Nach den Horrormeldungen aus Gütersloh möchte ich mal ein Thema diskutieren, was mir schon seit längerem etwas im Magen liegt. Wir haben jetzt seit mehreren Jahren extrem niedrige Zinsen, sämtliche klassischen Anlagemöglichkeiten werfen kaum noch Geld ab. Das führt dazu, dass immer mehr Geld in Sachwerten geparkt wird. Als Oldtimerfan beobachte ich gerade mit Erschrecken, dass sämtliche vor kurzem noch in Reichweite befindliche Traumautos mittlerweile in abartige Preisbereiche aufgestiegen sind und eben auch die Immobilienpreise steigen und steigen.
Dazu kommt, dass viele Leute ihr Geld einfach nur anlegen wollen - wie ist ihnen egal. Das wiederum führt zu einer Vielzahl an Projektentwicklern, die eben dieses Geld parken. In München werden daher seit einigen Jahren alte Häuser, bevorzugt Villen und Einfamilienhäusern auf großen Grundrissen plattgemacht und stattdessen gesichtslose Mehrfamilienhausriegel gebaut - wer es aushält, kann ja mal das PDF des Bündnis Gartenstadt München durchscrollen - und andernorts sieht es auch nicht besser aus. Gerade kleiner Ein- und Zweifamilienhäuser der Gründerzeit bis 50er-Jahre, oft optisch ansprechend und stadtnah gelegen, werden gekauft und abgerissen, um dort 6-10 Wohnungen zu errichten und die Zinsen zu erwirtschaften, die andernorts nicht mehr einzutreiben sind. Oder, wie in Gütersloh, kommen Eigentümer von ansehnlichen Gründerzeithäusern in der Altstadt plötzlich auf die Idee, dass man die Nutzfläche durch einen Neubau ja vergrößern könnte - und reißt einfach ab.
Ich hatte ja anfangs gehofft, durch die niedrigen Zinsen werden sich die Altbausanierungen häufen - schließlich sind Wohnungen dort begehrt und lassen sich bei einer hochwertigen Sanierung besser vermieten. Aber leider bringen 4 top Altbauwohnungen eben nicht so viel Miete wie 8 durchschnittliche Neubauwohnungen und somit wird in westdeutschen Städten weiter perforiert was das Zeug hält. Und gestaltungstechnisch mischen sich die Gemeinden kaum ein, auf die optische Wirkung wird keinerlei Rücksicht genommen, auf die ortstypische Gestaltung noch weniger. Polystyrol kann man halt auch nur noch verputzen und streichen.
Geht es nur mir so, oder erleben wird gerade wieder einen zunehmenden Schwund des Altbaubestands? Wird es Zeit, dass die Denkmalämter aufwachen und neben Einzelbauwerken auch anfangen, sich Gedanken um das Stadtbild zu machen?
Scheinbar ist ja viel Geld da, was in Immobilien gesteckt wird. Die Frage ist nur, wie kann man dies in die richtige Richtung lenken? Lohnen sich Altbausanierungen wirklich nicht? Oder ist es an der Zeit, eine Projektentwicklungsfirma zu gründen, die sich um Stadtbilder kümmert und gleichzeitig Rendite erwirtschaftet?
Ich bin gespannt auf Eure Sicht der Dinge.
Besten Dank und viele Grüße
Michael