Berlin - Wiederaufbau der Synagoge am Fraenkelufer

  • Wo sind diese Entwürfe geblieben?

    Gemach. Der Architekturwettbewerb kommt nächstes Jahr, da werden die meisten Ideen wieder mal nicht überzeugen können. Die klassisch-zeitlose Variante hat gute Chancen, sich durchzusetzen, vor allem mit genug zivilem und politischem Engagement dahinter.

  • „Der Neubau wird keine 1:1-Rekonstruktion“, sagt Engelbert Lütke-Daldrup (67).

    Es scheint dem Projektkoordinator ja wichtig zu sein, dies zu betonen. Ja, warum denn eigentlich keine Rekonstruktion? Das war doch bis dato eigentlich das, was man in diesem Fall mit "Wiederaufbau" gemeint zu haben schien.

    Traurig eigentlich, dass man nun anscheinend meint, sich von einer Rekonstruktion distanzieren zu müssen. Mich würde interessieren, ob die betroffene jüdische Gemeinde das auch so sieht.

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Betont modernistische Synagogen zu bauen, halte ich schon lange für einen Fehler und von Nachteil.
    Warum?
    Diese Kisten wirken neuartig, fremd und verschlossen.
    Gerade heutzutage sollten Synagogen genau das Gegenteil betonen.
    Es sollte sichtbar sein, besonders für alle nicht gut gebildeten und sozialisierten Menschen, dass jüdische Gemeinden und Synagogen in Deutschland schon Jahrhunderte, ja, über ein Jahrtausend bestehen, und sie keine neumodischen Erscheinungen sind.
    Es sollte sichtbar sein, dass jüdische Gemeinden mit zur deutschen Kultur gehören, und nicht fremd sind.
    Und sie sollten sichtbar offen und einladend wirken. So weit das heutzutage noch irgend möglich ist...

    Mein altes Gymnasium steht direkt neben einer dieser typischen, modernistischen Synagogen-Klötze. Das wirkte auf uns Schüler immer seltsam, fremd und abweisend, und alle machten einen großen Bogen darum. Wenn ein Federball über die Mauer auf das Synagogengelände flog, dann war der weg. Keiner wäre rüber gegangen und hätte mal geklingelt, um sich zu entschuldigen und nachzufragen, ob wir den Ball zurückhaben können.
    Im Nachhinein erscheint mir das so dumm, unnötig, ja, ärgerlich, dass dieses Unbehagen, diese Distanz bestand. Dass die Synagoge wie dieser neuartige, fremdartige und verschlossene Klotz wirkte, hat aber definitiv dazu beigetragen.

    Ich hoffe, man besinnt sich letztendlich auf eine weitgehende Rekonstruktion, auf die alte Schönheit und Würde. Das wäre der jüdischen Geschichte und Bedeutung in diesem Land würdig und wäre eine klare Ansage und ein kleiner Sieg über alle Antisemiten von damals und von heute.

  • Es ist ja eine Binse, dass solche "Wiederaufbauten" nicht 1:1 sein können - dagegen sprechen schon die Bauvorschriften - vor allem der Brandschutz. Hier aber soll es einen "Architekturwettbewerb" geben und der Wiederaufbau von einer landeseigenen Gesellschaft umgesetzt werden - das sind keine guten Nachrichten. Und: das wird teuer.

    Effizienter sind solche Vergaben wie beim Münchner Volkstheater, bei dessen Wettbewerb sich Generalunternehmer mit einem Architekturkonzept und einem Festpreis bewerben konnten, das auf einem Briefing der Nutzer beruht. Die Umsetzung des Projektes ging etwa doppelt so schnell wie bei vergleichbaren Projekten der öff. hand und hatte keinerlei Kostensteigerungen. So war das auch beim Neubau des Brandenburgischen Landtages im Potsdamer Stadtschloß.

    Beim Fraekelufer bleibt nun nur noch das Entscheidungungsgremium in Blick zu haben: vermutlich sitzen da die Senatsbaudirektorin für den Sent und Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) für den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Hier muss dringend noch eine Vertretung des Bauausschusses des Abgehordnetenhauses und des Finanzsenators dabei sein, sonst laufen die Wettbewerbsvorgaben so aus dem Ruder, dass von einem "Wiederaufbau" nicht mehr die Rede sein kann.

    Der Standort am Kreuzberger Fraenkelufer an der Bezirksgrenze zu Neukölln wird sicher zu Probleme führen. Die beiden Stadtteile Kreuzberg 36 und Reuterkiez (Neukölln) weisen jeweils etwa 40 Prozent Ausländeranteil und zusätzlich rund 25 % Deutsche mit Migrationshintergrund auf. Das sind in der Regel weder Wikinger noch Chinesen sondern zu über 90 % Türken und Araber. Wie man in diesem Umfeld eine Synagoge schützen will ist mir noch nicht klar, aber der SPD-Fraktionschef Raed Saleh, selbst palästinensicher Araber, wird es wissen.

  • Die im Artikel abgebildeten "Entwürfe" sind Arbeiten von Architekturstudenten. Die bekommen von ihren Professoren die Übungsaufgabe "Plant doch mal eine neue Synagoge". Und dann planen die - ohne Rücksicht auf irgendwelche Vorgaben. Wer solche Übungsspielereien für echte Wettbewerbsbeiträge hält, ist selber schuld. Leider nutzen Journalisten so etwas gern, um wenigstens irgendwelche Illustrationen zu ihren Artikeln zu haben. Vor Jahren gab es in Potsdam großes Geschrei, weil ein Professor der Fachhochschule seine Studenten planen ließ, wie ein "neues holländisches Viertel" auf den Gelände des Lustgartens aussehen könnte. Natürlich dachte niemand ernsthaft daran, den Lustgarten zu bebauen. Aber für ein Skandälchen reichte es.

    Also bitte: regt euch über die Art und Zusammensetzung des Auswahlgremiums auf, aber nicht über die studentischen Entwürfe. Die verschwinden in den Schulakten.