Utrecht - Wiederaufbau des Langhauses des Utrechter Doms
Es ist an der Zeit, mal wieder die sehr dankbare Rolle als Verbreiter guter Nachrichten zu übernehmen. Im niederländischen Utrecht, dem mittelalterlichen Bischofssitz der nördlichen Niederlande mit einer sehr alten und prachtvollen Kathedrale, plant eine Initiative ein sehr ambitioniertes Wiederaufbauprojekt. Denn ebendieser Kathedrale fehlt seit 1674 das Langhaus - es wurde bei einem Sturm zerstört und nicht wieder aufgebaut.
Die Initiative nennt sich "Project 2074" - der Name spielt auf das geplante Vollendungsjahr an, und arbeitet auf einen Wiederaufbau des Langhauses in der Art, wie sie beim Bau der Burg Guédelon oder der Klosterstadt Messkirch praktiziert wird - mit dem technischen Stand seiner Ersterrichtung (aber diesmal vollständig - beim Original wurden die Mittelschiffgewölbe nie eingezogen, was die Zerstörung im Sturm sicher sehr begünstigt hat).
Dabei sind die Aussichten auf Erfolg ziemlich gut. Denn zunächst einmal ist das Langhaus, in Hinsicht auf seine frühe Zerstörung, außerordentlich gut dokumentiert: Es sind genaue Grundrisse aus der Zeit vor 1674 vorhanden, ebenso verschiedene genaue Ansichten, die bis ins 15. Jahrhundert zurückreichen, und sogar eine sehr genaue und detailreiche Federzeichnung des Inneren ist überliefert.
Zudem sprechen auch sehr pragmatische Gründe für einen Wiederaufbau. Denn sowohl die Substanz in Utrecht als auch Bauten in vergleichbaren Zuständen - am bekanntesten ist Beauvais - weisen mittlerweile schwerwiegende statische Probleme durch das Fehlen des Widerlagers für das Vierungsgewölbe auf. In Beauvais bleibt zwar keine andere Möglichkeit, als den Bau durch immer neue Hilfskonstruktionen abzustützen - das noch vorhandene karolingische Langhaus ist unbedingt zu erhalten. Aber in Utrecht wäre der Wiederaufbau des Langhauses die logische Antwort auf die Probleme.
Auf dieser Quellenlage aufbauend betreibt diese Initiative die systematische Erforschung des Langhauses, deren Ergebnisse zurzeit in Form eines Modells im Maßstab 1:50 verarbeitet werden.
Desweiteren wurden einige sehr aussagekräftige Visualisierungen des angedachten Bauablaufs erstellt, die ebenfalls auf der Website der Stiftung präsentiert werden.
Inwieweit die praktischen Voraussetzungen für den Wiederaufbau schon gegeben sind - Eigentum am Grundstück des Langhauses und/oder bereits eingegangene Spenden - weiß ich nicht. Ich denke aber eher, dass man noch dabei ist, für die Idee Werbung zu machen.
Zur Website der Initiative: http://www.project2074.nl/ (auf Niederländisch, Startseite auch auf Englisch)
Außerdem der Link zur Facebook-Seite: https://www.facebook.com/Stichting-voor…08080492607733/ (nur auf Niederländisch)
Eine der Visualisierungen zum Bauablauf: Bild
Und noch ein Bild des sich im Bau befindlichen Modells: Bild
Im Anbetracht der beschriebenen Situation spricht nichts gegen den Wiederaufbau. Wollen wir hoffen, dass das auch die Stadt Utrecht so sieht und zum Gelingen dieses ambitionierten Projekts beiträgt - welche Stadt hat schon eine gotische Kathedrale im Bau zu bieten?