Villingen im Schwarzwald - die Zähringerstadt


  • Dieser Bericht ist schon wesentlich seriöser und ausgeglichener. Geht doch! Und dem Leser wird mit der Aussage, dass die Leute das baldige Ende der Straßensperrung erhofft hätten, nicht untergejubelt, sie würden die Abbrüche grundsätzlich gutheißen, was man als durch Fehlinterpretation zustandegekommene Quintessenz dem Artikel der anderen Zeitung entnehmen kann (oder vielleicht sogar soll?).

  • Zeno:
    Angesichts der Innenaufnahmen und Hofseite der Häuser kommt man zu dem Schluss, dass es sich nicht nur um sehr alte Gebäude, sondern auch um solche mit wertvoller Konstruktion handelte.
    Das steinerne Rundbogenportal und die mächtige verzierte Holzstütze dürften nur ein Teil dieser Ausstattung sein. Umso skandalöser, dass die Hausbesitzer die Gebäude jahrelang vorsätzlich vergammeln ließen bis der Dachstuhl abgenommen werden musste und das Mauerwerk über Jahre nochmals durch unzureichende Abdeckung der Witterung ausgesetzt war. Daraufhin stürzten innerhalb der Gebäude mehrere Geschossdecken ein. Solange haben die Denkmalschutzämter offensichtlich zugeschaut und schließlich wurde, weil Gefahr im Verzug war, seitens der Behörden die Abbruchgenehmigung erteilt.

    Diese Bilder wiederholen sich in Villingen seit Jahrzehnten. Besonders ärgerlich ist, dass andernorts wie in Görlitz solche vermeintlichen Bruchbuden glücklichweise saniert werden. Im baden-württembergischen Villingen reißt man dagegen unbeeindruckt weiter ab...

    Bei der Villinger SPD scheint nach jahrelanger Zurückhaltung in Sachen Stadtbild ein Umdenkungsprozess einzusetzen:
    http://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.villing…a69012905a.html

    Jeder, der sich die Fähigkeit erhält Schönes zu erkennen, wird nie alt werden.
    http://www.archicultura.ch

    Einmal editiert, zuletzt von zeitlos (10. Oktober 2014 um 22:17)

  • Die Zerstörung der Bickenkapelle und Gutleuthauskapelle wurden als schmerzhafter Verlust in der Bevölkerung empfunden.
    Trotz dieser Tatsache wurden die bedeutenden Kapellen nicht wieder aufgebaut.
    Lediglich ein reichlich verwittertes, modernes Steinkreuz zwischen Fußgängerbrücke und ZOB- Ausfahrten lässt die verblassende Erinnerung an die Bickenkapelle noch aufrecht erhalten.

    Quelle: http://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.villing…6a74d28ade.html

  • Subjektive, nicht auf den Stadtkern reduzierte Betrachtung. Vielen Dank an den Schwarzwälder Bote für das Finger-in-die-Wunde-legen:

    Zitat

    Stolz blicken die Villinger auf ihr historisch gewachsenes Zähringerstädtchen. Es wird allseits bewundert. Und doch gibt es sie: die zehn größten Schandflecken Villingens.

    Eine Auflistung der Orte, an denen Villingen ein hässliches Gesicht zeigt, kann freilich nur subjektiv sein und erhebt auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Doch auch wer einen anderen Geschmack hat und mit offenen Augen durchs Städtchen marschiert, dem fallen Ecken auf, an welchen Villingen eben nicht dem Anspruch einer wirklich schönen Stadt gerecht wird.

    Zitat

    Lücken im Pflaster: Manchmal ist der größte Schandfleck ganz klein. So klein, wie ein – oder auch mehrere – Stein im historischen Kopfsteinpflaster beispielsweise. Denn wo diese lose sind, herausgebrochen wurden oder nicht mehr halten wollten, da griff man zu einer ganz ungehörigen Reparaturmethode: Man füllte das Loch kurzerhand mit Teer auf. Praktisch – ja. Aber mitnichten schön oder dem Anspruch, den eine historische Stadt an ihren Stadtkern haben sollte, gerecht. Deshalb bekommen die aufgefüllten Lücken im Asphalt von uns die Krone aufgesetzt als größter Schandfleck Villingens.

    Zitat

    Bausünde "ehemaliges Hotel Blume-Post": Fotografien von früher zeigen ein Gebäude nach Zuckerbäcker-Art. Reich verziert mit Stuck und Schnörkeln. Es stand dem Villinger Marktplatz gut. 1968 wurde es zum Kaufhaus, und die prunkvolle Optik wich einem nüchternen, sachlichen Baustil, der nun wie ein Fremdkörper im Herzen der vier Einkaufsstraßen liegt.

    Quelle: http://www.schwarzwaelder-bote.de/gallery.villin…f71de1f7fb.html

  • Quelle: http://www.suedkurier.de/region/schwarz…t372541,7942209

    Vorbildlich im Sinne des Stadtbildes und zum Thema Rekonstruktion ist lediglich...

    Zitat

    ...das Gebäude Luisenstraße 4, eine Jugendstilvilla aus dem Jahr 1903, die von Architekt Andreas Flöß gekauft und nach aufwändiger Sanierung erst kürzlich fertig gestellt wurde. Die denkmalgeschützte Villa ist reichlich verspielt gebaut, innen mit einem prägenden herrschaftlichen Treppenhaus, außen mit Türmchen, viel Fassadenschmuck und Zierrat. Flöß hat nach alten Fotos auch wieder das ursprüngliche Dachtürmchen rekonstruiert. Genutzt wird die Villa inzwischen gewerblich. Drei Dienstleistungsbetriebe haben hier ihre Büros.

  • Was passiert, wenn eine Stadtgemeinde ihren Besitz an Private verkauft, wurde mit dem Schicksal des Gebäudes Kalkofenstraße 5 erneut bestätigt.

    Das typische Gebäude mit drei Wohnungen, gelegen an der ansteigenden Kalkofenstraße unweit vom Villinger Stadtkern, wurde im Zuge einer bedenklichen Veräußerungspolitik der Stadt Villingen-Schwenningen im Jahr 2013 verscherbelt. Kritik wurde laut am Verramschen des städtischen Tafelsilbers (siehe auch Artikel unten). Der Oberbürgermeister beteuerte, man werde genau hinsehen, was mit den Immobilien passiere...
    http://media1.schwarzwaelder-bote.de/media.media.c4…normalized.jpeg

    Augenscheinlich hat die Stadtspitze in diesem Fall weggeschaut.
    Den Käufern konnte es jedenfalls nicht schnell genug gehen den Abbruchantrag für das einfache, harmonische Gebäude erfolgreich einzureichen. Nach 16 Monaten Bauzeit ist diese scheußliche Belanglosigkeit entstanden und die alte Stadt um ein charakteristisches Haus ärmer.
    http://abload.de/img/kalk5bnuwn.jpg

    Quelle: http://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.villing…157af1179b.html

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    http://www.archicultura.ch

    Einmal editiert, zuletzt von zeitlos (12. Oktober 2015 um 00:28)

  • Tragisch... Zugegeben, das alte Haus war auch keine Ausgeburt der Schönheit, aber jedem Menschen mit auch nur einem ansatzweise Ästhetikempfinden muss bei dem Neubau doch das pure Grauen kommen. Aber so ein Filetgrundstück verlangt ja eine angemessene Nutzung, also wird jeder m² herausgequetscht. Leider der absolute Normalfall im hiesigen Baugeschehen.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Der Oberbürgermeister beteuerte, man werde genau hinsehen, was mit den Immobilien passiere...


    Da sieht man wal wieder, dass man Politikern nichts glauben kann. Die reden doch bloß so daher, wie sie's grad brauchen können.

    das alte Haus war auch keine Ausgeburt der Schönheit


    Aber es war ein absolut typisches Haus, das Heimeligkeit verbreitet.

  • Das abgerissene Haus war sicher kein überragendes Baudenkmal, allerdings worauf Zeno zu Recht hinweist, ein regionaltypisches Gebäude, das sich sehr gut in die Umgebung eingepasst hat. Das kann man von dem Neubau überhaupt nicht behaupten.

    Man fragt sich da schon, was der Bürgermeister, mit "genau hinsehen" gemeint hat. Etwas Schlimmeres hätte doch kaum passieren können, wenn man nicht nur nicht so genau, sondern gar nicht hinschaut.

  • Das Gebäude Rietstraße 26, von dem mir augenblicklich lediglich das 1.Obergeschoss mit Erker in der Fassadenansicht VOR dem Umbau des Hauses vorliegt, zeigt als eines der wenigen positiven Beispiele im Villinger Stadtbild, welch enorme Verbesserung der Fassaden bereits mittels weniger Gestaltungselemente zuteil werden kann. Die Qualität der neuen Fassade darf sich durchaus mit dem Standard Nordschweizer Altstädte messen, zu dessen bauhistorischem Raum auch der alemannische Südwesten der BRD gehört.

    Ausschnitt 1.Obergeschoss VOR dem Umbau:

    Ausschnitt 1.Obergeschoss NACH dem Umbau:

    Gesamtansichten nach Umbau:

    + ordentliche Fensterversprossung insbesondere gegenüber dem rechten Nachbargebäude
    + Anbringung von Fensterläden
    + Rückbau der komplett aufgebrochenen Erdgeschosszone mit zwei separaten Schaufenstern inklusive Sockel
    + komplett neue, gut proportionierte Aufzugsgaube wie sie typisch für das Villinger Stadtbild ist

    Fazit: Ein Vorzeigegebäude, das zur Nachahmung aufrufen möchte.

    Die Qualität der Bilder ist den Nachtaufnahmen mit Mobiltelefonkamera geschuldet. Zur Gewinnung eines ersten Eindrucks im unmittelbaren Vergleich möchte ich diese Bilder bereits zeigen und zu einem anderen Zeitpunkt Tagesaufnahmen nachreichen. (Ergänzung 13.11.15 Tagesaufnahmen siehe Beitrag 18)

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    http://www.archicultura.ch

    2 Mal editiert, zuletzt von zeitlos (13. November 2015 um 12:51)

  • Ein schönes Beispiel, wie viel man mit wenigen Mitteln gewinnen kann. Können wir eigentlich solche Sanierungsbeispiele auf der Stadtbild-Deutschland-Seite sammeln? Vielleicht hilft es ja, den ein oder anderen Besitzer eines heruntergekommenen und "modernisierten" historischen Gebäudes zur Nachahmung zu animieren.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • GuterVorschlag! Ich bin bei obigem Beispiel fast überzeugt, dass durch publizierte Vergleichsbilder von Villinger Gebäuden (Bestand/ Gestaltungsvorschlag) Immobilienbesitzer vor Ort bereits dazu angeregt wurden, entsprechende Maßnahmen bei einem anstehendenden Umbau mit einfließen zu lassen.

  • In München gibt es m.W. sogar eine Gruppe (evtl. ist dies sogar die Stadtbild-Deutschland Ortsgruppe?), die gezielt Hausbesitzer anspricht und über den Vorzustand der Gebäude, die häufig nicht bekannt sind, informiert. Soweit ich weiß, hat dies sogar die ersten Erfolge gezeigt.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • zeitlos
    Nicht das vielleicht Wichtigste zu vergessen: den historisch adäquaten Verputz!

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • ursus carpaticus
    Das entsprechende Putzmaterial, welches Patina zulässt, kann anhand meiner Bilder nach dem erfolgten Umbau nicht bewertet werden, weshalb es trotz seiner Bedeutung für das Gesamtbild der Vollständigkeit wegen erwähnt werden soll. Augenscheinlich ist jedoch die Fenstergestaltung das wichtigere Element für das einzelne Gebäude wie für die Abfolge im Ensemble.

    Jeder, der sich die Fähigkeit erhält Schönes zu erkennen, wird nie alt werden.
    http://www.archicultura.ch

    Einmal editiert, zuletzt von zeitlos (20. Oktober 2015 um 20:10)