• Zu Beitrag 178:

    Man muß tatsächlich froh sein, daß Hamburg nicht der Versuchung erlag, den Turm von St. Nikolai abzureißen, doch gestützt auf Fotos aus der unmittelbaren Nachkriegszeit möchte ich behaupten, daß man andererseits auch nicht übertrieben respektvoll mit der Kirche umgegangen ist. Die Kirche war zwar komplett ausgebrannt, sämtliche Gewölbe eingestürzt, aber die Mauern von Schiff und Chor erhoben sich in voller Höhe, weitgehend sogar inklusive der empfindlichen Fialen, und die Streben der Maßwerksfenster waren gleichfalls in gutem Zustand.
    Erst durch Sprengungen in den 50er Jahren wurde aus der wiederaufbaufähigen Ruine der klägliche Rest, der heute noch zu sehen ist. Dabei wurden deutschlandweit Kirchen in einem weit schlimmeren Grad der Zerstörung wiederaufgebaut, aber bei St. Nikolai bestand offensichtlich kein Interesse daran, weder von Seiten der Stadt, noch von Seiten der Landeskirche, der durch die Citybildung bereits vor dem Krieg die Gemeinde weggeschrumpft war.
    Im Grunde genommen ist der Umgang mit St. Nikolai ein sehr trauriges Kapitel der Hamburger Wiederaufbaugeschichte.
    Natürlich ist die Ruine ein eindrucksvolles Mahnmal - aber manchmal kommen einem solche Mahnmale wie eine Verlegenheitslösung vor, wenn man die verschlungenen Pfade betrachtet, die schließlich zur Entscheidung für ein Stehenlassen der Restruine als Mahnmal führten.

    Das aber nur nebenbei.

    Das Video, das Sie weiter oben vorgestellt haben, ist sehr gut geworden und öffnet sicher vielen die Augen für den Verlust, den Bremen mit der Zerstörung und Beseitigung von St. Ansgarii erlitten hat, und hoffentlich führt es zu einem regen Interesse, die Kirche wiederzugewinnen.
    Man merkt Ihren stets so sorgfältigen und fundierten Beiträgen über St. Ansgarii übrigens an, wieviel Herzblut Sie in die ganze Sache investieren!


  • Sehr geehrter etinarcadiameo !

    Ihre Ausführungen zum Nachkriegs-Werdegang von St. Nikolai in Hamburg waren für mich sehr interessant, da mir diese Details bisher so nicht bekannt waren. Auch wenn man sich bei dieser Kirche natürlich gewünscht hätte, daß die Bausubstanz in Gänze hätte erhalten werden können – ebenso wie im ähnlich gelagerten Fall der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Charlottenburg – so konnte doch mit dem Turm zumindest ein sehr prägnanter Torso bis heute überdauern. Und hier unterscheiden sich Hamburg und Berlin/Charlottenburg eben fundamental von Bremen: An der Weser blieb von der Substanz der Kirche am historischen Ort überhaupt nichts ‚in situ’ bestehen. Der Wunsch vieler Bürger, wenn schon der Wiederaufbau in ‚alter Pracht und Herrlichkeit’ damals nicht möglich war, dann doch wenigstens (wie in Hamburg und Berlin/Charlottenburg) die noch aufrecht stehenden Teile als Mahnmahl zu konservieren, wurde in keiner Weise berücksichtigt. Heute, zwei Jahre vor dem Reformationsjubiläum, zeigen sich viele hiesige Kirchenvertreter – hinter vorgehaltener Hand – erbost darüber, daß man 1959 nicht wenigstens den – bis auf das Dach fast vollkommen intakten – authentischen Ort der ersten lutherischen Predigt vom 9. November 1522, die kleine südliche Chorseitenkapelle , gerettet hat. Dieser Ort wird folglich am 31. Oktober 2017 und auch im November 2022 bei den Gedenkfeierlichkeiten schmerzlich vermißt werden.
    Im Übrigen danke ich Ihnen sehr für Ihr erneutes Lob und die aufmunternden Worte. Diese haben mich sehr gefreut !

    Einmal editiert, zuletzt von Pagentorn (30. Oktober 2015 um 22:28)

  • Die Diskussion um das ‚City Center’ geht weiter, wie der anliegende Artikel aus den Bremer Nachrichten vom 24. Oktober 2015 und die darauf reagierenden Leserbriefe vom 31. Oktober 2015 beweisen:

  • Anbei ein brillanter Leserbrief in den ‚Bremer Nachrichten’ vom heutigen Tage (9. Dezember) zum Thema der ‚Neugestaltung der Bremer Innenstadt’. Die Leser hier im Forum werden sofort erkennen, wo sich innerhalb des Textes St. Ansgarii versteckt hat…
    Vielen Dank an den verdienstvollen Autoren !

  • Der anliegende Film behandelt die Bremen betreffenden Aufnahmen der Königlich Preußischen Meßbildanstalt. Natürlich existieren darunter auch Ansichten der Ansgariikirche. Diese dürften bei den technischen Vorbereitungen für den Wiederaufbau sehr hilfreich sein, zumal sie die Lage jedes einzelnen Backsteins sehr genau dokumentieren...


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  • Frage an die Moderation:

    Wie ich soeben feststellen mußte, fehlen leider bei meinen älteren Beiträgen (ab laufender Nr. 21 bis ca. Nr. 90) in diesem Strang die von mir beigefügten Bilder. Diese sind auch auf der Seite 'Architekturfotos' nicht mehr vorhanden.
    Ist dies eventuell ein technisches Versehen ? Oder liegen andere Gründe vor ?
    Es wäre schade, wenn die Bilder dauerhaft verschwunden wären, denn sie tragen doch sehr zur Verständlichkeit der einzelnen Beiträge bei.

  • Hallo, ich habe in den alten Beiträgen keinerlei Links zum Einbinden von Fotos gefunden, ein technisches Versagen kann ich ausschließen, da ja z. B. Fotos, die dort von Mündener eingebunden wurden, weiterhin angezeigt werden.

    Was ist denn mit "Seite Architekturfotos" gemeint? Ich habe lediglich einen nicht funktionierenden Bildlink in Ihren Beiträgen gefunden:

    Code
    <img src="@@0d02df48b98a193c79114029d99235bfe75d6b6d@@" wcf_src="@@0f30787be8fa2e484b9477786a71694dcc693c0c@@" alt=">" title=">" />

    Ich kann mir aber nicht vorstellen, daß mit diesem Code Fotos eingebunden werden können.

  • Worte des Landesdenkmalpflegers zu St. Ansgarii


    Nun ist es amtlich: Der Bremer Landesdenkmalpfleger Prof. Dr. Georg Skalecki bezeichnet den Abriß der Ansgarikirche als schweren Fehler und bescheinigt der seinerzeitigen Ruine eine Wiederaufbaufähigkeit (also wohl auch inklusive des Turms). Diese denkwürdigen Worte fielen innerhalb einer Diskussionsveranstaltung des Weser-Kuriers am 1. Juli 2016, in der neben dem Landesdenkmalpfleger auch die gegenwärtige Senatsbaudirektorin, Frau Prof. Dr. Iris Reuhter zu Wort kam. Dies ist meines Erachtens ein erster positiver Schritt. Weitere müssen natürlich folgen, so insbesondere die Überwindung der einhelligen Ablehnung von Rekonstruktionen durch - leider - beide Diskussionsteilnehmer. Aber Herr Professor Skalecki scheint mir da offenbar in einem Umdenkprozess zu sein, der für die Zukunft hoffen läßt.

    Für den, der die Worte im Original hören möchte, anbei ein Video der Veranstaltung. Ab Min. 15:57 wird es dann einschlägig... (bis Min. 17:44).

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    4 Mal editiert, zuletzt von Pagentorn (4. Juli 2016 um 17:14)

  • Artikel in den Bremer Nachrichten

    Heute erschien ein recht umfangreicher und sehr gut geschriebener Artikel über die Rekonstruktionsbestrebungen in den Bremer Nachrichten / im Weser Kurier. Verfaßt wurde er von dem Historiker und Journalisten Frank Hethey, der auch die Webseite 'Bremen History' leitet, welche mit dem lesenswerten Artikel über den Turmsturz am 1. September 2014 anläßtlich des siebzigjährigen Jubiläums online ging.

    Hier der Link zum heutigen Artikel:


    http://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-…id,1446954.html

    Hier der nochmals der Link zum Artikel über den Turmsturz von 2014:

    http://www.bremen-history.de/das-mauerwerk-…nd-zu-stoehnen/

  • Sehr löblich...

    Zitat

    Für Nils Huschke klafft eine offene Wunde im Stadtbild. Bis heute sei sie nicht geschlossen – die Lücke, die der Einsturz des St. Ansgarii-Turms am 1. September 1944 riss. Dass es keinen Trümmerhaufen gibt, keine Ruine wie viele Jahrzehnte am Standort der Frauenkirche in Dresden, ändert nichts an seiner Einschätzung. Mit dem Verlust der Ansgarii-Kirche sei das bauliche Gleichgewicht der Altstadt aus dem Lot geraten.
    In seinen Augen ist es ein städtebaulicher Sündenfall, was nach der sukzessiven Beseitigung der anfangs denkmalgeschützten Überreste dem alten Standort an der Obernstraße widerfuhr. Erst der Bau eines Kaufhauses, dann dessen Abriss nach gerade einmal 26 Jahren. Und heute der Ansgarikirchhof mit dem Bremer Carrée. Das kann in den Augen des Historikers nicht das letzte Wort sein. Sein Ziel lautet: den Boden zu bereiten für den Wiederaufbau, die Rekonstruktion der Ansgarii-Kirche.
    Die historische Bedeutung von Turm und Kirche liegt für Huschke auf der Hand. Nicht nur, weil von der Ansgarii-Kirche 1522 die Reformation in Bremen ausging. Sondern noch viel mehr, weil der mit über 100 Metern einstmals höchste Kirchturm Bremens lange Zeit die Stadtsilhouette dominierte – seit dem Einsturz des südlichen Domturms im Januar 1638. „Der Ansgarii-Turm war das herausragende Identifikationsobjekt der Bremer“, sagt Huschke. „Viel mehr als die Stadtmusikanten, der Roland oder die Speckflagge.“[...]

    Verein will den Wiederaufbau der Ansgarii-Kirche - Weserkurier

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Anbei drei Meinungsäußerungen aus dem Kommentarbereich der online-Ausgabe der Bremern Nachrichten / des Weser Kuriers, die zum gestrigen Artikel Stellung nehmen und die ich dem Forum nicht vorenthalten möchte:

    'Jacquemort'

    schrieb am 30.08.2016 13:01:

    Ich begrüße die Initiative, auch wenn sie wohl nicht kurzfristig realisierbar ist. Aber irgendwann ist der Einzelhandel vielleicht weitgehend ins Umland oder ins Internet abgewandert, und es ergibt sich eine Möglichkeit. Nicht nur Dresden oder Berlin erinnern sich des historischen Stadtbildes, auch in Frankfurt/Main ist mit dem Dom-Römer-Projekt eine erst umstrittene Rekonstruktion nun weitgehend umgesetzt worden. Und wenn man z.B. bedenkt, wie viele Barcelona-Touristen allein der Architektur wegen anreisen... Dass sich die Bremer Politik überhaupt nicht mit diesen Visionen und damit der Stadtgeschichte auseinandersetzen mag, ist schon etwas beschämend. Hier scheint noch immer der Geist der 1960er Jahre (Kauf- und Parkhäuser mit vierspurigen Zu- und Abfahrten) durch die Stadtplanung zu wehen. Dafür ist die Innenstadt m.E. aber zu eng.

    Solche historisch begründeten Projekte können durchaus eine Investition in die Zukunft sein, und oftmals langlebiger als gigantische Einkaufszentren à la Space-Park.
    Aber vielleicht sollte man erstmal, um die Bremer auf den Geschmack zu bringen, ein alternatives Projekt in die Wege leiten: den Wiederaufbau des Kornhauses, in historischer Bauweise und mit neuer Nutzung. "Die Fläche des einstigen Kornhauses ist frei." (Wikipedia:
    de.wikipedia.org/wiki/Kornhaus_(Bremen)

    'ToBa1983'

    schrieb am 30.08.2016 13:31:

    Auch wenn, ein derartiges Projekt für die (bescheidenden) Bremer Verhältnisse kaum realistisch erscheint, ist es richtig es mit einer längerfristigen Zielsetzung zu verfolgen.


    Nicht nur die Existenz des heutigen Bremen Caree, sondern auch die übrigen angrenzenden Gebäude erschweren eine Umsetzung. Zudem wird es keine Hilfe des Landes oder überregional geben.

    Dennoch ist als erster Schritt eine öffentlichkeitswirksame Professionalisierung zu wählen. Also der erwähnte und zwingend eine gutes Internetportal. Hier sollten Projekt vorgestellt werden, Fragen beantwortet werden, Ideen gesammelt und auch die Möglichkeit zweckgebundener Spendensammlung gegeben sein.

    Mit langem Atem ist dann vielleicht einiges möglich. Wichtig wären auch andere kleinere Projekte, damit ein Kreis Interessierter / Unterstützung sich bildet und merkt, dass wirklich etwas bewegt werden kann.

    Die Äußerungen der großen Parteien sind sicherlich realistisch (ist auch ihre Aufgabe) aber verkennt andererseits auch, dass die eigene Geschichte Bremens wichtig für die Identität der Stadt ist. Hierin liegen die nicht zu kopierenden Werte der Stadt Bremens mit denen man sich vor niemanden verstecken muss! Tourismus wird in Deutschland als Wirtschaftssektor immer bedeutender und Bremen Stück vom Kuchen kann noch merklich größer werden.

    Auch wenn es ein weiter Weg ist, bin ich mir sicher, dass ein Wiederaufbau der Ansgarikirche das Ansgariviertel in einer Art und Weise beleben und in den Kontext des historischen Bremen einbinden würde, wie es kein noch so kluges Konzept für ein City-Center jemals vermögen würde.


    'klaus28213'

    schrieb am 30.08.2016 18:07:

    Heute ist man sich einig, dass man damals mit dem Abriss einen Riesenfehler gemacht hat - genauso wie es mit dem alten Lloydgebäude war, der alten (neuen) Börse am Marktplatz...


    Andererseits macht Bremen heute weiterhin die gleichen Fehler, selbst wenn es sich eigentlich anböte, etwas für das Stadtbild zu tun. Wozu leistet man sich eine Senatsbaudirektorin, wenn sie gemeinsam mit Herrn Lohse für die weitere Verschandung der Altstadt steht? Das touristische Zentrum ist heute nicht am alten Ansgariplatz, sondern das Viereck Lieb-Frauen/Dom - Schnoor-Böttjerstraße-Martinikirche/Schlachte. Hier bot sich beim Umbau der Volksbank an der Domsheide oder aktuell beim Neubau von Kühne die einmalige Chance, eben diesem touristischen Zentrum wieder Niveau zu geben. Wachtstraße bis zur Weser durchbinden (Kornhaus/Torhaus wie bei bremen-history vom Originalautor des Artikels hier ja alles toll nachlesbar). Aber nein, Bremen nutzt diese Chance nicht.

    Deutlich günstiger als Bremens höchste Kirche wieder aufzubauen, wäre in der Tat das Kornhaus oder die alte (ALte) Börse vor der Liebfrauenkirche - westl. vom Rathaus oder den Giebel des Essighauses zu rekonstruieren.

    Die Ansgarikirche als Kirche wieder zu erstellen wäre genausowenig zeitgemäß wie Kräne an der Schlachte. Die Suburbanisierung der Bewohner und der Gemeinden der letzten 70 Jahre kann man nicht rückgängig machen. Ich bin für einen Wiederaufbau, aber im Rahmen eines Shoppingcenterkonzepts - eine Kirchenmall wäre eine bundesweite Attraktion, Schloss-Malls wie in Braunschweig oder (modern in) Oldenburg gibt es ja schon.

  • Welche Zigarrenmarke der hl. Ansgar wohl bevorzugte ?

    Der Turm von St. Ansgarii war nicht nur oft von Raben umschwirrt, wie viele ältere Bremer es noch berichten, sondern wohl ganz offensichtlich auch von ‚Zigarren’. In der einstigen Tabakstadt Deutschlands’ durchaus erwartbar….
    Das muß auch ich als Nichtraucher einräumen…

    Wer weiß, vielleicht findet sich ja ein Zigarrenfabrikant, der hochwertige Rauchwaren unter dem Namen ‚Ansgarii’ herausbringt und einen Teil des Erlöses für die gute Sache des Wiederaufbaus einbringt…

    floet:)

  • Öffentlich zugängliches, maßstabgerechtes Modell existiert bereits

    Ein in seinen Abmessungen detailgenaues Modell der alten Kirche, welches sich auch als Werbeträger für den Wiederaufbau einsetzten ließe, ist bereits vorhanden. Es befindet sich in der Vorhalle (oder sollte man besser von Narthex sprechen) der neuen Kirche an der Holler Allee. Dort bildet es - zusammen mit der Wetterfahne von der Spitze des am 1. September 1944 in sich zusammen gesunkenen Riesen und dem originalen, von der Hand Tischbeins stammenden Tafelbild des alten Hochaltars - den Erinnerungsort an das von 1944 bis 1959 sukzessiv Verlorene...

    2 Mal editiert, zuletzt von Pagentorn (3. September 2016 um 12:23)

  • Wow. :schockiert: Die Dimensionen des Turms werden durch dieses Modell erst richtig erkennbar. Die Bezeichnung "Riese" passt hervorragend. Die Haube ist meiner Meinung nach ein Highlight und habe ich so noch nirgens gesehen. Gibt es einen erhaltenen Bau mit fast ähnlicher/ gleicher Haube wie die des Ansgariiturms?

    Es gibt eine Architektur, die zur Landschaft gehört, sowie eine andere, die sie zerstört.

  • Vielleicht könnte man bei einem Wiederaufbau des Turmes als Vervollständigung der Stadtsilouhette wie beim Wiederaufbau des Köner Rathausturmes vorgehen: Von grob nach fein.

    1. Errichtung eines Stahlbetonskeletturmes auf einer Grundfläche, die in etwa um 1 m geringer ist als die des Turmes war. Einbau von Zwischenböden entsprechend der ehemaligen Turmgeschosse, filigrane Betonstützen mit Glasflächen dazwischen. Nutzung z.B.als Galerie- und Austellungsräume, vielleicht Teilfinanzierung durch ein Mobilfunkunternehmen für Nutzung als Sende- und Relaisstation.

    2. Originalgetreuer Aufbau der Turmhaube als weithin sichtbare Landmarke. Finanzierung durch Spenden/Mäzenen, z. B. symbolischer Verkauf von einzelnen Kupfertafeln der Turmhaut bei Namensnennung des Spenders im Turm.

    Im Zusammenspiel mit dem modernen Unterbau entstünde nun ein unangenehmer "Bruch", der nicht langfristig so stehen bleiben kann. Mit Simulation per bedruckter Plane, die teilweise am modernen Turmschaft angebracht wird, können weiterhin Spender mobilisiert werden für den Aufbau der Sandsteinwände, die wesentlich teurer und zeitlich aufwändiger sind als der Bau der Turmhaube.

    3. Suksessiver, geschossweiser originalgetreuer Aufbau der Turmwände gemäß der am [lexicon='Berliner Schloss'][/lexicon] angewandten Technik: Kernmauerwerk aus Vollziegeln mit äußerer Sandsteinschicht, dabei Ummauerung der Betonstützen und Einbeziehung der Zwischendecken und der Erschließung (Treppen, Aufzugsschacht). Finanzierung über namentliche Patenschaften für einzelne Steinblöcke, m² Füllmauerwerk oder einzelne Ziegel. Nutzung der Baustelle als Ausbildungsstätte für Bildhauer und Maurer, ebenso Schaubaustelle für die Vorführung historischer Bautechniken und evtl. -Geräte. Vollendung bis spätestens zum 100. Jahrestages des Einsturzes anstreben, also bis 2044.

    Dieses Vorgehen hätte den Vorteil, das relativ schnell die volle Wucht des Turmes von über 100 m wieder im Stadtbild erscheint und Bewohner und Besucher Bremens unausweichlich darauf aufmerksam werden. Aus der Ferne wäre dazu die Stadtsilouhette bald wieder komplett. Dies wäre unter Einsatzes eines einstelligen bis niedrig zweistelligen Millionenbetrages sicher bis zum Anfang des nächsten Jahrzehnts zu schaffen. Das temporäre Schaffen eines "unmöglichen" Zustandes (Historische Haube auf Betonunterbau würde dann Spenden für den finanzintensiveren Teil geradezu herausfordern. Parallel könnte durch den schon vorhandenen Teilturm eine starke Marke "Ansgariviertel" geschaffen werden und damit für diesen Innenstadtbereich geworben werden (sofern es dort z. Zt. Defizite gibt).

    Das Kirchenschiff könnte dazu parallel zur ersten Phase als Konzertgebäude oder Markthalle errichtet werden. Beide Nutzungen waren im Mittelalter und bis ins 18. Jahrhundert in vielen Kirchen Norddeutscher Städte zu finden ("Hamburger Dom"). M. E. müsste das Kirchenschiff äußerlich nicht exakt 1:1, aber in Kubatur (insbesondere die Dachformen) und Materialien entsprechend aufgebaut werden - die kunsthistorische Bedeutung war wohl eher städtebaulicher und geschichtlicher Natur als über die Detailgestaltung der Wände und Fenster.

    Wer zwischen Steinen baut, sollte nicht (mit) Glashäuser(n) (ent)werfen...

    4 Mal editiert, zuletzt von Ein_Hannoveraner (3. September 2016 um 16:14)

  • Sehr geehrter 'Ein_Hannoveraner',

    ganz herzlichen Dank für Ihren praxisnahen Beitrag, der in seiner pragmatischen und gleichzeitig zielorientierten Herangehensweise einfach vorbildlich ist !

    Man müßte Sie für eine Mitarbeit hier in Bremen gewinnen können, denn Sie sind ein wirklicher Gewinn für jedes Rekonstruktionsvorhaben. Aber ich fürchte, die gleichgesinnten Mitbürger an der Leine werden Sie wohl eher nicht an die Weser ziehen lassen...

    Nochmals vielen Dank und Bravo !!!


    cclap:)

  • St. Ansgarii wird wiederaufgebaut !

    Der sensationelle Unterton und die Stellung gleich am Beginn eines Artikels aus dem Jahre 1957 machen diesen Satz sehr aufschlußreich, denn unter diesen Umständen geht aus ihm – meines Erachtens – überdeutlich hervor, daß sich so manch damaliger Bremer im tiefsten Herzen gewünscht hätte, die Worte würden die Realität wiedergeben und hätten sich nicht lediglich auf ein Modell bezogen.

    Sehen wir deshalb zu, daß das Modell, welches ja heute in der Vorhalle der neuen Kirche an der Holler Allee steht, tatsächlich nur den frühen Vorreiter der Rekonstruktion des historischen Gotteshauses darstellt…