Altstadtsanierung 1933 - 1945

  • Nach einiger Suche ist es mir gelungen, ein Digitalisat der Magisterarbeit von Olaf Cunitz (mit o. g. Titel) aufzutreiben, der heute Kreisvorstandssprecher der Grünen in Frankfurt ist. Das 180 Seiten (!) lange Werk ist meines Wissens die erste Veröffentlichung überhaupt, die sich mit der Frankfurter Altstadtsanierung auf wissenschaftlicher Grundlage auseinandersetzt.

    http://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/frontdoor.php?source_opus=3090&la=de\r
    publikationen.ub.uni-frankfurt.d ... 3090&la=de

    Geradezu unglaublich wertvoll ist auch der Anhang, in der sich Cunitz die Mühe gemacht hat, alle Bauvorhaben zwischen 1919 - 1945 detailliert aufzulisten.

  • Hochinteressant!!!!!

    Nach einem äusserst kurzen Überfliegen dieser 180-seitigen Schrift möchte ich spontan einige wenige Kapitel herausstreichen, welche wir im APH-Forum schon mehrmals gestreift hatten. Bei diesen handelt es sich in erster Linie um Kapitel mit konkreten Angaben zu baugeschichtlich interessanten Punkten. Diese Auflistung wird aber der ausführlichen Schrift nicht gerecht, denn diese durchleuchtet die Stadtsanierung vor allem auch von sozialen, politischen und finanziellen Aspekten her.

    S. 18 und folgende: erste Sanierungsmassnahmen (Freistellung und Restaurierungen an öffentlichen und sakralen Bauwerken, Strassendurchbrüche ab ca. 1850

    S. 25 die Rolle des "Bundes tätiger Altstadtfreunde"

    S. 50 Stadt und Sanierung in der nationalsozialistischen Ideologie

    S. 56 Die Reaktivierung alter Pläne unter neuen Vorzeichen (ab 1933)

    S. 61 - 73 Beschreibung der durchgeführten und geplanten Sanierungen ab 1935 (mit Planunterlagen!)

    S. 90 Bedenken der Denkmalpflege ab den Dreissigerjahren

    Zitat

    ... Eine befriedigende Lösung für die Schüppengasse zeichene sich erst nach zähen Auseinandersetzungen über die Fassadengestaltung ab, die der Konservator in ihrer Einförmigkeit als "geistiges Armutszeugnis" bezeichnete und den Architekten unterstellte zu glauben, "dass sie heute schon mit offensichtlicher Herrschsucht ihre Neuschöpfungen eigenwillig und selbstbewusst zwischen die ehrwürdigen Meisterwerke früherer Epochen setzen dürfen...

    (schon 1938!!!)

    S. 111 - 117 Liste von Sanierungsmassnahmen in der Altstadt

  • Ein sehr spannender Text und im Vergleich zu vielen anderen wissenschaftlichen Texten lesbar geschrieben! Sehr deutlich sind die Aussagen, dass die Altstadt vor den Sanierungsmaßnahmen weder ein Slum noch ein Seuchenherd war, obwohl all das behauptet wurde. Interessant ist auch, dass die "Sanierung" der Altstadt durch die Nazis in erster Linie Abriss bedeutete. Eigentliche Häusersanierungen waren dagegen "marginal".

  • Höchst interessant sind auch die Angaben zum Altstadtkataster auf den Seiten 46 - 49, hier sind erstmal belegte Angaben zu der Menge an Altstadthäusern zu finden: "Bis zum Herbst 1934 waren dabei [...] in 768 Häusern untersucht worden [...]. Das Stadtarchiv hatte zusätzlich [...] 1.402 Häuser bearbeitet [...]." (belegt in Schreiben des RP Wiesbaden an den Reichsfinanzminister und Tätigkeitsberichten des Bezirkskonservators)

    Demnach ist die in der Literatur relativ häufig genannte (meist unbelegte) Zahl von etwas über 2.000 der Altstadt zuzurechnenden Gebäuden im Frankfurt des Jahres 1944 wohl recht nahe an der Realität. Dass ausgerechnet dieses Altstadtkataster 1944 verbrannt ist, ist einfach nur noch zum Heulen... :weinen: