Arnau an der Elbe - Hostinné

  • Arnau an der Elbe - immer dasselbe! Könnte der Strangtitel lauten. In der Tat: eine Stadt wie diese könnte es x-fach geben. Eine typische Kolonistenstadt mit großen zentralem Ring. von dem aus Straßen nur in eine einzige Achse - hier ungefähr Nord-Süd weiterführen. Im Norden laufen sie zusammen, im Süden bleiben sie getrennt. Der Platz selber hat außer dem Rathausturm kaum architektonische Auffälligkeiten:

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    Arnau liegt im Riesengebirgsvorland und war, von Süden kommend, die erste deutsche Stadt. Auch heute noch spürt man eine gewisse Melancholie, die aus der am Ende so katastrophal verlaufenen Geschichte zu rühren scheint. Dabei ist die Stadt an sich sehr gut erhalten. Wie die anderen Riesengebirgsstädtchen auch, fällt sie nicht unter die erlesene Gruppe der Städtischen Denkmalreservate, sondern nur der Städtischen Denkmalzonen, was dem Beschauer indes nur als bloße leere Kategorisierung bzw letztlich Wertung erscheint, da der Erhaltungszustand und somit gewährte Schutz perfekt zu sein scheint.

    Das Riesengebirge ist, anders als in der nächsten Stadt Hohenelbe (Vrchlabí) noch weit, daher ist hier noch kein ausgeprägter Tourismus spürbar. Die Stadt ist einfach weitab vom Schuss. In die Geschichte scheint sie kaum eingegangen zu sein, jedenfalls weiß nicht kaum etwas über sie. Im 20. Jahrhundert ist dieser Umstand wohl eher von Vorteil.

    Ohne Zweifel gab es auch in Arnau Riesengebirgsarchitektur, aber in der Gründerzeit wurde alles bis auf ein mickriges (nicht abgebildetes) Beispiel beseitigt.

    Für alle Sensibelchen: es folgt jetzt kein Lamento über diese böse Epoche und ihren destruktiv- banalen Baustil. Stattdessen sehen wir uns - unvoreingenommen wie immer - die konkreten Auswirkungen vor Ort an:

    historisch:

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    historistisch:

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    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Wir sind uns einig, dass außer dem Rathausturm und den Laubenbögen und einzelnen Barockfassaden nichts erhalten geblieben ist. Und dennoch ist hier in meinen Augen ein typisches böhm.-schlesisches Phänomen zu bemerken: der Historismus war hier nicht so destruktiv wie anderswo, er schien sich um eine städtebauliche Geschlossenheit bemüht zu haben. Eigentlich merkt man ihm das eklektizistische Element nicht an - die Renaissance wird beinahe echt! Das Platzbild ist durch den Umbau urbaner geworden, hat zweifellos seine Authentizität und Originalität eingebüßt, wirkt aber dennoch mehr historisch als historistisch.

    Nach wie vor wichtiges Element: die Mariensäule.

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    Der Rathausturm mit den beiden Riesen ist natürlich DER Blickfang:


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    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Ansichten von den übrigen Ringplatzseiten sind heute wie damals eher selten. Nicht so hier:

    Nordostecke (rechts vom Rathauskomplex):

    :

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    Blick in die Kirchstraße mit alten Lauben:

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    Blick entgegengesetzt:

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    Ostzeile. Hier blieb ein schlichter ursprünglicher Bau erhalten. Offensichtlich sind bedeutendere Häuser dem Abrissfieber zum Opfer gefallen:

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    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Auf der dem Rathaus gegenüberliegenden Seite (Süd) blieb immerhin ein Barock-(Rokoko-)Haus erhalten. Bei den beiden benachbarten Häusern handelt es sich um eine Art Heimatstil aus der späten deutschen Zeit*:

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    *Nach Durchsicht meiner AK-Sammlung: Diese Giebel bestanden schon um 1910, sogar mit dieser gleichartigen Fensteranordung. Nur die Zusammenfassung unter einem Querdach dürfte nach 45 erfolgt sein!

    Südostecke:

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    Südwestecke:

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    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Nochmals Südwestecke. Die Lauben setzen sich in die Ausfallstraße fort, sind aber jüngeren Datums. Auf der gegenüberliegenden Seite das erwähnte letzte Fachwerkhaus:

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    Die Westseite ist ziemlich belanglos, jedoch sehr eindrucksvoll geschlossen. Vor allem in der südl. Hälfte tanzt nichts aus der Reihe:

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    Hier war man sich um so etwas wie Symmetrie bemüht:


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    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Pfarrkirche am Rande der Altstadt, mit dem Renaissance-Pfarrhof eine malerische Gruppe bildend.

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    Eine Kilometer flussaufwärts finden sich zwei ungewöhnliche Fachwerkkirchen.

    Kunčice nad Labem hieß auf Deutsch wider Erwarten nicht Kunzendorf.

    Näheres lest selbst:


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    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Snork 9. Dezember 2023 um 09:15

    Hat den Titel des Themas von „Arnau an der Elbe /Hostinné“ zu „Arnau an der Elbe - Hostinné“ geändert.
  • Ich bin etwas irritiert von deiner Verwendung des Begriffs Historismus. Ohne genaue Bau- und Umbaudaten kann ich natürlich nur vom Baustil ausgehen, aber ich erkenne dort keine historistischen Gebäude, dafür aber viel Biedermeier. Der echte Historismus hat sich auch selten mit reinen Umbaumaßnahmen zufrieden gegeben, sondern von Grund auf neu gebaut. Deine Ehrenrettung des Historismus also in Ehren, sie trifft aber hier m.M.n. nicht zu.

  • UrPotsdamer

    In der Tat müsste man Baudaten und Umbaudaten kennen, um zu beurteilen, ob hier Historismus vorliegt oder nicht. Die Blütezeit des Historismus kann man in die Jahre um 1870 bis 1900 einordnen, wobei er seine Wurzeln bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte. Zwei sehr frühe historistische Bauten von 1858 flankieren den Strassendurchbruch am Liebfrauenberg in Frankfurt a. M. (Bild und Beitrag von RMA).

    historisch:

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    historistisch:

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    Wenn man aber das zweite und dritte Bild aus dem ersten Beitrag vergleicht, sieht man, dass hier um 1900 Umbauten und Aufstockungen stattfanden. Das historische Foto würde ich den Personen nach um 1900 datieren. Allen Bauten zu Seiten des Rathausturms sind erheblich verändert worden. Vom Stil her sind das nicht unbedingt historistische Umbauten, aber sie passen noch in die Zeit des Historismus. Unter Historismus verstehen wir meistens eine oppulente, fast überladene Architektur, wie sie natürlich nur ein Teil der Historismusarchitektur darstellt. In Arnau sind es aber einfachere Fassaden.

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    Die rechte Häuserzeile würde ich jetzt eher dem Historismus zuordnen (Arkadenpfeiler, Traufgesimse) Auch die Fensterumrandungen des Linken Hauses empfinde ich als historistisch. Generell würde ich ohne Kenntnis von Baudaten die meisten Umbauten in der Stadt jedoch auch eher dem Klassizismus, allenfalls noch dem Biedermeier zuordnen.

    Der echte Historismus hat sich auch selten mit reinen Umbaumaßnahmen zufrieden gegeben, sondern von Grund auf neu gebaut.

    Diese Aussage würde ich jetzt wieder weniger unterstützen. :wink:

  • Und was hab ich dazu geschrieben:

    der Historismus war hier nicht so destruktiv wie anderswo, er schien sich um eine städtebauliche Geschlossenheit bemüht zu haben. Eigentlich merkt man ihm das eklektizistische Element nicht an - die Renaissance wird beinahe echt! Das Platzbild ist durch den Umbau urbaner geworden, hat zweifellos seine Authentizität und Originalität eingebüßt, wirkt aber dennoch mehr historisch als historistisch.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Ich glaube, wir haben einfach unterschiedliche Definitionen. Du gehst von einer streng chronologischen Definition aus - was in einer bestimmten Zeit errichtet wurde, ist Historismus. Ich definiere es eher phänomenologisch - was einem bestimmten Stil entspricht, ist historistisch.

    Gerade im Bereich der Kunst gibt es oft Überlappungen, eine Gleichzeitigkeit des ungleichzeitigen. In Potsdam wurde auf Wunsch Friedrichs II. bis 1786 im Rokokostil gearbeitet, obwohl der überall sonst durch den strengeren Klassizismus abgelöst worden war. Und als in Italien schon längst die Renaissance Einzug gehalten hatte, bauten unsere Vorfahren nördlich der Alpen noch fleißig gotisch.

    Von daher können wir vielleicht einfach "agree to disagree": ich jedenfalls erkenne auf den Fotos, wie Riegel bereits konstatierte, eher Klassizismus und Biedermeier als Historismus. Aber auch das ist nicht verwunderlich, denn Innovationen in der Kunst verbreiten sich oft gesellschaftlich von oben nach unten und von den Zentren in die Peripherie - und bis der Ringstraßenstil aus Wien in die böhmische Provinz kam, könnte das schon ein paar Jahrzehnte gedauert haben...