Die "Wiener Sommerfrische" - Allgemeines

  • Ich möchte Euch hiermit im Laufe der Zeit eine neue Gegend vorstellen, die nicht nur architektonisch, sondern auch landschaftlich eine Augenweide darstellt. Am gestrigen „Nationalfeiertag“ fuhren meine Familie und ich in die Gegend südlich vor Wien und genauer gesagt, in das östliche Alpenvorland. In dieser Gegend, rund um die Orte Reichenau, Payerbach, Prein, Edlach,…und vor allem dem mondänen Kurort Semmering, kam die Wiener Gesellschaft gerne zusammen, um die schönen Tage abseits der Großstadt zu genießen. Früher verwendete man den Begriff „Sommerfrische“ dafür.

    Sommerfrische ist ein vor allem im 19. Jahrhundert verwendeter, heute jedoch veralteter Begriff für Erholungsurlaube auf dem Land. Im Wörterbuch der Brüder Grimm wird der Begriff definiert als Erholungsaufenthalt der Städter auf dem Lande zur Sommerzeit.
    Ab Mitte des 19. Jahrhunderts war die Sommerfrische fester Bestandteil des Sommerlebens der Aristokratie und des wohlhabenden Bürgertums. Der Begriff fand bis in die Zwischenkriegszeit Anwendung, ist jedoch heute obsolet, was man auch daran merkt, dass diese Gegend nicht mehr von Wienern überschwemmt wird und nun eher ein ziemlich verschlafenes Dasein fristet. Für manche nicht unbedingt ein Nachteil…

    Beginnen möchte ich in dieser Galerie mit Reichenau a/d. Rax:

    Der Ort Reichenau wurde vor allem in der österreichisch-ungarischen Monarchie als Nobelkurort bekannt. Die Geschichte ist auch eng mit dem Bau der Semmeringbahn (Weltkulturerbe) verbunden. 1842 fand die Eröffnung der Südbahnstrecke (Wien – Triest) statt, Reichenau wurde damit ein Reiseziel. Zahlreiche Persönlichkeiten erbauten in Reichenau ihre Wochenendvillen oder wohnten in so genannten Mietvillen. So, unter anderem, die Familie Habsburg, die Rothschilds, aber auch Sigmund Freud, Arthur Schnitzler und unzählige andere Damen und Herren der ehemaligen Monarchie.

    Der Musik-Musikpavillion im Park:

    Der noch immer benutzte Tennisplatz. Im Hintergrund befinden sich alte Bilder der einstigen Tennisturniere...

    Daneben befindet sich ein Bootsverleih. Für 1,50 kann man solange fahren wie man will! Der Tecih ist aber nur sehr klein. :weinen:

    Nun kommen ein paar nette Häuser und Villen. Von der Architektur entsprechen sie dem typischen Historismus-Gründerzeitstil der damaligen Monarchie. Da ich ja lange Zeit und ab und zu wieder an der böhmisch-sächsischen Grenze wohn(t)e, kam mir das nördliche Böhmen wahnsinnig vertraut vor, da die Häuser dieser Kategorie dort sehr ähnlich sind. Umgekehrt ging es mir auch, wie ich gestern nach Reichenau kam. Wenn ich es nicht besser wüßte, dann könnte ich glauben, dass ich mich am Fuße des Iser- oder Riesengebirges bewegte, da auch die Landschaft gewisse tektonische Ähnlichkeiten aufweist.

    Zur Abwechslung einmal ein Buswartehäuschen. Ja, es geht auch ohne Glas/Stahl-Konstruktionen...

    Hier ein Gasthaus an der Hauptstraße. Im Hintergrund befindet sich die Rax mit ihrem Hochlateau (war leider nicht oben, ist aber wunderschön dort. Vor allem, wenn man auf der Otto-Hütte Pause macht...)

    Gefallenendenkmal

    Die örtliche Volksschule

    Hier (Abstecher zu Mittag nach Prein) gabs etwas geschmeidiges zu essen. Man bedenke an dieser Stelle: Nur der rechte Teil (Fachwerk) ist alt. Der gesamte linke Teil ist ein Neubau.

    Absolute "Highlights" sind die Villa Wartholz und die Rothschild-Villa

    Von der Villa Wartholz konnte ich leider nur ein Bild vom Gesinde- und Verwaltungshaus machen. Die eigentliche Villa liegt uneinsehbar hinter dichten Bäumen versteckt. Wenn meine Familie nicht dabei gewesen wäre, dann... und ihr hättet auch Bilder von dieser. Vielleicht lassen sich von woanders Bilder auftreiben, die ich von dieser einstellen kann...

    Vom zweiten Highlight habe ich Bilder machen können, aber dazu später...

  • Wie mir scheint, dürfte sich niemand ernsthaft für diesen Strang interessieren :zwinkern:. Ich werde aber trotzdem noch die Bilder von der Villa Rothschild hier herein stellen, da diese Gebäude für die Villenarchitektur der damaligen Zeit doch sehr bedeutend ist. Die Fotos sind teilweise schon etwas dunkel, da sie kurz vor der Dämmerung aufgenommen wurden.

    Die Einfahrt mit dem dahinterliegenden Portiershäuschen

    von der anderen Seite


    Nun das eigentliche Hauptgebäude aus den verschiedensten Perspektiven:

    Noch ein Bild vom Inneren:

  • Ich finde die Landschaft und die Architektur schon sehr interessant und werde wohl nächstes Jahr als Tagesausflug selbst mal hinfahren - beispielsweise wenn ich nächstes Mal in Graz bin. Es wirkt irgendwie ganz anders als das nördliche Voralpenland, mondäner und eleganter...

  • Sehr schön das alles. Mondän und mit einem wunderbar altmodischen Charme. Das haben Ostdeutschland und Österreich oft gemeinsam. Übrigens wirkt die Architektur, um mal das Thema eines anderen Threads anzuschneiden, sehr vertraut... typisch österreichisch ist in dem Fall auch typisch deutsch. :D
    Fahren auf dem Semmering eigentlich noch Traditionsbahnen bzw. macht die Strecke auch heute noch was her?
    Außerdem dachte ich immer Baden bei Wien wäre die klassische Sommerfrische der Wiener gewesen... zumindest für die Habsburger? Oder verwechsle ich das? Na jedenfalls wäre Baden bestimmt auch mal sehr lohnend.

  • Zitat

    Zur Abwechslung einmal ein Buswartehäuschen. Ja, es geht auch ohne Glas/Stahl-Konstruktionen...

    Sieht nett aus - vor allem aber sauber und gepflegt. Wenn ich das mit den versifften und verschmnierten Häuschen hier in Berlin vergleiche. Da wäre schon längst das Holz angezündet, die Scheiben eingeschlagen und die Zeitungen im Hintergrund hätten schon gar keine Überlebenschance. Überrascht aber natürlich nicht, dass in obiger Gegend die Assi-Dichte wesentlich geringer ist. ;)
    Bei meinen Eltern auf dem schwäbischen Land gibt es auch noch jede Menge schmucker und sauberer Bushäuschen. Es geht, man mus nur wollen (wie so oft). :)

    Auch ein Beispiel, dass es geht, wenn man will, isr das:

    Ein wirklich 1a-Anbau, mal von den Solarzellen abgesehen... ;)

    Eine der vorzüglichsten Eigenschaften von Gebäuden ist historische Tiefe.
    Die Quelle aller Geschichte ist Tradition. (Schiller)
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten.

  • Zitat von "silesianospostato"

    Ich finde die Landschaft und die Architektur schon sehr interessant und werde wohl nächstes Jahr als Tagesausflug selbst mal hinfahren - beispielsweise wenn ich nächstes Mal in Graz bin. Es wirkt irgendwie ganz anders als das nördliche Voralpenland, mondäner und eleganter...

    Das finde ich auch. Aber bevor Du nach Reichenau fährst, würde ich zuerst einmal nach Semmering fahren. Dort war es früher sogar noch ein bisserl mondäner. Besonders imposant sind dort das Hotel Panhans sowie das Südbahnhotel, welches momentan einen Dornrößchenschlaf macht... . Im Frühjahr werde ich wieder einmal dorthin fahren und ein paar Fotos schießen.

  • Zitat von "Karasek"

    Sehr schön das alles. Mondän und mit einem wunderbar altmodischen Charme. Das haben Ostdeutschland und Österreich oft gemeinsam. Übrigens wirkt die Architektur, um mal das Thema eines anderen Threads anzuschneiden, sehr vertraut... typisch österreichisch ist in dem Fall auch typisch deutsch. :D
    Fahren auf dem Semmering eigentlich noch Traditionsbahnen bzw. macht die Strecke auch heute noch was her?
    Außerdem dachte ich immer Baden bei Wien wäre die klassische Sommerfrische der Wiener gewesen... zumindest für die Habsburger? Oder verwechsle ich das? Na jedenfalls wäre Baden bestimmt auch mal sehr lohnend.

    Wobei ich sagen muß, dass es in Ostdeutschland für mich manchmal noch interessanter, weil ursprünglicher ist und nach der Wende fast alles zur selben Zeit hergerichtet wurde, wenn ich z.B an Oybin und andere Orte in der Oberlausitz denke. Einfach traumhaft!

    Die Semmeringstrecke ist eine ganz normale Bahnstrecke, nach wie vor. Ab und an, gibt es aber auch Nostalgiefahrten. Diese Bahnsrecke ist sicher eine der schönsten in ganz Europa. Von der technischen Meisterleistung einmal ganz zu schweigen.

    Baden werde ich sicher auch einmal eine Fotostrecke widmen. Es gibt dort auch wunderschöne Viertel. Wenn ich nur an den herrlichen Kurpark denke und das imposante Kasino. Oder das Strandbad mit Sandstrand und Palmen in einer in den 20er oder 30er Jahren entstandenen Anlage. Während Baden schon viel früher bei den Wienern und dem Kaiserhaus beliebt war, kam erst mit der Eisenbahnanbindung der Gegend um den Semmering dieses Fleckchen Erde in den erreichbaren Radius Wiens und seiner Bewohner. Etwas später dann mit Fertigstellung der Südbahn wurde auch noch die Kvarner Bucht (Abbazia - österreichische Riviera) auf diese Weise touristisch erschlossen. Auch dort (heute Kroatien und heißt nun schön klingend Opatija) riecht man noch förmlich die gute alte Zeit. Es ist dort so wie man sich die Riviera vorstellt. Im Gegensatz zur französischen Riviera, von der ich echt enttäuscht war...

    Warst Du unlängst wieder einmal in Nordböhmen oder im Hirschberger Tal?

  • Zitat von "Exilwiener"


    Warst Du unlängst wieder einmal in Nordböhmen oder im Hirschberger Tal?

    Ja, aber da bin ich nur ziellos rumgekullert. Im Hirschberger Tal haben die böhmischen Winde so geblasen das es eher ein Sturm war (so stark kenne ich das bei uns gar nicht), zudem steht die Sonne so tief das man vom Panorama des Riesengebirges nicht viel hat. Das verschiebe ich wohl aufs nächste Jahr.
    Und auf der böhmischen Seite (kaum Wind!) bin ich dann bloß mal hoch zur Peterbaude (dort ist das Riesengebirgslied entstanden), aber da hatte ich die Kamera eh nicht dabei.