München - die Kirchen (Galerie)

  • Erstens entsprach es dem eher puristischen Zeitgeschmack der Nachkriegszeit und einer damals vorherrschenden Geringschätzung des Historismus (und wurde auch vor Einführung des Bayer. Denkmalschutzgesetzes 1973 durchgeführt) und zweitens argumentierte man in diesem Fall gerade damit, dass G. v. Seidl mit der Dekoration nicht glücklich war und fühlte sich dadurch in der Entscheidung legitimiert.

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Wir gehen in die Ludwigsvorstadt.

    Ehem. Spitalkirche St. Elisabeth

    Mathildenstraße 10
    Erbaut 1758-60
    Typus: oktogonaler Zentralraum mit Pendentifkuppel, querrechteckigem Altarraum und ebenfalls querrechteckigem Vorraum mit Orgelempore

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    Baugeschichte:

    - 1754 Ansiedlung des Pflegeordens der Elisabethinerinnen in der Nähe des kurz zuvor gegründeten Spitals der Barmherzigen Brüder auf Veranlassung der Kaiserinwitwe Maria Amalie
    - 1757 Grundsteinlegung zum Kloster- und Spitalbau der Elisabethinerinnen
    - 1758 Grundsteinlegung zur Spitalkirche St. Elisabeth, Entwurf der Kirche wahrscheinlich von Leonhard Matthäus Gießl, evtl. auch von Johann Michael Fischer
    - 1760 Fertigstellung der Anlage samt Kirche mit Ausnahme der Fassade und der Innenausstattung und vorläufige Benediktion der Kirche
    - 1765 Fresken in der Kuppel, am Chorgewölbe, sowie Zwickelkartuschen und Monogramme von Matthäus Günther
    - 1777 Errichtung von Hochaltar und Kanzel nach Entwürfen von Ignaz Günther (Ausführung Joseph Häringer) und endgültige Weihe
    - 1790 Fertigstellung der Fassade wahrscheinlich nach Entwurf von Franz Anton Kirchgrabner
    - 1809 Auflösung der Ordensniederlassung der Elisabethinerinnen, ab 1823 Nutzung des Spital- und Klostergebäudes für das hierher transferierte Heiliggeistspital
    - 1844-48 Erweiterung des Spitalgebäudes zu einer symmetrisch sich um die Kirche gruppierende, um einen rückwärtigen Trakt erweiterten Vierflügelanlage
    - 1907 Abriss des Spitalgebäudes nach Auszug des Heiliggeistspitals und Neubau von Poliklinik und Augenklinik unter Beibehaltung und Einbeziehung der Kirche
    - 1943 schwere Zerstörung der Kirche bis auf Fassade und Umfassungsmauern, Gewölbe und Ausstattung weitgehend vernichtet
    - 1963-65 Rekonstruktion der Raumschale durch das Universitätsbauamt
    - 1966-71 Teilrekonstruktion von Hochaltar und Kanzel unter Verwendung von einigen aus dem Schutt geborgenen Skulpturen durch Josef Lang und die Bildhauer Höpfl, Konrad und Rösner
    - 1990/91 Restaurierung


    St. Elisabeth wurde als Spitalkirche für die Elisabethinerinnen erbaut, welche mit Unterstützung der Witwe von Kaiser Karl VII., Maria Amalia, 1754 nach München gekommen waren. Diese höchste Protektion mag auch der Grund gewesen sein, weshalb zunächst zwei außergewöhnlich qualitätvolle Fassadenentwürfe samt Innenentwurf erstellt wurden, deren Urheber wahrscheinlich niemand Geringerer war als Johann Michael Fischer; diese Entwürfe wurden dann allerdings nicht realisiert, vermutlich weil das Projekt zu teuer gekommen wäre. Bei Verwirklichung dieser Entwürfe, in denen neben böhmischen Einflüssen auch die ebenfalls von Fischer stammende Fassade des Marienmünsters in Dießen am Ammersee anklingt, wäre wohl eine der feinsten und elegantesten Kirchenfassaden des bayerischen Spätbarock entstanden. Die schließlich in einfacheren Formen erbaute Kirche übernahm zwar das grundsätzliche, dreiteilige Innenschema des Entwurfs von Fischer, orientierte sich in ihrer Fassadengestaltung aber an der Damenstiftkirche, wobei die erst 1790 fertiggestellte Fassade noch mehr als jene der Damenstiftkirche klassizistisch geprägt ist. Der Architekt des letztendlichen Entwurfs ist nicht gesichert: Norbert Lieb schrieb die Kirche aufgrund stilistischer Übereinstimmungen trotzdem J. M. Fischer zu, in neueren Publikationen, u.a. bei Bernhard Schütz, wird sie aber dem Hofmaurermeister Leonhard Matthäus Gießl und die Fassade dem aus dem Fischer-Umkreis stammenden Franz Anton Kirchgrabner zugeschrieben.

    Die Deckenfresken wurden von einem der großen Meister des süddeutschen Rokoko gemalt, von Matthäus Günther, von dem u.a. auch das Kuppelfresko in der Abteikirche von Rott am Inn stammt. Die drei Fresken, deren mittleres in einer Schwarz-Weiß-Aufnahme überliefert ist, wurden zusammen mit dem Gewölbe und dem Großteil der Ausstattung im 2. Weltkrieg zerstört, von der Kirche blieben nur die Umfassungsmauern. Im Anschluss wurde zwar das Äußere der Kirche, das Gewölbe sowie der Hochaltar und die Kanzel wiederhergestellt bzw. rekonstruiert, aber im Gegensatz zu den meisten anderen Kirchen der Innenstadt nicht die restliche Ausstattung, weswegen sich der Kirchenraum heute relativ kahl präsentiert; vor allem das Fresko von Matthäus Günther ist ein herber Verlust.

    St. Elisabeth ist heute der Sitz der griechisch-katholischen Unierten Rumänischen Kirche; “uniert” bedeutet, dass sie mit der römisch-katholischen Kirche verbunden ist und den Papst als geistliches Oberhaupt anerkennt. Gleichzeitig aber hat sie ihren östlichen Ritus beibehalten, weswegen in St. Elisabeth vor dem Hochaltar auch eine Ikonostase steht.


    Zunächst die wahrscheinlich von Johann Michael Fischer stammenden und nicht realisierten Entwürfe von 1757:

    Fassadenentwurf Nr. 1:

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    Fassadenentwurf Nr. 2:

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    Längsschnitt:

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    Dann einige Innenansichten vor der Zerstörung:

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    Das zentrale Kuppelfresko von Matthäus Günther, das Wirken des Elisabethinerinnenordens darstellend:

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    Weitere historische Innenansichten bei Google Arts & Culture (dort fälschlicherweise als Herzogspitalkirche bezeichnet):

    - https://artsandculture.google.com/asset/münchen-katholische-herzogspitalkirche-sankt-elisabeth-0012-und-0013/SgE4enCWHayu9A
    - https://artsandculture.google.com/asset/münchen-katholische-herzogspitalkirche-sankt-elisabeth-0012-und-0013/qQHm4omU2uhUtw
    - https://artsandculture.google.com/asset/münchen-katholische-herzogspitalkirche-sankt-elisabeth-0012-und-0013/mAHSknNRpJ9icQ

    Ansicht nach der Zerstörung (Foto von 1946):

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    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Der heutige Innenraum:

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    Die wiederhergestellte Kanzel von Ignaz Günther:

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    Einer der beiden Beichtstühle:

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    Weitere Fotos von St. Elisabeth hier: https://www.flickr.com/photos/1619455…177720316248049

    Zum Schluss möchte ich noch die Situation an der Mathildenstraße gegenüber der Elisabethspitalkirche zeigen, wo das 1881/82 bzw. 1895/96 erbaute Mathildenstift, ein Altenheim, einen Ehrenhof bildet und zusammen mit der Elisabethspitalkirche ein hübsches Ensemble ergibt:

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    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Sehr schön gelungen ist die Integration der Ikonostase. In den meisten ostkirchlichen (egal ob uniert oder orthodox) Nachnutzungen wird zumeist auf stilfremde Lösungen zurückgegriffen, hier bildet es stilistisch eine Einheit mit dem Hochaltar.