So, liebe ApHler, jetzt habe ich lange genug von den Mühen Anderer profitiert. Um meiner Schuldigkeit gegenüber dem Forum nachzukommen und endlich auch einmal etwas abzuliefern, habe ich mich vor ein paar Tagen in den Zug gesetzt und bin in das nahe bei Tübingen gelegene Hechingen gefahren, eine Stadt, angesichts derer relativ großen Bedeutung es doch verwundert, dass sie hier nie Thema war. Gerade durch die Burg Hohenzollern verfügt Hechingen ja über ein Wahrzeichen, das sicherlich zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten Deutschlands gehört. Doch auch abgesehen davon hat Hechingen einiges zu bieten. Zwar ist die Alstadt größtenteils die einer durchschnittlichen schwäbischen Kleinstadt und reicht nicht an Tübingen, Herrenberg oder Rottenburg heran. Hechingen sticht aber durch bedeutende Einzelbaudenkmäler hervor, die man in einem Ort dieser Größe überhaupt nicht erwarten würde. Man spürt noch den Glanz jener Tage, als Hechingen Residenzstadt einer eigenständigen Herrschaft war und diese Reste einer großen Vergangenheit sind heute von einem melancholischen Hauch verblichener Glorie umweht. Man muss sich das einmal vorstellen: Früher war Hechingen ein unabhängiges Fürstentum, heute ist es nicht einmal mehr Verwaltungssitz des Landkreises, zum dem es gehört.
Aber fangen wir von vorne an: Hechingen steht auf uraltem Boden. Schon die Römer haben hier gehaust und ihre Spuren hinterlassen. So zeugt die rekonstruierte "Villa Rustica" in Hechingen-Stein (die es übrigens schon in ein Asterix-Heft geschafft hat ) von dem antiken Reich, das damals den Süd-Westen des heutigen Deutschlands unter seine Herrschaft gebracht hatte. Die Region des heutigen Hechingens gehörte zum Dekumatland, das wiederum Teil der Provinz "Germania superior" war. Nach dem Zusammenbruch der römischen Herrschaft in diesem Landstrich kamen die Alamannen, die wohl die Siedlung Hechingen gründeten. Alleine die Namensendung "ingen" spricht ja schon für einen alamannischen Ursprung. 786 wurde die Existenz Hechingens dann zum ersten Mal als "Hahhingum" in einer St. Gallener Urkunde bezeugt.
Hechingens Schicksal war immerschon eng mit der Familie der Zollern verbunden, die von dem gleichnamigen Berg aus im Mittelalter eine umliegende Grafschaft beherrschten. Zum ersten Mal 1061 begegnen uns Angehörige dieser Dynastie, Burchardus und Wezil, in einer Schriftquelle. Wer hätte damals gedacht, zu welchen Gipfeln dieses Geschlecht noch emporklimmen sollte? Spätestens um 1255 war Hechingen dann Stadt, wie man aus einer Urkunde weiß, die das Vorhandensein eines Schultheißen bezeugt. Aber die enge Beziehung zu den Zollergrafen brachte der Stadt nicht nur Vorteile. So wurde Hechingen in die Konflikte gezogen, welche die Zollern mit den immer mächtiger werdenden Württembergern ausfochten. Zwischenzeitlich musste Hechingen aufgrund zollerischer Schulden sogar an Württemberg verpfändet werden. 1401 wurde die Stadt von einem Brand verwüstet. Die für die Wiedererrichtung benötigten Summen stürzten den Grafen Friedrich von Zollern, welcher als "der Öttinger" in die Geschichtsbücher eingegangen ist, noch mehr in die Bredouille. Die Schulden und eine Fehde mit Rottweil sorgten für seinen Untergang: Eine Allianz aus Schwäbischem Städtebund, Württemberg und seinem verfeindeten Bruder rang ihn nieder. Die Burg auf dem Hohenzollern zerstörte man und erst einige Dekaden später wurde vom Kaiser die Wiedererrichtung genehmigt.
Unter Eitel Friedrich IV., der von 1545 bis 1605 lebte, erblühte Hechingen im Glanze der Renaissance. Dieser Herrscher war der erste Regent von Hohenzollern-Hechingen, nachdem sein Vater das Erbe unter drei Söhnen aufgeteilt hatte. Auch Hohenzollern-Sigmaringen und Hohenzollern-Haigerloch (das später an die letztgenannte Herrschaft fiel) waren so entstanden. Eitel Friedrich IV. ließ viel in Hechingen bauen: So entstanden beispielsweise die Klosterkirche St. Luzen, das Spital, der Untere Turm und ein Residenzschloss. Die Betrachtung der erhalten gebliebenen Gebäude lässt erahnen, woher Eitel Friedrichs Beiname "der Prächtige" kommen mochte. Er förderte Kunst und Kultur. Im Gegensatz zu Württemberg blieb Hohenzollern-Hechingen nach der Reformation katholisch. Im dreißigjährigen Krieg wurde Hechingen Schauplatz mehrerer Kämpfe und von verschiedenen Armeen geplündert, sodass es im Anschluss komplett ausgepresst dastand.
In der napoleonischen Ära war Hohenzollern-Hechingen Teil des Rheinbundes. Die Freundschaft zwischen Napoleons Gemahlin Josephine und Amalie Zephyrine von Hohenzollern-Sigmaringen, die sich für ihre Verwandten einsetzte, ersparte Hohenzollern-Hechingen die Mediatisierung. Nach dem Untergang des französischen Kaisers und dem Wiener Kongress trat das Fürstentum dem Deutschen Bund bei.
Unter dem letzten regierenden Fürsten, Konstantin, erlebte Hechingen noch einmal eine Blütephase: Gemeinsam mit seiner 1826 geheirateten Gattin Eugénie de Beauharnais, einer Stiefenkelin Napoleons, machte er Hechingen zu einem Zentrum von Kunst und Kultur. Besondere Leidenschaft empfand Konstantin für die Musik. Berühmtheiten wie Franz Liszt kamen zu Besuch nach Hechingen, das, im Rückblick betrachtet, die letzten Jahre der Unabhängigkeit in vollen Zügen auszukosten schien. Eugénie, die sich auch wohltätig engagierte, starb 1847 noch recht jung. Zwei Jahre später trat ihr Witwer Konstantin in Reaktion auf die Rebellionen von 1848 seine Herrschaft gegen Zahlungen an Preußen ab. Hiermit verlor Hechingen seine Eigenständigkeit an Berlin und war fortan als Oberamtsstadt Teil der "Hohenzollernschen Lande", offiziell bezeichnet als "Regierungsbezirk Sigmaringen". Hechingen und Sigmaringen, deren Fürsten ihre Länder dem mächtigeren Familienzweig im Norden überlassen hatten, gehörten also nun zu Preußen. Auch das blühende jüdische Leben in Hechingen verdient eine Erwähnung: Nachdem es hier schon im Spätmittelalter Juden gegeben hatte, stellten sie im 19. Jahrhundert zeitweilig bis zum einem Viertel der Stadtbevölkerung. Dem brachte der Nationalsozialismus ein jähes Ende. Viele Hechinger Juden wurden umgebracht, die Synagoge zerstört.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war Hechingen Teil der französischen Besatzungszone und gehörte zu dem Land "Württemberg-Hohenzollern", das 1952 mit "Baden" und "Württemberg-Baden" den Südweststaat "Baden-Württemberg" gründete.
Damit endet der kurze ( ) Exkurs in die Geschichte Hechingens. Ich denke, ein Verständnis für Vergangenheit der Stadt hilft dabei, ihren besonderen Charakter zu verstehen. Heute hat Hechingen grob 19.000 Einwohner und ist Teil des Zollernalbkreises, der wiederum zum Regierungsbezirk Tübingen gehört.
Die Highlights der Stadt sind neben dem Hohenzollern - von dem ich zwar abgesehen von der Ansicht aus Hechingen hinauf keine Bilder habe, solche aber auf Wunsch gerne nachliefern kann - wohl die Klosterkirche St. Luzen, die Stadtkirche St. Jakobus, der Schlossplatz und die Villa Eugenia.