicht zuviel des "Guten" wird. Leider ortsuntypische Anordnung der Materialien. In der Lübecker Altstadt ist - wenn überhaupt - das EG verputzt und die OGs backsteinsichtig. EG-Fenster offenbar in Holzoptik, OG-Fenster grau.


    Alfstrasse_21_kl.jpegAlfstrasse_21-Probe_kl.jpeg
    Abb.5: Alfstraße 21, Architekten Mäder. Ziegelmauerwerk, EG weiß geschlämmt. Hier bin ich von der Probe ziemlich enttäuscht. Da der Entwurf deutlich historisierend daherkommt - sogar mit originaler alter Eingangstür, hatte ich erwartet, dass die Steine auch dazu passend kommen würden. Leider passen die aber überhaupt nicht: Oberfläche zu glatt und gleichförmig, sieht zu sehr nach Industrieziegel aus. Farbe zu orange und einfarbig, ein bräunlicherer Ton mit mehr Nuancen hätte besser gepasst, Format zu klein. Schön wäre gewesen, wenn man näher an das bei historischen Häusern in Lübeck übliche sehr große Klosterformat gegangen wäre. Auch das strahlend weiße EG sieht zu steril und schreiend aus. Ein leicht grauer oder bräunlicher Ton wäre schöner gewesen. Sehr positiv aber immerhin das gemauerte Gesims und die zweifarbigen Fensterrahmen!


    Alfstrasse-23.jpegAlfstrasse_23-Probe_kl.jpeg
    Abb.6: Alfstraße 23, Architekt Weißert. Ziegelsichtig, angenehm unregelmäßige Oberfläche und Fugenbild. Vermittelt den Eindruck von historischen handgefertigten Backsteinen und passt sehr gut in die Altstadt. Steinformat aber auch hier leider viel zu klein. Wenn man aus vier Steinen einen machen würde, wäre es gerade so ok.


    Alfstrasse_27_kl.jpegAlfstrasse_27-Probe_kl.jpeg
    Abb.7: Alfstraße 27, Architekt Gebauer. Steine in Oberfläche, Farbe und unregelmäßigem Fugenbild sehr schön. Putzoberfläche des EG in sehr gut dazu passendem Farbton. Aber auch hier hätten die Steine gerne noch etwas größer sein können, sind aber schon mit die größten der gezeigten Proben. Fenster m.E. etwas zu dunkel für die schon relativ dunklen Steine.


    Soviel erst einmal zu den ausgestellten Fassadenproben. Ob und inwieweit der Gestaltungsbeirat nach deren Begutachtung noch Änderungen "angeordnet" hat, ist mir nicht bekannt. Ich denke, da wird man sich beim Bau der Häuser überraschen lassen müssen.

    Alle Fotos von mir.

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

    Einmal editiert, zuletzt von frank1204 (19. Mai 2023 um 21:19) aus folgendem Grund: Bilder wiederhergestellt

  • Nochmals ein wunderbarer Beitrag! :applaus:

    Meine gestrige Befürchtung, dass es grösstenteils flächige Fassaden mit lediglich eingestanzten Fensteröffnungen geben wird, bewahrheitet sich dadurch leider mehr. Dies umso mehr, weil die Fensterrahmen teilweise eine sehr dunkle Farbe erhalten werden, und - wie Du ja auch bei den meisten Proben bemängelt hast - durch das zu kleine Backsteinformat.

    Weshalb hatte keiner der Architekten den Mut zu kräftigen Lisenen, kräftigen Gurtsimsen, kräftigen Giebelabschlusskanten, kräftigen Vertiefungen mit bspw. Blendarkaden oder auch (modernem) geradem oberem Abschluss? Einer hat es zaghaft versucht (Alfstraße 13, sso-Architekten, Abb. 2), aber wirklich nur sehr zaghaft. Wenn ich bei Google Lübeck Altstadt Backstein eingebe, sieht man vor allem stark reliefierte Fassaden. Dein Lieblingsentwurf, Fischstraße 16, kommt dem am ehesten entgegen.

    Weisst Du, wie der Gestaltungsbeirat zusammengesetzt ist? Gibt es da auch Spezialisten, die sich in regionaler, historischer Architektur auskennen? Im Dresdener Gestaltungsbeirat gibt es ja ein solches Mitglied ;) (leider nur eines!), und in Frankfurt keines... Aber der Aufwand, dass da schon zum jetzigen Zeitpunkt mehrere 1:1-Proben an Ort und Stelle erstellt wurden, ist schon beachtlich und als sehr positiv zu erwähnen! Dies zeigt, dass hier mit grossem Elan ans Werk gegangen wird, und sich niemand von den am Projekt Beteiligten scheut, alle Planungen der Öffentlichkeit im Detail zu präsentieren.

  • Vielen Dank für das Lob. Die ganze Bildbearbeitung und das Schreiben der Beiträge haben auch echt Zeit gekostet. Umso mehr freut man sich, wenn es jemanden interessiert. :)

    Ja, die Fassaden werden wirklich zum größten Teil leider sehr zweidimensional. Eine Andeutung der für Lübeck typischen Hochblenden beispielsweise findet man bei genauer Betrachtung nur beim Entwurf von Anne Hangebruch (Fischstraße 16), den ich deshalb für sehr gut halte. Und auch Interpretationen der bei den typischen Lübecker Fassaden eigentlich unverzichtbaren stichbogigen Fensternischen sucht man vergebens. Lediglich die beschriebenen Rücklagen bei Alfstraße 13 und eventuell die Fenster von Braunstraße 30 könnten als solche durchgehen. Der Rest ist tatsächlich bis auf die Gesimse von Braunstraße 14 und 26 überwiegend flächig. Ich frage mich wirklich, ob die Architekten der übrigen Fassaden sich überhaupt mal mit den alten Fassaden Lübecks, insbesondere denen im restlichen Gründungsviertel in der unteren Mengstraße, beschäftigt haben. Falls ja, kann das nur bedeuten, dass sie unter einer modernen Adaption dieser alten und für das Bauen an dieser Stelle eigentlich unverzichtbaren Gestaltungsmerkmale das Weglassen derselben verstehen. :kopfschuetteln:

    Die Mitglieder des Gestaltungsbeirates sind übrigens:

    • Petra Kahlfeldt, Berlin
    • Zvonko Turkali, Frankfurt
    • Jörg Springer, Berlin
    • ab 02.03.2017 Hilde Bartz-Malfatti, Weimar für Kunibert Wachten, Dortmund
    • ab 15.06.2017 Per Pedersen, Berlin für Jürgen Böge, Hamburg

    Zwei wechseln also gerade. Ich habe mich mit den Herrschaften bisher nicht weiter beschäftigt. Daher kann ich leider nicht sagen, ob sie irgendeinen lokalen Bezug haben.

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

    2 Mal editiert, zuletzt von frank1204 (5. März 2017 um 00:25)