Es ist wirklich kompliziert mit der Politik. Einerseits finde ich es gut, dass es Linke, SPD und Grüne in Berlin am Ball sind weil sie die einzigen sind, die sich für Straßenbahn- und Radverkehr und gegen immer mehr Autoverkehr einsetzen. Der nun vorgesehene Ausbau des Straßenbahnnetzes ist schon unglaublich, wenn er diesmal wirklich so umgesetzt wird. Für mich gehört zu einer urbanen Großstadt einfach ein vernünftiges Straßenbahnsystem dazu und wenn man sich Bilder aus dem Berlin vor dem Krieg, vor allen der Kaiserzeit und den 20er Jahren ansieht, sind einfach überall in dichtem Takt Straßenbahnen zu sehen. Man nehme nur mal Bilder vom Potsdamer Platz oder aus der Leipziger Straße. Es war ein Riesenfehler, diese abzuschaffen. Die Viertel, in denen heute Altbauquartiere plus Straßenbahn zusammentreffen sind an Urbanität kaum zu überbieten wie z.B. Prenzlauer Berg oder Friedrichshain. Wenn also bald wieder Straßenbahnen über den Potsdamer Platz oder zum Bahnhof Zoo rollen ist das für mich auch wieder ein Stück "Stadtgesundung", also Wiederherstellung eines Stücks historischen Berlins der 20er Jahre mit all seiner Lebendigkeit. Soweit das Positive der Linken, Grünen etc.
Negativ und absolut unverständlich ist natürlich nun die Einstellung zur historischen Stadt. Ich verstehe nicht was diese Leute gegen Wiederherstellung des historischen Stadtgrundriss oder historischer Gebäude haben. Es geht doch dabei in erster Linie um eine harmonische Stadtgestaltung. Wenn Teile dieser Politiker aus alten SED oder sonstwelchen DDR-Kreisen kommen und nun den Bau des Schlosses als Angriff auf ihre "Tradition" betrachten, muss man dies irgendwie richtig stellen. Die Leute sind nun gewählt und wir müssen damit klar kommen. Vielleicht kann man sie irgendwie überzeugen, dass es hier nicht um eine Rückkehr zur Monarchie oder einen Hass auf alles was zu DDR-Zeiten gebaut wurde geht sondern einfach um ein schönes, lebenswertes Berlin, was auch seine Traditionen achtet? Vielleicht muss man auch mehr herausstellen, wie tolerant Preußen war?
Man muss an dieser Stelle auch die besondere Situation in Deutschland betrachten wenn man auf Rekonstruktionsgegner trifft: Kaum ein Land war so stark zerstört nach dem Krieg und vor allem hat kaum ein Land noch nach dem Krieg so viel selber zerstört und zwar in Ost wie in West gleichermaßen aus rein ideologischen Gründen. Wenn man jetzt das Schloß von außen mit 3 Fassaden wiederherstellt, ist das doch wirklich nur ein minimaler Tropfen auf den heissen Stein wenn man bedenkt, was alles weg ist und vor allem was alles mutwillig zerstört würde. Ich sag nur Anhalter, Lehrter, Stettiner, Görlitzer und Postdamer Bahnhof, Wertheim, Georgenkirche, Petrikirche, Fischerinsel usw. Im Grunde müsste man alles wieder aufbauen! Aber dass sich nun Poltiker selbst über solch kleine Details wie Kolonnaden oder Neptunbrunnen aufregen verstehe ich nicht. Irgendwie muss man sie überzeugen, wie viel zerstört wurde und wie wenig noch da ist. Z.B. durch Schwarzpläne oder mal den Film "Ein Tag im Juli 1945" zeigen und danach/davor mal "Berlin - Symphonie einer Großstadt". Vielleicht muss man ihnen auch klar machen dass es nicht gegen DDR-Architektur geht. Für mich gehört z.B. auch der Fernsehturm sowie die "Stalin"-Allee absolut zu Berlin und ich würde das nie abreissen wollen. Wenn man auch direkt links und rechts der Allee mal wieder die Königsstadt rekonstruieren könnte denn die Bauten in zweiter und dritter Reihe haben städtebaulich keine Qualität. Vielleicht kann man sie auch überzeugen in dem man z.B. darauf verweist was der "solzialistische Bruder" in Polen so alles getan hat mit den Altstätten von Warschau, Breslau und Danzig.
Was meint ihr? Vielleicht lassen sie sich mit Argumenten überzeugen oder ist das utopisch? Wie seht ihr das mit dem Straßenbahnnetzausbau?