So, bevor ich mich in die Osterfeiertage verabschiede, noch ein Thema, das mir schon länger unter den Nägeln brennt und zumindest entfernt noch mit der Kirche zu tun hat - das Luthereck.
Vorderbeschriftung: Frankfurt a. M. Domplatz, Luther Eck
Rückbeschriftung: Knackstedt & Nähther Lichtdruck Hamburg
Datierung: Nicht gelaufen, wohl 1900er Jahre
Das Luthereck ist sicher eines der spannendsten totalzerstörten Baudenkmäler der östlichen Altstadt, vor allem deswegen, weil abgesehen von einem bisher von mir nicht aufgefundenen, aus dem Jahr 1953 stammenden Kurzaufsatz noch nie etwas über eine Bildbeschreibung hinausgehendes zu seiner Baugeschichte verfasst wurde.
Aus diesen Beschreibungen, etwa in "Das alte Frankfurt" oder auch aus Texten von Lübbecke lässt sich entnehmen, dass das Haus 1576 erbaut wurde. Bereits 1577 versah der Besitzer einen zum Dom gewandten Kragstein mit einer Luther-Büste, umwunden von einem Spruchband mit einem Zitat aus dem Buch Jesaja "In silentio et spe erit fortitudo vestra", zu deutsch: "Im Schweigen und Hoffen wird eure Stärke sein". Damit wollte der Besitzer sein protestantisches Bekenntnis frecherweise gegenüber dem katholischen Domstift ausdrücken, keinesfalls aber hat jemals Martin Luther in dem Haus gewohnt, was u. a. Battonn 1853 urkundlich bewies. Das änderte trotzdem nix daran, dass man den Martin Luther-Mythos bereits Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Verkauf von dem, was wir heute Fanartikel nennen würden, ausschlachtete. Als bekanntestes Zeugnis haben sich Ansichtskarten erhalten, auf denen das bekannte Cranach-Porträt Luthers zusammen mit einer Hausansicht aufgedruckt ist.
Das Haus war trotz des 16. Jahrhunderts genau wie der Große und Kleine Engel an der Ecke [lexicon='Römerberg'][/lexicon] / Markt ganz in der Tradition eines gotischen Wohnturms erbaut und hatte als einziges Haus in Frankfurt drei übereinander liegende Kellergeschosse! Dass diese die Kriegszerstörungen überstanden haben, ist zwar unwahrscheinlich, aber nicht geklärt, zumal die Parzelle heute wieder bebaut ist.
Die älteste mir bekannte Ansicht des Hauses ist wieder ein Bild der Library of Congress, die auf das Jahr 1870 datiert (an der englischen Bildbeschriftung kann man übrigens erkennen, dass selbst die Amerikaner den Mythos offenbar für bare Münze hielten):
..und gleich noch ein Bild von Fay, vermutlich aus den 1880er Jahren (nach 1878, da man im Hintergrund das neogotische, in jenem Jahr erbaute Stadtarchiv sieht), von unterhalb des Torbogens links im oberen Bild fotografiert, der auch Zugang zum Hainer Hof war:
Im Vergleich zu der Lichtdruck-Postkarte von um 1900 erkennen wir eine Veränderung, die irgendwann zwischen 1880 - 1900 eingetreten sein muss! Der Erker hat die Aufschrift "Luther-|eck" erhalten, wofür die Laterne der alten Gasbeleuchtung entfernt wurde, der Eingang zum Domplatz wurde in ein Schaufenster verwandelt, zwei Fenster im zweiten und dritten Obergeschoss sind verschwunden, ebenso interessanterweise eine Gaube ganz oben im Dach. Nochmal Fay, um 1900:
Äußerst bedauerlich ist, dass es keinerlei Ansicht ohne Verschieferung gibt, lässt doch schon die schöne Verzierung des Erkerfusses darauf schließen, dass unter dem Schiefer so manches schöne Detail verborgen lag. Auf welcher Basis die frühe Restaurierung erfolgte, kann somit nicht ermittelt werden. Eventuell war das Fachwerk darunter auch so stark verändert, dass man es nicht mehr freilegen wollte - immerhin ist das Haus bis zur Zerstörung '44 verschiefert geblieben und wurde nicht bei der Altstadtsanierung in den 30ern freigelegt. Vielleicht kann Riegel ja mehr dazu sagen, ich weiß, dass auch er einige schöne Ansichten des Luthereck hat.