Ortsfremde Bau-Heraldik als Gemeinschaftsförderung
Nicht nur der Historismus arbeitete umfangreich mit gemalten, gemeißelten, modelierten oder mosaizierten Wappendarstellungen an Gebäuden, die nicht unbedingt der jeweilige Orts- oder Landesheraldik entstammen mussten. In der Regel sind ortsfremden Wappen Ausdruck bestehender oder ehemaliger politischer, wirtschaftlicher oder kultureller Verbindungen. Auch in der Gegenwart vermögen solche ‚Fremdlinge’ noch ihre positive Wirkung zu entfalten, denn wen freut es nicht, das Wappen des eigenen Heimatortes hunderte von Kilometern entfernt an einer Fassade zu entdecken; was nicht selten zur Folge hat, daß man sich aufgrund dieses Stückchens Heimat in der Fremde, selber nicht mehr ganz so fremd fühlt und eine innerliche Beziehung zu dem jeweiligen Ort aufbaut. Man fragt nach dem Grund weshalb das Wappen hier angebracht wurde, man recherchiert die ursächlichen historischen Verbindungen und auf diese Weise entsteht ein Gemeinschaftsgefühl. In nicht wenigen Fällen war es genau das, was mit der Anbringung des Wappens ursprünglich intendiert war.
So beinhalteten z.B. die in vielen alten Reichsstädten an den Rathäusern angebrachten Wappen der sieben Kurfürsten nicht nur den Anspruch auf Reichsunmittelbarkeit, sondern waren gleichzeitig auch ein Beleg für die Zugehörigkeit zum Heiligen Römischen Reich. Die beiden – bis heute erhaltenen – Wappenfriese am Westportal des Berliner Reichstagsgebäudes und die – nicht mehr vorhandenen – Stadtwappen tragenden Schlusssteine über den Fenstern des Hauptgeschosses des Wallot-Baus, sind (bzw. waren) ebenso ein Bekenntnis zu der wiedererlangten Einheit der Deutschen, wie es die Wappen der Bundesstaaten des Kaiserreichs am Passauer Rathausturm sind.
Die in vielen norddeutschen Städten vorhandenen Wappendarstellungen anderer Küstenstädte sind ein Verweis auf die Gemeinschaft der Hanse. Und die im Foyer der Bremer Baumwollbörse angebrachten – aus dem ‚Hause’ Puhl & Wagner in Rixdorf (Neukölln) stammenden – Mosaikdarstellungen der Wappen von Preußen, Bayern, Sachsen und Elsaß-Lothringen, sind ein Hinweis auf die wirtschaftliche Gemeinschaft der an Baumwollproduktion und –verarbeitung beteiligten Gebiete Deutschlands.
Dieser Themenstrang soll der Sammlung dieser im Lande verteilten – und oft nur den Einheimischen vertrauten – ortsfremden Heraldik dienen.
Mit seiner Farbenpracht dürfte er sicherlich Viele erfreuen können. Eine rege Beteiligung ist daher sehr willkommen !
Anbei einige erste Beispiele:
Abbildung 01
Die Wappen der weltlichen Kurfürsten an der Fassade des Bremer Rathauses (von links nach rechts): Böhmen, Pfalz, Sachsen und Brandenburg.
Abbildung 02
Die Wappenfriese am Westportal des Berliner Reichstagsgebäudes (Collage von mir).
Abbildung 03
Der Turm des Passauer Rathauses aus Richtung der Schrottgasse gesehen, mit seinem Wappenfries unterhalb des Helms.
Abbildung 04
Das südliche Viertel des Passauer Wappenfrieses. Man erkennt (von links nach rechts:)
Schaumburg, Waldeck, Hamburg, Bremen, Lübeck, Reuß.
Abbildung 05
Der Renaissance-Trakt des Lübecker Rathauses am Marktplatz. In den Zwickeln der Bogenfenster erkennbar (links) Hamburg und (rechts) Bremen.
Abbildung 06
Das Wappen von Bremen (der silberne Schlüssel auf rotem Grund) am Hamburger Rathaus, oberhalb des Fensters des Bürgermeisterzimmers (sic !).
Abbildung 07
Wappen oberhalb der Fenster des Hauptgeschosses des Bremer Schüttings (des Sitzes der Kaufmannschaft): Links oben Hamburg, rechts unten Lübeck. Dazwischen die Hansekontore in Bergen, London (Stalhof), Brügge und Novgorod.
Abbildung 08
Foyer der Bremer Baumwollbörse. Von Puhl & Wagner hergestelltes Wappen von Preußen.
Abbildung 09
Wappen von Bayern.
Abbildung 10
Wappen von Sachsen.
Abbildung 11
Wappen von Elsaß-Lothringen.