"In welchem Stil wollen wir bauen?"
Nachdem wir hier im Forum mittlerweile mehrfach erkannt haben, dass sich hinter der sogenannten "Moderne" ein Modernismus versteckt, der derzeit doktrinär scheinbar modernes Bauen repräsentiert, aber letztendlich nur ein industriell, wirtschaftlich und geistig bestimmtes Stilmittel des "Neuen Bauen" darstellt und aufrecht erhält,
habe ich gezielt zur Ausgangsfrage recherchiert. Ein Text aus "DieZeit", vom 21.06.01, versucht die Stilfrage zu hinterfragen. Interessant ist an diesem Text, dass sowohl der Traditionalismus, als auch der Modernismus kritisiert werden, wenngleich mir das Resümee am Ende doch etwas zu schwammig bleibt, keinen echten Ansatz bietet und letztlich doch erneut die Frage gestellt werden darf: In welchem Stil wollen/sollen wir nun bauen?
Raus aus den alten Rastern!
Artikel aus [DIE ZEIT], 21. Juni 2001 (Ausgabe 26)
von Hanno Rauterberg
Zeitgenössisch bauen - was heißt das? Immer mehr Architekten flüchten ins 19. Jahrhundert, andere glauben allein der Moderne. Doch die Zukunft der Architektur liegt jenseits des Formenstreits.
Viele wollten es und wurden's nie. Hans Eichel zum Beispiel oder George Lucas, Schimon Peres, Jupp Derwall und Helmut Schmidt, sie alle träumten davon, Architekt zu werden. Sie wollten Häuser bauen und Städte, wollten Welten verändern und etwas Bleibendes errichten. Bis heute hat dieser Traum nichts von seiner Macht verloren. Fast 50 000 Studenten sind für die Architektur eingeschrieben, und jedes Semester drängen neue nach. Die trüben Berufsaussichten scheinen sie nicht zu bekümmern, dabei arbeiten in Deutschland schon heute mehr Architekten als in jedem anderen Land Europas, und lukrative Aufträge werden immer seltener. Die Konkurrenz durch Generalübernehmer, die großen Fix-und-fertig-Firmen, hat gewaltig zugenommen, die Baukonjunktur schleppt sich dahin, und so sitzen viele der 110 000 deutschen Architekten tief unten im Krisenkeller. Längst verschüttet sind die Träume. Doch viel dramatischer noch als die materielle Misere ist die Verunsicherung über das eigene Wollen und Wirken. Geredet wird zwar viel über Qualität und über Baukultur, doch was das eigentlich heißt, was das Gute an guter Architektur tatsächlich ist, darüber wird selten offen diskutiert.
Lediglich im rein Praktischen ist man sich einig: Der Grundriss muss gut geschnitten sein, durchs Dach darf es nicht tropfen, und auch die Umwelt will man schonen. Doch wie ist es mit der Ästhetik, haben Stil und Form noch eine Bedeutung?
Wie wichtig ist Schönheit? Darf Architektur narrativ und bilderreich sein? Oder ist Minimalismus besser?
Und was bedeutet: zeitgenössisch bauen? Immer noch sind die meisten Architekten davon überzeugt, dass Innovation besser sei als Tradition, Glas zeitgemäßer als Stein, ein Flachdach progressiver als ein Satteldach, eine Panoramascheibe zukunftsweisender als ein Sprossenfenster. Doch warum? Was legitimiert diese Dogmen? Wer genauer nachfragt, wird rasch feststellen: Der Wertekonsens steht nur auf schwachem Fundament. Viele Architekten lassen sich von Geschmacksurteilen leiten, statt die eigenen ästhetischen Leitideen auf Argumente zu gründen. Und folglich geraten sie schnell aus der Fassung, wenn plötzlich Ketzer auf den Plan treten und den Normenkatalog infrage stellen. Jede Abweichung wird höhnisch verlacht oder geflissentlich ignoriert. Lange allerdings wird sich diese Ausgrenzungsstrategie, die weite Teile der Architektenschaft betreiben, nicht mehr durchhalten lassen. Die Abweichler sind zu erfolgreich, als dass man sie noch als Spinner abtun könnte. Nach einer Phase, in der sich die Architektur wieder auf regionale Traditionen besann, ist am Beginn des 21. Jahrhunderts ein unverhohlener Historismus gesellschaftsfähig geworden. Die Zeit des freien Formenspiels, einer ironisierenden Postmoderne ist vorbei. In Berlin etwa ist das ornamentüberzuckerte Hotel Adlon zum Exemplum des besseren Bauens avanciert und findet diverse Nachfolger; an der Oranienburger Straße zum Beispiel, wo gleich ein ganzes Stadtquartier in Adlon-Manier errichtet werden soll. Da mag die Architektenschaft noch so laut "Kitsch!" brüllen, sich über "Disneyfizierung" und "Selbstbetrug" erregen - der Neotraditionalismus, der in England von Prince Charles und in den USA vom New Urbanism vorangetrieben wird, ist längst auch in Deutschland angekommen...
kompletter Text unter:
http://www.candarch.de/news/raster.php
bzw.
http://www.zeit.de/archiv/2001/26/200126_architektur.xml
Weitere Texte, die sich mit Stilfragen beschäftigen, findet man u.a. hier:
http://www.vlw.euv-frankfurt-o.de/Kongress_2005/…Architektur.htm
http://www.baunetz.de/arch/archplus/143/modernc_.htm
ein Text , den ich bei meiner Recherche entdeckt habe, der aber natürlich genauso gut in die Rubrik "Die Moderne" aufgehoben wäre.
http://www.tu-cottbus.de/BTU/Fak2/TheoA…euer%20Stil.htm
Alte Formen - neuer Stil; ein Dialog zwischen Architekt und Laien aus:Deutsche Bauzeitung. - 23(1889). - S. 346 - 349
http://www2.uni-wuppertal.de/FB5-Hofaue/Bro…EU/Stillos.html
Stil der Stillosigkeit wird hier thematisiert.
http://www.baupool-online.de/pressemitteilungen/welt180102c.htm In diesem Artikel wird die Beliebigkeit im Bauen des 20. Jahrhunderts das "pure Chaos" genannt.