Bautechnik: Was ist das denn für ein ungewöhnlicher historischer Innenputz?

  • Guten Abend!

    Auf einem Flohmarkt habe ich dieses Foto gefunden, es zeigt wohl die Buchhaltung einer Kunstgießerei - siehe Regal unten links!
    Was mir bei diesem Foto auffällt, ist der extrem grobe und wellige Innenputz! Das Haus schätze ich auf Baujahr 1870-1910. Der Zeitpunkt der Aufnahme könnte so um 1930 +/- 5 Jahre liegen.
    Nun mal auf den Innenputz achten! Hinter dem Radio und unterm Fenster. Ist das irgendeine spezielle, aus der Mode gekommen Stucktechnik oder sehen wir hier das Werk des schlechtesten Verputzers aller Zeiten?

    ...Das Radio hat ja auch Kräusellack. Kräuselputz war vielleicht mal modisch...?

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  • Vielleicht eine Kombination aus Rauputz und Ölfarbe. Das Streichen der Wände mit einer Ölfarbe war früher doch gebräuchlich als billiger Ersatz für pflegeleichte Wände, anstelle von Kacheln. Nur so eine Annahme!

  • Die dunkle Farbe sieht jedenfalls stark nach Ölfarbe aus, der Glanz sieht so aus, wie ich das von alten Ölfarben kenne. Das wäre dann wohl eher etwas jünger als das Haus, würde ich vermuten.

  • Ja, dass das Ölfarbe auf dem Putz ist, denke ich auch. Passt auch zum Büro.
    Mich wundert nur die starke Rauheit des Putzes. Stärker als Eichenrinde! Man stelle sich mal in die Schuhe des Bauherrn, der das beauftragt hat. Da geht der Verputzer frisch an Werk, verbraucht etliche Kilo Putz und will dann am Ende auch noch Geld für das Machwerk haben. So einen Handwerker würde doch heute jeder Bauherr von der Baustelle jagen und zusätzlich auf die Kosten für das vergeudete Material verklagen.

    Ich frage mich, ob das vielleicht absichtlich so übermäßig rauh verputzt wurde?
    Die Struktur ähnelt Baumrinde und so etwas würde vielleicht bei einer Jugendstil-Ausgestaltung des Raums Sinn machen? Die ist dann zum Zeitpunkt der Aufnahme übermalt und nur noch die Struktur ist erkennbar, nicht mehr die ursprüngliche Farbigkeit...?

  • Ich habe mir das Photo angeschaut. Zuerst dachte ich, vielleicht könnte da hinter dem Radio eine leicht gefältelte Wandbespannung sein. Die Ecke mit dem Rohr war hingegen klar: Ölfarbsockel mit der typischen Abschlußlinie mit dem Schlepperpinsel, wie es bis in die 50er, in erhaltenen Waschküchen z.B. noch länger üblich war. Aber bei näherer Betrachtung ergab sich kein Anhaltspunkt für eine Bespannung, denn der Abschluß an der Fußleiste ist "wie sauber gepinselt", und das An-und Abschwellen des "Malerstrichs" liegt daran, daß man den Abstand mit dem Pinsel auf einem derart welligen Untergrund nicht gleichmäßig halten kann. Auch gibt es im ganzen Ölfarbsockelbereich immer wieder unregelmäßig so kleine runde Flecken, das sind kleine Vertiefungen im Putz, die mit glänzender Farbe drauf besonders auffallen.
    Also, ja: es liegt am Verputzer.
    Ich tippe auf jemand, der das nicht gut konnte bzw. 2 Leute, wobei der, der oben das Brett ziehen sollte, gewackelt hat (oder wacklige Leiter, eventuell?). Oder der Gesell und der Lehrbub...
    Absicht ist das nicht, das ist mißlungene Glättung. Zu der Ansicht komme ich, weil auch oben in der Ecke an der Fensterwand - über dem dort geraden Ölfarbsockel - so ein Schatten ist, der ein ähnliches Gewackel in geringerem Umfang anzeigt.
    Wir sind heutzutage "verwöhnt", was Glätte des Putzes und Rechtwinkligkeit von Ecken angeht. Früher wurde da viel schmerzfreier drübergeschlarpt, der Lehrbub mußte ja auch mal probieren.