Schlosskopie bei Peking

  • Zitat von "Antiquitus"

    Als ob es Ethnozentrismus wäre, wenn man ein französisches Barockschloss höher schätzt als eine wackelige Bambushütte (und man ja eigentlich eine europäische Bambushütte nicht höher schätzen würde als eine asiatische, hm...).

    Ich jedenfalls will Baukunst bewahren, nicht jede rechtwinklig zusammengebundenen Halme...

    Naja...jetzt denke ich nicht dass Chinesen wohnen in Bambuhütten...ok, wir mussen ja nicht Politisch Korrekt sein...aber trotzdem ein sehr gewagtes Zitat wenn wir überlegen dass im Beijing Bambu nicht ein Baumaterial per definiton ist....

    ....aber nach meinem Meinung ist trotzdem so dass grosse Kulturgüter wird in China täglich zerstört....und ich finde es viel wichtig lokale Bauweisen zu fördern als fransösische Schlösserkopien....da gehen sicher unsere Meinungen auseinander.....

  • Warum brauchen wir eigentlich Fachwerkhäuser dann...auch ziemlich primitiv....die Holzkonstruktionen ist ja sichtbar und offenbar auch nicht so besonders chick im vergleich mit Barocke Schlösser......

  • Ich stimme Dir da vollkommen zu Johan. Wenn wir uns abfällig über die historische Architektur fremder Kulturen äußern, dann schaden wir unserem Anliegen viel mehr als dass wir ihm nutzen. Nicht nur dass wir in die obligatorische rechte Ecke gestellt werden, sondern vielmehr dass wir den Modernisten hierzulande verdeutlichen, dass wir mit gespaltener Zunge sprechen und dadurch uns selbst und unser Bemühen in ein falsches Licht bringen und dadurch argumentativ angreifbar werden. Die eigene Architektur schützen zu wollen, darf nicht zu einer Ignoranz des Fremden führen. Nicht zuletzt deswegen ist ja wohl auch dieser Leitfaden "Projekte im Ausland" entstanden.

  • Ich muss Johan zustimmen. In China werden nicht nur wacklige, schmuddelige Stadthütten abgerissen, sondern immer noch kostbares Kulturgut dem Beton geopfert. Ich weiß nicht, ob jemand registriert hat, was in Peking alles für Olympia 2008 beseitigt wurde.
    Die plattgewalzten Hofhäuser waren teilweise richtige Paläste mit opulentem Schnitzwerk und rot lakierten Holzsäulen, glasierten Dachziegeln etc.. Viele besitzen baumbestandene Innenhöfe und sind seit Generationen im Besitz der sie bewohnenden Familien.
    Auch einige ehem. Residenzen von Prinzen der kaiserlichen Familie und der private Zoo der Quin-Kaiser aus dem 19 Jhd. standen auf der Abschussliste. Ob sie dann wirklich abgerissen wurden, oder ob die Intervention der UNESCO vom letzten Jahr noch rechtzeitig kam, weiß ich nicht. Ist nur zu hoffen.
    Das schlimme ist ja, dass all diese Gebäude offiziell unter Denkmalschutz stehen, die Behörden aber Narrenfreiheit genießen! Da werden die Einwohner zwei Wochen vor'm Abriss informiert, die Häuser mit weißer Farbe gekennzeichnet und lustig rollen die Bagger. Die gezahlten Entschädigungen reichen kaum für eine Plattenbauwohnung am Stadtrand.
    Naja, wenigstens dem Altstadtabriss in Peking ist ja nun ein Riegel vorgeschoben... Da war sich die UNESCO mal ihrer Verantwortung bewusst.
    Man sollte allerdings nicht nur die "bösen Behörden" verteufeln. Auch weiten Teilen der Bevölkerung scheint die eigene Geschichte ziehmlich egal zu sein. Vor einger Zeit las ich in der GEO mal einen Artikel über den Dreischluchtenstausee. Auch dort versanken herrliche Altstädte in den Fluten, die teils noch aus dem 18. Jhd. stammten. Als dort eine Einheimische gefragt wurde, ob sie denn nicht fürchte, dass all die westlichen Touristen, die bisher Natur und Kultur des Jangtse erkundeten, in Zukunft ausbleiben würden, antwortete sie ganz erstaunt, dass man sich doch auch die schönen, neuen Städte anschauen könne.
    Diese auf höherem Gebiet angelegten "schönen, neuen Städte" bestanden aus pinkgestrichenen Plattenbauten.
    Ich bin der festen Überzeugung, dass auch der Durchschnittschinese in wenigen Jahren die Zerstörungen der chinesischen "Aufbaujahre" beklagen wird.
    Das ist wie bei uns in den 60er/70ern. Erst wird der "ganze alte Mist" entsorgt und dann ist der Jammer groß.
    Meine Großeltern haben eine Gastwirtschaft und just in dieser Zeit einen verchromten mannshohen Kaffeeautomaten aus den 20er auf den Schrott geworfen. Heute bereuen sie es natürlich.

  • Zitat von "Reinhold"

    Das ist wie bei uns in den 60er/70ern. Erst wird der "ganze alte Mist" entsorgt und dann ist der Jammer groß.
    Meine Großeltern haben eine Gastwirtschaft und just in dieser Zeit einen verchromten mannshohen Kaffeeautomaten aus den 20er auf den Schrott geworfen. Heute bereuen sie es natürlich.

    Das kommt mir alles unangenehm bekannt vor.
    Bei uns im Vogelsberg bzw. in Hessen nannte man die abzureißenden alten Fachwerkhäuser "alte Buden" und die auf den Müll geworfenen historischen Dokumente und Gerätschaften "ahl Gelerch". Nicht selten errichtete man bei Umbauten und Abbrüchen einen regelrechten Scheiterhaufen vor dem Haus, auf den die alten Gegenstände vom Dachboden und Obergeschoss herunter geworfen und verbrannt wurden.

    Aber auch der Staat stand in dieser Beziehung nicht zurück. Die so genannte Gebietsreform Anfang der 1970er Jahre war auch mit einer regelrechten Vernichtungswelle von für den Lokalhistoriker eigentlich unersetzlichen historischen Akten aus den Archiven der aufgelösten Landgemeinden und Landkreise verbunden. In einem Nachbarort von uns wurde ein Teil der alten Gemeindeakten nach dem Anschluss ans Nachbardorf einfach zusammengekippt und verbrannt, der andere Teil, darunter Urkunden aus dem 18. Jahrhundert, verschimmelt heute in einem Keller vor sich hin. :weinen:

  • Zitat von "Reinhold"

    Auch weiten Teilen der Bevölkerung scheint die eigene Geschichte ziehmlich egal zu sein. Vor einger Zeit las ich in der GEO mal einen Artikel über den Dreischluchtenstausee. Auch dort versanken herrliche Altstädte in den Fluten, die teils noch aus dem 18. Jhd. stammten. Als dort eine Einheimische gefragt wurde, ob sie denn nicht fürchte, dass all die westlichen Touristen, die bisher Natur und Kultur des Jangtse erkundeten, in Zukunft ausbleiben würden, antwortete sie ganz erstaunt, dass man sich doch auch die schönen, neuen Städte anschauen könne.

    Bei einer solchen Naivität weiß man nicht, ob man sich schlapplachen :lachentuerkis: oder lieber weinen :weinenblau: sollte!

    Meint Ihr, auch nur ein einziger Tourist würde noch nach Dresden kommen, um die Prager Straße und ähnliche Scheußlichkeiten zu bewundern, wenn man den Kahlschlag der Nachkriegszeit noch auf Frauenkirche, Hofkirche, Oper, Albertinum etc. ausgeweitet hätte? :augenrollen:

    Man sieht es ja in Königsberg, wo tatsächlich noch viel mehr vernichtet wurde als in DD. Hier kommen nur noch ein paar deutsche Heimwehtouristen (um sich mit Grausen abzuwenden). Für andere Besucher gibt es außer dem Dom und einer Handvoll verschonter Bauten praktisch nichts mehr zu sehen. Das ist das Ergebnis der rücksichtslosen "Modernisierung" um jeden Preis (wobei natürlich in Königsberg noch andere Motive, nämlich der von oben verordnete Haß auf alles deutsche eine Rolle spielte).

  • Deutschland ist dann Traumhauft im Vergleich mit China.......ich fahre ja wahrscheinlich diese Herbst nach China und wollen dann intakten Städten in China sehen. Dann gibt es echt nicht viel mehr. Beijing wird ja abgerissen, Shanghai ist fast abgerissen, nur im Süden gibt es ein paar verschonte Altstädte (Dali und Lijang) und schöne Natur.

    Es gibt ja eine kleine Wende im China. Besonder bei die wenige kleinstädte dass übrig bleibt Weltkulturerbe zu holen. Und wie zum beispiel Lijang wurde ja zu grossen teil von Deutschen renoviert. (Manche kritisiert dass es zu tourtistisch geworden)

    Zurück zum Thema....es handelt sich viel weniger um was das Volk denkst. Übrigens wurde ja leuten, da protestiert über Heimat-abrisse direkt geschossen...In dieser Sinn ist die Schlöss doppelt-provokativ...

  • Reinhold

    Über naive Aussagen aus der Bevölkerung zu den aktuellen Kulturvernichtungen in China muss man sich nicht wundern. Wie sollen in einem Land, in dem der Staat die Medien total kontrolliert, sich auch kritische Bewertungen der offiziellen Staats- und Parteipolitik verbreiten? Und wer hat schon den Mut, westlichen Reportern zu sagen, was er wirklich denkt? Erschreckend finde ich jedoch die Haltung der Europäer zu China. Seit Deng Xiaoping die wirtschaftliche Liberalisierung unter autoritärer Staatslenkung begonnen hat (Zitate: "Reich werden ist ruhmvoll." "Egal, ob die Katze schwarz oder weiß ist, Hauptsache, sie fängt Mäuse." ), sind alle Kritikpunkte, die die Geschäftskontakte mit China stören könnten, bei europäischen Politikern tabu. Im Gegenteil, an den Zerstörungen chinesischer Altstädte sind auch führende deutsche Architekten beteiligt - übrigens mit denselben Argumenten, die sie dann auch hier gegen missliebige "Altstadtfreunde" ins Feld führen...

  • Natürlich schauen die Regierungen Europas weg. Hauptsache es lassen sich gute Geschäfte machen. Die Franzosen würden ja auch am liebsten das Waffenembargo kippen, um ihr Kriegsgerät auf einem lukrativen Markt absetzen zu können. Die Wenigsten machen sich eine Vorstellung davon mit welcher Dynamik Industrialisierung und Urbanisierung in China vor sich gehen. Städte, die Ende der 80er noch kleine Gemeinden waren sind in 15 Jahren zu Millionenmetropolen angewachsen, wo bis 1990 noch Schotterpisten verliefen, sieht man heute Autobahnen. Da sämtlicher Boden in Staatsbesitz ist, können Enteignungen für Bauprojekte und Industrieansiedlungen ohne Hürden vor sich gehen. Klar sieht da jeder zu, dass er seine Schäfchen ins Trockene bringt und sich ein Stück des Kuchens abschneiden kann. Was auf der Strecke bleibt sind die Landbevölkerung, der Umwelt- und Denkmalschutz. Einer meiner Bekannten weilt jeden Sommer in China und erzählte mir letztes Jahr, dass die Regierung jetzt 60(!) neue Millionenstädte auf dem Reißbrett entworfen habe und schon dabei sei die Pläne in die Tat um zu setzen. In einem dieses Komplexe - einem neuen Vorort Shenzens - wohnt er jetzt selbst. Ein schier unermessliches Spielfeld für unsere Architektenriege, die sich ohne Rücksicht auf Bauvorschriften und Eigentumsverhältnisse austoben kann. Calatrava plant für Shanghai einen 2km hohen Wolkenkratzer, der nach dem Willen der Genossen bis ca. 2020 fertig sein soll.
    China war bis ins 18. Jhd. einer der führenden Staaten der Erde und hat von der Überrumpelung durch die westlichen Kolonialmächte und das folgende Herabsinken in die Status eines Drittweltlandes ein Traume weg, das es jetzt, wo es seinen alten Platz in der Welt zurückgewinnt, mit manischen Prestigeobjekten zu kurieren sucht. Dabei versucht man sich in allen Belangen dem Westen ebenbürtig, wenn nicht überlegen zu zeigen und entsorgt darüber die eigene gewachsene Kultur.
    Ein weiteres Problem sind die Funktionäre der Provinzen, die lukrativ am neuen System der unbegrenzten Marktwirtschaft mitverdienen und sich mit "kleinen Geschenken" westlicher Firmen die Taschen füllen.
    Viele eigentlich gute Ansätze der Zentralregierung in Peking - wie eine Drosselung der Wirtschaftsentwicklung oder verstärkte Bemühungen im Umweltschutz - werden so durch die komunistischen Provinzkader konterkariert. Ansprechen will ich hier nur einen Fall aus der südchinesischen Provinz Yunnan, wo im "Nationalpark der drei parallel laufenden Flüss" - erst vor zwei Jahren in die Liste des UNESCO-Weltnaturerbes aufgenommen - mal eben ohne Wissen der Zentralregierung privaten Investoren die Erlaubnis zum Bau eines der größten Staudämme der Welt erteilt wurde. Da fragt man sich was in diesem Land vorgeht?! Die wirtschaftliche Entwicklung ist vielerorts völlig einer übergeordneten Kontrolle entzogen. Natürlich profitiert China global gesehen davon - viel mehr als auch unsere Regierung wahrhaben will, aber zu welchem Preis? Wenn die Perforierung historisch gewachsener Landschaften und Städte so weitergeht (mit Hilfe unserer Architekten und Unternehmer), wird vom architektonischen Gedächtnis des alten China - bis auf einige wenige für die Touristen erhaltener Ensembles, wie Lijiang oder Chengde - bald nicht mehr viel übrig sein.
    Ach ja: Und wenn traditionell gebaut wird, dann natürlich im europäischen Stil. So entwirft Albert Speer gerade einen Vorort Shanghais im "deutschen Stil" nach dem Vorbild Weimars. Ist das nicht alles abartig?

  • Zitat

    So entwirft Albert Speer gerade einen Vorort Shanghais im "deutschen Stil" nach dem Vorbild Weimars. Ist das nicht alles abartig?


    Wo hast Du denn die Information her? Weißt Du mehr darüber?

  • Wenn ich mich recht entsinne, stand das in der SPIEGEL-Sonderausgabe zum neuen China. Da war es aber nur eine Randnotiz und keine Bilder dazu. Da Weimar eines DER Zentren des deutschen Bauhaus war (als Bauhaus wirklich noch für Innovation und neue Ästhetik, statt für Brechreiz stand) kann Speer natürlich auch das "typisch deutsche" Kistenkonglomerat meinen. Aber dann würde er nicht meiner Meinung nach nicht explizit Weimar erwähnen.
    Leider weiß ich wirklich nicht mehr darüber. Doch egal ob Thüringer Bürgerhäuser oder Glaskisten - in diesem Fall nimmt sich beides nicht viel.

  • Snork 9. Oktober 2021 um 19:12

    Hat den Titel des Themas von „Kitsch! Schlosskopie bei Peking“ zu „Schlosskopie bei Peking“ geändert.