Vittorio Magnago Lampugnani

  • Älterer, aber lesenswerter SPIEGEL-Artikel von Vittorio Magnago Lampugnani.

    Auszüge:

    Zitat

    Der deprimierende Befund gilt weltweit, trifft jedoch für Deutschland besonders zu. Bis in die zwanziger Jahre hinein zeichnete sich die Architektur des damaligen Deutschen Reichs durch extrem hohe Qualität aus. Die großen Massenwohnungsbauprojekte der Weimarer Republik bemühten sich um Standardisierung und Rationalisierung, legten aber noch großen Wert auf Ästhetik und Handwerk. Dasselbe gilt für die Architektur in der Zeit des Nationalsozialismus, die zwar in den öffentlichen Repräsentationsbauten einem hölzernen, megalomanen Klassizismus huldigte, aber sonst ausgesprochen solide detaillierte Bauten hervorbrachte.

    Diese Tradition riß 1945 abrupt ab. Gleichzeitig mit der Nazi-Gewaltherrschaft wurde auch die Architektur, die sie dargestellt hatte, pauschal verworfen; und leider auch die tradierte Gediegenheit. Der Zwang zum schnellen und billigen Wiederaufbau tat das übrige. Während in den fünfziger Jahren, bei aller Bescheidenheit, noch handwerkliche Tugenden gepflegt wurden, gingen sie in der Bau-Orgie der sechziger und siebziger Jahre ganz und gar unter.

    Das "Nazi"-Verdikt wirkt bis heute nach. Wer im Bauen altbewährte Materialien wie Naturstein oder Holz verwendet, gilt als reaktionär. Wenn er daraus solide, gut detaillierte Bauten konstruiert, ist er fast schon totalitär. Und wenn die Grundrisse klar geometrisch angelegt und die Fassaden einheitlich und streng gegliedert sind, dauert es nicht lange, bis er als Faschist diffamiert wird. Demgegenüber kann es sich jeder leisten, die absurdesten Tragkonstruktionen mit den schrägsten Fassaden so zusammenzubringen, daß die Bauschäden programmiert sind; wenn es nur pittoresk und heiter aussieht, ist es auch demokratisch und akzeptabel.

    Vielleicht ist dies die Nemesis der deutschen Architektur: als Strafe für den Terror, den sie in den dreißiger und vierziger Jahren repräsentiert und beschönigt hat, wird ihr gleich die gesamte eigene Tradition verwehrt.

    Ganzer Artikel hier:
    http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument.html?id=13683465&top=SPIEGEL\r
    wissen.spiegel.de/wissen/dokumen ... op=SPIEGEL

  • Snork 7. Januar 2024 um 18:48

    Hat den Titel des Themas von „Lampugnani: Die Provokation des Alltäglichen“ zu „Vittorio Magnago Lampugnani“ geändert.