Nürnberg in alten Ansichten

  • ursus carpaticus An der Nordseite des Hauptmarkts wurden vor einigen Jahrhunderten Häuser abgebrochen und dadurch die Brandseitenwand des ersten stehengebliebenen Hauses freigelegt, das dadurch zum Eckhaus geworden war. Links sieht man auf die seitliche Giebelwand mit Treppengiebel des Haupthauses, dessen Hauptfassade auf die Verbindungsstrasse zum Rathausplatz ausgerichtet war. In der Mitte folgt dann der Seitenflügel mit einem gegen den Hof gerichteten Pultdach. Oberhalb dieses wehrgangartigen Frieses ist der First dieses Pultdaches. Nach rechts (ausserhalb der folgenden Ansichtskarte) folgt dann das Dach des Hinterhauses mit einem halben Treppengiebel, da es niedriger als der Seitenflügel war:

    Die Situation ist vergleichbar mit dem Pellerhaus und Pellerhof heute. Auf einer Vogelschauansicht von Osten dasselbe Bild mit der Seitenwand des neuen Pellerhauses, dann die Rückwand des rekonstruierten Pellerhofes und rechts dann das Hinterhaus (heute leider erst als Wandscheibe).

    Vor diese Brandmauer am Hauptmarkt, die allmählich zur Fassade umgestaltet worden war, gesellten sich einzelne Markthäuschen, die dann zu dieser 'Giebel-an-Giebel'-Front heranwuchsen und im Lauf des 19. Jahrhunderts grösstenteils aufgestockt und mit einem Flachdach versehen wurden. So verblieb dann die Nordseite des Hauptmarkts bis 1943/45.

    Wann dieser Abbruch stattfand, weiss ich nicht. Der Hauptmarkt und Obstmarkt entstanden nach 1349, nachdem die Juden vertrieben und ihre Wohnhäuser dort zerstört wurden. Ob die Brandseitenwand von diesem Akt stammte oder von einer späteren Vergrösserung des Hauptmarkts, weiss ich nicht.

    Hier die Situation auf der Bayerischen Uraufnahme von 1808.

    Nr. 875 ist das Eckhaus mit den Seitenflügeln und dem Hinterhaus. Der Grundriss ist exakt auch auf das Pellerhaus übertragbar.
    Nrn. 876 u. 877 sind dann diese Markthäuschen.
    Nrn. 878 u. 879 zeigen vielleicht die ältere Bauflucht vor dem Abbruch an. Auch diese Häuser (vier- und fünfgeschossig) blieben bis 1943/45 stehen.

    Aus städtebauhistorischer Sicht ist das Ganze natürlich keine Glanzleistung. Auf folgender Fotografie von 1891 sieht man, das links irgendein Bauvolumen fehlt:

    1003px-Die_Baudenkmäler_der_Stadt_Nürnberg_037_Hauptmarkt.jpg
    (Bild gemeinfrei, 2011 digitalisiert von der Ohm-Hochschulbibliothek Nürnberg auf commons.wikimedia.)

  • Super, das nenn ich eine gute Erklärung, vielen Dank, N+R! Das erklärt auch, dass dieses so markante Haus keinen Namen bekommen hat (wie unlängst sogar das früher ganz und gar unauffällige Haus an der Nordseite des ehm Bratwurstglöckleins)

    Aus städtebauhistorischer Sicht ist das Ganze natürlich keine Glanzleistung.

    Ich bin mir da nicht so sicher... Pittoreske Ensembles entstehen oft genug durch Improvisation bzw gar Zufall.

    Der Wiener Franziskanerplatz etwa entstand durch willkürliche Abrisse, um eine Art Remise für Kutschen zu schaffen. Auch hier wurden Hinterhäuser plötzlich zur Platzfront, was einen hier völlig ahistorischen kleinstädtischen Eindruck hinterlässt.

    Franziskanerplatz square

    Und trotzdem ist dieses Ensemble "schön" und charaktervoll.

    Mit dem Nürnberger Hauptmarkt sehe ich es genauso. Die nunmehr zweifach abgestufte Platzkante schafft so etwas wie einen "mittelalterlichen Eindruck", mehr jedenfalls als es der eigentlich zu große Platz sonst vermocht hätte - Nürberger Bürgerhäuser eignen sich eigentlich ohnedies schlecht zur Ausgestaltung von monumentalen Flächen - und man hat es in meinen Augen verstanden, dieses Provisorium so pittoresk wie möglich zu gestalten . man beachte die Erker und die "Attiken".

    Alldies ergibt - gerade auf dieser "Brandseite" - ein Bürgerhaus von hohem Wiedererkennungswert und stadtbildprägender Identität. Es hätte mE unbedingt rekonstruiert werden müssen, es wäre unter meinen drei allerersten Kandidaten gewesen.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.