Bayern ein Vorreiter der Altstadtverschandelung?

  • Nachdem die beiden größten Städte des Landes ja keinerlei Interesse an der Wiederherstellung zerstörter Baudenkmäler zeigen und überall im Land immer mehr 50er-Jahre-Bauten unter Denkmalschutz gestellt werden, obwohl sie architektonisch absolut minderwertig sind und ihre Präsenz wichtige Rekonstruktionen verhindert (ich erinnere nur an Nürnbergs Pellerhaus), selbst Bauten der 60er Jahre gelten teilweise schon als schutzwürdig - fragt sich nur wann die ersten Gebäuse von 1980, 1990 oder 2000 für die Denkmalschützer im Freistaat interessant werden.

    Doch nicht nur Pseudo-Großstädte wie Fürth ("Pseudo" deswegen, weil die EInwohnerzahl von 100.000 nur durch die Eingemeindung von Nachbarorten erreicht wurde und die historisch gewachsene Stadtsiedlung wesentlich kleiner ist) sind eifrig aktiv, ihre noch einigermaßen intakten Stadtbilder durch Quaderbauten zu verhunzen (Neubau Jüdisches Museum, Einkaufspassage).

    Ein Mitglied dieses Forums schreibt in seiner Signatur: "Der Tiefpunkt der Baukultur war in den 60er und 70er Jahren erreicht". Ich glaube eher, die Bau"kultur" ist seitdem eher noch tiefer gesunken.

    Auch Städte der 40.000-Einwohner-Klasse wie das oberbayerische Dachau schrecken nicht davor zurück, in ihren historischen Stadtkernen Schrottbauten erster Güte zu genehmigen.

    Vorgestellt wurde das sog. "Baumhaus" u.a in der Fernsehsendung "Traumhäuser" des BR. Der Betonklotz wurde außen mit Platten aus glasfaserverstärktem Kunststoff verkleidet mit einem Baummotiv. Allerdings errinnert das doch etwas an den Tarnanstrich für Militärfahrzeuge.

    Hier der Bericht - http://www.br-online.de/bayerisches-fe…21738986471.xml

    Und hier eine Bildergalerie des "Meisterwerks" - http://www.br-online.de/bayerisches-fe…21736046608.xml

    Man beachtet neben dem Äußeren auch das abschreckende Innenleben des "Baumhauses" - es sieht aus wie ein umgebauter Luftschutzbunker, alles nackter Beton. Ich frag mich halt wie sich Leute in so einem Gebilde wohlfühlen können, da sie ja auch Kinder haben die in diesem Umfeld aufwachsen. Es stellt sich sowieso die Frage, ob nicht doch noch Sanierungspotential im alten Haus gesteckt hätte? Aber wirklich glücklich war bzw. ist die Kommune ja trotzdem nicht mit dem Bau, sonst hätte sich die Genehmigung nicht so lange hingezogen.

    Der Oberhammer war, als am Ende des Beitrags von einem "sensiblen Umgang" mit dem Umfeld gesprochen wurde. Hallo?!?!? Was ist sensibel daran, wenn man einen Quaderbau in Tarnfarben in ein historisches Umfeld setzt? Sensibler Umgang hätte einen Neubau im traditionellen lokalen Baustil bedeutet, der sich harmonisch in die Altstadt eingefügt hätte. Aber so?

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  • Übrigens haben lustigerweise sowohl meine Eltern als auch meine Großeltern, die sich nun gar nicht für Architektur interessieren, aber diese Traumhäuser-Sendung gucken, just bei diesem sogenannten "Traumhaus" die gleichen Assoziationen. Erst recht meine Oma, die noch '44 in Berlin im Bunker saß, hat genau den Bunker-Vergleich bezüglich des Innenlebens gezogen. Meines Erachtens sollte man einen ICD-10-Code für Leute vergeben, die sich in sowas wohlfühlen.

  • Ich sehe mir diese Sendung ja normalerweise auch nicht an, bin durch Zufall beim Umschalten drauf gestoßen. Ein weiteres Objekt war eine Halle auf einem stillgelegten Baywa-Gelände in der Hallertau irgendwo mitten im Wald. Die war nach dem Umbau zum Wohngebäude genauso wenig wohnlich wie vorher, als dort Traktoren repariert wurden. Nur wurde die Halle äußerlich kaum verändert und mitten im Wald störts sowieso nur Fuchs und Hase.

    Aber in einer schönen Altstadt wie der in Dachau ist das einfach nicht zu entschuldigen. Ich hatte es ja schon mal an anderer Stelle geschrieben: offenbar instman drauf und dran, jetzt auch noch einigermaßen intakte Stadtbilder, die nach dem Krieg sogar den Abriß- und Modernisierungswahn der Nachkriegszeit überstanden haben, jetzt mit aller Gewalt zu "modernisieren".