Zur Zukunft des Chemnitzer Saxoniabrunnens
Ein Aufruf
Die Fertigstellung und der Bau weiterer neuer Gebäude in der Chemnitzer Innenstadt und der damit neu und wieder entstehenden Plätze Düsseldorfer Platz und Johannisplatz, sowie die Notwendigkeit deren Gestaltung, lässt die Frage nach einer möglichen Rekonstruktion des historischen Chemnitzer Saxoniabrunnens, der sich derzeit auf einem Chemnitzer Bauhof befindet, neu aufkommen.
Mit dem neuerlichen Baugeschehen am Johannisplatz wurde nach fast einem Jahrzehnt die Diskussion um die Rekonstruktion des Saxoniabrunnens neu eröffnet, in dem der dort agierende Investor vorschlug, den Saxoniabrunnen auf dem Johannisplatz aufzustellen, um die dort neu entstehende Ladenzone für Kunden attraktiver zu machen. Der Investor bot an, das Aufstellen des Brunnenbeckens zu finanzieren und schlug weiter vor, die Rekonstruktion der Bronzeplastiken vorerst weg zu lassen. In Chemnitzer Printmedien konnte man lesen, dass die Chemnitzer Oberbürgermeisterin diesem Vorschlag wohlwollend gegenüber steht.
Der Düsseldorfer Platz und der Johannisplatz haben einen unterschiedlichen historischen Hintergrund. Gab es den Düsseldorfer Platz im Vorkriegschemnitz und während der DDR Jahre überhaupt nicht, so kommt dem Johannisplatz in Chemnitz eine besondere historische Rolle zu. Hier befand sich mit dem Johannistor einst eines der 5 Chemnitzer Stadttore. Mit dem Abbruch der Chemnitzer Stadtmauer und der Stadttore am Beginn des 19. Jahrhunderts und dem Verfüllen des Wehrgrabens entstand an der Gabelung der späteren Theaterstraße, Äußeren und Inneren Johannisstraße ein neuer Platz, der sich, weil alle wichtigen Verkehrstränge der Chemnitzer Innenstadt in ihm mündeten, zu einem der verkehrsreichsten Plätze im Land entwickelte. Die Bebauung, welche den Johannisplatz einfasste, bestand aus repräsentativen Gebäuden, welche Banken, Hotels und Kaufhäuser nutzten. Historische Filmaufnahmen und Fotografien des Johannisplatzes zeigen ein urbanes städtisches Leben, welches dem heutigen Auge unbekannt ist.
Chemnitz besaß vor 1945 nur wenige öffentliche Wasserspiele. Vor der Gründerzeit gab es in Chemnitz überhaupt keine Kunstbrunnen. Im späten 19. und beginnenden 20. Jahrhundert entstanden auf dem Neumarkt, dem Bahnhofsvorplatz, dem Getreidemarkt, dem Theaterplatz und auf dem Roßmarkt Kunstbrunnen. Auf letzterem der bekannte Saxoniabrunnen. Dieser war der aufwendigste Kunstbrunnen, den Chemnitz je besaß. Auf rotem Granitsockel saßen zwei Bronzeplastiken, welche die Chemnitzer Maschinenbau- und Textilindustrie symbolisierten. Über diesen trohnte die Plastik der sächsischen Patronin “Saxonia“, als Beschützerin der Industrie und des Handels. Der Brunnen war von seiner Größe und seinen Proportionen an seinen Standort, dem flächenmäßig kleinen und kleinteilig bebauten Platz “Roßmarkt” angepasst.
Während des 2. Weltkrieges, 1941 wurden die 3 Plastiken für eine Metallspende entfernt und zum Einschmelzen nach Breslau verbracht. Das vollständige Brunnenbecken des Saxoniabrunnens ist nach der Zerstörung der Chemnitzer Innenstadt 1945 geborgen worden und befindet sich heute auf einem städtischen Bauhof. Der Roßmarkt existiert heute nicht mehr.
Der Johannisplatz, während der DDR Jahre als “Posthof” nur der Hinterhof zweier Bürogebäude, war seit den 1990er Jahren wieder Bestandteil der Planungen für eine kleinteiligere, sich an den alten Grundriss orientierende Chemnitzer Innenstadt. Der letztendlich zur Umsetzung verabschiedete Bebauungsplan sah die Einfassung des Johannisplatzes mit neuen Gebäuden an dessen Längsseiten in der Traufhöhe der beiden vorhandenen historischen Gebäude vor. Der Neubau eines Parkhauses mit Ladenzone im Erdgeschoss sollte den Platz städtebaulich zur Bahnhofstraße abschließen. Für den Eingang zum Johannisplatz von der Straße der Nationen war ein Pavillon vorgesehen, in dem eine Ausstellung Chemnitz vor 1945 zeigen sollte. Derzeit wird am Johannisplatz eine zweigeschossige Ladenzone in einfacher Architektur gebaut. Die weiteren Planungen für den Platz sehen in Abwandlung des ursprünglichen Bebauungsplanes, den Bau des Parkhauses nun an der städtebaulich wichtigen Stelle neben dem historischen Gebäude der Dresdner Bank vor. Städtebaulich und architektonisch sind damit die wichtigsten Chancen für den Neuaufbau des Johannisplatzes vertan. Der Johannisplatz wird in Zukunft wie auch schon seit 1945 eine untergeordnete Rolle in der Chemnitzer Innenstadt haben.
Chemnitz ist die einzigste größere ostdeutsche Stadt, in der es kein Wiederaufbauprojekt eines im Krieg zerstörten Baudenkmales gibt.
Die Beispiele aus anderen Städten zeigen, welche positive Wirkung solche Rekonstruktionen überregional und besonders aber auch auf die Stadtbevölkerungen selbst haben. Das Zurückholen von etwas verloren gegangenen Historischem hat eine besondere Faszination.
Vor 8 Jahren gab es in Chemnitz eine Diskussion um eine mögliche Rekonstruktion des Saxoniabrunnens. Unter dem Eindruck der neu entstandenen postmodernen, von bekannten Architekten entworfenen Kaufhäuser am Marktplatz wurde der Gedanke einer Neuinterpretation des Saxoniabrunnens verfolgt. Aus einem Wettbewerb ging ein Entwurf als Favorit hervor, der vorsah, das erhaltene Granitbecken des Saxoniabrunnens zu zersägen und die Teile mit maßstäblich größeren Tellern und Tassen zu einem neuen Brunnen zu komponieren. Dieser sollte auf dem Marktplatz vor dem Alten Rathaus aufgestellt werden. Der Chemnitzer Stadtrat lehnte die Umsetzung dieses Entwurfes ab.
Mit dem neu entstandenen Düsseldorfer Platz in der Chemnitzer Innenstadt ändert sich der Ausgangspunkt für eine Diskussion um den zukünftigen Standort des Saxoniabrunnens. Der Düsseldorfer Platz ist als einziger Platz in der Innenstadt mit seiner Fläche und seiner kleinteiligen Umbauung dem Rossmarkt, für den der Brunnen entworfen wurde, ähnlich. Die kleinteiligen Straßenzüge, welche in den Platz führen, wurden in den vergangenen Jahren, angelehnt an den Grundriss der Chemnitzer Altstadt, neu gebaut. Sie vermitteln innerstädtisches Flair und sind belebt. Der Brunnen verliert sich nicht in diesem Umfeld. Die Wechselwirkungen Größe und Proportion Brunnen zur Größe des Platzes und zu dessen Umbauung stimmen hier.
Die Standorte Marktplatz und Johannisplatz haben diese Eigenschaften nicht. Auf dem weitläufigen, leicht abfallenden Johannisplatz würde sich der Saxoniabrunnen im Umfeld eher großteiliger und einfacher Architektur verlieren.
Der Marktplatz ist der prominenteste Platz in Chemnitz. Der Gedanke liegt nah, den Brunnen dort aufzustellen. Aber hier würde das Zusammentreffen des alten Rathauses mit dem Gründerzeitbrunnen wie ein gekünsteltes Stück Altstadt wirken. Zudem ginge auch hier die Wirkung des Brunnens auf dem offenem Platz ein Stück weit verloren.
Das Gegenüber des alten Rathauses sollte kein altstädtisches Wasserspiel sein. Das ist nicht Chemnitz. Die Stadt lebt optisch vom Kontrast Alt und Neu. Ich stelle mir gegenüber des Alten Rathauses ein modernes Kunstwerk vor. Ich denke da an die Standbilder von Michael Morgner. Diese Ästhetik schafft es, ein zu Chemnitz passendes Thema auszudrücken und am Standort das Alte Rathaus mit der gegenüberliegenden neuen Architektur zu verbinden.
Warum sollte der Saxoniabrunnen rekonstruiert werden?
Die Chemnitzer Innenstadt bietet nur wenige historische Ansichten. Der Saxoniabrunnen ist eines der wenigen Relikte aus der alten Chemnitzer Innenstadt, das von deren reicher Bausubstanz erzählt. Die neue moderne Chemnitzer Innenstadt braucht mehr historische Bezugspunkte.
Viel zu lange war der Saxoniabrunnen nicht Teil der Stadt Chemnitz. Er wäre eine Bereicherung für alle Chemnitzer und deren Gäste.
Ich schlage vor, einen Bürgerverein zu gründen, mit dem Ziel der authentischen Rekonstruktion des Saxoniabrunnens. Als Standort für den Saxoniabrunnen schlage ich den Düsseldorfer Platz vor.
In einer Stadt von der Größe Chemnitz sollte es gelingen, genügend Spendenmittel zu akquirieren, um so ein Vorhaben umzusetzen. Ähnliches ist mit der Rekonstruktion des historischen Glockenspiels im Alten Rathaus Chemnitz und dem Neubau der Orgel in der Schlosskirche schon gelungen.
Die Rekonstruktion des Saxoniabrunnens wäre ein Gemeinschaftsprojekt der Chemnitzer und ein schöner Beweis der Verbundenheit der Chemnitzer mit Ihrer Stadt.
Sandro Schmalfuß