Ideologische Stadtplanung - Die Einheitsfratze der Fußgängerzone

  • Na ja, so schlecht sollte man die FuZos auch nicht dastehen lassen, immerhin haben sie die zerfransten und zerstörten Innenstädte nach dem Krieg in die heutige Zeit gerettet, in dem sie diese atraktiver gemacht haben. Das gilt auch heute noch. Eine Innenstadt ohne FuZo hat gegen die Einkaufszentren, die da überall sprießen, keinerlei Chance! Die autogerechte Innenstadt mit Parkplätzen wäre keine Konkurrenz zu den aufkeimenden Shopping Malls auf der grünen Wiese gewesen, da hier auch der Kunde oft nach Ambiente und Attraktivität seine Erledigungen plant.
    Die Alternative wäre in den 50-80ern wohl das langsame Sterben der Innenstädte und Abwanderung der Geschäfte in die Peripherie gewesen.

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • So richtig logisch und durchdacht scheint mir der FAZ-Artikel bezüglich der Abschaffung von Fußgängerzonen nicht zu sein. Ansonsten dürfte er bei den verkaufsgängig gestalteten Räumen der Einkaufszentren keineswegs aufhören und müsste folgerichtig die Forderung erheben, dass auch dort per PKW bis zur Ladentür gefahren werden darf. Nach dieser Logik eigentlich verwunderlich werden dort zur Bewältigung von Einkaufstouren gemeinhin mehrere Kilometer zu Fuß zurückgelegt.

    Ich selber empfinde und praktiziere es hingegen umgekehrt: Dort, wo ich unter freiem Himmel bin und der Sonne und dem Wetter nicht entzogen, dort, wo ich angeregt durch eine einmalige Architektur bin, lege ich gemeinhin mühelos längere Wegstrecken zurück als dort, wo die Wege recht verkaufsgängig weitgehend vorherbestimmt sind.

    Der FAZ-Artikel hat seine argumentative Schwäche durch die Gleichsetzung von Straße und Fahrbahn und diese Gleichsetzung und Nichtdifferenzierung scheint mir ein allgemeines Problem zu sein. Um es wirklich zu differenzieren: Überall da, wo eine Fahrbahn ist, ist gewiss auch eine Straße, doch nicht überall da, wo eine Straße ist, muss auch eine Fahrbahn sein. Zweitgenanntes mag sich jeder durch Straßentheater, Straßenmusik und Straßenleben im eigentlichen Sinne versinnbildlichen, wobei alles drei Genannte dort stattfindet, wo rein zahlenmäßig am wenigsten technische Fortbewegungen stattfinden, die gemeinhin immer mit einer gewissen Unruhe einhergehen. Die also reine Fußgängerbereiche sind oder in Form des einzigen technischen Fortbewegungsmittels durchquert werden, dessen Bewegungszahl gering und dessen Fahrweg durch Schienen und Oberleitung anschaulich vorherbestimmt ist: der Staßenbahn.

    Mit anderen Worten: AufentHALTsqualität ist gemeinhin dort, wo die Zahl technischer Fortbewegungen vergleichsweise gering ist oder wo sie gar nicht stattfinden, wo die sich AufHALTenden nicht zum Störenfried per Definition werden. Viele Straßenbreiten gemessen von Hauswand zu Hauswand, schließen schon aufgrund der beschriebenen AufentHALTsqualität Fahrbewegungen mit dem platzbeanspruchendsten Verkehrsmittel Auto schlichtweg aus.

    Um es konkret zu machen, ist der Durchgang durch das Brandenburger Tor in Berlin das trefflichste Beispiel dafür. Seitdem das dort so ist, kann dieses stadtbildprägende Bauwerk zu jeder Zeit an jedem seiner Durchgänge ganz spontan durch bloßes Anhalten zu Fuß in Beschau genommen werden, als dass einer der Durchgänge zur bloßen Durchfahrt herabgewürdigt, diese Möglichkeit nicht mehr böte. Gewiss kein Zufall ist es, dass nicht nur Touristenführungen, sondern auch die Erkundungen in der eigenen Stadt, was die Filigranität der Baukultur angeht und die damit einhergehenden Wertschätzung der Altstädte und wenn das nicht nur ein flüchtiges touristisches Vorbeistreifen darstellen soll, dieses selbstverständlich eben zu Fuß stattfindet. Wer Bauten entziifern will, nähert sich ihnen gemeinhin mit Fußgängergeschwindigkeit, derjenigen Geschwindigkeit also, die der Geschwindigkeit zu unebener Erde seinerzeit mit Pferd und Wagen gewiss am Ähnlichsten ist. Abgesehen davon, dass wer Auto oder auch nur Fahrrad fährt, sich auf anderes, also auf die Verkehrslage und nicht etwa auf Bauten konzentriert, wäre die Vorbeifahrt per Auto oder auch nur per Fahrrad hierfür viel zu schnell.

    Wer schauen will, der braucht Ruhe zum Schauen, ohne dabei befürchten zu müssen, umgefahren zu werden. In engen Straßenverläufen und in Straßenverläufen, bei denen keine technische Fortbewegung unabdingbar stattfinden muss, kann dies nur zu Fuß geschehen.

  • Ich denke, eine komplette Abschaffung von Fußgängerzonen kann niemand wirklich wollen. Der Durchgangsverkehr sollte aus den Innenstädten herausgehalten werden, und wer unbedingt bis vor die Geschäfte fahren will, sollte kräftig zur Kasse gebeten werden. Ich persönlich halte das Konzept der "Autoarmen Innenstadt" zielführender als die komplette Sperrung. [lexicon='Leipzig'][/lexicon] zeigt prima wie dieses Konzept funktioniert. Zwar gibt es auch dort die klassische Variante, Markt, Peters-, Grimmaische, Hainstraße und Barfußgässchen sind ja auch autofrei, aber alle anderen Straßen können befahren werden. In der Nikolaistraße hat mich der "Autoverkehr" noch nie gestört. Es darf eben bloß keine Schleichwege durch die Innenstadt geben, sonst wird's ungemütlich. In Hamburg ist es ähnlich. Man muss nur darauf achten, dass die Trottoirs breit genug sind, und dann läuft das gleichberechtigte miteinander. Der rege Taxi- und Busverkehr auf der Mönckebergstraße belebt die Stadt eher, als dass er stört.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.