Beiträge von Dr.Mises

    Vielleicht ist dies temporär geeigneter, wenn es in Dresden bzw. Chemnitz Sammler geben sollte. Daher habe ich mal versuchsweise online gesetzt, was noch so anfällt ...

    für Dresden

    http://www.technologienpsychologie.org/heimatik/geloest/dresden.html

    und Chemnitz:

    http://www.technologienpsychologie.org/heimatik/geloest/chemnitz.html

    So würde ich dies in beiden Foren bekanntgeben. Wenn sich eine konsistente Abnahme ergäbe, könnte ich dann auf diesen "Umbogen" auch verzichten ...

    Leipziger Ware

    Unter Leipziger Ware bezeichnete man im vergangenen Jahrhundert Produkte, die sich durch ihre besondere Qualität auszeichneten. Ob Fotos dazu zählen, bleibt dem Betrachter überlassen. Jedenfalls gingen nicht nur Dr. Trenckler,
    sondern weitere Fotografen auf Reise, um ihre fotografischen Möglichkeiten und Qualitäten anzubieten.

    Unbesehen des obigen Links besteht nun die Möglichkeit, über digitalisierte Adreßbücher und weitere Findhilfen "Unbekanntes" nach der Verortung wieder an den ursprünglichen Entstehungsort abzugeben, weil die Aufnahmen nicht Leipzig abbilden. Drei Beispiele mögen erst einmal genügen. Etwaige Umbenennungen der Straßen und Hausnummern lasse ich dabei mal weg ...

    Auf der Rückseite steht:

    Platte bleibt für Nachbestellung aufbewahrt
    Ernst Kaeschner, Photographische Kunst Anstalt Leipzig-Connewitz

    nicht Leipzig, sondern Braunschweig: Ruhfäutchenplatz (kann also wieder dorthin, auch wenn es nicht mehr steht)

    Dagegen kann man folgende Beispiele gern vergleichen.

    Auf der Rückseite steht:

    Original - Bromsilber - Postkarte.
    Leipziger Bromsilber Postk - Fabrik BROMOPHOT,
    H. Jahn, L.-Kl Zschocher, Bahnhofstr. 4.


    nicht Leipzig, sondern Chemnitz: die jetzige Michaelstraße 71 (leider nicht so schön restauriert)

    und ebenfalls von H. Jahn:

    nicht Leipzig, sondern Dresden: Bürgerstraße 46 (ob es inzwischen saniert ist, entzieht sich meiner Kenntnis)

    Weitere Aufnahmen konnten inzwischen lokalisiert werden.

    Hier sieht man wahrlich den Unterschied zwischen Wissen aus erster Hand und dem, was in Leipzig meist über die Medien geistert. Und auch der historisch funktionale Zusammenhang sollte wie genannt richtigerweise in der Planung wieder mehr Beachtung finden, denn zwischen diesem Gebäude und der Deutschen Bücherei steht weiterhin der wundervolle Nachfolger der Taubstummenanstalt Talstraße 38:

    http://www.landesschule-fuer-hoergeschaedigte.sachsen.de/download/shs/A…hulgebaeude.pdf

    Vieles ist bestimmt gut gemeint, wenn man das lokale Zentralorgan zitiert, aber der Gutenbergplatz sieht in der Realität im Jahre 2017 eben so aus:

    (Vergleichsfotos alle 28.12.2017)

    Entgegen der qualitativ hochwertigen Baukultur im obigen Beitrag, wird z.B. das häßliche wie stupide Gebäude des ehemaligen VEB Kombinat Chemieanlagenbau Leipzig-Grimma eben nicht abgerissen, um wieder an städtischer Attraktivität zu gewinnen, sondern wie rechts andeutend zu sehen, sollen daraus 4 einzelne Knastblöcke entstehen, die in den Traufhöhen natürlich wieder überzogen sind. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt. Schließlich hat dieser VEB u.a. auch die südamerikanische Drogenmafia mit entsprechenden Aufbereitungsanlagen beliefert ...

    Nochmals der geschichtliche Vergleich:

    Originalaufnahme von R. Brauneis Dresden um 1900. Vom Verlag Paul Wolff, Breite Straße 7a gedruckt, aber erst am 25.9.1909 nach Jever b/Oldenburg gelaufen.

    annähernder Vergleich vor drei Tagen

    Wesentlich besser sieht es in Blickrichtung am Ostplatz aus:

    folglich um 1915

    Auch wenn noch nicht alle Gebäude am Ostplatz saniert sind, richten sich die Lückenschließungen an der städtebaulichen Grundsubstanz aus - wie auch weiter vorn in der Prager Straße am "LKG-Gebäude". Dies wird Stahlbauer bestimmt hier nochmals einflechten können.

    Einige weitere Beispiele:

    04347 Leipzig (Schönefeld) jetzige Gorkistraße 119, vermutlich um 1930

    Vergleich Dezember 2017

    Eigentlich zum Thema Gohlis gehörend, aber auch gelöst:

    Beaumontstraße , gelaufen August 1910

    jetzt Heinrich-Budde-Straße 22 04157 Leipzig (Gohlis)

    Dimpfelstraße 34 , 04347 Leipzig (Schönefeld) um 1910

    Vergleich Dezember 2017

    04229 Leipzig Merseburger Straße 12 (Plagwitz) vermutlich um 1910

    Dieses Motiv wird vermutlich mit anderen unbekannteren Vergleichen ab 06.01.2018 in der Ausstellung "Route 74" zu sehen sein http://www.berggut.de , da es nahe der Buslinie 74 steht. D.h. dieser Bus durchquert nicht die Innenstadt, sondern von Lindenau bis Holzhausen mehrere Stadtteile ...

    Vergleich Dezember 2017

    Und noch ein Beispiel, ebenfalls vor wenigen Tagen aufgenommen:

    04347 Leipzig , Ossietzkystraße 39 (Schönefeld)

    Pfarrhaus Schönefeld (Rückseite)

    Aufnahme vermutlich Januar oder Februar, versendet dann vermutlich in einem Paket an die Kriegsfront 1915

    Rückseite u.a. handschriftlich: "Gebe Gott, daß bald Frieden wird!"

    Dies zur Besinnung und zum Jahresabschluß 2017.

    Dateizeichen xy ungelöst, (und gelöst)

    Wenn nun zum Jahreswechsel 2017-2018 ein weiteres Thema angerissen wird, so liegt es - wie Stadtbild Deutschland eindrücklich zeigt - daran, daß insbesondere im Osten Deutschlands die Zerstörungen zweier deutscher Diktaturen immer noch nachwirken.

    D.h. dabei geht es nicht allein um Kriegsschäden, sondern in der Folge um Verwahrlosung durch SED, Stasi & Co. sowie mutwillig herbeigeführte Zerstörungen, um kriminelle, staatlich organisierte Plünderungen und somit um den Ausverkauf kultureller Werte. Ungelöst mit den damit verbundenen Verbrechen sind viele Probleme und Fragen, die bei anderen Themen wiederkehren und dort genannt werden. Es sind also in Leipzig nicht nur vernichtete Bau- und Grundstücksakten, die verschwundene Stadtbildsammlung der alten Stadtplanung und die langjährige Immobilienkriminalität im Neuen Rathaus, über die man, wenn überhaupt, hin und wieder im lokalen Zentralorgan beschwichtigend und ja nicht zu gründlich erfährt.

    Ungelöst ist nicht nur der Raubgutverbleib von Kunstschätzen nach dem Zweiten Weltkrieg. Ungelöst und von internationaler Bedeutung sind u.a. nun bald 50 Jahre nach der Sprengung der Leipziger Universitätskirche St. Pauli im Jahre 1968 die langfristig durch SED und Stasi vorbereitete Leichenfledderung und Beraubung der 800 in der Paulinerkirche Begrabenen am Wochenende davor, die der eigentliche Grund für SED- und Blockparteien-Nachfolger, Profiteure, Spitzel und erpreßbare Politiker waren, das Ganze, d.h. nationales Wissenschafts-, Bildungs- und Kulturgut vergessen zu machen und stattdessen eine steuermittelfinanzierte, geschichtsfälschende Betonkiste namens "Paulinum" als überteuertes Versatzstück hinzusetzen.

    Leipzig (derzeit unbekannt) die xy-Seite

    Analog zu den großen offenen Versäumnissen und unaufgeklärten Schandtaten geht es im kleinen nun bei diesem Thema um das Zusammentragen von Wissen, Informationen und Beständen, die eigentlich hätten im Stadtplanungsamt mit der "Wende" präsent sein müssen. Da man jedoch im Leipziger Rathaus keinerlei Transparenz haben wollte (Thema s.o.) geschieht einiges hier, wo sich jeder Interessierte gern beteiligen kann.

    Denn wenn man heutzutage einen Stapel alter Fotos und Postkarten mit Architektur bzw. Gebäuden durchschaut, die bezüglich des Standortes unbeschriftet sind, gibt es nur wenige, die sagen können, welche Großstadt oder Kleinstadt es sein könnte.

    Um es nun möglichst einfach und überschaubar zu halten, habe ich eine anfängliche xy-Seite gesetzt, die hin und wieder erweitert bzw. von den Objekten her ausgetauscht wird, sofern man etwas eineindeutig herausgefunden und mit aktuellem Bildbeleg hier folgend als gelöst betrachten kann.

    Dazu gibt es (sofern auf der Rückseite vorhanden oder in Details erkannt, die man mit dieser Bildauflösung kaum sieht) jeweils weitere Informationen, die man ggf. u.a. mit den digitalen Adreßbüchern online vergleichen kann. Auf weitere Untergliederungen (Hoch- oder Querformat, Anzahl der Stockwerke etc.) wird vorerst verzichtet.

    Langfristiges Ziel bleibt aber die 3D-Rekonstruktion der Stadt gemäß ihrer städtebaulichen Entwicklung. Falls es entsprechende Entwicklungslösungen mit Geodaten bzw. Galileo gibt (also nicht mit einem der Datenkraken), wäre die Möglichkeit zu eruieren, diese entsprechend zu integrieren und einzupflegen. Hier der Link xy - ungelöst:

    http://www.technologienpsychologie.org/heimatik/xy/xy.html

    Es können ja auch andere unbekannte Bestände hier zitiert werden. Und um es auch überregional attraktiv zu machen, werden auch Beispiele kommen, die vermutlich eben nicht Leipzig sind, sondern eher Dresden, Berlin oder z.B. Danzig.

    Um einen Einstieg zu geben, hier einige aktuellere Beispiele für gelöst:

    Lützner Straße 109 04177 Leipzig (Altlindenau) um 1920

    Dezember 2017

    Riesaer Straße 53 um 1910 04328 Leipzig (Paunsdorf)

    Dezember 2017

    Kirschbergstraße 41 04155 Leipzig (Möckern)

    Vergleich 2016

    1908 Frühstück Stube Wurzner Straße - Ecke Breite Straße 04317 Leipzig (Reudnitz)

    Vergleich Dezember 2017 (leider sieht auch der Umgebungsbereich nicht besser aus)

    Schützenhausstraße 13 04315 Leipzig (Volkmarsdorf)

    Vergleich Dezember 2017

    Hallesche Straße 206 im Jahre 1909

    Vergleich im Jahre 2016 Georg-Schumann-Straße 206 04159 Leipzig (Möckern)

    Lilienstraße 20, 04315 Leipzig (Neuschönefeld)

    Vergleich Dezember 2017

    Ein "historischer Beleg" aus dem Jahre 2005

    Es geht nicht nur um "Kritik" an sich. Alle wußten einschließlich Hochschulrektorenkonferenz, daß hier Grundsätzliches "oberfaul", um nicht zu sagen kriminell und verfassungsfeindlich, und eines demokratischen Rechtsstaates nicht würdig ist.

    Als Beleg hierzu etwas als "historisches Dokument", was natürlich auch Dr. Gernot Sittner (Süddeutsche), Roman Hollenstein (Neue Zürcher Zeitung), Uwe Müller (WELT) und bereits der Bundesrechnungshof erhielten.

    An: Milbradt Georg <Georg.Milbradt@dd.sk.sachsen.de>
    Datum: 15.06.2005, 17:16:07

    Betreff: Die zehn wichtigsten Gründe zur Ablehnung des Egeraat-Entwurfs

    Die Ablehnung begründet sich im wesentlichen aus den Vorgaben der Universität Leipzig.

    1. Es fehlen seriöse Sachgrundlagen zur Universitätsgeschichte, insbesondere zur Geschichte der Universitätskirche.

    2. Es bestehen substantielle Defizite bezüglich des Verbleibs von Kulturgut aus diesem Standort.

    3. Es ist weiterhin ungeklärt, inwieweit Verantwortliche sowie direkte und indirekte (für ihre Karriere förderliche Positionierung zu der kriminellen Schandtat) Nutznießer der barbarischen Zerstörungen von 1968 am Planungsverfahren beteiligt waren bzw. beteiligt sind.

    4. Der Entwurf assoziiert stark mit nationalsozialistischen Tendenzen zum Umbau der Universitätskirche aus den 30er Jahren:

    - einseitige Ausrichtung auf eine "Führung" in der Längsachse
    - weitere Trivialisierung der "Ostfront" der Universitätskirche
    - Verdrängung der Kanzel aus dem Altarraum
    - Verlagerung von Epitaphien aus dem Altarbereich an die Nordwand
    - starke Anonymisierung des Gesamtraumes

    5. In Erweiterung der nationalsozialistischen Ausrichtung wird das dominierende Hauptwerk, der Paulineraltar der Universität,
    nicht einbezogen. Der Kreuzgang wird unterschlagen. Weitere historische Bezüge, insbesondere zum Altarraum fehlen gänzlich.

    6. Anstelle eines geschichtlich einmaligen und über Jahrhunderte bewährten Gebäudes wird eine Aula propagiert, die in jedem x-beliebigen Gewerbegebiet stehen könnte. Die Auswechselbarkeit und Beliebigkeit wird gestärkt, indem u.a. eine Wechselbestuhlung vorgesehen ist, die zusätzliche Kosten (Stuhllager, Podium- und Projektionstechnik, Schiebetüren etc.) und somit auch erhöhten Verschleiß bedeutet.

    7. Die Gesamtanforderungen stellen eine unvergleichliche Nutzraumüberfrachtung dar. Entgegen den erneuten euphorischen Äußerungen seitens der Universitätsleitung bei der Preisvergabe muß festgestellt werden, daß allein die gesamte Nutzung der Etagen unter Schrägdächern äußerst unpraktikabel ist, angefangen von der Aufstellung von Regalen bis zur Bewegungseinschränkung für den Nutzer. Dazu kommt noch, daß, während auf der Südseite bei Sonne ständig Jalousien die Räume abdunkeln müßten und zusätzlicher Aufwand an Belüftung bzw. Kühlung entsteht, sich meist alles in die Nordseite verlagern würde. Auch das Zusammenspiel der vorgesehenen, unterschiedlichen Funktionen zur gleichen Zeit muß zumindest als fragwürdig angesehen werden. Dies trifft auch auf das ungünstig parallel angeordnete Auditorium maximum zu.

    8. Allein der Gedanke, daß dort, wo über Jahrhunderte wichtige Persönlichkeiten der Universität Leipzig und nicht nur der Stadt Leipzig in bunt bemalten Grüften begraben wurden (was seitens der Universität Leipzig bis heute nicht aufgeklärt ist), nur Parkplätze entstehen sollen, erhebt ethische Zweifel am Geschichtsverständnis der Universitätsleitung.

    9. Die Ästhetik der Außengestaltung hält der Qualität der Vorgängerbebauungen von Geutebrück und Rossbach in keiner Weise stand. Das betrifft insbesondere die Verarmung der visuellen Komplexität, aber auch die von innen gespiegelte Dürftigkeit und Oberflächlichkeit des Gesamtvorhabens. Statt wieder aufgenommener Attraktivität entsteht nach dem zweiten Blick jene architektonische Langeweile, die schon die verschlissenen sozialistischen Bauten prägt. Daher ist auch die vom StudentInnenrat publizierte Collage als kurzlebiger, aufgesetzter fettiger Schnittkäse auf einer ziemlich angegammelten Brotscheibe mit dem Stempel des Jubiläumsevents 2009 berechtigt. Die bereits im Volksmund kursierenden Begriffe wie "überdimensionierter Starkasten", "Kratzbuckel" u.a. bilden ebenso kaum eine Identifikationsbasis.

    10. Die vergangenheitskaschierende Diktion der Vorgaben bewirkt, daß alle vier eingebrachten Entwürfe der städtebaulichen wie kulturhistorischen Verantwortung nicht gerecht werden können. Nachdem die Universitätsleitung bereits als Sieger Behet & Bondzio bejubelte und bauen lassen wollte, scheitert auch der Entwurf von Egeraat (selbst mit den aktuellen Zugeständnissen bezüglich Grundfläche, etwaigen Absenkungen der Höhen und Veränderungen der Unterkellerungen) an der fehlenden demokratischen Aufarbeitung zur Planung seitens der Universität, insbesondere zu den Jahren 1933-1945, aber auch zu den Entwicklungen vor und nach dem Jahre 1968.

    Spätnationalsozialistische Architektur: Das Paulinum

    Auf den letzten Seiten hatte ich bereits einiges an Informationen zusammengestellt, die das Hauptgebäude der Universität Leipzig, das Augusteum, betreffen. Wer nun ggf. die Eröffnung des "Paulinums" gesehen hat, den Gottesdienst oder weitere Beiträge des hiesigen Heimatsenders, wird bestimmt Fragen haben. Denn die Universität Leipzig hatte doch neben der Paulinerkirche u.a. eine wunderschöne Aula im Augusteum nebst weiteren äußerst repräsentativen und schön gestalteten Räumen. Warum wollte man diese Aula nicht wieder, sondern verleugnet sie?


    Die Aula der Universität Leipzig im Jahre 1906 (damals noch linksseitig ohne den Fries von Max Klinger)

    Warum wollte man ein unbequemes und stinkhäßliches Auditorium maximum (wie im Hörsaalgebäude) ohne Fenster?



    hofseitig fensterloses Auditorium maximum im Jahre 2014

    Man hätte doch auch im Hörsaalkomplex einen Saal entsprechend ausbauen können. Warum wollten Informatiker unbedingt in Schrägdachbereiche ziehen? Man hätte doch mit der randständigen Bebauung an der Universitätsstraße wieder traditionsgemäß die Baulücken schließen können, um mehr Platz zu gewinnen z.B. für ein neues Johanneum und Paulinum an ihrer richtigen Stelle und mit den passenden Funktionen.

    Warum wollten Professoren und Bedienstete der Universität Leipzig u.a., daß die Sonne aus nördlicher Richtung hell in dieses "Paulinum" scheinen möge, so wie es in den Plänen Egeraats vorgesehen war? (Des Kaisers neue Kleider lassen grüßen.) Mit großem Pomp hat man sogar eine Extrazeitung 2009 damit betitelt.


    Dies möchte ich kurz beantworten, da nicht nur für Außenstehende hier vieles schwerlich begreifbar scheint. Dabei geht nicht um Gefallen oder Nichtgefallen, sondern weiter nur um Sachwissen, was bereitgestellt werden muß. Entsprechende Links, wo man detaillierter einiges nachlesen kann, füge ich zum Schluß an.

    Die "Karl-Marx-Universität" feierte 1984 noch den 575. Geburtstag ihrer Universität Leipzig mit strategischen Zielen zum Sieg des Sozialismus-Kommunismus. Die Kaderentwicklungspläne reichten 1989 schon bis ins Jahr 2000. So ist durchaus verständlich, daß gerade Nachwuchskader von SED & Co. weiterhin an diversen Stellen weltweit oder im Hintergrund aktiv waren bzw. sind. Wie beim Ministerium für Staatssicherheit der DDR war mit der Wende zuerst Eigensicherung angesagt. Das heißt, zuerst Vernichtung von Dokumenten zum Nachweis eigener Straftaten.

    Nun hatte sich in 40 Jahren DDR-Diktatur ziemlich viel aufgestaut, was hierunter fiel. Zudem hatte das Ganze z.B. für Inoffizielle Mitarbeiter wie für andere Kaderchargen den kleinen Haken, daß entsprechende Unterlagen aufgrund der Überfülle nicht nur teilweise erhalten blieben, sondern auch außerhalb Deutschlands gesichert wurden. Entsprechende Kader waren bzw. sind somit jederzeit erpreßbar. (1)

    Vorteilhaft ist für diese nur, daß sie über die Zusatzvereinbarung des Einigungsvertrages vom 18.09.1989 quasi geschützt sind (hundertausende Seiten zur Karl-Marx-Universität Leipzig bezüglich HV A (Auslandsspionage des MfS) blieben in der BStU erhalten) und dienen derzeit nur dem Täterschutz. (2)

    Nun könnte man meinen, da seit der Sprengung der Paulinerkirche 1968 bis zur Wende bereits 21 Jahre vergangen waren, daß die Paulinerkirche nicht mehr aktuell war. Weit gefehlt. Bis zur Wende war die Paulinerkirche ein Tabuthema, über das in der DDR weder veröffentlicht noch an der Karl-Marx-Universität debattiert werden durfte.
    Was war als der Grund dafür?

    Den Hauptgrund kannten bis vor einigen Jahren nur wenige. Erst durch das absonderliche Verhalten von Verantwortungsträgern der Universität Leipzig, den Wiederaufbau der Paulinerkirche um jeden Preis zu verhindern s.o., machte sich die genauere Ergründung der eigentlichen Sachverhalte und Motivationen erforderlich.

    Das größte Verbrechen in der nun über sechshundertjährigen Geschichte der Universität Leipzig ist nicht allein die Sprengung der Paulinerkirche im Jahre 1968, sondern ihre langfristig vorbereitete Beraubung vor der Sprengung einschließlich Leichenfledderung und Raubgrabung bezüglich der 800 in der Paulinerkirche Begrabenen. Was man am 30. Mai 1968 sah, war folglich nicht mehr die Sprengung der Paulinerkirche, sondern eine ausgeschlachtete Ruine wurde dem Erdboden gleichgemacht. Damit ging die SED vorsätzlich über jegliche ethische Grenzen hinweg.

    Und die u.a. über Raubguterlöse profitierenden ausgeschickten Professoren bzw. sonstige Kader der Universität Leipzig schnüffelten dann u.a. alles im Westen Deutschlands aus, worauf sie vom MfS angesetzt wurden ...

    Diese Verbrechen waren zu deckeln, denn es konnte nicht sein, daß diese teure fortschrittsgewandte Elite der SED ihre eigene Geschichte förmlich auffraß …

    Und so war es schon beim ersten Ideenwettbewerb zum Augustusplatz in den 1990er Jahren nur folgerichtig, daß man Geschichte ausklammerte, so weit es irgend ging. Statt Aufarbeitung und solider Bildung, wie es einer Hochschuleinrichtung geziemt, wurde Geschichtsleugnung und Desinformation zum Hauptbestandteil der Planung. Hier liegt wie 1968 das mutwillige wie grundlegende Versagen der Universität Leipzig vor!

    Nach 40 Jahren sozialistischer Verblendung hatte die Universitätsleitung und entsprechende Verwaltungsmitarbeiter insofern leichtes Spiel, weil die Spitzelkader von SED, Stasi & Co. auch im lokalen Zentralorgan, in Ämtern, Behörden und sächsischen Ministerien saßen. (3-5)

    Das Alleinstellungsmerkmal der Leipziger Universitätskirche St. Pauli mit ihrer überregionalen wie historischen Bedeutung (siehe Thema "Die Paulinerkirche – Martin Luthers Wegweisung") wurde vorsätzlich unterdrückt. Die Worte u.a. von 27 Nobelpreisträgern zum originalgetreuen Wiederaufbau mit Spendengeldern (!) analog zur Dresdner Frauenkirche wurden gezielt ignoriert.

    Mit der Gier nach staatlichen Geldern (Kanzler Peter Gutjahr-Löser: "So viel Fördergelder bekommt die Universität Leipzig nie wieder!") wurde tendentiöse Zielrichtung favorisiert, nur eine Aula haben zu wollen, da der Staat keine Kirche finanziere.

    Gepaart mit fragwürdigen Wünschen der Universität Leipzig und fehlenden soliden Planungsgrundlagen entstand bereits eine Wettbewerbsausschreibung, die renommierte Architekturbüros von einer Teilnahme fernhielt. Wie gesagt, dies alles erfolgte mangels Bekenntnis zur Geschichte der Universität Leipzig und um SED-Verbrechen vertuschen zu wollen.

    Auf das drohende Konglomerat (hierzu kann jederzeit auch gern mehr ausgeführt werden) wurde auch die Bauherren und die Universitätsleitung stets frühzeitig hingewiesen. Keiner der Verantwortungsträger kann sagen, daß er nicht wußte, was auf die Universität Leipzig zukommt. Beispiel aus Paulinerforum vom 1.10.2005


    http://www.paulinerkirche.org/archiv/forum/n…ozialismus.html

    Der Architekt Wilhelm Lossow, der u.a. im Jahre 1944 ein Gutachten zum Zustand der Paulinerkirche erstellte, fertigte schon 1936-1937 überaus eifrig Pläne zum "nationalsozialistischen" Umbau der Paulinerkirche, von denen z.B. 17 im Landesamt für Denkmalpflege zu finden waren. Obgleich ich Kopien davon anfertigen ließ, widerstrebt mir, diese ekligen Kreationen zu verbreiten. Da ich auch keine Werbung für nationalsozialistische Architektur mache, bleibt nur der Verweis auf einen Beitrag, wo im Zusammenhang mit den Universitätsplanungen eine Abbildung eingebunden wurde.

    Lossows "führergerechte Aula" sah vor, den gesamten Innenraum zu vereinheitlichen.

    1. Der Chorraum wird aufgewaidet u.a. durch Entfernung der Holzeinbauten.

    2. Die Epitaphien werden teilweise von den Chorwänden entfernt und austauschbar auf den Raum verteilt.

    3. Die Kanzel wird aus dem Chorraum generell verbannt und zum Altar versetzt.

    4. Das Gestühl erfährt eine strikte Frontalausrichtung (nicht mehr eine Gemeinde bzw. Gemeinschaft trifft sich dort, sondern einer redet bzw. befiehlt und der Rest hört zu.)

    Erik van Egeraat ist gemäß den Wünschen der Leipziger Universitätsleitung weit über die Pläne von Lossow hinausgegangen. Nachdem aus den Lichtsäulen, die anfangs mit Lichtorgeln bzw. Lichtfesten von Nürnberger Reichsparteitagen assoziierten, nichts wurde und es ebenso scheiterte, daß sich die Lichtsäulen im Nichts auflösen, sind dann die billig aussehenden, aber teure Kandelaber angebracht worden, die Säulen kaschieren sollen.

    Die Beleuchtung ist deshalb wichtig anzuführen, weil das Bauwerk mit natürlichem Licht, wie wir es bei Gebäuden eigentlich gewohnt sind, vermutlich nicht einmal betriebsfähig ist. Bilder in den Medien und s.o. zeigen immer nur Photoshop-Aufhellungen oder eben die länglichen Kronenleuchter wie in einem Lampenladen. Vielleicht kann man ja noch die Seitenwände der Betonkiste weiter aufhacken, was allerdings bei der bereits verbrauchten Halbwertszeit des Experimentalbaues schon finanziell fraglich ist.

    Der Architekt hat sich aber gut den Wünschen der Auftraggeber angepaßt. D.h. bis auf Epitaphien und dem Altar ist eine seelenlose, klinisch sauber zu reinigende anonyme Kiste entstanden, wo sich jeder eine Aula oder Kirche nach Bedarf denken soll. Der sterile Innenraum mit den hohen scherenschnittartig bzw. oberflächlich gestalteten Schablonen von Fenstern bietet auf jeden Fall unheimlich viele Möglichkeiten, sich dieses "Paulinum" schönzureden. Zweifellos wäre bei Wilhelm Lossow nicht nur die Akustik besser gewesen, sondern die Funktionalität mit den umlaufenden Übergängen zu den Emporen für Publikum und Chöre oder die nutzbaren Räume hinter dem Altar, da er noch auf die originale Bausubstanz zurückgreifen konnte ...

    Jedenfalls ist die Kreation des "Paulinum" oder treffender "Paulügium" (um Geschichte zu unterdrücken, zu fälschen und Verbrechensaufklärungen zu behindern) keine Zukunftsarchitektur, sondern ein Rückgriff auf Architekturvorstellungen aus Zeiten des Nationalsozialismus, auch wenn man damals nicht die technischen Möglichkeiten hatte wie heute.

    Links:

    (1) Grundlagen: Zu den B-Strukturen
    http://www.paulinerkirche.org/archiv/ethik/k2/bstruktur.html

    (2) Mißbräuchliche Verwendung des Einigungsvertrages (09.04.2017)
    http://www.paulinerkirche.org/Projekte/Kulturgut/erklaerung.html

    (3-5) Formen der Diktaturfolgen (20.02.2008)
    http://www.paulinerkirche.org/archiv/ethik/k2/cdukrebs2.html
    Akteure, teils in Eigenzeugnissen
    http://www.paulinerkirche.org/archiv/kader/hva/stange.html
    http://www.paulinerkirche.org/archiv/ethik/k7/jung2010.html

    Auszug vier Seiten zur Universität Leipzig, ebenfalls aus dem Jahre 2005, mit einem Längsschnitt
    der Zukunftsvision von Wilhelm Lossow 1936/7

    http://www.paulinerkirche.org/pdf/uni.pdf

    Die Einschätzung ist völlig richtig.

    Um dies etwas zu verdeutlichen, hier der städtebauliche Kontext:

    Luftaufnahme um 1930

    Die 3. Volksschule nebst der Doppelbebauung links im Bild existiert nicht mehr, dafür nur auswechselbare Wohnbauten aus DDR-Zeiten. Die o.g. Zentralbibliothek befindet sich rechts außerhalb des Bildes. Das damalige Landgericht und jetzige Amtsgericht hatten wir bereits unter Bau- und Sanierungsprojekte, S.80:

    Aufnahme 1907 (gelaufen 26.1.1909), in Farbe:

    um 1910

    Zustand 1996

    Vergleich 2013

    Im Zusammenhang mit der "Wende" kam es auch hier zu fragwürdigen Eigentümerwechseln, die vermutlich mit den "Sanierungen" unter Immobilienkriminalität fielen und seitens der Justiz selbst zu klären waren bzw. aufgrund des unbefriedigenden Zustandes weiter sind. Die Ansicht von der anderen Seite:

    Landgericht 1907 (gelaufen 12.4.1907)

    Vergleich 2013

    mit Straßenverlauf, vermutlich um 1912 (gelaufen erst 8.10.1932)

    Vergleich 2005

    zusammen mit dem Königin Carola Gymnasium (gelaufen 3.4.1907)

    Königin Carola Gymnasium mit Schmuckplatz. Nur die inzwischen gewachsenen Bäume weisen noch auf diese Zeit.

    Das Königin Carola - Gymnasium entlang der Elisenstraße stadteinwärts (gelaufen 1.11.1902)

    Der Vergleich 2013

    Die Situation 2.12.2017

    O.g. Gebäude mit Straßenverlauf Schenkendorfstraße.

    Blick von der Schenkendorfstraße auf das jetzige Amtsgericht Leipzig.

    Das Wichtigste in Leipzig sind (außer am Wochenende) scheinbar die meist überfüllten Parkplätze.

    Bebauungen bzw. bauliche Ergänzungen im Sinne und in der Qualität der Altvorderen und gemäß der Worte Hugo Lichts sind nach meiner Kenntnis nicht in Sicht. Aber vielleicht weiß jemand, Besseres zu berichten ...

    Bezüglich der Zerstörungen beginnen wir heute einmal mit der Schenkendorfstraße. Und zwar deshalb, weil es eben leider nicht nur um Kriegszerstörungen geht, sondern auch um das, was die SED danach favorisierte und was nicht bzw. was sie vernichten ließ.

    Schenkendorfstraße (gelaufen 25.12.1932) Blickrichtung Kaiser-Wilhelm-Straße

    Vergleich 2013

    In der Schenkendorfstraße befand sich zu DDR-Zeiten auf der linken Straßenseite eines der Bauaktenarchive der Stadt Leipzig. Und wenn neu gebaut wurde, konnte ja nach Denkungsart der SED das Alte beseitigt werden. Es geht also nicht nur um die verschwundene bzw. vermißte Stadtbildsammlung der alten Stadtplanung, sondern auch um Kulturgut, was nach 1989 bestimmt vielen Bauherren bei neuen Bebauungen geholfen hätte, aber eben nicht mehr da war.

    Zum anderen ist es eben oft leider ziemlich schwierig, aufgrund dieser Tatsachen alte Fotos bzw. Postkarten wieder richtig zuordnen zu können. Es kann also schon mal vorkommen, daß man hier Fehler begeht. Allein die Anhaltspunkte von den Schattierungen, Straßenbelag, Baumwachstum, Namen an den Gebäuden, Bebauungen aus sich spiegelnden gegenüberliegenden Straßenseiten reichen oft nicht aus. Also bitte melden, wenn dies jemand bemerkt.

    Rechtsseitig sieht man hier in der Schenkendorfstraße die Nr. 13:

    gelaufen 8.9.1906

    Vergleich im Jahre 2000 (aufgrund Bauarbeiten war kein besserer Blickwinkel machbar)

    Oberhalb der Karl-Liebknecht-Straße z.B. die Schenkendorfstraße 31:

    Dazu der Vergleich im Jahre 2013:

    Der Zustand ist heute immer noch so, gleiches mit der Schenkendorfstraße 33, was einen Vergleich erspart:

    Schräg gegenüber die Nr. 34

    Die Pädagogische Zentralbibliothek in Leipzig (gelaufen 28.9.1925)

    Vergleich vom 2. Dezember 2017

    Dies gehört alles zum Umfeld des im Krieg zerstörten Königin Carola-Gymnasium, worauf noch explizit eingegangen werden muß.

    Jedenfalls schlug in der DDR der Kulturfortschritt auch in der ehemaligen Kronprinzstraße zu.

    2.12.2017

    Vermutlich werden die alten Bauakten hier an der Ecke zu ehemaligen Elisenstraße nicht mehr auffindbar sein.
    Schön wäre, wenn ich hier falsch läge, ebenso wie bei der ehemaligen Kronprinzstraße 74:

    Vergleichsfoto im Jahre 2014

    Die Numerierungen waren damals etwas anders (nur falls sich jemand wundert, daß die Zahlen heute höher liegen ...)

    Um einen Blick auf die freie Natur zu erhaschen, ging man vor über hundert Jahren zum anderen Ende der Kronprinzstraße:

    Die Situation im Jahre 1907 stadteinwärts

    Besser ohne Kommentar dazu der Vergleich vom 2.12.2017

    und in die andere Richtung:

    ebenfalls aus dem Jahre 1907 stadtauswärts

    und derzeit:

    Abschließend hierzu eine Abbildung vom bereits "gebändigten" Flußlauf

    gelaufen 24.8.1919

    mit dem stadtökologischen Fortschrittsvergleich Stand: 2.12.2017

    Es ist vollkommen richtig bezüglich Schadensplan. Es war nur erst einmal ein Einstieg in die Materie. Sowohl Luftaufnahmen als auch Beispiele der Zerstörungen (wie Carola-Gymnasium und Andreaskirche) müssen noch so zusammengestellt werden, damit dies konkret nachvollzogen werden kann. Nur ist es manchmal eben schwierig,
    die Kohlenstraße, Bahnbetriebe oder Einzelgebäude so zeigen zu können, als in diesen noch das Leben pulsierte.

    Oben war natürlich die Kronprinzstraße 46 im Jahre 1908! zu sehen.

    Wenn man die Kurt-Eisner-Straße weitergeht, kommt man an die nächste Ecke, die als Kochstraße glücklicherweise mal nicht umbenannt wurde:

    Kochstraße stadtauswärts im Jahre 1907

    Vergleich im Jahre 2013

    Kochstraße Ecke Kurprinzstraße im Jahre 1910

    Vergleich im Jahre 2013, auch hier finden gegenwärtig Lückenschließungen statt, was durch Fahrbahneinengungen täglich beträchtliche Staus verursachen kann.

    Da wir zur Karl-Liebknecht-Straße (im Volksmund "Zeitzer Adolf-Südknecht-Straße") bereit eine Ansicht hatten, an dieser Stelle nur ein Weitwinkelmotiv aus dem Jahre 1915

    Weiteres zur Karl-Liebknecht-Straße gelegentlich. Ein direktes Vergleichsfoto war leider nicht möglich.

    Dennoch zur Orientierung ein Foto aus dem Jahre 2013:

    Auf der linken Seite der Kurt-Eisner-Straße bereits angedeutet die Nr. 43

    Im Jahre 1908

    bereits saniert im Jahre 1996

    Zu DDR-Zeiten war hier eine der vielen alten Vorstadtkneipen: Das Boccaccio - Gründungsort des ungenannt bleiben wollenden wie sehr zeitkritischen Stammtisches Gogelmohsch, zu dem auch Wolfgang Mattheuer gehörte.

    Rechts ein weiteres Beispiel der Denkmalssanierung, die 72:

    Kurprinzstraße 72 im Jahre 1908

    Vergleich 2013

    Danach kommt der Kreuzungsbereich der ehemaligen Elisenstraße (jetzt Bernhard-Göring-Straße)

    Blickrichtung stadteinwärts: Foto um 1940

    Vergleich 2013, Man erkennt schon, daß es in diesen Bereichen große Kriegszerstörungen gab.

    Denn nach rechts schließt sich gleich der Kreuzungsbereich zur ehemaligen Bayerschen Straße (jetzt Arthur-Hoffman-Straße) an:

    ebenfalls im Jahre 2013

    im Jahre 1915

    dazu das linke Eckgebäude um 1920

    im Vergleich 2013

    Stadtauswärts auf der linken Seite als Beispiel

    Kronprinzstraße 67 im Jahre 1908

    Vergleich 26.11.2017

    und rechtsseitig Nr. 88

    im Jahre 1910

    Beide Gebäude nochmals auf dem Foto Richtung Kohlrabizirkus

    Foto um 1940 und für heute abschließend

    Kreuzungsbereich Kurt-Eisner- / Arthur-Hoffmann-Straße 26. November 2017

    Inzwischen ist die Verbindung mit der Brücke zu Kohlrabizirkus, ehemaliger Technischer Messe und Deutscher Nationalbibliothek hergestellt - siehe bei diesen Themen ...

    Zum Einstieg

    Die Südvorstadt von Leipzig tangiert den Bereich zwischen Südplatz (Körnerstraße) und Connewitz sowie zwischen Rennbahn nebst Flußumgebungen bis zum Bayerischen Bahnhof, wobei dies eben nur Aufteilungszuordnungen sind und keinerlei Grenzziehungen. Wenn an dieser Stelle etwas einleitend gesagt werden muß, weil diese Südvorstadt doch eigene Charakteristika hat, die sich im Laufe der Zeit wandelten und weiter verändern werden. D.h. während dieser Beitrag spontan getippt wird (trotz des Materials, was folgen soll) schreiben wir noch das Jahr 2017, während die Ansichten teils über hundert Jahre alt sind. Es wird somit nicht die Entstehungszeit dokumentiert, sondern einiges von dem, was seither geschehen ist. Dies waren u.a. zwei Weltkriege und zwei deutsche Diktaturen. Das muß deshalb betont werden, weil bereits in einigen Jahren mit Folgebebauungen und der Enkelgeneration völlig andere Erlebnisse und Erfahrungswerte hinzukommen.

    D.h. früher war die Südvorstadt eng verflochten mit den Industriestandorten wie Böhlen, Espenhain und Rötha. Mit der Deindustrialisierung und dem Ende u.a. des Kohleabbaus nach 1989 wandelte sich vieles.

    Während wir hier noch um 1986 symbolhaft in der Karl-Liebknecht-Straße nahe Kurt-Eisner-Straße den sogenannten "Mattheuer-Baum" sehen (Wolfgang Mattheuer brachte als Bildermacher vieles auf den Punkt, auch das Absägen des letzten grünen Astes ...) sieht die Situation (ohne dies zu werten) etwas anders aus.

    Direkter läßt sich das an dem Eckgebäude erklären:

    So sah es noch im Jahre 1996 aus, nicht nur an dieser Ecke. Mit und nach 40 Jahren DDR zerfiel die Stadt immer weiter. Während im Leipziger Osten Flächenabrisse stattfanden, hatte die Südvorstadt den Vorteil, daß nicht nur vieles die Bombardierungen im II. Weltkrieg überstand, sondern sehr solide gebaut war. Das "Ruinen schaffen ohne Waffen" war aber auch hier weit fortgeschritten. Und somit wuchs auch die Zahl der kritischen Geister, die sich nicht mehr mit dem zufrieden gaben, was einige hundert Meter weiter stadtauswärts die SED-Bezirksleitung und deren Ausführungsorgan, der Rat des Bezirkes Leipzig, den Bürgern vorgaukelten.

    Im Jahre 1919

    und im Jahre 2013 wieder so:

    Damit widmen wir uns heute erst einmal der

    Kurt-Eisner-Straße (ehemalige Kronprinzstraße)

    Fangen wir in loser Abfolge an, so daß man sich bei einem Spaziergang gut zurechtfindet.

    Die Nr. 2 im Jahre 1911

    Gleiches im Jahre 2000

    Der Straßenverlauf von der Rennbahn bzw. den Flußläufen kommend an der Ecke Fockestraße im Jahre 1905

    Gleiches im Jahre 2013 . Diesem folgt der Kreuzungsbereich der Brandvorwerkstraße.

    Brandvorwerkstraße stadtauswärts um 1905

    An der Ecke (Brandvorwerkstraße 44 im Jahre 1907)

    im Jahre 2000

    im Jahre 2013, dazu die andere Seite

    Brandvorwerkstraße stadteinwärts um 1905

    Brandvorwerkstraße 39 im Jahre 1907

    Gleicher Ort im Jahre 2013

    Obiger Kreuzungsbereich im Jahre 2013, gegenwärtig wird auch die linke Seite wieder geschlossen.

    Der nächste Kreuzungsbereich der Kurt-Eisner-Straße ist die August-Bebel-Straße (ehemals Kaiser-Wilhelm-Straße)

    Kaiser-Wilhelm-Straße im Jahre 1907

    Die Szenerie heute. Bekannter in verschiedenen Ansichten ist natürlich die andere Seite:

    Kaiser-Wilhelm-Straße im Jahre 1911

    Vergleich im Jahre 2004

    Vergleich im Jahre 2013

    Als Beispiel auf der linken Seite mal die Kurprinzstraße 19

    im Jahre 1906

    Kurt-Eisner-Straße 19 im Jahre 2005

    Vergleich 2013

    Von der rechten Seite mal die Nr. 46 (leider momentan kein passenderes Format zur Hand)

    Kurprinzstraße 46 im Jahre 1980

    Kurt-Eisner-Straße 46 im Jahre 1997

    Vergleich im Jahre 2000 (sieht heute auch nicht besser aus)

    Und bevor jetzt mein Rechner abstürzt, gibt es an dieser Stelle erst einmal einen "Break".

    Zum Buß- und Bettag, der ja in Sachsen Feiertag ist, hier noch mal eine Ansicht vor 1897:

    (gelaufen 18.9.1897 / 19.9.1897 in Leipzig)

    Links zu sehen der offene Pleißemühlgraben, Barfußmühle, dahinter Carieri und schön zu sehen die Feuerwache.
    Die Innenstadt dominiert bei dieser Ansicht entlang des Barfußberges in Richtung Rosental mit der Matthäikirche. Es hat noch etwas Organisches in der Beziehung vom Stadtkern über die Vorstadtbereiche zur umliegenden Natur. Damals hegte man keine Ambitionen, einen Fluß verlegen oder ein Hochhaus reinklotzen zu wollen, sondern es gab eine gewisse Ehrfurcht vor den Altvorderen und ihren Leistungen, weil sie sich meistens bei ihren Vorhaben etwas gedacht hatten ...

    Von der anderen Seite des Töpferplatzes in Richtung Fleischerplatz bot sich ebenfalls ein geschlossenes Bild:

    (gelaufen 5.2.1900 nach Dresden 6.2.1900)

    Die Töpferstraße mit dem Vorbau des Hotels Müller (an der rechten Ecke zum Barfußberg noch mit dem Atelier von Hermann Walter), wo die Matthäikirche quasi majestätisch herausragt. Diese Gebäudefront kann man bestimmt wieder schließen, auch reizvoll mit neuer Architektur. Vielleicht kann man auch die Verdichtung zugunsten der Matthäikirche etwas auflockern (Verschattung). Es sei denn, die Genossen im Leipziger Rathaus klammern sich weiter an die Bauten
    von SED und Stasi sowie an die von diesen vereinnahmte Feuerversicherung.

    Zu einem Geburtstag gehört natürlich, daß jeder etwas geschenkt bekommt. Aus diesem Anlaß habe ich nun die kleine Publikation aufgeteilt, damit sich jeder ein passendes Stück nehmen, ausdrucken oder zugleich auch alles nutzen und weiterleiten kann.

    Die Unterteilung ist folgende:

    Teil I: Die Geschichte der Matthäikirche (10 Seiten mit Titelblatt, 422 KB)
    http://www.paulinerkirche.org/tmp/matth/matthaeikirche.pdf

    Teil II: Friedrich Mykonius ( 4 Seiten, 151 KB)
    http://www.paulinerkirche.org/tmp/matth/Mykonius.pdf

    Teil III: Caspar Cruciger ( 5 Seiten, 205 KB)
    http://www.paulinerkirche.org/tmp/matth/cruciger.pdf

    Teil IV: Die kirchliche Vereins- und Liebestätigkeit in unserer Gemeinde ( 4 Seiten, 27 KB)
    http://www.paulinerkirche.org/tmp/matth/gemeinde.pdf

    In zwei Jahren gibt es nun folglich ein kleines Jubiläum: 525 Jahre Matthäikirche.

    Die Anregung, bis zu diesem Zeitpunkt die Fläche der Matthäikirche zu markieren, sollte wichtiger Schritt sein, damit dieser Ort wieder seine Bestimmung erhält. Der Slogan "Bach statt Mielke!" ist gesetzt. Und es ist in geschichtlicher Kontiuität ein Raum wieder zu erschaffen, in dem sowohl Gesänge der Mönche, Choräle, Bachs Werke, aber auch neue Werke erklingen. Ganz wie es bereits Diakonus Fritzsche 1894 formulierte: "Wir thun das nicht mit überladenem Putz und Prunk, was nicht evangelisch wäre, aber in sinnlicher, kirchlicher und erbaulicher Kunst."

    So ist auch der Geschichte am besten geholfen, indem nicht wieder irgendwelches Gelaber über Stasi & Co. zu hören ist, sondern Musiker und Künstler ihre Meisterschaft beweisen, gerade indem sie Kulturtradition leben und fortsetzen. Und es gibt genug - wie Armin Thalheim und Matthias Eisenberg -, die Bachs Erbe meisterlich pflegen, was ihnen die Stasi hier verweigerte.

    Aber auch jüngere Musikensembles und die Enkelgeneration hat hier ein Betätigungsfeld, was förmlich danach ruft, mit Freude und Andacht erorbert zu werden!

    Dies also als Glückwunsch zum Geburtstag der Matthäikirche.

    PS: Der erste Großsponsor erhält obiges Aquarell und jeder Cent, der als Spende eingeht, wird im Sinne der Publikation von 1894 verwendet.

    Der 18. November

    ist nicht nur der Todestag von Gustav Theodor Fechner, der sich heute zum 130. Male jährt und dessen Pseudonym hier weiterverwendet wird, weil er sich Leipziger Themen stellte und satirische wie ernste und hintersinnige bzw. auch heute und künftig nachdenkenswerte Beiträge verfaßte, sondern auch ein Geburtstag.

    Es ist der Geburtstag der Matthäikirche.

    Daß dieser derzeit kaum bekannt ist, weil zwei deutsche Diktaturen ihr arg zusetzten, mag nicht stören.

    Denn es gibt erstaunliche historische Parallelen, wie man in Leipzig schon einmal die Zwangsjacke abstreifen mußte und wie auch die Matthäikirche wie Phönix aus der Asche neu erstand.

    Aus diesem Anlaß hier erst einmal der Text zur Geschichte der Matthäikirche von Pastor D. Paul Kaiser.


    I.

    DieGeschichte der Matthäikirche.

    VonPastor D. Paul Kaiser

    Nichtbloß als einzelne Personen sind wir da mit unserm Denken undErinnern. DasMenschengeschlecht ist auch ein Ganzes und muß den Zusammenhangnicht vergessen mit sich selbst und das Nachdenken über sich selber.Das nennen wir Geschichte. - Aus der Geschichte unserer Matthäikirchewähle ich jetzt das Wichtigste aus vier Jahrhunderten und beginne.

    Mancherliebe Leser wird dieses Zeichen gar nicht kennen und denkt am Ende,es sei hebräisch und aus dem Alten Testament oder syrisch oder einegyptischer Hieroglyph. Aber an dieser Zahl – denn eine solche istes – sind die lieben Gemeindemitglieder schon hundertmalvorübergegangen, ohne sie vielleicht zu sehen. Man muß freilichdazu nicht bloß ein Paar offene, sondern auch gute Augen haben;sonst sieht man sie nicht. Denn die Gasse, in der sie steht, ist eng,und das Himmelslicht darüber ein ebenso schmaler Streifen. Auchsteht die Zahl etwas hoch an einem Pfeiler unserer Kirche. Aber wergute Augen hat, den bitte ich, einmal an die nordwestliche Ecke desGotteshauses hinzutreten und nach der Zahlenschrift auszuschauen.Dieselbe ist nämlich der Geburtsschein unsrer Matthäikirche. Denhaben alte Hände da oben angeschrieben und mit eisernen Zahlen inden Stein gesetzt. Warum? Damit er ja festsitze auch noch nach vielenhundert Jahren und nicht vom Regen ausgelöscht werde wie Leimfarbeoder Kalk – kurz, damit die nachkommenden Geschlechter darandächten, wenn wieder ein Jahrhundert um ist, und Gott für alleGnade dankten und bäten um ein Jahrhundert voll neuen Segens. Wirwollen auch die Erwartung der guten Leute nicht täuschen und zuschanden machen. Die Zahl ist heute unmodern; denn die Hände, diedas geschrieben oder geschmiedet haben, sind längst verfallen zuStaub. Die Jahreszahl ist: 1494. Sie ist soeben vergoldet worden,damit man sie besser sehe, und daß unsere Kirche als Jubilarin aucheinen goldenen Kranz bekomme wie zu einem goldenen Hochzeitsfest.Vierhundert Jahre sind also an unserem lieben Gotteshausevorbeigegangen.

    VierhundertJahre sind eine lange Gedenkzeit. Man könnte aus ihnen eine großeErzählung machen und Altes und Neues darin vorbringen; und zwar mehrAltes als Neues. Das Neue haben wir erlebt, und ´s ist auch nichtgar viel. Das Alte aber, welches wir nicht erlebten, haben manchenicht gehört oder wiederum vergessen. Altes, das man vergaß, ist sogut wie Neues, das man vernimmt. So wird auch das Alte für manchenwie neu sein.

    Wievieles hat sich um diese alten vierhundertjährigen Kirchenmauernnicht zugetragen, drinnen und draußen! Zudem ist vieles dabei, wassich nun und nimmer schreiben läßt, und nur im Himmel geschriebensteht. Die Geschichte der Herzen, die zwischen diesen Kirchenwändengeschlagen haben, froh und bang, und die hier erfüllt wurden mitGeist und Trost von obenher, wird erst droben offenbar.

    DasJauchzen und Seufzen, Danken und Bitten der Alten ist verstummt, aberimmer wieder geht ein Geschlecht durch dieselben Hallen und Thore desGotteshauses, und es ist gut und hat am Ende auch einen stillenSegen, wenn die gegenwärtige Zeit sich wieder einmal sinnend an denalten Denkpfeiler stellt und sich erinnert an die vergangenen Tage.

    2.Bei den Barfüßern.
    Beidiesem Kapitel muß ich etwas weiter vorn anfangen, als mit dem Jahrean dem Denkpfeiler. Denn die kirchliche Niederlassung am Neukirchhof,wie er noch immer heißt, aber hoffentlich nicht beständig heißenwird, weil das wenig Berechtigung mehr hat, ist älter als diegegenwärtige Kirche. Man glaubt etwa 200 Jahre. Ganz genau wissenwir es nicht. Denn vor 6 Jahrhunderten schrieb und druckte man nochnicht so viel wie heut. Auch sollten die gedruckten Buchstaben,welche vor nicht zu langer Zeit auch ihr vierhundertjähriges Daseingefeiert haben, noch erfunden werden.

    Umdie Mitte des dreizehnten Jahrhunderts war es, als seltsame Leutedurch die Thore unserer guten Stadt herein kamen. Heute muß manschon eine Reise machen, um solche Gestalten noch zu sehen; denn ausunserem Land sind sie wieder verschwunden und werden wohl auch kaumwiederkommen wie die Jesuiten. Sie fuhren nicht in Droschken heranund gingen auf der Landstraße, auf der sie her pilgerten, nichteinmal in Schuhen. Auch reiten durften sie nicht wie einmal ein alterPfarrherr trotz der dringlichen Mahnung seines fürstlichen Patronsauch nicht reiten wollte, weil ja geschrieben stünde; G e h e t hin(und nicht reitet) in alle Welt. Diese Leute gingen nämlich barfußihr lebenlang. Es waren Barfüßer. Eine Mühle und Gasse trägt nochheute bei uns ihren Namen. Warum sollten denn die Leute barfußgehen? Besonders im Winter hat das doch gewiß nicht zu denAnnehmlichkeiten gehört. Es war eine wörtliche Befolgung des WortesJesu, mit dem er die Jünger aussendete, und worin er sie anwies,keine Schuhe an den Füßen zu tragen, wie sie kein Gold noch Silberhaben sollten in ihren Gürteln. Das glaubten diese Mönche auf sichbuchstäblich anwenden zu müssen. Auch in ihren Kleidern machtendarum die Barfüßer keinerlei Aufwand und gingen alle gleich, wieheute ein Regiment Soldaten. Nur waren sie nicht so bunt, sonderntrugen nur eine dunkle Kutte mit einer Kapuze dran. An diesemKleidungsstück konnte kein Schneider etwas verpassen. Ein Strick umden Leib war der Gurt, welcher zur Befestigung der langenMönchskleider diente. So gingen sie der Demut und freiwilligen Armutwegen, in der sie wandeln sollten auf Erden.

    DieseBarfüßer waren Franziskaner – ein Orden, welchen ein reicherKaufmannssohn Franciscus gegründet hatte. Seinen Reichtum gab erweg, wie der reiche Jüngling sollte, aber nicht that. Er bettelte zuseinem Lebensunterhalt und führte von seinen Almosen ein ganzärmliches Leben. Er ging mit Aussätzigen um und küßte sogar ihreGeschwüre. Die einen hielten ihn für unsinnig, die andern fürheilig. Seine zärtliche Mutter lief ihm in die Einöde nach, in derer als Einsiedler lebte, und flehte ihn an, er möge zurückkehren indie Welt und einen ordentlichen Lebensberuf erwählen, aber die innigflehende Mutter mußte ohne den Sohn umkehren. Sein Vater verfluchteihn und wollte ihm seinen Vatersegen nicht erteilen, er aber spracheinen Bettler an, ob er nicht wolle sein Vater sein, und dieser Vatersegnete ihn. Sich selbst hielt er nicht für heilig, sondern für dengrößten Sünder. In seinen Reden an das Volk redete er nicht bloßseine Zuhörer an, sondern wandte sich auch an Engel und Teufel.Kurz, es war nach unserer heutigen Anschauung ein ganz absonderlicherMann, dessen Jünger in unserem Kloster wohnten. Freilich ganz wieihr Meister waren sie nicht. Eigentlich wollte der Papst damals keineMönchsorden mehr bestätigen; denn er meinte, es gäbe davon genug.Aber endlich hat er doch nachgegeben.

    DenBettelmönchen, unseren Barfüßern, waren an dem Ort, an dem sichbald ihr Kloster erhob, die Überreste einer Burg geschenkt worden.Die war nicht alt und von der Zeit zerstört gewesen wie sonstRuinen, sondern mit Gewalt niedergerissen worden, wie sie auch mitGewalt nicht gar viele Jahre vorher erbaut war. Sie sollte nämlicheine Art Zwangsjacke sein, in welche Markgraf Dietrich von Sachsendie gute freie Stadt Leipzig gezwängt hatte; denn sie war eineZwingburg, von welcher aus er der Stadt die schöne freieSelbständigkeit dauernd nehmen wollte. Aber nach des Markgrafen Todesollte die Sache anders kommen. Zwischen Dietrichs Witwe und demVormund seines unmündigen Sohnes herrschte Eifersucht und Streit. Wozwei sich streiten, hat oft ein dritter den Vorteil. Dieser Drittewar diesmal unsere liebe Stadt. Der Vormund Ludwig von Thüringenließ die Zwingburg am Ranstädter Thore (in Leipzig gab es derendrei) wieder abbrechen, weil die Witwe Dietrichs dieselbe mit ihrenAnhängern besetzte. Oft hat man aus einer Kriegskanone eineKirchenglocke gegossen, so wurde hier aus einer Zwingburg einKloster. Die Franziskaner-Barfüßer bekamen den Ort; es sollte andieser Stätte des Zwanges und Krieges nun für immer heißen:„Friede auf Erden!“

    Werdie an die Kirche grenzenden Häuser besucht, sieht in denErdgeschossen noch die alten Klosterbogen, in denen vor Zeiten diebarfüßigen Mönche wohnten. Heute befinden sich Schlosserei undKohlenhandlung und Kaufgeschäfte in denselben Räumen, in denen maneinst fastete und betete und manches Klostergut unterbrachte. Zuerstwaren die Klosterleute arm und blieben es wie der heilige Franciscus.Aber bald fanden die frommen Bettler doch einen Ausweg aus derlästigen Armut und sagten, wenn sie selbst kein Geld und Gut habendürften, so könnte es doch wohl das Kloster besitzen. DieKlosterkeller waren kühl und der Wein darin gut. Die Klosterküchelieferte manchen Braten; davon durften sie essen, wenn sie nichtFasttag hatten. Sie waren die armen Kinder eines reichen Hauses. Denndas Messelesen war damals einträglicher als das Predigen heutzutag.Die Mönche ließen das Kloster von wohlhabenden Leipziger Bürgernzu Erben einsetzen und versprachen, dafür auch nach dem Tode vieleMessen für die Verstorbenen halten zu wollen. Das war so zu sageneine Art Lebensversicherung, nämlich eine Versicherung des ewigenLebens. Die streng katholische Zeit glaubte fest an die seligmachendeWirksamkeit der guten Mönche. Dieselben hielten auch dieLeichenbegängnisse, und mancher Tote wurde in den Gewölben derKlosterkirche zur Ruhe gebettet, was als eine große vornehmeWohlthat angesehen wurde. Die frommen Brüder kamen sogar bald in denBesitz vieler Grundstücke, wußten dieselben wohl zu verwalten underrichteten auch außerhalb der Stadt, wie eifrige Geschäftsleute,ihre Filialen, eigene Häuser, die sogenannten Termineien. Ja auchdas schöne Rosenthal wurde das Eigentum der Barfüßer. Denn auchFürsten wollten nach dem Tode ihre Seelenmessen haben und bezahltensie vorweg und zwar fürstlich. So gaben die Markgrafen Friedrich,Wilhelm und Balthasar im Jahr 1380, wie eine Urkunde in unseremRatsarchiv deutlich nachweist, für Messen „zu gewissen Zeiten“unserem Kloster das Rosenthal. Und auch für die Burggrafen vonNürnberg übernahm man solche geistliche höchst einträglicheAmtshandlungen.

    Daaber fuhr ein rechter Schrecken wie ein trennender Messerstich durchdas Mönchsgewissen. Es waren Kirchentage gehalten worden, auf deneneine Verbesserung der Kirche verlangt worden war. Es waren auchOrdensleute aufgetreten, welchen den Klöstern ihren Reichtum mitgewaltigen Worten vorgehalten und die Rückkehr zur unbedingten Armutdes heiligen Franciscus und seiner ersten Jünger gepredigt hatten.Solch ein ernster mächtiger Prediger war der Barfüßermönch Johannvon Chioli, welcher 1452 auch nach Leipzig kam und von derBürgerschaft und der ganzen Klerisei in großer Prozession mitFahnen und Kreuzen eingeholt und in unser Kloster geleitet wurde. DemVolke predigte er auf dem Markt, und die Leipziger Bürger und ihreFrauen standen in Scharen vor diesem Barfüßer Johannes, ähnlichwie vor Zeiten das Volk vor dem Täufer Johannes oder wie die Leutevor dem Apostel Petrus bei der Pfingstpredigt, welche von der Predigtbewegt, fragten: „Was sollen wir thun?“ Und der Bußpredigersagte ihnen streng und deutlich, was sie sollten. Und er verlangtedie Karten und Würfel der Männer, mit denen damals viel gespieltwurde, und verlangte die Schleier und Spitzen der Frauen und ähnlicheDinge. Das wurde dann immer auf einen Haufen gethan und verbrannt,wie man Unkraut verbrennt auf einem Ackerfeld. Er wollte alleEitelkeit weg haben. Im Kloster aber blieb er dreißig Tage, und wenner von den Bürgern vieles verlangte, so verlangte er von den Mönchennoch viel mehr.

    Auchpries er das enthaltsame Klosterleben mit seinem beredten Mund alsein so herrliches, daß an einem Tage, wie es in einem Berichtdarüber heißt, sechzig Akademiker der Welt entsagten und die Kutteder Barfüßer angezogen haben.

    Solcheund ähnliche Anläufe gegen die Verweltlichung und den Besitz desOrdens verfehlten ihre Wirkung nicht, und man glaubte im Ordenselber, es könne nichts schaden, etwas von dem Reichtum abzulegen,und es werde dem Kloster nützen wie einem sehr vollblüthigenMenschen ein Aderlaß. So entschlossen sich die Barfüßer sogar, ihrschönes Rosenthal dem Rat der Stadt zu schenken; der steht somit ineiner alten Ehrenschuld zu ihnen und soll an unserem Jubeltage daranerinnert werden. Wenn das reiche Geschenk auch später einmal in dieHände des Landesherrn überging, so ist doch die Gabe der Barfüßernicht weniger zu ehren.

    Abernicht alle Franziskaner waren mit solchen und ähnlichen Vorgängenzufrieden. Es bildeten sich in dem ganzen Orden zwei Richtungen, einestrenge, welche ganz arm sein wollte, und eine milde, welche denKlosterherren mehr Besitz und Genuß erlaubte. Ohne Streit ist es inund außer den Klöstern dabei nicht abgegangen. In Leipzig kam esendlich dahin, daß die leichtfertigeren Mönche ganz aus dem Klostervertrieben wurden.

    Umdiese Zeit vollzog sich vor vierhundert Jahren die Gründung unsererKirche. Was die Barfüßer vorher für ein Gotteshäuslein gehabthaben, wissen wir nicht recht. Aber jetzt beschloß man einestattliche Kirche zu bauen, und die Klosterbewohner hatten dasBaugeld im Sack, ohne erst mit Steuern sich abzugeben und häßlichenFehlbeträgen. Man wollte den Dominikanern nicht nachstehen, welchedie jetzige Pauliner Kirche gebaut hatten. Acht Altäre zierten dasneue Gotteshaus.

    DiePriester der Stadt sahen die ausgedehnte Wirksamkeit der Mönche,welche wie sie, Beichte hielten, Messe lasen, Tote begruben, nichtgerade gern, und mancher Wettstreit entstand um die geistlichenVerrichtungen. Das Volk aber schätzte die Wirksamkeit der Mönche,und viele Bürger sahen es für eine Ehre und ein Glück an, in diegeistliche Brüderschaft aufgenommen zu werden. Dabei verblieben dieLaien zwar in ihrem Stande, aber waren doch dem Kloster nicht bloßsehr zugethan, sondern, so zu sagen, mit dem geistlichen Hauseverwandt.
    3.Wüst und verfallen.

    UnsereKirche war erbaut worden am Rande der alten Zeit, und ein Neuesbereitete sich vor. Das Geschick der neuen Klosterkirche war jetztdas des Klosters, und sehr lange haben die Barfüßer zwischen denhohen Pfeilern und an den schönen Altären ihre geistlichenVerrichtungen nicht mehr halten können. Es war ein gewaltiger Sturmdurchs Land gebraust, der manches Kloster umgestoßen hat in unseremdeutschen Land und in der ganzen Christenheit. Aber es war einFrühlingssturm, der die dürren Zweige wegnimmt von den hohen Bäumenwie ein Gärtner, und das alte stehengebliebene Laub herunterweht vonden Ästen. Das war die Reformation, welche die ganze Kircheverbesserte und die verdorbene Luft reinigte und einen fruchtbarenRegen aufs dürre Land goß. Eine Nachtigall hatte hell zu singenangefangen im Dunkel und in der Dämmerung, die „WittenbergerNachtigall“, nämlich unser Luther. Wer wüßte nicht davon, wieunser Reformator Dr. Martin Luther auch nach Leipzig kam und hierdisputierte und predigte, und wie die Leute, welche nicht mehr in dieKirche hinein konnten, mit Leitern an die zerbrochenenFensterscheiben stiegen, um ihn nur zu hören. Das ist ein Bild, dasich niemand zu zeigen brauche, so bekannt ist es. Und das weiß auchjedes Schulkind, wie der Herzog Georg von Sachsen ein gar heftigerGegner der Reformation gewesen ist und viel Gewalt angewendet hat, umdas helle Licht wieder unter den dunklen Scheffel zu bringen. Aberwas aus Gott ist, kann man nicht hindern noch dämpfen. Der Feind derneuen Lehre starb, und der Freund derselben stieg auf den Thron. Eskam für Leipzig das denkwürdige Pfingstfest 1539, an welchembekanntlich der neue Herzog Heinrich die Reformation in unserer Stadteinführen ließ.

    Wassagte man dazu im Kloster? So fest man die Klosterpforten vor dieser,wie man meinte, gar gefährlichen Neuerung zugehalten hatte, die neueLehre ist doch auch durch die Thüren gezogen wie ein frischer Wind.Auch in unserem Barfüßerkloster waren solche, die sich der Stimmeder Wahrheit, welche wie ein heller Posaunenton durchs Land ging,nicht verschlossen haben. Als der Franziskaner Fleck die ThesenLuthers gelesen hatte, rief er seinen Brüdern mit lachendem Mundezu: „Ha, ha, ha, der ist schon gekommen, welcher euch richtigtraktieren wird!“ Besonders lebte aber in unserem Kloster ein Mann,der sein besonderes Lebensbild in diesem Büchlein haben soll. Denndieser Barfüßer wurde, wie Justus Jonas ihn nannte, „ein rechternützlicher Apostel der Leipziger“. Er hat in einem unsererKirchenfenster, das sein Brustbild enthält, ein Ehrendenkmal inunserer Stadt erhalten. Das war Friedrich Mykonius, Luthers Freundund Mitreformer. Aber sonst war das Barfüßerkloster eine Burg deralten Anschauungen, und seine Bewohner glaubten es aufs eifrigsteverteidigen zu müssen gegen die eindringende Reformation. DieBarfüßermönche liefen wie eifrige Seelsorger in den Häusern umherund wollten die Leute abhalten, sich der neuen Lehre zuzuwenden. Ausunserem Kloster ging manche Streitschrift wider Luther in die Welt,und die scharfe Feder Luthers hat dagegen sich gewendet.

    Am6. August 1539 sah man ins Leipziger Rathaus viele in Kuttengekleidete Leute, mehr denn 50 Prediger und Mönche schreiten. Auchwar der ganze Rat versammelt, dazu die vom Herzog Heinrich bestelltenKirchen-Visitatoren und -Kommissarien. Da wurden denn die Ordensleuteeinfach verabschiedet.
    Wolltensie bleiben, so sollten sie ihre Kutte mit einem gewöhnlichen Rockvertauschen, „ein christliches Leben führen und ihren Unterhalterwerben“. Da zogen denn viele Mönche aus dem ketzerischen Leipzigweg wie die Schwalben, wenn es kühl wird im Herbst. Andere abernahmen die lutherische Lehre an. Noch andere trotzten dem Befehl derObrigkeit und blieben im Kloster wohnen; denn sie waren garverwachsen damit, wie eine Schnecke mit ihrem Häuslein. So ging esauch im Thomaskloster nebenan, doch half alles Sträuben nichts. Siestanden im Jahre darauf wieder vor dem eingesetzten Gericht underklärten, ihre Kapuze nicht ablegen und ihr Kloster nicht verlassenzu wollen. Erst im Jahre 1543 wichen sie der staatlichen Gewalt, undKloster und Kirche wurde von ihnen leer. Die verlassenenKlosterhäuser und -Güter fielen dem Landesherrn zu, der sie aberdem Rat der Stadt verkaufte.

    Esist schon oft dagewesen, daß ein Schuppen in Zeiten der Not zumGotteshaus gebraucht ward, aber hier gings umgekehrt. Hier wurde auseiner Kirche ein Schuppen, ein Warenhaus, eine Niederlage vonBlaufarben. Zum katholischen Gottesdienst war sie erbaut worden, aberder hatte aufgehört, und die Messen der Mönche hielt das Volk nachdem gewaltigen Umschwung der öffentlichen Meinung in derReformationszeit nicht mehr für nötig. So stand die Kirche da,ihrer eigentlichen Bestimmung entzogen, dem Verfall preisgegeben, 156Jahre lang. Die angrenzenden Klostergebäude wurden vom Rat der Stadtan Privatpersonen verkauft. Die Unruhe einer schweren Zeit, der Sturmdes dreißigjährigen Krieges ging an dem verlassenen Gotteshausvorüber und versetzte ihm seine Stöße. Aus einem späterenKostenanschlag im Ratsarchiv können wir die damalige wüsteVerfassung der Kirche erkennen. Darin heißt es: „Die Gewölbe sindteils eingefallen, teils ganz böse, welches alles wieder gebessertund gemacht werden müßte.“ Aber immer reger wurde der Wunsch, dasverfallene Gotteshaus seinem ehemaligen Gebrauch zurückzugeben.Frommer evangelischer Bürgersinn brauchte ein neues Heiligtum. Wurdedoch trotz des Nachwachsens der Stadt regelmäßiger Gottesdienst nurin zwei Hauptkirchen gehalten, und kam es doch vor, daß, wie es indem an den Rat gerichteten Schreiben der Zünfte und Kaufmannschaftheißt, „ein großer Teil der Eingepfarrten und unter diesen vielefeine, angesehene, teils in öffentlichen Ämtern stehende Leute wieauch viele Fremde bei den Messen wegen Mangel an Raum und Stühlendie Sonntags-Predigten öfters unbesucht lassen mußten“. Daserfahre, so lesen wir in dem Bittgesuch an den Rat weiter, jederchristliche Hauswirt nicht ohne Betrübnis. Diesem Vorhaben, das ausder freien, frommen Liebe der kirchlichen Bürgerschaft hervorging,schenkte der Rat seinen Beifall.
    4.Die neue Kirche.

    Invielen ländlichen Gemeinden übernimmt ein Gutsbesitzer oder Bauerzum Kirchen- oder Schulbau in seinem Ort persönliche Dienste, gibtBausteine oder schafft den Vorspann. Manchmal ist er verpflichtetdazu. Wenn er es aber mit Freuden thut und nicht mit Seufzen, nichtbloß von Gesetzes wegen, sondern zu Gottes Ehre, und aus heiligerLiebe zu seinem Reich, so ist das von doppeltem Wert. So haben einstdie Kinder Israel nach der Heimkehr aus Babel selber teilgenommen amBau der Mauern Jerusalems. - Einen ähnlichen Eifer finden wir in derdamaligen Leipziger Bürgerschaft für den Bau unserer Kirche. DieMittel brachten die Leute zusammen, „ohne des Rates geringstenBeitrag“. Es fehlte an Gaben nicht, von den Backsteinen an bis zuden zahlreichen Geschenken zum inneren Kirchenschmuck. Die Leute,heißt es in der darüber in unserem Turmknopf befindlichenlateinischen Urkunde, haben das alles wetteifernd zusammengebracht,Männer und Frauen, Akademiker und Kaufleute. Da ist gleichsam diefromme Liebe mit in die Mauern und Bänke hineingebaut. Ob nichtsolch ein Gotteshaus dem Herrn am liebsten ist, zu dem so viel treueHände ganz freiwillig einen Baustein herzugetragen?

    DerKirchenbau wurde in fast einem Jahr beendet, und viele meiner liebenLeser kennen noch die alte „Neukirche“. Ein Bild des Innern (esgibt ein solches) brauche ich für viele nicht herzusetzen; denn siewaren darin zu Hause wie in ihrem eigenen Betkämmerlein. Da warenbesondere Kapellen hineingebaut oder Betstübchen für den Rat undmanche Leipziger Familie. Auch der Kurfürst Friedrich August derStarke hatte vom Rat eine Empore für sich und die fürstlichenPersonen, Minister und Bediente begehrt, die er in und außer denMeßzeiten betreten könnte. Der Rat der Stadt aber erwiderte, daßdie Kirche weder auf seinen Anlaß noch seine Kosten erbaut wäre,und daß er darum auch keine freie Hand habe, über die Kirchenplätzenach Gefallen zu verfügen. So erhielt auch die Kirche keinefürstlichen Kirchensitze.

    Esgibt eine Denkmünze, die zur Feier der Erneuerung geprägt wurde.Man sieht darauf den Vogel Phönix, der bekanntlich nach der Sage ausseiner eigenen Asche immer wieder aufersteht. Da haben die altensinnigen Leute für die wiederhergestellte Kirche ein gar passendesZeichen erwählt. Der Vogel sitzt auf einem brennendenScheiterhäuflein; weiter ist eine Kirche sichtbar mit einerlateinischen Schrift, die ich für die Gelehrten lateinisch (PULVEREDELITUI – TAMEN INDE RENASCENS – LUCE NITESCO NOVA – AEDES SAC.INSTAUR. LIPSIAE. 1699 24. Sept.), für die Nichtlateiner aber hierdeutlich hersetzen will:
    „Verborgenwar ich in der Asche – Aber daraus wieder erstehend – Strahle ichin neuem Licht – Das Gotteshaus ist erneuert Leipzig 1699 den 24.September.“

    AchtTage vorher wurde nach dem Kirchengebet in der Nikolaikirche folgendeAbkündigung verlesen, die ich ganz, wie sie lautete, herschreibe.Sie weicht wohl recht ab in Form und Sprache von unseren heutigenkirchlichen Bekanntmachungen und ist unmodern geworden wie ein altesKleid, aber es steckt darin ein frommer Geist, und die jetzigeGemeinde liest vielleicht gerne einmal eine Abkündigung, wie sieunsere Vorväter vor zweihundert Jahren vernommen haben.

    „EuerChristl. Liebe ist euch zu vermelden, wie daß E.E. Hochweiser Rathdie biß anhero sehr ruinirt gewesene und sogenannte Barfuß-Kirchebei verspührter Zunahme derer Bürger und Einwohner dieser Stadt,und auff dero geschehenes Ansuchen, auch vieler frommer Hertzendarauff gethanen ansehnlichen Beytrag, dergestalt renoviren und indergleichen Stand setzen lassen, daß hinführo der Gottesdienstdarinnen gehalten, Sonntags frühe und Nachmittags das Wort Gottesvorgetragen und gepredigt, Beichte gehört, und das heilige Nachtmahlhierauff dispensieret und ausgetheilet werden solle. Und wird derGottesdienst jedes mahl, der Zeit nach, wie bey denen beydenHauptkirchen gebräuchlich, angehen, zu welchem Ende denn bereitszweene Geistliche dahin verordnet, so voriges alles gebührendverrichten, der Anfang auch nächst-künfftigen Sonntag, als den XVInach Trinitatis darmit gemacht werden solle. Gott aber gebe seineGnad und Seegen, und bereite die Hertzen der Lehrer und Zuhörerdurch seinen Heiligen Geist, damit biß ans Ende der Welt, seinheilig und allein seeligmachendes Wort rein und lauter nach denenSchrifften derer Propheten und Aposteln und daraus gefaßetenAugspurgischen Confession, auch anderen Libris Symbolicis gelehret,niemals ohne sonderbahre Frucht gepredigt, deren Zuhörer Glaube anihren eigenen Heiland und Erlöser dadurch kräfftig gestärcket, vonihnen mit einem willigen gehorsamen Hertzen solches angenommen, undin dem beständigen festen Vorsatz ihr Leben nach denselbeneinzurichten und zu bessern darinnen behalten, tausendfältige Fruchtgebracht, endlich das Ende ihres Glaubens die ewige Seeligkeiterreichet, auch also keiner von ihnen verlohren werden möge um ihresund unsers einigen Erlösers JEsu CHristi willen, in Krafft desHeiligen Geistes. Amen.“

    Garfeierlich mag der Eröffnungsgottesdienst gewesen sein, der, wieberichtet wird, vor einer „unzählbaren Menge Volks“ gehaltenwurde. Da predigte der neuerwählte erste Prediger OberdiakonusSteinbach über das Evangelium des Sonntags, den Jüngling zu Nain.Das paßte auch gar wohl zu dem Vogel Phönix und der Kirche, diewieder auferstanden war.

    Nurein Ober- und Unterdiakonus amtierten an der Neuen Kirche, und einStudent war ihr erster Küster. Auch den Studierenden der Universitätwaren einige Bänke gegeben worden, und der Rektor derselben hattesie durch Anschlag ermahnt, diese Gunst anzuerkennen, mit den wenigenBänken zufrieden zu sein und keine anderen zu besetzen. Dabei hatteer nicht unterlassen, ihnen einzuschärfen, das Wort Gottes jaaufmerksam zu hören, für ihr Heil, für das Glück der Universität,Stadt und Kirche demütig zu Gott zu beten und ihr Leben nach dergöttlichen Richtschnur einzurichten.

    EinenTurm hatte die Kirche noch nicht. Den empfing sie erst vier Jahrespäter, im Jahre 1703, und damit war dem Bau der Neuen Kircheaufgesetzt. Ihr damaliges Bild steht hier vor unseren Augen.

    Hierwalteten nun treue Geistliche ein Jahrhundert lang ihres segensvollenAmtes.
    Wasein Seelsorger thut, das steht im Buche des Lebens und ist auf Erdennicht aufgeschrieben. Eine eigentliche bestimmte Gemeinde freilichgehörte zu der Kirche noch nicht; sie war eine Diakonenkirche, nureine Hilfskirche, an der kein Pfarrer stand. Aber gepredigt wurde inihr viel, vormittags und zur Vesper, Sonntags und auch zweimal jedeWoche alltags.
    Aberwieder sollten die kirchlichen Klänge verstummen. Böse Kriegszeitenbrachten sie zum Schweigen. Statt des Gesanges erfüllte Seufzen ihreRäume und manches stille Gebet aus dem gepreßten Herzen Gefangeneroder Verwundeter. Im Kriegsjahr 1806 wurden preußische Gefangenehier untergebracht, und das Gotteshaus wurde eine Kriegskaserne. Erstvier Jahre später konnte der Oberdiakonus Gräfenhain wieder dieerste Predigt in der Neukirche halten und wählte dazu den sehrpassenden Text Psalm 27, 4-6, der von beidem handelt, von Krieg undGottesdienst. Bald jedoch wurde das Gotteshaus wieder geräumt; dennnun trug man Verwundete herein aus der Völkerschlacht, und auchunsere Kirche war 1813 ein Lazarett. Nach drei Jahren konnten dieGottesdienste hier wieder veranstaltet werden. Im Jahre 1876 bekamdie Neukirche eine eigene Gemeinde und wurde Pfarr- undParochialkirche.
    5.Die Matthäikirche.

    Diesesletzte Kapitel kann das kürzeste sein. Denn was hier zu sagen ist,haben die meisten, welche dies lesen werden, selber erlebt. Vorvierzehn Jahren war`s, da hat die inzwischen altgewordene Kircheihren Namen „Neu-Kirche“ abgelegt und that im Grunde recht daran;sie war nicht mehr neu. Sie ward noch einmal umgetauft und zwar nachdem ersten Evangelisten in der Schrift genannt, dem Apostel Matthäus.Und wie der Name geändert ward, so ging`s auch mit ihr selbst. Eswar eine gründliche Umgestaltung, die sie erfuhr. Die altenBetstübchen wurden herausgenommen, die spätgotischen Formen wurdenhergestellt bis auf den Hauptturm hinauf und den Treppen- undNebenturm, welche beide statt ihrer runden Gestalt, spitzere Formenerhielten. Der Altarraum wurde hinzugebaut. Die Kirche wurdeerweitert.

    Abermanches Alte hatte doch noch verbleiben müssen, und es ging imInneren wie`s im Evangelium heißt: der neue Lappen hielt nicht aufdem alten Kleid. Die neuen Farben hielten nicht auf den alten Wänden.Altersgrau und verblichen sahen die Pfeiler und Wandflächen aus, undein langer tiefer Riß im Putz war wie eine klaffende Wunde. EineAbhilfe war dringend erforderlich und ließ sich nicht längerverschieben. Leider hat ein fünf Monate langer Bau und die Stätteder Sammlung und Erbauung verschlossen. Aber viele Hände haben sichaufgethan, um, was die vorigen Jahrhunderte nicht vollbracht, zuvollenden. In neuem Glanze strahlt unser Gotteshaus an seinemJubeltage.

    FreilichGlanz und Farbe, Turm und Kirche macht noch nicht die Gemeinde,gerade so wenig wie der Sonntagsrock den Christen macht. Es muß einfrommes christliches Herz hinein, und viele solcher schenke uns Gott!

    Mag der Text etwas auch lang sein für das Forum, so folgt noch wesentlich kürzer des Geburtstagsgeschenk für alle.

    Da wir die Kirchen nun von außen gesehen haben, ist auch der Blick in ihr Inneres anzufügen, insbesondere aus den früheren Zeiten der Fotografie bzw. vor den Umbauten Ende des 19./ Anfang des 20. Jahrhunderts. Hier also in der gleichen Abfolge die entsprechenden Ablichtungen:


    Thomaskirche vor 1880


    Nicolaikirche o.D. (vermutlich vor 1895)


    Dann die Paulinerkirche (noch an der Petersstraße)

    Weiteres hierzu: http://www.paulinerkirche.org/tmp/geutin/vor1897.html


    Die Vergleiche zur umgebauten Johanniskirche sind oben verlinkt.

    Zur Matthäikirche vor 1890 gibt es (bisher nur) einen Kupferstich und eine Aufnahme von Hermann Walter, allerdings derzeit noch nicht im Bestand, weshalb ich auf das Internetportal verweisen muß:

    https://www.europeana.eu/portal/de/

    Der Vergleich der Kirchenbauten in ihrem Inneren ist besonders deshalb wichtig, weil sie noch etwas atmen von der Atmosphäre, die auf eine Gemeinde und Gemeinschaft ausgerichtet war. Dies war nicht nur etwas Symbolisches, sondern eben ein Teil der Ethik des Lebens. Das "in sich gekehrte" und vorwiegend mittig ausgerichtete Zusammentreffen der Gemeindemitglieder bzw. Bürger war für alle überschaubar und folgte geregelten Abläufen.

    Nicht nur im sozialpsychologischen Sinne ist dies zu beachten, denn mit den Erweiterungen und Umbauten trat eine Vermassung ein (wie bei der Paulinerkirche nach Rossbach), indem eine Frontalausrichtung des Raumes realisiert wurde einschließlich der Verschiebung der Kanzel. Somit war die Ausrichtung auf das Rednerpult und auf die erste Reihe ein Verlust in Relation zum Rund der gesamten Gemeinde. Dies sollte u.a. bei Wiederaufbauvorhaben bedacht werden.

    Leider fehlt mir die Zeit, hierbei mehr beitragen zu können, weshalb ich doch auf das Thema Leipzig hinweisen möchte, wo zur Matthäikirche und zur Paulinerkirche weiteres in Vorbereitung ist und dort gelegentlich nachgeschaut werden kann. Aber richtig ist schon, daß mit der anhaltenden Verstädterung bestimmte Diskrepanzen zu konstatieren sind. Und es geht daher eben folglich nicht nur um Abriß, sondern auch um umsichtigen Wiederaufbau im Sinne der Wiederherstellung einer (durchaus zeitkritischen) geschichtlichen Kontinuität.

    Zudem ist auch die Bau-, Kultur- und Geistesgeschichte zu beachten, um das mal anhand von Johann Sebastian Bachs Wirkungsstätten zu seinen Lebzeiten in Leipzig zu verdeutlichen. Seine Hauptwirkungsstätte war natürlich die Thomaskirche:

    Aber auch die weiteren Kirchen wären hier einzubeziehen:

    Die Nikolaikirche, die ebenso die Jahrhunderte überdauerte.

    Dazu kommt die Peterskirche

    Diese wurde im Zuge der Stadterweiterung verlegt (jetzt Riemannstraße)

    Alle Kriege überlebte auch die Paulinerkirche:

    Auch hier fanden Uraufführungen Bachs unter seinem eigenen Dirigat statt.

    Die Paulinerkirche wurde erst im Mai 1968 ausgeraubt, dann zur Ruine geschändet und anschließend gesprengt.

    Danach ereignete sich ähnliches am Standort der stark kriegsbeschädigten Matthäikirche:

    Auch hier wirkte Johann Sebastian Bach.

    Nach dem Neubau für die "Karl-Marx-Universität" am "Karl-Marx-Platz" errichtete die SED hier für ihr Ministerium für Staatssicherheit der DDR eine neuzweitliche "Zwangsjacke" bzw. eine neuzeitliche "Zwingburg". (Dazu kommt im betreffenden Ort noch eine Erklärung.)

    Und schließlich die Johanniskirche, wo nach dem Krieg nur der Turm blieb, der saniert und dann auf Geheiß der SED auch gesprengt wurde.

    Hier war nicht nur Johann Sebastian Bach begraben, sondern auch seine Familie ...

    Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung vom Graphikantiquariat Koenitz, wo auch
    ab und an einiges Original erstanden werden kann.

    http://www.graphikantiquariat-koenitz.de

    Nun gibt es folglich für die nächsten Jahre und Jahrzehnte ("Eine Stadt hat Zeit.") und vor dem
    originalgetreuen Wiederaufbau der Leipziger Paulinerkirche zwei Projekte,

    das Projekt "Neue Matthäikirche"

    und eben die Johanniskirche

    D.h. wenn ich dies schreibe, so geht es nicht um "Kirche" an sich.

    Hier kann man diese nochmals einzeln anschauen (wird gelegentlich komplettiert):
    http://www.paulinerkirche.org/tmp/matth/bach1.htm
    http://www.paulinerkirche.org/tmp/matth/bach6.htm
    http://www.paulinerkirche.org/tmp/matth/bach3.htm
    http://www.paulinerkirche.org/tmp/matth/bach2.htm
    http://www.paulinerkirche.org/tmp/matth/bach4.htm
    http://www.paulinerkirche.org/tmp/matth/bach5.htm

    Sondern jede Kirche hat bzw. hatte ihren eigenen Klang-, Sicht- und Erlebnisraum.
    Jede Kirche hatte ihre eigene Geschichte, wo Johann Sebastian Bach vielleicht herausragt,
    aber ebenso andere Komponisten, Reformatoren bzw. Prediger genannt werden könnten
    und eine herausragende Rolle spielen.

    Und es sind nicht nur "Gottesdienste" an sich. Wer sich manchmal auf CD oder LP
    "historische Aufnahmen" vieler klassischer Werke anhört, wird feststellen, daß diese
    eben in Kirchen eingespielt wurden wie in der Leipziger Peterskirche oder in der
    Connewitzer Paul-Gerhardt-Kirche.

    Damit sei nur angedeutet, daß es sich durchaus lohnen kann, Erlebnisräume wieder zu erschaffen,
    wie sie einst zu klanglichen Maßstäben führten, die inzwischen weltweit Gehör finden.

    Leipzig zu Bachs Lebzeiten

    Das kommt dann beim Thema Südvorstadt. Wir hatten schon einen Blick darauf aus der Richtung Connewitz:

    Von der Windscheidstraße stadteinwärts gesehen (zur beginnenden jetzigen August-Bebel-Straße) ist das die rechte Seite (Richard-Lehmann-Straße und dahinter Kantstraße), die den Krieg bis auf die schmiedeeisernen Gitter und nunmehr restaurierte Umrandungen nicht überlebt hat. Ob das nun "gated" ist, weil dort auch die Polizei angesiedelt wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. Auf jeden Fall ist es ganz schön eckig. In der laubfreien Zeit schaue ich mir das mal an.