Transkarpatien (Ukraine)

  • Ich möchte euch hier eine der interessantesten Kulturlandschaften Ostmitteleuropas vorstellen - Transkarpatien. Über viele Jahrhunderte gehörte diese Gegend zu Ungarn. Als nach dem Ersten Weltkrieg die Habsburgermonarchie aufgelöst wurde, kamen die slawischen Siedlungsgebiete im Norden des Königreichs Ungarn zur Tschechoslowakei. Das betraf die Slowakei und die östlich anschließende, mehrheitlich von Ruthenen (Ukrainern) besiedelte Karpaten-Rus. Im Zusammenhang mit der Zerschlagung der Tschechoslowakei durch Hitlerdeutschland wurde die Karpaten-Rus in zwei Schritten, im Herbst 1938 und im Frühjahr 1939, von Ungarn besetzt. Bei Kriegsende 1945 war sie aber völkerrechtlich ein Teil der Tschechoslowakei und wurde von dieser auf Wunsch Stalins an die Sowjetunion abgetreten.

    Jenseits der Karpaten liegt Transkarpatien aus Kiewer Sicht. Im Tschechischen heißt die Region Podkarpatská Rus. Die deutsche Benennung des Landes lautete in der Zwischenkriegszeit "Karpatenrußland". Ein Name, der in die Irre führt, denn mit Russland hatte diese Gegend nie etwas zu tun. Die genaue Übersetzung des tschechischen Namens ist Karpaten-Rus. In deutschen Fachtexten der letzten Jahrzehnte findet man auch die Bezeichnung Karpato-Ukraine. Das heutige Verwaltungsgebiet Sakarpatska oblast hat die Grenzen des einstigen tschechoslowakischen Landes bewahrt. Innerhalb der Ukraine zeichnet sich die Kulturlandschaft dieser Region durch eine ungarische und tschechoslowakische Prägung aus.

  • Werchnje Wodjane (Верхнє Водяне) ist ein Dorf im Rayon Rachiw, also im Osten Transkarpatiens. Es gehört zur Gemeinde Welykyj Bytschkiw und liegt nahe der rumänischen Grenze. Die orthodoxe Kirche des Ortes ist noch ziemlich neu. Außen schlicht, innen bunt und insgesamt sicher etwas trashig. Das tschechische Paar Patricie Červená und Martin Červený fotografierte hier im Juli 2018 anlässlich einer Hochzeit.

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    Werchnje Wodjane, orthodoxe Kirche (Foto: Patricie Červená, Martin Červený, 15. Juli 2018, Člověk a Víra, CC-BY-NC)

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    Werchnje Wodjane, Kapelle in der Nähe der Kirche (Foto: Patricie Červená, Martin Červený, 15. Juli 2018, Člověk a Víra, CC-BY-NC)

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    Werchnje Wodjane, in der Kirche (Foto: Patricie Červená, Martin Červený, 15. Juli 2018, Člověk a Víra, CC-BY-NC)

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    Werchnje Wodjane, in der Kirche (Foto: Patricie Červená, Martin Červený, 15. Juli 2018, Člověk a Víra, CC-BY-NC)

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    Werchnje Wodjane, Kirche, Blick in die Kuppel, Christus umgeben von den Symbolen der vier Evangelisten. Osten ist im Bild links

    (Foto: Patricie Červená, Martin Červený, 15. Juli 2018, Člověk a Víra, CC-BY-NC)

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    Werchnje Wodjane, Kirche, die oberen Reihen des Ikonostas, in den Gewölbezwickeln die vier Evangelisten, links Johannes

    (Foto: Patricie Červená, Martin Červený, 15. Juli 2018, Člověk a Víra, CC-BY-NC)

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    Werchnje Wodjane, Kirche, Wandbild "Der nicht von Menschenhand gemalte Erlöser"

    (Foto: Patricie Červená, Martin Červený, 15. Juli 2018, Člověk a Víra, CC-BY-NC)

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    Werchnje Wodjane, Kirche, der Priester während der Trauungszeremonie, im Hintergrund Ikonostas mit geöffneter Königstür

    (Foto: Patricie Červená, Martin Červený, 15. Juli 2018, Člověk a Víra, CC-BY-NC)

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    Werchnje Wodjane, Kirche, die geschlossene Königstür (Foto: Patricie Červená, Martin Červený, 15. Juli 2018, Člověk a Víra, CC-BY-NC)

  • Zum besseren Verständnis: Wir sind mit Werchnje Wodjane in einem Bereich, an den nördlich Galizien und nordöstlich die Bukowina angrenzen würde, der aber seit Jahrhunderten(??) zu einem ungarischen Komitat gehört hat?

    In der Titulatur des österreichischen Kaisers

    "Franz Joseph I., von Gottes Gnaden Kaiser von Österreich, Apostolischer König von Ungarn, König von Böhmen, von Dalmatien, Kroatien, Slawonien, Galizien, Lodomerien und Illyrien, König von Jerusalem etc., Erzherzog von Österreich, Großherzog von der Toskana und Krakau, Herzog von Lothringen, von Salzburg, Steier, Kärnten, Krain und der Bukowina, Großfürst von Siebenbürgen, Markgraf von Mähren, Herzog von Ober- und Nieder-Schlesien, von Modena, Parma, Piacenza und Guastalla, von Auschwitz und Zator, von Teschen, Friaul, Ragusa und Zara, gefürsteter Graf von Habsburg und Tirol, von Kyburg, Görz und Gradiska, Fürst von Trient und Brixen, Markgraf von Ober- und Nieder-Lausitz und in Istrien, Graf von Hohenembs, Feldkirch, Bregenz, Sonnenberg etc., Herr von Triest, von Cattaro und auf der Windischen Mark, Großwoiwode der Woiwodschaft Serbien etc. etc."

    würde Marmarosch also allgemein zum Königreich Ungarn gehören?

    Gibt es Bereiche, die Du in der Folge vorstellen wirst, die nicht zur Habsburgermonarchie gehört haben?

  • Zu Deinen Fragen:

    1. Ja

    2. Ja

    3. Das wird Dir Rastrelli beantworten müssen, aber da das heutige Zakarpattya/die Karpato-Ukraine deckungsgleich mit dem ehemals tschechoslowakischen und davor ungarischen Siedlungsgebiet der Ruthenen ist, der 1945 an die Sowjetunion abgetreten wurde, vermute ich, dass auch hier die Antwort "Ja" lautet.

  • Klar, auch hier ein ja.

    Komisch, dass man diese Grenze 2004 noch erleben konnte - auf dem Gebirgspass gab es in den Bussen immer (zugegeben alibihaft wirkende) Polizeikontrollen.

    Übrigens sind Ruthenen (ein eher altösterreichischer Begriff, der ziemlich unscharf war und die slawischen Karpatenvölker im Ganzen meinte und dabei auch die Ukrainer mitumfasste, heute sagt man eher Russinen, was auch der Selbstbezeichnung entspricht) eben keine Ukrainer, anders als es die ukrainische Propaganda behauptet. Die Ukrainer gewähren ihnen - als einziger betroffener Staat - keine Minderheitenrechte, weil sie sie partout als Ukrainer betrachten wollen, was schon rein sprachlich nicht der Fall ist. Um Rachow lebt die russinische Volksgruppe der Huzulen, vom ukrainischen Schriftsteller Andruchowytsch "die Indianer Europas" genannt, mit recht spezifischen folkloristischen Gebräuchen und einer eigenen Musik. In Polen wurden die Russinen im Zuge der sog. Operation Weichsel 1947 brutal zerschlagen. In Rumänien und der Slowakei genießen sie gute Minderheitenrechte. Ein berühmt gewordener Abkömmling dieses Volkes ist Andy Warhol.

    In Rachow gab es übrigens auch eine deutsche Kolonie, die "Zipserei" genannt wurde. Jenseits der Grenze, in der rumänischen Maramuresch, in Oberwischau Vișeu de Sus (ungarisch Felsővisó, jiddisch Ojberwischo)

    gibt es ebenfalls eine solche Zipserei, die sogar einigermaßen erhalten ist.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.