Die Rede ist vom sogenannten Schönhengstgau, der, streng betrachtet, historisch größten Sprachinsel der böhm. Länder. Streng betrachtet natürlich nur, sinnvoller wird man dieses Gebiet im Zusammenhang mit dem deutschen Norden Mährens und Schlesiens ansehen müssen, schon vom schlesischen Dialekt der einstigen Bewohner her. Der trennende tscheschische Streifen war stellenweise sehr dünn und umfasste zwischen Müglitz und M. Aussee nur ein Dorf. Seine zweite "Engstelle" befand sich um Hohenstadt, dessen deutsche Mehrheit schon in der Zwischenkriegszeit "kippte".
Dieser Schönhengstgau ist ein eigenartiges Gebilde, welches nur über die Sprachzugehörigkeit seiner Bewohner definiert werden konnte und ansonsten (politisch, landschaftlich und kulturell) äußerst heterogen wirkt. Von seinen sechs Städten gehören zwei zu Böhmen (Brüsau, Landskron) und vier zu Mähren.(Zwittau, Trübau, Müglitz, Hohenstadt). Die westlichen Randgebiete gehörten zu rein tschechischen Bezirksstädten (Politschka, Leitomischl).
L. selbst ist naturgemäß sinnvollerweise im Zusammenhang mit dem Schönhengstgau zu sehen. "Selbstverständlich" handelt es sich bei ihr um eine deutsche Gründung. Der Grundriss samt langgezogenem Hauptmarkt ist für Böhmen (von gewissen südlichen Ausläufern, die bereits vom niederösterr. bzw bayerischen Raum geprägt erscheinen wie Zlabings, Taus u.e.m.) nicht ganz typisch, wenngleich in diesem Winkel der böhm. Länder sogar einigermaßen verbreitet, vgl. Königgrätz, Jaromiersch und unsere nächste Stadt, Zwittau.
In Z. wie L. erfährt diese Platzform dieselbe eigenartige Ausprägung: der Platz verengt sich in der Mitte und läuft dann wieder auseinander. Da er dabei eine leichte Krümmung erfährt, bietet die Längsachse keinen vollständigen Durchblick und kein gesamt wahrnehmbares Platzbild wie es zB trotz der beträchtlichen Länge in Wels oder Steyr erlebbar ist.
Es ist mE nicht einzusehen, warum die deutschen Städtegründer gerade hier im topographisch völlig unproblematischen ostböhmischen Raum ihr (rechteckiges) Zentralmarktschema aufgaben. Immerhin verdanken wir diesem Umstand vier sehr eigenwillige und ausdruckstarke Stadtbilder.
Noch ein paar Worte zu Leitomischl: die Stadt verlor in den Hussitenkriegen ihren deutschen Charakter. Anders als in den westlichen Provinzen Böhmens (zB Mies, Saaz, Prachatitz, Krumau) erfolgte keine "Rekolonialisierung", und anders als in manchen heute slowakischen oder polnischen Städten bedeutete dieser Umstand keinen wirtschaftlichen und kulturellen Niedergang. L. erlebte seine Blütezeit als tschechische Stadt. Dass der berühmteste Sohn der Stadt auf den Namen "Friedrich" getauft wurde und sein Leben lang besser deutsch als tschechisch sprach, ändern nichts an diesem Umstand.
Im Gegensatz zu L. konnte sich Zwittau seine deutsche Volkszugehörigkeit bis 1945 bewahren. Dieses Schicksalsjahr bedeutete praktisch die Auslöschung des Schönhengstgaues als geographisches Gebilde. In der kommunistischen Zeit wurde selbst die histor. tschech. Bezeichnung dafür, Hřebečsko, zu Tode geschwiegen, heutzutage gibt es zarte Annäherungsversuche. Der Name leitet sich von einem Höhenzug zwischen Z. und M. Trübau ab, der für die Pferde ein beträchtliches Hindernis darstellte ("schind den Hengst"). Landschaftlich ist dieses Gebiet wie erwähnt, völlig uneinheitlich: um Z. flach, um Trübau hügelig, um Landskron wellig, im Osten vor Müglitz in einer schiegen Ebene zur Marchniederung abfallend. Auch die Städte können in den böhm Ländern nicht unterschiedlicher sein: Z wie L grotesk langgestreckt und gekrümmt, Landskron schlesisch mit Rathaus in Ringmitte, Trübau völlig rechteckig (ohne die für Kolonialstädte typische Ovalform), Brüsau langgestreckter Rechteckplatz.
Die exponierte, weit in tschechisches Sprachgebiet hineinragende Lage setzte die Bewohner im Mai und Juni 1945 bösen Drangsalierungen aus, die vor allem den Nordwesten betrafen und die im sog. Landskroner Blutgericht unrühmlich kulminierten - das schließlich aufgrund der Selbstopferung einer Witwe ein glücklicherweise jähes und vorzeitiges Ende erfahren sollte. Sie steckte das Wirtshaus, in dem das Blutgericht stattfand, ihr Haus, in Brand, woran sie auch starb. Dies rettete etlichen Menschen das Leben.
Während die Städte recht gut erhalten sind, wirken die Dörfer, wie in derlei Landstrichen üblich, struktur- und substanzlos. Aber auch in den Städten herrscht hinter dem Ringplatz noch immer die übliche Verwahrlosung, man vergleiche etwa die noch zu zeigenden Bilder von M.Trübau mit denen der L.er Altstadt.
Svitavy wurde angeblich im tschechischen Fernsehen als erschreckendes Beispiel für kommunistische Stadtzerstörung hingestellt. mE kann dies nur die gründerzeitlichen Vorstädte betroffen haben, die heute von Fernverkehrstraßen durchschnitten sind und sicherlich kein schönes Bild ergeben. Die eingentliche Altstadt ist, wie so oft, auf den zenrtralen Platz reduziert und bot mE abseits von diesem auch in der Vergangenheit kaum Substanz. Das Zentrum wurde relativ spät, aber doch zur städtischen Denkmalreservation erklärt und ist entsprechend gut erhalten. Nur in den Scheitelstellen finden sich (wie auch in Leitomischl) die Gesamtwirkung etwas beeinträchtigende, wenngleich nicht allzu viel Schaden stiftende Bauten. Die vielerorts zu beobachtende "bunte" Postmodernität, in der düstere kommunistische Amtsbauten umgestaltet wurden, ist mE durchaus nicht von Vorteil.
Z. war wie M. Trübau zu 90% deutsch, also in größerem Ausmaße als einige Städte im geschlossenen dt. Siedlungsgebiet. Im 18 Jh wurde es durch einen Brand m.o.w. völlig zerstört. Was man heute sieht, ist demnach barock, weshalb die Substanz deutlich jünger ist als zB in L. Mir ist dies eigentlich nicht so aufgefallen, da der Inn-Salzach-Stil mE beim Wiederaufbau gut beibehalten wurde.