Das Mainzer Theater hat eine abwechslungsreiche architektonische Geschichte.
Anstelle des von Napoleon und seinem Architekten St. Far projektierten Theaters am damals neu entstandenen Gutenbergplatz entschied sich der Mainzer Stadtrat nach 1814 für einen abweichenden Theaterbau. Aber erst 1829 einigte man sich auf den Neubau, der von dem Darmstädter Hofbaumeister Georg Moller entworfen wurde. Aus welchen Gründen auch immer: Er verwirklichte den ersten Theaterbau der Neuzeit, der seine innere Anlage (runder Zuschauerraum) auf die Fassade projezierte, so wie in der römischen Antike das Colosseum oder das Marcellus-Theater. Nachdem der Theaterbau also nicht mehr im Schlosskomplex versteckt, sondern "bürgerlich" und öffentlich wurde, war er mit dem Mainzer Haus nun erstmals auch nicht mehr in die antike Tempelform gekleidet. Dieses Theater wurde zum Vorbild für Sempers erste Dresdner Hofoper, die aber 1869 abbrannte.
Der Wunsch nach einem großzügigen Foyer und die sich aus der "Preußischen Brandschutzverordnung" ergebenden Notwendigkeiten führten 1910 zu einem radikalen Umbau des Theaters: In nur sechs Monaten (!) wurde dem Altbau ein großzügiges Foyer vorangebaut, das seitlich auch die zahlreichen neuen Treppenhäuser umfasste. Den Zuschauerraum veränderte man nicht, überhaupt hat man nur soviel verändert, wie es notwendig war. So blieb beispielsweise das alte Halbkegeldach des Zuschauerraums usw. erhalten. Der Mollersche Teil wurde nun aber verputzt.
Der Charakter des Gebäudes hat sich so merklich verändert. Die Frontseite zeigt sich nicht mehr bürgerlich-zurückhaltend und auch die funktionalistische Halbrundung verschwand. Dafür erinnert das Haus nun eher an eine Burg. Andere Meinungen bringen diese Fassade des Mainzer Stadtbaumeisters Adolf Gelius in Zusammenhang mit neubarocker Architektur. Wiederum Andere sehen in dem bossierten Sockelgeschoss sofort Anklänge an die Renaissance, wie den Palazzo Medici in Rom. Aber dann sind da noch einerseits die Ecktürme, die an römische (Limes?-) Wehrtürme erinnern und Einflüsse des Jugendstils.
1942 wurde das Theater bereits beim ersten Bombenangriff auf Mainz schwer beschädigt. Aber schon 1951 erfolgte dann die Neueröffnung nach einem vereinfachenden Wiederaufbau. Leider entfernte man bei diesem die charakteristischen Ecktürme, die Balustrade und die Sprossenfenster.
1998 wurde das Haus grundsaniert und entkernt. Die Ecktürme und die Balustrade wurden (in rosa gestrichenem Beton...) wiederhergestellt, dafür die alte Dachkonstruktion (des Mollerschen Zuschauerraums) zugunsten eines riesigen Glaszylinders zerstört. In diesem wurde dann u.a. das Restaurant "Mollers" (...) eingerichtet, das es aber auch schon nicht mehr gibt. Hier ist nun eine Tanzprobenbühne untergebracht.
Ein interessantes Gebäude mit einer spannenden Geschichte. Nun würde ich aber gerne hier im Forum etwas über den Stil der Fassade von 1910 hören. Kann mir jemand genauer erklären, wie die Fassade von Gelius zu interpretieren ist? Und warum sie (bis heute) so verkannt und verhunzt, weil verhasst, ist? Ich finde sie wunderschön, aber ich kann sie nicht recht stilistisch einordnen. Ich bitte um Mithilfe