Lieber Leser, die nachfolgenden bemerkenswerten Worte von Meinhard v. Gerkan zur gefälligen Kenntnisnahme.
ZitatAlles anzeigen„Babylon lässt grüßen“
Architekt und Professor Meinhard von Gerkan hielt gestern, am 1. März 2009 im Dresdner Schauspielhaus eine Rede zur aktuellen Architektur. Als Tendenzen stellt er Banalisierung und Exhibitionismus fest. Und auch an Kritik gegenüber Kollegen spart der gmp-Gründer nicht.
In diesem Zusammenhang bezeichnete er den Neubau des chinesischen Fernsehens CCTV in Peking von Ole Scheerens und Rem Koolhaas` Office for Metropolitan Architecture (OMA) als „bisher größten architektonischen Supergau“. Namen nannte von Gerkan nicht, sprach aber von einem „Scharlatan, der es versteht, unseren gesellschaftlichen Zustand nicht nur eins zu eins städtebaulich zu interpretieren, sondern diese auch seinem Bauherrn, also der chinesischen Regierung, wie ein Hofnarr vorzuspielen.“ Auch hier zeige sich wieder, dass Architektur immer ein Abbild der gesellschaftlichen Verhältnisse sei. Das CCTV Gebäude sei ein Symbol für Maßlosigkeit, Hochmut und Menschenverachtung und manifestiere die absurde Obsessionen von Hunderten von Milliarden, die um den Globus kreisten. „Babylon lässt grüßen“.
Banalisierung und Exhibitionismus
Die Tendenzen Banalisierung und Exhibitionismus macht von Gerkan an den gesicht- und geistlosen Bauten für die Immoblienvermarktung fest. Laut dem Hamburger Architekten werde banale Baumasse für die Rendite geschaffen und obendrauf eine Cocktailkirsche zur Verzierung angebracht. Denn Ästhetik wurde jetzt als Marketingfaktor entdeckt. Es diktiere der Durchschnittsgeschmack. So wie hohe Einschaltquoten beim Fernsehen nur durch Anpassung an ein niedriges Geschmacksniveau erreicht werde, verkaufe sich die Massenware Architektur nach dem gleichen Prinzip.
Zentrale Aufgaben moderner Architektur
Von Gerkan führt vier zentrale Aufgaben moderner Architektur an. Neben der Ökologie und Nachhaltigkeit gehöre auch dazu, dass Architektur kulturelle Identität bewahrt, aber auch neu erzeugt. Diese Identität sei die gewichtigste Gegenposition zu Heimatverlust und Globalisierung. Als vierte Aufgabe müsse die Architektur mehr als nur funktionale und ökonomische Anforderungen erfüllen. Sie muss dem Verlust moralischer Werte gegensteuern, der seine Entsprechung in der ausschließlich auf banale Ökonomisierung orientierten Bautätigkeit fände.Meinhard von Gerkans zentrale Forderung: „Die Gesellschaft muss dem Teil der Architektur, den man als Ästhetik umschreibt, eine weitaus höhere Bedeutung einräumen.“
Quelle: DETAIL.de - das Architektur- und Bau-Portal
Siehe auch zur gleichen Veranstaltung den Bericht der Sächsischen Zeitung "Die Welt braucht keine Cocktailkirschen"
Schsische Zeitung [online] - Kultur: Die Welt braucht keine Cocktailkirschen