Artikelserie "Die Handwerkersiedlung um Anschari"
(2.Oktober 1944 bis 24. März 1945)
oder
‚Friedrich der Große’ war der Erste
Wenn auch der seinerzeitige Baudirektor Bremens, Wilhelm Wortmann, zu seinem eigenen späteren Bedauern, nicht sofort nach dem Einsturz des Turms für dessen Wiederaufbau eingetreten war (siehe: laufende Nummer 281, Seite 15 dieses Themenstranges), so tat dies doch ein Anderer, und zwar Friedrich Prüser, der Direktor des Staatsarchivs Bremen.
In der parteiamtlichen ‚Bremer Zeitung’ - dem, nachdem die traditionsreichen ‚Bremer Nachrichten’ (einer der drei ältesten, kontinuierlich erscheinenden deutschen Zeitungen) am 31. August 1944 (also am Tage vor dem Turmsturz, welche Symbolik !) für die Dauer des Krieges eingestellt worden waren, einzigen verbliebenen städtischen Presseorgan - veröffentlichte er nämlich eine neunteilige, in unregelmäßigen Abständen erscheinende Artikelserie, die sich mit der Bedeutung des von St. Ansgarii geprägten Quartiers der Altstadt beschäftigte und gewissermaßen als ein erstes öffentliches Anschreiben gegen das Vergessen zu werten ist.
Der 1. Teil erschien am 2. Oktober 1944 und somit zu einem Zeitpunkt als die Seitenschiffe und der Chor der Kirche noch alle ihre Dächer und Gewölbe besaßen und lediglich das Mittelschiff und die Westmauern durch den am 1. September eingestürzten Turm stark beschädigt bzw. zermahlen worden waren. Die übrigen Dächer, Gewölbe und Anbauten der Kirche sollten erst vier Tage später, durch die Spreng- und Brandbomben des 137. Luftangriffs auf Bremen, am 6. Oktober, zerstört werden.
Der 9. und letzte Teil wurde am 23./24. März 1945 abgedruckt, also einen guten Monat bevor der Zweite Weltkrieg nach der Einnahme der Stadt durch die Truppen des britischen Feldmarschalls Montgomery am 27. April 1945 in Bremen zu Ende gehen sollte. Diese Artikelserie wurde in zunehmendem Maße das letzte Lesbare, in einer immer stärker von den Durchhalteparolen des untergehenden Regimes dominierten Zeitung. Prüser blieb seinem nüchternen Schreibstil treu, so wie er ihn vor 1933 bereits gepflegt hatte und diesen auch nach 1945 fortführen sollte.
Es nötigt einem Ehrfurcht und Respekt ab, wie dieser Mann, der durch die von ihm organisierten Evakuierung der wesentlichsten Bestände des Bremer Staatsarchivs in ein Salzbergwerk bei Bernburg an der Saale, bereits seine Arbeitsgrundlage verloren hatte, nun auch noch die fortschreitende Zerstörung seiner geliebten Bremer Altstadt verkraftete.
Wie es in seiner Seele ausgesehen haben mag, als ein baulicher Zeuge bremischer Vergangenheit nach dem anderen in Trümmer sank, mag man sich gar nicht vorstellen.
Und dennoch scheint er in einem – äußerlich als stoische Ruhe erscheinenden – abgeklärten Gemütszustand seine Artikelserie vollendet zu haben. Er war sozusagen ein ‚alt-bremisches’ Licht in der zunehmenden Dunkelheit.
Einmal jedoch, läßt er uns in sein Innerstes blicken und zwar als er am 23. November 1944 über das Schicksal des Turmes schreibt:
„Mit tiefem Bedauern hatten wir in Bremen von der Krankheit des Turmes und der großen Gefahr vernommen, in der er schwebte und als er am 1. September d. J. einstürzte, da hielt wohl jeder einen Augenblick den Atem an, war der Vaterstadt eines ihrer Wahrzeichen genommen worden.“
Diesen Worten von Bremens ‚Friedrich dem Großen’ bleibt nichts hinzuzufügen !
Anbei nun die Artikelserie. Leider sind einige der Mikrofilmaufnahmen nicht sonderlich klar. Man muß teilweise sehr genau hinsehen, um die Zeilen zu entziffern. Ich bitte, das zu entschuldigen.
Abbildung 01
1. Teil (1a) vom 2. Oktober 1944
Abbildung 02
2. Teil (1b) vom 28./29. Oktober 1944
Abbildung 03
3. Teil (2a) vom 15. November 1944
Abbildung 04
4. Teil (2b) vom 23. November 1944
Abbildung 05
5. Teil (3a) vom 13. Dezember 1944
Abbildung 06
6. Teil (3b)vom 04. Januar 1945
Abbildung 07
7. Teil (4) vom 11. Januar 1945
Abbildung 08
8. Teil (5) vom 14. März 1945
Abbildung 09
9. Teil (6) vom 23./24. März 1945
Abbildung 10
Friedrich Prüser ( 1892 Bremen – 1974 Bremen; Foto aus dem Jahre 1969)
Ceterum Censeo Ecclesiam Esse Reconstruendam !