• Interessante Nachrichten aus dem übelst zugerichteten Wandsbek: Am Wandsbeker Markt hat tatsächlich der Karstadt die Zerstörungen des Krieges überlebt. Obwohl meine Oma in Wandsbek wohnte bis 1989, kann ich mich an diese Ecke gar nicht erinnern (sie wohnte allerdings auch im deutlich schlichteren Norden des Stadtteils). Hier einmal die erhaltene Fassade:

    (Apple Maps)

    Sicherlich schon etwas runtergerockt, aber ein absoluter Lichtblick im wirklich freudlosen Hamburger Nachkriegseinerlei. Der Block dahinter wird fast vollständig von einem ausnehmend hässlichen Parkhaus eingenommen, hier mal ein Bild:

    (Apple Maps)

    Das Parkhaus überquert sogar eine Straße, das sind so die Ecken Nachkriegsautodeutschland, die wirklich überall wegmüssen.

    Kleine Anekdote zum Straßennamen "Quarree": Die Wandsbeker sprachen das sehr zum Leidwesen meiner frankophilen Oma immer "Quarre" aus, also mit deutschem Qu wie in Quark und kurzem e, es wurde außerdem weiblich und ein anliegendes Einkaufszentrum einfach "Die Quarre" wie "Die Karre" genannt. Böse Zungen behaupten, dass genau deshalb in Göttingen das ehemalige Hertie-Kaufhaus "Carré" genannt wurde, um den Quark-Anlaut bei den nicht minder sprachsicheren Göttingern zu vermeiden. Aber ich schweife ab....

    Noch ein Schnappschuss aus der Ecke, der die wirklich zutiefst unbeeindruckende Qualität des Wiederaufbaus im Hamburger Osten nochmal zeigen soll. Wir befinden uns hier immerhin im Zentrum des größten östlichen Hamburger Stadtteils:

    (Apple Maps)

    Diese einstöckigen Dinger wie das rechts mit der Fußpflege, dann dieser uringelbe Klinker des Gebäudes weiter hinten, und ganz links ragt das grausige Parkhaus noch ins Bild. So weit, so typisch.

    Das ganze Areal soll nun umgestaltet werden, die Immobilienzeitung in einer Ausgabe aus 10/22 mit einem Luftbild des Areals:

    Union Investment baut Galeria-Standort in Hamburg-Wandsbek um
    Union Investment will einen dreistelligen Millionenbetrag in die Entwicklung des bisherigen Galeria-Standorts am Wandsbeker Markt investieren. Für das…
    www.iz.de

    Und so soll es aussehen:

    (Union Investment)

    Der Startschuss ist nun gefallen, der Bau hat begonnen:

    Wandsbek: Die Pläne für das neue Quartier rund ums Karstadt-Haus
    Start für ein großes Bauprojekt mitten in Hamburg-Wandsbek: Rund um das denkmalgeschützte Karstadt-Haus entsteht ein neues Quartier mit Restaurants, Wohnungen…
    www.ndr.de

    In jedem Falle ein sehr gutes Stück Stadtreparatur, von der Dichte, Nutzung und Gebäudehöhe deutlich angemessener für einen Stadtteil wie Wandsbek. Man wird sicherlich die genaue Fassadengestaltung noch abwarten müssen, aber das gehört so mit zum Besten, was heute außerhalb von klar historischen Kontexten gebaut wird, Blockrand wiederhergestellt, zumindest abwechslungsreiche Fassaden mit betonter Erdgeschosszone... und eben schon im Bau, kein "Projekt" für 2029.

  • Danke für den Bericht!

    Planungen in diese Richtung wurden schon seit Jahren (- bereits lange vor Corona) immer wieder mal veröffentlicht. Dass es jetzt offenbar wirklich losgeht ist eine sehr, sehr gute Nachricht.

    Auch die künftige Nutzung des Karstadtgebäudes als private Hochschule passt. Es dürfte sich um ein Geschäftsmodell handeln, das zukunftssicherer ist als ein Einkaufszentrum. Und belebter als irgendwelche Büros.

  • Man wird sicherlich die genaue Fassadengestaltung noch abwarten müssen, aber das gehört so mit zum Besten, was heute außerhalb von klar historischen Kontexten gebaut wird, Blockrand wiederhergestellt, zumindest abwechslungsreiche Fassaden mit betonter Erdgeschosszone

    Ich spiele ja gern den Advocatus Diaboli, daher mal zur Anregung (falls man sich zu sehr vom Visualisierungsstil einlullen lässt):

    • keine Parzellierung, das ist ein riesiger Gebäudekomplex, der mit wechselnder Fassadenfarbe (wenn überhaupt) Kleinteiligkeit vortäuschen will
    • Dach-, Fassaden- und Innenhofbegrünung werden so üppig ganz sicher nicht kommen - färbt gedanklich mal die Dächer in Kiesgrau ein und bedenkt, dass der Innenhof eigentlich das Dach des Erdgeschosses ist (also trotzdem versiegelt und als Biotop so gut wie wertlos)
    • keine regionalen Materialien (vielleicht Klinkertapete im EG), keine Dächer (wie aber offenbar typisch zumindest bei Altbauten in der nahen Umgebung) - auch hier, färbt mal gedanklich die in angenehmen Naturfarben dargestellten Fassaden in üblichem grau, anthrazit, weiß, …
    • keine Fassadengestaltung - außer alberne überhöhte Bögen als "Schmankerl", aber überhaupt nicht auf die vorgetäuschten Parzellen abgestimmt und sicher nicht handwerklich gemauert
    • Außerdem: die Bestandsbebauung ist nur als Klötzchenmodell zu sehen, da erscheint jedes noch so grobe Detail wie ein Ornament - lasst euch von solchen Bildern nicht täuschen!

    Solche Projekte sind in meinen Augen kein Fortschritt. Selbst wenn es echte Dächer gäbe und evtl. irgendwelche die Fassade strukturierende Elemente oder verschiedene Materialien, kommt am Ende keine Kleinteiligkeit raus. Mein Lieblingsbeispiel dafür ist das - direkter Vergleich der Wirkung zweier Straßenseiten - sicherlich mit aufgrund der Lage höherem Anspruch.

    Mehr als "immerhin besser als vorher" fällt mir dazu leider nicht ein., und für mich ist auch die Umgebung kein Argument, denn alles außerhalb von Altstädten und historischen Quartieren der Beliebigkeit preiszugeben, hat uns ja erst dahin geführt, wo wir heute sind.

    Mich stört vor allem diese Vortäuschung von Nachhaltigkeit, Begrünung, menschlichen Maßstabs - letztlich die angebliche Bedienung heutiger Erwartungen, ohne am Grundverständnis von Bauen etwas zu ändern. Schöne Bilder zu produzieren reicht heutzutage offenbar in unserer oberflächlichen Gesellschaft.

  • Das stimmt sicherlich alles, die (bislang nur schematische) Fassadendarstellung auf dem Bild lässt nicht Gutes vermuten und die Dachgärten etc. sind meist auch nichts, was die Planungsphase überlebt. Trotzdem hat das eine halbwegs urbane Dichte und diese leicht gotisierenden Arkaden fände ich eigentlich ganz witzig, die sieht man ja häufig in backsteinexpressionistisch geprägten Gegenden, das würde also gut zum Hamburger Osten passen.

    Insgesamt muss man wohl kritisch abwarten, was da dann genau gebaut wird. Andere und genauere Visualisierungen habe zumindest ich auch nirgends gefunden.

  • Mich stört vor allem diese Vortäuschung von Nachhaltigkeit, Begrünung, menschlichen Maßstabs - letztlich die angebliche Bedienung heutiger Erwartungen, ohne am Grundverständnis von Bauen etwas zu ändern. Schöne Bilder zu produzieren reicht heutzutage offenbar in unserer oberflächlichen Gesellschaft.

    Wäre etwas besser, wenn stattdesen hässliche Bilder produziert werden würden?

    Das ist keine 100%-Lösung, klar. Aber es werden vielleicht 50% oder 60% des optimalerweise Vorstellbaren, statt der jetzigen 5%. Und das in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit in einer C-Lage.

  • Wäre etwas besser, wenn stattdesen hässliche Bilder produziert werden würden?

    Ja, natürlich! Das wäre nämlich ehrlich und würde tatsächlich nachhaltige Methoden des Bauens sichtbarer machen. Alle diese symbolischen Zeichnungen, Spiegelungen, falschen von Norden strahlenden Sonnen, wie ein Christbaum leuchtenden Glaskästen, an mehrspurigen Straßen wuchernden Dschungel, psychedelisch verwaschenen Illusionen, etc. beeinflussen Entscheider und die Öffentlichkeit nämlich erheblich, und am Ende will es keiner gewesen sein. Das passiert aber überwiegend bei Bauvorhaben, die - würde man sie von Anfang an realistisch darstellen - wegen Fehlens aller durch die Visualisierung vorgetäuschten positiven Eigenschaften eine viel geringere Akzeptanz erhielten.

    Aber wie gesagt, immerhin besser als vorher, da stimme ich natürlich zu.

  • Du beziehst Dich also eher auf die Skizze als auf das Vorhaben selbst? Die finde ich eher maximal harmlos. Das eingezeichnete Straßengrün entspricht Baum für Baum dem IST-Bestand, der ist wirklich so vorhanden - da wurde kein "Dschungel" hinzuerfunden.

    Das neue Gebäude wird wegen zusätzlicher Technik auf den Dächern und mehr Wegeflächen im Innenhof möglicherweise nicht ganz so grün wie skizziert. Aber derzeit ist dort nur ein asphaltiertes Parkdeck. Also, eine deutliche Verbesserung darf man erwarten.

  • Danke für den Bericht!

    Planungen in diese Richtung wurden schon seit Jahren (- bereits lange vor Corona) immer wieder mal veröffentlicht.

    Planungen da waren schon im Gespräch als meine Frau noch in Rahlstedt gewohnt hat, und das ist schon 20 Jahre her.

    Die Visu lässt große Parallelen zum Pergolenviertel erwarten, welches mich nicht wirklich überzeugt.

  • Du beziehst Dich also eher auf die Skizze als auf das Vorhaben selbst?

    Ich beziehe mich allgemein auf unrealistische Visualisierungen, derer die Skizze für dieses Vorhaben eine ist. Meine Aufzählung ist nicht nur diesem Bild entsprungen. Nun also zum dritten Mal :smile: - ja, trotzdem eine deutliche Verbesserung zum Vorzustand, meine Rede.

  • OK, dann verstanden, und dann sind wir wirklich unterschiedlicher Meinung

    Es gibt unrealistisch aufgehübschte Visualisierungen, ja. Die entsprechenden Tricks sind auch mir wohlbekannt. Aber diese Entwurfskizze - mehr ist es nicht - gehört IMHO nicht in diese Kategorie.