• "Inn-Salzach-Stil" ist der Name einer epochenübergreifenden Stilrichtung (vom 14. Jahrhundert bis ins späte 18. Jahrhundert) der Profanbaukunst in den Regionen entlang der Flüsse Inn und Salzach (daher der Name) sowie in Teilen Südtirols. Er zeichnet sich durch monumentale Gestaltung der Fassaden durch weitgehenden Verzicht auf Ornamentik (zumindest während der Gotik) sowie schlichte, gerade Fassadenabschlüsse (Ausnahme: geschwungene Giebel im Barock ) aus.

    Herrengasse, Wasserburg am Inn, mit den typischen Kastenerkern

    Charakteristisch im Bereich der Fassadengestaltung sind zudem Erker mit segmentbogenartigen unteren Abschlüssen und Arkaden (diese sind den Baustilen entsprechend zunächst gotisch spitzbögig, später wurde im Barock der Rundbogen allgemein üblich. Häufig besitzen die Bauten des Inn-Salzach-Stils Grabendächer (Grabendach – Wikipedia) oder Satteldächer mit geringen Dachneigungen.


    Fassadengliederung wie diese spitzbögigen Nischen ist eine seltene Erscheinung




    Die spitzbögigen Arkaden sind ein Charakteristikum des Inn-Salzach-Stils im späten Mittelalter


    Damit endet mein Wissen...

    Nun die Fragen:

    1.
    Seit dem Barock wurden hölzerne Sprossenfenster allgemein üblich. Da mir bislang bei Bauten des Inn-Salzach-Stils keine anderen Arten Fenster aufgefallen sind, stellt sich mir die Frage, wie zum Beispiel die Fenster bei Bauten des Inn-Salzach-Stils im späten Mittelalter ausgesehen haben.
    Wahrscheinlich waren es die spätgotischen Kreuzstockfenster wie fast überall in Europas Steinbauten zu der Zeit. Dafür spricht diese Ansicht der Bruckgasse in Wasserburg am Inn aus dem frühen 20. Jahrhundert.

    Quelle: Wikipedia

    2.
    Wie sah/sieht das Innere dieser Bauten aus. Sind die Häuser massive Steingebäude, oder haben sie hölzerne Innengerüste.


    Ich hoffe, jemand kann diese Fragen beantworten.

  • Das sennen natürlich sehr schwierige Fragen, die ich in concreto nicht zu beantworten vermag.
    ad 1)
    Mir ist kein KSF in einem Bürgerhaus einer Inn-Salzach-Stadt, bekannt, und dies ist angesichts des hohen Erhaltungsgrades von ISS bemerkenswert - die allermeisten unserer vorbarocken Altstädte sind ISS. Man vergleiche auch folgende Aufstellung:
    Bildbeispiele für gotische Kreuzstockfenster in Österreich
    es sind dort beileibe nicht nur Burgen angeführt. An ISS ist nur Burghausen vertreten (und hier dürfte es sich tatsächlich um ein Fenster aus der Burg handeln). Gleiches gilt für Freistadt. Wels muss man nicht zu den ISS hinzuzählen, es ist mehr mit Steyr verwandt.
    Es ist schon merkwürdig, dass Nester wie Drosendorf, Spitz, Wösendorf (um nur bürgerliche Beispiele zu nennen) vorkommen, aber nicht Passau oder Salzburg...

    Vielleich hatten die gemeinen Bürgerhäuser der ISS wirklich keine steinernen KSF - dafür spräche in der Tat einiges. Man muss bedenken, dass der Wesenszug der ISS in der Nachäffung des italienischen Städtebaus bestand und sich daher von der (nördlichen ) Gotik abwandte. Generell sind die Fenster an den Häusern weit kleiner ausgefallen. Mit den typischen Laubengängen fällt zudem die repräsentative Erdgeschosszone weg.
    Das von dir gezeigte Wasserburger Beispiel (ich kenne die Stadt nicht) betrifft vielleicht herrschaftlichen Bau, der isoliert wirkt und sich von den normalen Bürgerhäusern doch unterscheidet. Er wirkt auch weit älter (beachte die völlig unregelmäßige Fensteranordnung und überhaupt die Wehrhaftigkeit).
    ad2 : weiß nicht, ob sich da eine verallgemeindernde Aussage treffen lässt. In vielen Fällen (Freistadt) war der Brandschutz ein ausdrückliches Motiv für den Umbau der Städte, und der hohe Erhaltungsgrad spricht für den Erfolg des Konzeptes. In der Erdgeschosszone und den tragenden Mauern gab es zweifellos nur Stein, die Decken werden ab dem ersten Obergeschoss schon auch aus Holz bestanden haben.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Zu Wasserburg am Inn habe ich ein paar Aufnahmen in die Galerie eingestellt, da folgt voraussichtlich auch noch die Herrengasse 15, ein hervorragend erhaltenes Grabendachhaus, heute Museum der Stadt Wasserburg, innen ausführlicher.
    Wasserburg a. Inn


    Burghausen



    Stadtplatz 111, ein ehem. Wachszieher- und Lebzelterhaus, die Fensterstöcke aus Rotmarmor....


    Das mittlere Fenster im 1. OG bez. 1550. Solche Fenster konnte sich aber natürlich nicht jeder leisten...


    Hall in Tirol



    der auch innen sehr mittelalterliche Rathausanbau, heute im EG ein Cafe, man beachte die Fensterläden

    Einmal editiert, zuletzt von Markus (20. Dezember 2011 um 16:50)

  • Ravensberger
    Ja, das stimmt. Deshalb hab ich ja in der Überschrift auch bewusst "Inn-Salzach-Stil" in Anführungszeichen gesetzt.
    Eigentlich ist die Inn-Salzach-Bauweise eine regionale architektonische Tradition über die Epochen der Gotik, der Renaissance (im betroffenen Gebiet eher zu vernachlässigen) und des Barocks.


    Markus
    In Rattenberg und auch in Innsbruck habe ich Fenster mit spätgotischen Laibungsprofilen gesehen, die aber augenscheinlich nie Kreuzstöcke besessen haben.
    http://www.tirol.tl/images/cms/126…Ortszentrum.jpg

    (siehe rotes Haus rechts)
    Ich schätze, dass Diese zum Zeitpunkt der Erbauung des Hauses (der Häuser) zumindest in manchen Fällen noch unverglast waren, und folglich nur mit Klappläden (wie in Hall) geschlossen wurden.


    P.S.: Ich habe mich nebenbei mal an einem Nachbau eines Hauses in der Inn-Salzach-Bauweise des späten Mittelalters auf Basis meiner bisherigen Kenntnisse versucht.

    Siehe: Mittelalterliches Haus im "Inn-Salzach-Stil" by MedievalEurope - Google 3D Warehouse

  • im Grieben Östliches Nordtirol von 1971 werden bei Pfarrplatz 3 (Mösleinhaus) spätgotische Fenstereinfassungen im Erdgeschoß erwähnt (anderswo wird das Gebäude "Kräuterhaus" genannt, Pfarrplatz 3 ist offensichtlich identisch mit Domplatz 3). In meiner (bescheidenen) Innsbruck-Literatur wurde ich sonst bezüglich älterer Fensterstöcke nicht fündig.

  • Man muss auch zwischen Inn-Städten und Salzach-Städten unterscheiden. Erstere sind weit stärker gotisch geprägt. Ich meine, dass es in Salzach-Städten wesentlich weniger KSF gegeben hat.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Also kann man sagen, dass es zwei unterschiedliche Stile gibt: den "Inn-Salzach-Stil" im Bereich östliches Oberbayern und Salzburg/Salzach, und den im Bereich Nord- und Südtirol, der zeitgleichen Stilen in Venetien ähnelt (z. B. in Udine, Venzone, Vittorio Veneto)