Danke für die Links zu Prag. Vor allem das zweite Bild ist interessant, weil dort ein barockes Mansarddach abgebildet ist. Auf solchen ist es besonders schwer, Klosterziegel anzubringen. Ich vermute aber, dass zu barocker Zeit in Prag keine Klosterziegel mehr produziert wurden, und diese dort einfach wiederverwendet worden sind.
Zumindest im Bodenseeraum mache ich die Erfahrung, dass im Verlauf des späten 16. Jahrhunderts Klosterziegel durch Biberschwanzziegel abgelöst werden. In St. Gallen war es so: 1418 Brannte die ganze Stadt inklusive Kloster letztmals ab. Die Wohnhäuser waren damals praktisch noch alle mit Brettschindeln bedeckt. In der Literatur findet man leider nur unklare bis widersprüchliche Angaben zur Empfehlung oder Zwang zur Eindeckung der Dächer mit Dachziegeln. Mal liest man, dass den Bürgern die Ziegeldeckung vorgeschrieben wurde, mal liest man, dass jedem Bürger, der sein Haus mit Ziegeln deckte, die Hälfte der Ziegel geschenkt wurde. Einem Tatsachenbericht hundert Jahre später entnehme ich folgendes (offenbar waren Brettschindeln auch damals in der Stadt noch weit verbreitet):
Johannes Rütiner, ein St. Galler Bürger, schrieb zwischen 1529 und 1539 ein Tagebuch mit allem erdenklich Möglichem (http://www.zwingliana.ch/index.php/zwa/article/view/312/223). Dort entnehme ich, dass jedes Jahr vom Rat per Losentscheid vier Bürger verpflichtet wurden, ihre Dächer mit Ziegeln einzudecken. Brettschindeln mussten damals also noch recht verbreitet gewesen sein.
Auf Fotos um 1900 entnehme ich, dass noch mehr als die Hälfte der historischen Häuser Klosterziegel trugen. Der letzte grosse öffentliche Bau, den die Stadtrepublik 1584/85 erstellte, das heute noch bestehende Waaghaus, erhielt ein Klosterziegeldach. Hingegen hatten viele bessere Bürgerhäuser des frühen 17. Jahrhunderts Biberschwanzeindeckungen. Freilich könnten diese später erst komplett mit neuen Ziegeln umgedeckt worden sein, was aber nicht dem Naturell der St. Galler entspräche. Deshalb nehme ich eine Ablösung der Klosterziegel durch Biberschwänze um 1600 an.
Hier mal ein Beispiel von einem Rest eines Klosterziegeldaches in St. Gallen, auf dem Hinterhaus von Goliathgasse 27 (die Eindeckung heute leider nicht mehr vorhanden):
Wie man sehen kann, sind im vorderen Bereich trotz geringer Dachneigung die obenliegenden Mönche nach unten gerutscht. Die Nonnen haben auf ihrem Rücken an der oberen Kante eine Nase, mittels derer sie auf der Ziegellattung eingehängt werden. Die Mönche hatten keine Nasen, dafür aber am oberen Ende zwei seitliche Einbuchtungen, die ein Abrutschen des nächst oberen Mönchs verhindern sollten. Sie hielten einfach durch ihr Eigengewicht. Moosbewuchs und Schneefall resp. Schneeschmelze können die Mönche aber leicht anheben, sodass sie trotzdem mit der Zeit hinunterrutschen. Die Mönche sind auch ein bisschen schmaler als die Nonnen. Infolge der oberen Lage waren sie mehr der Witterung ausgesetzt als die Nonnen, weshalb sie schneller kaputt gingen als die Nonnen. Mit der Zeit hatte man also einen Überschuss an Nonnen auf einem Klosterziegeldach, sodass bei Umdeckungen einige Nonnen auch als "Oberdeckler", also als Mönchsersatz, verwendet wurden. Auf dem Bild sind es diejenigen Ziegel, die an der unteren Kante eine Nase besitzen.
Von meiner Wohnung aus sah das dann so aus.
Von unten her sieht man den wellenförmigen Verlauf der Ziegelreihen in Neigungsrichtung, was im Laufe der Zeit durch Schnee und Reparaturen verursacht wurde.