• Thermo-Luminiszenz

    Würde der Turm noch stehen, wäre eventuell das Verfahren der Thermo-Luminiszenz ein Weg, sich durch die durch dieses Verfahren mögliche Datierung des letzten Brennvorgangs der im Turmschaft vermauerten Backsteine, dem tatsächlichen Alter der verschiedenen Turmgeschosse anzunähern.

    (Hier ein Link zum Verfahren: https://www.denkmalschutz.de/denkmale-erhal…uminiszenz.html)

    Leider kam der Turmsturz dazwischen…

    Die Ziegel die in der ‚Gedenk-Ecke’ an Alt-St.Ansgarii im Narthex der neuen Kirche ausgestellt sind, stammen aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem Kirchenschiff und wurden 1959 im Zuge von dessen Abbruch geborgen. Sie sind in diesem Zusammenhang somit irrelevant.

    Würde man durch Aktenstudium herausfinden können, wohin die größtenteils noch vor Ende des Krieges abgeräumten Trümmermassen des Turms verbracht wurden und könnte tatsächlich noch größerer Ziegelpartien bergen, so ergäben sich mehrere wichtige Fragen:

    1. Haben die Ziegel durch die mechanischen – letztlich ja eventuell auch mit (Reibungs-)Hitzeeinwirkung verbundenen - Kräfte, die beim Sturz auf dieselben einwirkten, ihre chemische Konsistenz verändert ?

    2. Sofern die Ziegel noch nicht beräumt worden waren, bevor die auf den 1. September 1944 folgenden Brandbombenangriffe über die Ruine hinwegfegten, wäre zu klären, ob die Brände in und auf der Ruine die Ziegel sozusagen ‚nachgebrannt’ haben, der mittelalterliche Brandvorgang von Ende des 13. bzw. Anfang des 14. Jahrhundert somit ‚überschrieben’ worden wäre und die Ziegel folglich ihren historischen Datierungsgehalt verloren hätten ?

    3. Wie soll man die sehr hohe Hürde des Problems der Zuordnung von derartigen Bautrümmern zu einem bestimmten Bereich des zerstörten Baukörpers, hier also zu einer Etage des Turms, überwinden, wenn nicht – seltenes Glück – ein Stück der Sandsteinverkleidung an den Ziegel haftet, welches möglicherweise durch Fotomaterial zuzuordnen wäre ?

    Fragen über Fragen…

    Gibt es hier aus anderen Städten Erfahrungen mit einer derartigen Problematik ?

    NACHTRAG:

    Und selbst wenn die oben genannten Probleme gelöst worden sein sollten, wie kann man wissen, ob die Backsteine unmittelbar nach dem Brennen in der Ziegelei auf die Baustelle des Anschari gebracht und dort vermauert wurden ? Mit anderen Worten: Gibt es Kenntnisse über Lagerzeiten und Vorratshaltung bei damaligen Backsteinproduzenten ? Verstrichen zwischen Herstellung und Verwendung in einem Neubau eventuell längere Zeitspannen ?

  • Radiometrische Altersdatierung von historischem Kalkmörtel

    https://www.researchgate.net/publication/337592525_Radiometrische_Altersdatierung_von_historischem_Kalkmortel

    Möglicherweise wäre die Untersuchung von im Turm vermauerten Mörtel für die Altersbestimmung sogar noch präziser, da der Mörtel für anstehende Arbeiten ja stets frisch angerührt und dann zügig verarbeitet werden muß.

    Das Problem aber auch hier: Finde mal jemand einen Turmbackstein mit anhaftendem Mörtel ... !

  • Verfahren der Thermo-Luminiszenz

    Thermolumineszenz wird in der Bauforschung eher selten eingesetzt, weil die Genauigkeit dieser Methode doch meist nicht sehr hilfreich ist. In der Regel greift man auf Dendrochronologie zurück, was aber hier im konkreten Fall eines zerstörten Gebäudes auch nicht möglich ist.

    Und selbst wenn die oben genannten Probleme gelöst worden sein sollten, wie kann man wissen, ob die Backsteine unmittelbar nach dem Brennen in der Ziegelei auf die Baustelle des Anschari gebracht und dort vermauert wurden ? Mit anderen Worten: Gibt es Kenntnisse über Lagerzeiten und Vorratshaltung bei damaligen Backsteinproduzenten ? Verstrichen zwischen Herstellung und Verwendung in einem Neubau eventuell längere Zeitspannen ?

    Mir sind im Mittelalter keine Beispiele bekannt, in denen auf Vorrat produziert wurde. Das wäre auch kaum rentabel gewesen. Zudem braucht es ja in der Regel diverse Formsteine. Zwar wurden diese bereits im Mittelalter seriell gefertigt, doch halte ich es für ausgeschlossen, dass diese Jahrzehnte gelagert wurden. In der Regel wurde auf Bestellung für konkrete Baustellen produziert. Bei Ansgarii scheint es aber auch nur um die innere Verkleidung des Turmes zu gehen. Da sind die Ansprüche an das Material natürlich eher gering. Da ist nicht ganz auszuschließen, dass zumindest in Teilen Abbruchmaterial von älteren Baustellen zum Einsatz kam.

    Möglicherweise wäre die Untersuchung von im Turm vermauerten Mörtel für die Altersbestimmung sogar noch präziser, da der Mörtel für anstehende Arbeiten ja stets frisch angerührt und dann zügig verarbeitet werden muß.

    Auch hierbei bleibt das Problem der Genauigkeit. Wir reden hier ja nur über wenige Jahrzehnte, die wir gerne verifizieren wollen.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen

  • Bei Ansgarii scheint es aber auch nur um die innere Verkleidung des Turmes zu gehen. Da sind die Ansprüche an das Material natürlich eher gering. Da ist nicht ganz auszuschließen, dass zumindest in Teilen Abbruchmaterial von älteren Baustellen zum Einsatz kam.

    Die Backsteine bildeten aber nicht lediglich eine innere Verkleidung, sondern vielmehr den eigentlichen Turmschaft-Korpus. Selbst wenn man die Armut an Natursteinen im Bremer Gebiet und die daraus resultierende Wertigkeit auch von Ziegeln in Rechnung stellt, wird man doch wohl - schon aus statischen Gründen - nicht auf wiederverwendete Backsteine zurückgegriffen und dadurch riskiert habe, daß äußerlich unerkannte , durch Vorgebrauch und Abbruch verursachte Materialmängel, die Solidität des hohen Turmes - an den ja ganz andere Anforderungen, als z.B. an ein mittelalterliches Steinhaus zu stellen waren - gefährdet hätten.

  • Absolute Bauzeit

    Wieviel Zeit mag es insgesamt wohl benötigt haben, um den Turmschaft - beginnend mit der Fundamentierung und endend mit der oberen Baukante unterhalb des Helmansatzes - aufzumauern (man lasse die mögliche zeitliche Zäsur zwischen Kreisblendenfries und den oberen beiden Stockwerken einmal außer acht) ?

    Gibt der Zeitaufwand für die Aufmauerung des Turms der Garnisonkirche hier einen Hinweis - oder sind die Umstände doch so völlig andere, daß man sich daran nicht orientieren kann ?

  • Reihenfolge der Arbeiten

    Wird die Verkleidung zeitgleich mit der Aufmauerung des Backsteinkerns erfolgt sein ? Oder wird erst der Rohbau in voller Höhe (bis zur Etage des späteren Kreisblendfrieses , bzw. bis zum Helmansatz) emporgewachsen sein, bevor man den Porta - und Obernkirchener Sandstein anbrachte ? Gab es da einen gängigen Usus ?

  • Mauerwerksverband als Datierungshilfe ?

    Bisher ist zumindest nicht auszuschließen, daß am Anschari ein dem Kirchturm von St. Martini (diese Kirche wurde wie St. Ansgarii nach 1229 erbaut) entsprechender Mauerwerksverband eingesetzt wurde . Auch kann nach bisherigem Wissenstand nicht ausgeschlossen werden, daß wenigstens einige Handwerker an beiden Türmen gearbeitet haben.

    Der am Obergeschoss des Turmschaftes und den darüberliegenden Dreiecksgiebeln bei St . Martini zu sehende Verband hat pro Schicht einen Rhythmus von zwei Läufern gefolgt von einem Binder (stellt somit keinen gotischen Verband da, der ja mit einem Läufer arbeitet).

    Wie wird dieser Verband bezeichnet und v.a. läßt sich seine Verwendung evtl. zeitlich eingrenzen ?

    Zur Illustration des Gesagten ein Foto der Süd-und Ostseite des obersten Geschosses des Turmschafts von St. Martini, im Vergleich zu einem großen Wandbrocken vom Trümmerberg des 1. September 44, dessen Mauerwerksverband auf dem Foto leider nicht deutlich zu erkennen ist.

    Backsteinturm-ohne-Verblendung---St.-Martini---Kopie.jpeg

  • Die Backsteine bildeten aber nicht lediglich eine innere Verkleidung, sondern vielmehr den eigentlichen Turmschaft-Korpus.

    Gut, ich konnte lediglich anhand der Außenaufnahmen urteilen, die ausschließlich Sandstein zeigen. Nun wäre dann trotzdem zu fragen, ob der Turm nicht in Schalentechnik aufgemauert wurde oder ob es sich um Vollmauerwerk handelt. Gerade bei ersteren wäre die Verwendung von älterem (Bruch-)Material nicht überraschend.

    Wieviel Zeit mag es insgesamt wohl benötigt haben, um den Turmschaft - beginnend mit der Fundamentierung und endend mit der oberen Baukante unterhalb des Helmansatzes - aufzumauern (man lasse die mögliche zeitliche Zäsur zwischen Kreisblendenfries und den oberen beiden Stockwerken einmal außer acht) ?

    Geht man von gut dokumentierten Bauvorgängen an anderen Kirchen aus, muss man mit wenigen Jahrzehnten rechnen, wenn es keine gravierenden Bauunterbrechungen gab.

    Gibt der Zeitaufwand für die Aufmauerung des Turms der Garnisonkirche hier einen Hinweis - oder sind die Umstände doch so völlig andere, daß man sich daran nicht orientieren kann ?

    Entscheidend ist doch vor allem die stetige Verfügbarkeit des Baumaterials. Und da kann es gerade beim Wesersandstein doch immer wieder zu entsprechenden Engpässen gekommen sein. Wenn mit der Garnisonkirche die Liebfrauenkirche gemeint ist, so wäre das sicher ein gutes Vergleichsobjekt, weil zeitlich nicht so weit auseinander und hier ebenfalls mit Sandstein und Backstein gearbeitet wurde, was zwischen Außen- und Innenmauerwerk changiert (zumindest am Langhaus, für die Türme kann ich das nicht sagen). Allerdings sind die Türme in ihrem Volumen doch deutlich reduzierter.

    Wird die Verkleidung zeitgleich mit der Aufmauerung des Backsteinkerns erfolgt sein ? Oder wird erst der Rohbau in voller Höhe (bis zur Etage des späteren Kreisblendfrieses , bzw. bis zum Helmansatz) emporgewachsen sein, bevor man den Porta - und Obernkirchener Sandstein anbrachte ? Gab es da einen gängigen Usus ?

    Eindeutig ersteres. Es bedurfte ja bei einem Vollmauerwerk einer guten Verzahnung und bei Schalenmauerwerk der Verfüllung. Beides geht nur abschnittsweise. Zudem würde ich statische Probleme nicht ausschließen wollen, wenn man so große Volumina des Turmes erst nachträglich anbringt.

    Der am Obergeschoss des Turmschaftes und den darüberliegenden Dreiecksgiebeln bei St . Martini zu sehende Verband hat pro Schicht einen Rhythmus von zwei Läufern gefolgt von einem Binder (stellt somit keinen gotischen Verband da, der ja mit einem Läufer arbeitet).


    Wie wird dieser Verband bezeichnet und v.a. läßt sich seine Verwendung evtl. zeitlich eingrenzen ?

    Diese Bezeichnung von Verbänden werden leider zum Teil regional uneinheitlich und widersprüchlich eingesetzt (sogar in der Fachliteratur), so dass man da sehr vorsichtig sein muss. Besser ist es, die Läufer- und Binderabfolge konkret zu benennen. Unterschieden wird im Mittelalter meist zwischen gotischen und wendischen Verband, wobei man damit wie beschrieben manchmal unterschiedliche Dinge meint. Den Verband aus zwei Läufern und einem Binder, den du beschreibst, finden wir spätestens seit dem 13. Jahrhundert bis ins 16. Jahrhundert, womit es als Datierungshilfe ausgeschlossen werden kann.

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  • Beim Abbruch der Ruine des Kirchenschiffs im Jahr 1959 wurden nachweislich geborgene Backsteine andernorts weiterverwendet.

    Daher ist es nicht auszuschließen, daß - insbesondere vor dem Hintergrund der Materialknappheit in und nach dem Kriege - auch Backsteine aus dem Turm als wertvoller Baurohstoff betrachtet und entsprechend genutzt wurden. Ein Ablagern auf Trümmerdeponien war m. E. somit keine Zwangsläufigkeit. Vielleicht hat sich das Material des Turms ja geradezu über Bremen verteilt...

    Somit sehe ich hier eine ganz schwache Chance, irgendwann doch noch an 'Analyse-Material' heranzukommen.

  • Somit sehe ich hier eine ganz schwache Chance, irgendwann doch noch an 'Analyse-Material' heranzukommen.

    Selbst wenn dies gelänge, so wissen wir nicht, an welcher Stelle der Backstein verbaut war. Eine Analyse wäre nutzlos. Wenn man also den Baubeginn des Turmes näher eingrenzen möchte, bleiben nur die Schriftquellen. Inwiefern dort alles ausgereizt ist, kann ich allerdings nicht beurteilen.

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  • Besuch bei einigen 'Schwester-Türmen' des Anschari

    1. St. Martinikirche

    Ebenso wie der Anschari geht dieser Turm letztlich auf die Aufteilung des Unser Lieben Frauen Kirchspiels im Jahre 1229 und die subsequente Errichtung zweier neuer Kirchen zurück. Von seiner äußeren Gestalt her ist er derjenige der altstädtischen Kirchtürme, der dem Anschari am nächsten kommt.

    Ansichten der partiell mit Sandstein verkleideten Westseite :

    IMG_2839.jpeg

    IMG_2840fd38ed495cf5cb2a.jpeg

    IMG_2837.jpeg

    2. St. Stephanikirche

    Der Kern des Südturms dieser Kirche ist älter als Anschari und Martini-Turm. Obwohl er wesentlich schlanker als der Anschari ist, wirkt er dennoch durchaus monumental.

    IMG_2762.jpeg


    (Eigene Fotos v. 18.01.2024)

  • Wechsel des Zuschnitts des Verblendmaterials

    Jedem Betrachter des Anschari fällt sehr schnell der Wechsel des Erscheinungsbildes der Turmverkleidung auf, der zwischen dem vierten und fünften Turm-Obergeschoss erfolgt: Unterhalb dieses 'Bruches' haben wir eine sehr kleinteilige , geradezu inhomogen wirkende Gestaltung. Oberhalb desselben wird es großflächiger und dadurch harmonisch ruhiger.

    Was mag die Ursache dafür gewesen sein ?

    - längerfristiger Halt der Bauarbeiten

    - Wechsel von Portastein zu Obernkirchener

    - Geschmacksänderung von Bauherren oder Bauausführenden

    - Vergrößerung des Bauetats, sodaß kostbarere großflächige Platten geordert werden konnten

    - Mischung aus verschiedenen oder aller o.g. Faktoren

    Da der Turm ja nie verputzt worden ist (wer hätte schon die teure Natursteinverkleidung anbringen lassen, um diese dann überputzen zu lassen; da hätte man schon eher gleich den Backstein verputzen und sich die Verkleidung sparen können), fragt man sich, ob sich die Zeitgenossen nicht an dieser - im Grunde unharmonischen - Inhomogenität gestört haben (sowohl am wirren Aussehen der unteren Geschosse, als auch am Wechsel zwischen den beiden Verkleidungsgestaltungen) ?

    In Bremen scheint das im Übrigen nicht ungewöhnlich gewesen zu sein, wie die Bilder von St. Martini und St. Stephani (und auch das Aussehen des Norddturms von Unser Lieben Frauen) beweisen.

    Materialwechsel.jpeg

  • Eine interessante Frage in so einem Fall wäre ja, ob man diesen Materialwechsel auch bei einem Wiederaufbau so vornehmen würde. Es sieht ja vielleicht nicht ganz einheitlich aus, aber war nun mal das Erscheinungsbild der originalen Kirche.

  • Soweit das geltende Baurecht nicht dagegen steht, sollte man alle Details , die zum Erscheinungsbild der alten Kirche gehörten, soweit nur irgend möglich zurückgewinnen; selbst wenn sie unserem Geschmack nicht immer entsprechen mögen...

  • Problem des offenen Turmjochs

    Normalerweise stellt das zeitliche Auseinanderfallen der Erbauung von Kirchenschiff einerseits und Kirchturm andererseits kein gravierendes Problem da, da es sich um zwei voneinander - innerlich - getrennte Bauglieder handelt.

    Wenn aber, wie bei der St. Ansgarikirche, die unteren Turmgeschosse zum Mittelschiff hin geöffnet sind, ergibt sich die Frage, wie man das Letztere vor Erbauung des Turms gegen Witterungseinflüsse schützen kann.

    M.E. gibt es nur zwei Lösungsmöglichkeiten: Entweder man errichtet eine temporäre Abschlußwand am westlichen Ende des Schiffs oder man zieht den Turm doch soweit hoch, daß die Dachhöhe der Basilika / bzw. des späteren Mittelschiffs der Hallenkirche erreicht ist.

    Das offene Turmjoch hat somit nicht nur am Ende der alten Kirche (wegen seiner statischen Auswirkungen), sondern auch während der Erbauungszeit eine einflussreiche Rolle gespielt…

    Turm-Grundris.jpeg


    Ein ähnliches offenes Turmjoch findet sich übrigens auch in der Katharinenkirche in Bremens südlicher Nachbarstadt Osnabrück. Diese Kirche ist allerdings jünger als St. Ansgarii.

  • Statik der Konstruktion

    Vor dem Bau des Hauses Köppen (im Winkel zwischen Turm und Südschiff der Halle) in den 1920er Jahren, konnte man von der Obernstraße aus auf Strukturen blicken, die dazu dienten den gewaltigen Druck, der von den Steinmassen der Osteite des Turms auf den Bogen zwischen dem westlichen Mittelschiffsjoch und dem Turmjoch drückten, abzufangen und abzuleiten. Dies war zunächst die ein stückweit aus dem Turm heraus verlagerte Südwand der steinernen Wendeltreppe, die m.E. eine leichte Neigung in der Höhe hatte, sodaß sie evtl. selbst stabilisierend wirkte. Zum anderen waren dies zwei ganz offensichtliche Stützpfeiler an der Westwand der Südhalle, zwischen Turm und Westwandfenster. Ob es vor Errichtung des Gebäudes des späteren Kirchsaales ähnliche Stukturen an der Nordwand des Turms gab, kann nach aktuellem Wissensstand nicht gesagt werden. Eventuell wurden die natürlich auch an der Turmnordwand wirkenden Kräfte - nach Abbruch ähnlicher Stukturen wie an der Südwand - hernach durch die Wände des Kirchsaalgebäudes abgeleitet.

    Zur Abbildung:

    Ganz rechts sieht man hinter dem in das westliche Mittelschiffsjoch hineinragenden Orgelprospekt den - rot markierten - Bogen der das Schiff vom Turmjoch schied und auf dem die ganze Last der Ostwand des Turms drückte.

    04-4ca---Kopie.jpeg

  • Die Spuren der Greifzangen

    ... die schon vor einigen Jahren hier im Themenstrang angesprochen worden sind und welche sich an den Porta - bzw. Obernkirchener Sandsteinplatten der Verblendung der obersten beiden Turmetagen des Anschari finden, sind auch am Nordturm der Liebfrauenkirche sichtbar. A der Verkleidung des Martiniturms finden sich hingegen keine derartigen Löcher.

    Möglicherweise haben am Anschari und am Liebrauen-Nordturm die gleichen Handwerkergruppen gearbeitet ? Dies ist vorerst natürlich reine Spekulation...

    St. Ansgarii

    Unser Lieben Frauen

    St. Martini

  • Verschiedene Breiten der Steinlagen

    An allen drei genannten altstädtischen Pfarrkirchen Bremens sind die Lagen der Verblender nicht einheitlich breit. Manche sind deutlich schmaler. Liegt dem schlicht eine willkürliche Entscheidung des jeweiligen 'Poliers' zugrunde oder gibt es z.B. statische Gründe, wie z.B. eine durch diese Art der Lagengestaltung erzeugte höhere Stabilität ?

    Wenn es aber weder Willkür noch Bausicherheit sind, könnte es dann eine symbolische Bedeutung haben ?

    An der herodianischen Westmauer DES Tempels sind die Quaderlagen ganz ähnlich voneinander abweichend gehalten. Das Wissen über deren Aussehen dürfte - wenn es im lateinischen Westen Europas denn je in Vergessenheit geraten sein sollte - nach der Befreiung Jerusalems 1099 wieder aufgefrischt worden sein. Da man Felsendom und Tempelplateau zusammen in fälschlicher Interpretation als 'Tempel Salomos' ansah, wäre es doch nicht ausgeschlossen, daß diese Art der Steinlagengestaltung jedes mit einer solchen errichtete Gebäude zu einem Abbild des Wunderbaus des weisesten aller K önige machen sollte ?

    Oberstes Geschoss des Turmschafts des Anschari

    (schmalere Lagen blau markiert; eine Ähnlichkeit mit einem Tallit ist zunächst nicht beabsichtigt; aber wer weiß, ob die Deutung einer mutmaßlichen Symbolik der Breite der Steinlagen evtl. letztendlich doch in diese Richtung weist... ).

    Steinlage.jpeg

    Die Westmauer DES Tempels .

    Westmauer-des-Tempelplateaus.jpeg

  • Die Spuren der Greifzangen


    ... die schon vor einigen Jahren hier im Themenstrang angesprochen worden sind und welche sich an den Porta - bzw. Obernkirchener Sandsteinplatten der Verblendung der obersten beiden Turmetagen des Anschari finden, sind auch am Nordturm der Liebfrauenkirche sichtbar. A der Verkleidung des Martiniturms finden sich hingegen keine derartigen Löcher.

    Möglicherweise haben am Anschari und am Liebrauen-Nordturm die gleichen Handwerkergruppen gearbeitet ? Dies ist vorerst natürlich reine Spekulation...

    Grundsätzlich ist das die Frage des Materialtransports vor Ort, also eine rein technische Voraussetzung. Bei Zangen waren die Löcher nach dem Versatz außen sichtbar. Kam allerdings ein Wolf zum Einsatz, so wurden die Löcher an der Oberseite der Steine durch die nächste Lage verdeckt. Ich würde daraus nicht zu viel ableiten. Da können unterschiedliche Bautrupps oder auch zeitliche Divergenzen Ursache sein.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

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