Einleitung
Am 15. Februar 2018 lud die Bundesstiftung Baukultur alle Interessierten zu einer Podiumsdiskussion mit dem Thema "Schön und gut" ein. Die Grundfrage war, ob Schönheit tatsächlich nur im Auge des Betrachters liege oder ob es nicht doch objektive Maßstäbe für eine emotional auf uns wirkende Baukunst gibt. Die Diskussion fand in der Bar Kosmetiksalon Babette in der Karl-Marx-Allee 36 unweit des Alexanderplatzes in Berlin statt. Nach einer Begrüßung folgten vier 15minütige Vorträge der Diskutanten, danach schloss sich eine Podiumsdiskussion an. Da das Thema auch für Stadtbild Deutschland interessant ist, habe ich mitgeschrieben und gebe euch eine Zusammenfassung.
Als Diskutanten eingeladen waren: Prof. Andreas Denk (Architekturkritiker und Chefredakteur "der architekt" [sic!]), Dr. Martin Düchs (Architekt und Philosoph an der Uni Bamberg), Jürgen Tietz (Architekturkritiker), Claudia Meixner (Architektin Meixner Schlüter Wendt Architekten) sowie Prof. Dr. Mirijam Schaub (Philosophin der Kunsthochschule Halle). Rainer Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur, moderierte die Diskussion. Den drei Modernisten (Denk, Tietz, Meixner) standen zwei "Ästheten" (Düchs, Nagel) gegenüber.
Impulsvortäge
Den einführenden Vortrag hielt Prof. Denk, welcher einen kurzen Abriss der Geschichte der Schönheit, bzw. welche Regeln als Bedingung für Schönheit definiert wurden, lieferte. Natürlich sprach er auch über die klassische Form- und Proportionslehre (Goldener Schnitt), aber er vertrat hier Meinung, dass Maß und Zahl alleine nicht ausreichen würden, um die Schönheit eines Gebäudes zu definieren. Ebenso Teil der Schönheit eines Gebäudes seien auch die "inneren Werte" wie die Funktionalität oder sogar auch, wieviel Geld das Gebäude kostete und ob es innerhalb des Budgets blieb. Damit vertritt er eine typische relativistische Meinung, dass alles irgendwie schön sei, wenn man nur lang genug danach suche.
In seinem Vortrag mit dem Thema "Moral und Schönheit in der Architektur" stellte Dr. Düchs die Fragen in den Raum, ob schöne Architektur auch moralisch schlecht sein und ob hässliche Architektur auch moralisch gut sein könne. Er verneinte dies ganz entschieden. Hässliche Architektur ist immer moralisch schlecht. Denn der Mensch ist ein Wesen, das nach Schönheit strebt, daher ist Schönheit eine notwendige Bedingung von moralisch guter Architektur und Schönheit muss wieder Teil jeder baumeisterlichen Ethik werden. Weitergedacht bedeutet das, dass hässliche Architektur eine ständige Beleidigung und Erniedrigung des Menschen ist.
Jürgen Tietz wiederum nahm eine andere Richtung und argumentierte, dass auch hässliche Architektur einen Denkmalwert habe. Er machte dies an einem Flakhochbunker aus dem Zweiten Weltkrieg fest, welcher unbedingt als Zeuge dieser Epoche erhalten werden müsse. Auch sei Schönheit kein guter Maßstab, denn der Mensch findet das schön, was er kennt und wiederholte damit den Relativismus von Denk, dass alles irgendwie schön sein kann.
An seinem Vortrag störte mich, dass er gegen einen Strohmann argumentierte. Kaum jemand würde abstreiten, dass auch hässliche Gebäude einen Denkmalwert haben können, aber damit wird Schönheit wieder mit anderen Kategorien vermischt, mit denen es nichts zu tun hat – ein Gebäude kann schön, aber nutzlos, oder funktional und schön, oder ein wichtiger Teil der Geschichte sein – das eine hat nichts mit dem anderen zu tun und bedingt sich nicht gegenseitig.
Auch finde ich die Argumentation, dass man nur das schön finde, was man kenne, problematisch und auch faktisch falsch. Problematisch, weil damit die Meinung von Menschen, welche zb. Ein modernes Gebäude als "hässlich" wahrnehmen, ganz leicht als ‘kleingeistig‘ abgestempelt werden kann, weil sie nicht offen genug seien. Falsch, weil es wohl kaum einen Menschen gibt, egal aus welcher Region der Welt, der nicht von der Kathedrale von Arras, von der mit Schnitzerein aus Holz verzierten Moscheen in Meknes, dem Taj Mahal oder Santorini fasziniert ist. Jedes dieser Gebäude und Stadtbilder entstammt einem anderen Kulturkreis, werden aber dennoch übergreifend als schön wahrgenommen.
(Die große Moschee von Meknes, erbaut im 11. Jhd., by Daemon11 (Own work) [CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], via Wikimedia Commons)
Weiter ging es mit der Architektin Claudia Meixner, die über die räumliche Präsenz von Architektur sprach. Sie stellte vor allem Arbeiten ihrer Firma vor, die vor allem den Raum skulptural fassen sollten. Interessant war, dass sie offen zugab, dass sie ihre Bauten niemals als schön bezeichnen würde. Wichtiger sei die die "Idee" dahinter, weswegen manche Entwürfe auch "Landeklappen" haben. Inwiefern dies mit ihrem Lieblingsgrundsatz "form follows function" vereinbar war, hat sich mir jedoch nicht so ganz erschlossen.
Zuletzt sprach die Philosophin Mirijam Schaub über den Schönheitsbegriff und bezog sich vor allem auf Kant. Sie betonte, dass Schönheit etwas anderes sei, als Funktionalität und das man den Begriff Schönheit daher klarer definieren müsse.
Podiumsdiskussion
Die Podiumsdiskussion drehte sich dann um die Fragen, ob es ein übergreifende Wahrnehmung von Schönheit gebe und welche Verantwortung Architekten haben. Als Belege für eine übergreifenden Maßstab von Schönheit wurde das Pantheon – welches immer emotional wirke – sowie die Elbphilarmonie, welche ebenfalls kollektive Begeisterung auslöste – angeführt. Insbesondere Düchs kritisierte das ständige relativieren, das alles irgendwie schön sein könne. Durch diese Kritik kam auch bei Prof. Denk Bewegung rein und musste zugeben, dass der Begriff "schön" immer mit anderen Adjektiven vermischt werde. Oft spricht man von "schön" wenn man eigentlich "interessant" meinte.
Dann wurde diskutiert, was es mit der Ornamentik auf sich hat. Natürlich lehnten die drei Modernisten Ornamente per se ab. Meixner gab hier eher unreflektiert den Glaubensgrundsatz "form follows function" zum Besten. Rainer Nagel zitierte aus Umfragen der Bundesstiftung Baukultur, welche zeigten, dass sich die Menschen wieder mehr Ornamentik wünschen, da sich damit wohl fühlen. Denk betonte, dass es nicht Aufgabe der Architekten sei, dass zu bauen, was sich die Masse wünsche, da Architekten vor allem ihrer Zunft verpflichtet seien und den Bauherrn vor seinen Verirrungen beschützen müsse. Düchs griff das auf und kritisierte, dass Architekten eine Verantwortung der gesamten Gesellschaft gegenüber haben. Deren Wünsche zu ignorieren sei arrogant und paternalistisch.
Eigene Meinung
Für mich wurde eins deutlich: Schönheit ist durchaus objektiv greifbar, was aber höchst subjektiv ist, ist, ob Schönheit einem wichtig ist. In Kunst und Architektur erleben wir, dass Schönheit unwichtig, die "Idee", das Interessante, jedoch alles ist. Mit dieser Denke schränken sich Architekten vor allem selbst ein. Wenn sie sich nur „function“ versteifen, bleiben sie zwangsläufig immer unterhalb ihrer Möglichkeiten. Erst wenn ein Gebäude (angelehnt an Vitruv) Festigkeit, Funktion, Schönheit und Idee in sich vereint, kann es ein wahres Meisterwerk werden.