Datierung: Fachwerk auf einem alten Bild

  • Sehr geehrte Damen und Herren,

    Ich beschäftige mich in meiner Freizeit mit der Geschichte einer ehemaligen Burg (jetzt Ruine) in der fränkischen Kleinstadt Königsberg i. Bay.

    Auf einer alten Ansicht ist ein Gebäude mit Fachwerkobergeschoss dargestellt. Leider habe ich bisher keine archivalischen Hinweise auf die Bauzeit des Gebäudes finden können. Aber vielleicht ist es ja möglich, die Bauzeit anhand der Art des Fachwerkes zumindest ungefähr auf das Jahrhundert einzuschränken?

    Hier die Abbildung: http://www.schlossberggemeinde.de/fachwerk.jpg

    Die Ansicht entstand zwischen 1595 und 1610. Damals war das Gebäude schon stark baufällig. Die Räumlichkeiten in dem Steingeschoss unterhalb des Fachwerkes bestanden schon 1544. Zwischen 1569 und 1594 fanden keine Neubaumaßnahmen auf der Burg statt. Das Stockwerk könnte also aus der Zeit um 1550 oder davor stammen.

    Ich würde mich freuen, wenn jemand in der Lage wäre, ungefähre Hinweise zur möglichen Bauzeit zu machen. Allerdings ist zu beachten, dass die Abbildung möglicherweise ungenau ist.

    Mit freundlichen Grüßen,
    Michael Klug

    Moderationshinweis (Pilaster): direkt eingebundenes Bild durch Link ersetzt.

  • Fachwerkmäßig bin ich momentan total auf der Insel (UK), andererseits gibt es bei Wikipedia eine Ansicht aus genau dem gleichen Zeitraum wie deine, auf der aber kein Fachwerk zu erkennen ist. Dem Stil nach ist die Burg auf ca. 1480-1520 (1530) zu datieren. Zudem gibt es noch eine dritte Ansicht von 1710(!) bei der der betroffene Gebäudeteil im Stil der Spätrenaissance umgebaut wurde.

  • Das im Bild gezeichnete Fachwerk darf natürlich nicht 1:1 als getreues Abbild des ursprünglich existierenden Fachwerks angesehen werden, aber es gibt einzelne Details, welche interpretiert werden können.

    Ganz markant ist die Ständerreihe mit breiten Kopfbügen oder Kopfstreben; und eigentümlicherweise hat der Zeichner auch die Holznägel in ihnen gezeichnet. Offenbar waren also letztere sehr auffallend. Nun kommen im fränkischen als auch im alemannischen Fachwerk solche Ständerreihen vor. Königsberg i. Bay. dürfte im Übergangsgebiet zwischen diesen beiden Fachwerkgebieten liegen.

    Im fränkischen Fachwerk waren die Kopfstreben jeweils eingezapft, und mit einem Holznagel gesichert, so wie es in der Zeichnung dargestellt ist. Im alemannischen Fachwerk waren die Kopfbüge jeweils angeblattet, und auch mit einem Holznagel gesichert. Dieser feine Unterschied, eingezapft oder angebattet, darf vom Zeichner natürlich nicht verlangt werden.

    Auch der durchgehende Brustriegel kommt in beiden Fachwerkgebieten vor, hingegen ist der durchgehende Sturzriegel ein typisch alemannisches Merkmal! Merkwürdig erscheinen mir die lückenlos aneinandergereihten Andreaskreuze in den Brüstungen. Sie sind nicht explizit als Balken dargestellt, und könnten auch einer Kratzputztechnik entstammen, oder eine gemalte Verzierung der Gefache darstellen.

    Da ja in Königsberg kein Fachwerk vor 1700 mehr vorhanden ist, müsste man in der Umgebung Ausschau nach Vergleichsbeispielen aus der (Spät)-gotik halten. Ich kenne die Gegend dort nicht, und habe auch nicht recherchiert. Egal, ob es sich um fränkisches oder alemannisches Fachwerk handelte, ist das Fachwerk sicher vor der Zeit um 1550 entstanden, eher sogar noch im 15. Jahrhundert.

  • Hallo!

    Ich habe mich ein wenig in der Umgegend umgesehen und dort viele Beispiele für aneinander gereihte Andreaskreuze in der Brüstung und einige Beispiele für Kopfstreben, die sich mit den horizontalen Riegeln über den Fenstern kreuzen, gefunden. Die Andreaskreuze sind dort meist als "Feuerböcke", also in ihrer geschweiften Form, ausgeführt. In einem Buch* war zu lesen, dass dieses Motiv (der aneinander gereihten Andreaskreuze in der Brüstung) in Franken gerade um 1575 sehr beliebt war, vor allem in Münnerstadt, aber auch in Stadtlauringen (Rathaus, 1563). Die Häuser, die Ähnlichkeiten mit der Zeichnung aufweisen, fallen in die Zeit zwischen 1560 und 1620. Ob das Motiv auch schon früher verwendet wurde, konnte ich nicht in Erfahrung bringen.
    Es könnte also sein, dass dieses Stockwerk erst zwischen 1550 und 1569 errichtet wurde und aufgrund der starken Wetterexponiertheit und der Tatsache, dass 25 Jahre lang keine Sanierungsmaßnahmen stattfanden, schon Ende des 16. Jahrhunderts als baufällig erscheint.

    *Imhof, Michael: Bauen und Wohnen in einer fränkischen Kleinstadt vom 16. bis 19. Jahrhundert am Beispiel von Königsberg in Bayern, Bayerische Verlagsanstalt GmbH, Bamberg: 1993.

    Dennoch vielen Dank für eure Mithilfe!

    Edit:
    Hier zwei Beispiele aus dem nahe gelegenen Zeil am Main:

    http://www.schlossberggemeinde.de/zeil1.jpg
    http://www.schlossberggemeinde.de/zeil2.jpg

    Gruß,
    Michael

  • Jetzt, wo ich die beiden Beispiele aus Zeil am Main sehe, revidiere ich meine Vermutung, und denke auch eher an eine Entstehungszeit des Fachwerks der Burg in Königsberg i. Bay. in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die durchgehenden Sturzriegel auf der Zeichnung sind typisch für das 15. und frühe 16. Jahrhundert im alemannischen Fachwerk, und deshalb bin ich auf meine frühe Datierung gekommen. Hier hört auch die zulässige Interpretation eines gezeichneten Fachwerks auf, ob es sich wirklich um durchgehende oder unterbrochen Sturzriegel auf unterschiedlichen Höhen handelte. Zudem vermute ich, das die beiden Beispiele aus Zeil a. M. eher im fränkischen Facherkgebiet liegen, wo durchgehende Sturzriegel keine Tradition hatten, und nicht im alemannischen.