Beiträge von ulgemax

    ich denke doch. der wohnungsbau der 30er jahre bot ähnlich dem der nachkriegszeit meist nur recht beengte wohnverhältnisse, die heutigen ansprüchen nur noch selten genügen und aufgrund der massivbauweise auch schwer verändert werden können. das spielt bei sehr großer nachfrage kaum eine rolle, aber wenn eine stadt nicht gerade in einer boomphase ist, sind es diese wohnungen, die schnell keinen interessenten mehr finden. ich würde hier jedenfalls zögern, ideologische motive zu vermuten; diese sind mir im vorstand einer wohnungsgesellschaft jedenfalls noch nie begegnet. da zählen meist allein kaufmännische argumente.

    nun, grundsätzlich gibt es sicher argumente dafür, lieber in bildung als in beton zu investieren. frage an die ortskundigen hier: gäbe es nicht eine preiswertere, oberirdische rückbau-möglichkeit der überdimensionierten verkehrstrasse? das leitbild der autogerechten stadt sollte doch inzwischen ad acta gelegt sein.

    das ist exakt der archimedische punkt des wahnsinns in diesem land: weil für dieses oder jenes vorhaben fördermittel fliessen, werden die groteskesten projekte realisiert. allein die aussicht auf förderwürdigkeit lässt bei den pawlowschen hunden in den bauverwaltungen offenbar schon die druckertinte tropfen. bei der elenden wsb kam dieses argument doch ebenfalls immer zur sprache - wenn wir nicht bauen, verfallen die fördermittel. hallo?

    was mich wundert, ist, warum die dresdner stadtverwaltung noch nicht auf die idee gekommen ist, die elbe zu verrohren und das flussbett zur stadtautobahn auszubauen, 16 spurig in beide richtungen inklusive kreuzungsfreier zu- und abfahrten in den elbauen. dresden verbinde ich nur noch mit einem alten adac-slogan: freie fahrt für freie bürger. nicht zu fassen.

    an stelle des potsdamer thores wurde anfang der neunziger jahre ein dieses im stil der damaligen zeit abstrakt zitierendes torhäuschendoppel von oswald mathias ungers geplant. so weit ich weiss, beabsichtigt die deutsche bahn nicht mehr, diese zu realisieren, eine rekonstruktion der schinkel-torhäuschen erwarte ich von diesem bauherren allerdings nicht.

    warum dies, werter sagebiel? bezieht sich deine aussage auf die architektur der kirche als beweis einer möglichkeit des wiederaufgriffs historischer bauformen oder auf die in ihr ausgestellten skulpturen der schinkelzeit, deren verbindung zum heutigen thema des rekonstruierens im allgemeinen aber nicht klar ist? danke für die aufklärung.

    ich verstehe nicht, warum ihr euch alle so aufregt, im herbst, nach dem wettbewerbsentscheid, war die freude hier doch noch so groß. so viel hat sich seit damals nicht verändert. dieses kranke projekt ist genau so vom bundestag beschlossen und beauftragt worden; schon im wettbewerb war nie die rekonstruktion des berliner schlosses gegenstand der planung. anstelle des schlosses wird das humboldtforum gebaut, und damit sich auch die schlossfreunde damit anfreunden können, werden halt ein paar barockfassaden drangeklatscht. das ding war und ist und wird sein - ein frankensteinsches monstrum. das einzige, was mich daran freut, ist, dass es ein öffentlicher bau sein wird und nicht etwa ein kommerzielles privatprojekt à la braunschweiger schlossarkaden mit kettenbäckern und klamottenläden drin.

    Brandmauer: nein, nein, nein, bitte nicht die ece!!! die aussage, dass in braunschweig mit diesem unternehmen das schloss rekonstruiert wurde, ist falsch; lediglich drei fassaden des schlosses erstanden neu, als haupteingang in die übliche shopping mall. man muss nur durch den haupteingang dieses monstrums treten, schon rauscht nach dem windfang die deckenhöhe auf normalmass herab, von rechts wummern die raps einer new yorker-bekleidungsfiliale, von links stinkt der kettenbäcker, und im ersten obergeschoss, hinter dem balkon, räkelt sich die ganzkörpertätowierte und gepiercte provinzjugend in cafehauskunstledersesseln. dieser wahnsinn ist für mich das zynischste, widerwärtigste und würdeloseste sogenannte rekoprojekt, das ich mir denken kann; eine grauenhafte entstellung und geradezu ein zerrbild dessen, was die geschichte dieses ortes mindestens verlangt hätte. nein, nein, nein, so etwas darf niemals wieder geschehen, ich zumindest will in keiner wiederaufgebauten kirche von der minderwertigen warenwelt unserer sogenannten verbrauchergesellschaft bedrängt werden. wenn diese kirche wiederaufgebaut werden kann, so, dass die wunden der vergangenheit heilen können, dann kann es nur als ein bürgerschaftlich getragener wiederaufbau gelingen, so, wie es bei der dresdner frauenkirche beispielhaft exerziert wurde. die ece ist jedenfalls der allerletzte partner, den man sich für so etwas im speziellen wie überhaupt für ein projekt auf altstädtischem grund wünschen kann.

    in der neuen bauwelt ist ein meiner meinung nach recht treffender kommentar zu den jüngsten vorgängen am humboldtforum erschienen:

    http://www.bauwelt.de/arch/bauwelt/inhaltsverzeichnis/get_pdf.php?pcode=BW_2009_38/bw_2009_38_0008-0009\r
    http://www.bauwelt.de/arch/bauwelt/inha ... _0008-0009

    dieter hoffmann-axthelm sieht sowohl aufgrund der gerichtlichen entscheidung zur ungültigkeit der geschlossenen verträge als auch der archäologisch bedeutsamen funde den zeitpunkt gekommen, das projekt auf eine ganz neue basis zu stellen, zitat:

    Zitat

    Es ist jetzt also Zeit, das Programm zu überprüfen und um die Fehlstellen der bisherigen Planung zu erweitern. Zu berücksichtigen ist da, um nur das Wichtigste zu nennen: Dass beide Höfe erst, und zwar seit 500 Jahren, das Schloss ausmachen; dass da, wo Stella leere Fläche hat, der Ursprungsbau stand, das gotische Schloss von 1442, das, restlos beseitigt, heute neu zu erfinden ist; dass Fassadenabwicklungen nicht ausreichen, da man es nicht nur mit Schlüter (1659–1714), sondern mindestens mit drei einander kritisierenden barocken Architekturen zu tun hat; dass das Schloss nicht als autistischer Kasten in der Gegend lag, als den ihn Stella rekonstruiert, sondern mit der Stadt vielfach verzahnt war, also die Lange Brücke mit dem Standbild des Großen Kurfürsten, die Wiederherstellung der Breiten Straße, die Stechbahn und, nach Norden, der Apothekenflügel dazugehören; und nicht zuletzt, dass es nicht angeht, ausgerechnet das Merkzeichen des Schlüter-Baus in Richtung Alt-Berlin wegzulassen, das südöstliche Ecktürmchen. Alles das kann jetzt noch einmal bedacht bzw. in den Planungsprozess wieder eingeführt werden. Auch wenn das Jahre kostet, die Sache ist es wert.

    und weiter:

    Zitat

    Die Folgerung ist klar: Es muß die Methode gewechselt werden, und man wird sich dazu alle nötige Zeit nehmen müssen. Statt um Rekonstruktion eines Bildes geht es von nun an um einen Prozess wie bei der Dresdener Frauenkirche: das Weiterbauen auf den originalen Fundamenten. Das bedeutet nicht nur ein völlig anderes Zeitmanagement, es verlangt vor allem ein Mehr an Intelligenz, Geduld und Enthusiasmus. Man war schon auf dem besten Wege, all das zu verspielen.

    hans stimmann hat sich bislang immer als gegner von rekonstruktionen zu erkennen gegeben; zuletzt bei der kommandantur (die nun in der tat ein reichlich schizophrenes projekt geworden ist). wichtiger als die rekonstruktion von fassaden ist ihm die wiedergewinnung der bürgerlichen stadtstruktur. und insofern ist stimmann auch ein bekennender kritiker des dresdener neumarktes, wo über einer tiefgarage mit wenigen grundeigentümern parzellenübergreifend renditemaximierte investorenobjekte realisiert worden sind, die von mehr oder weniger gelungenen fassaden maskiert wurden. wenn es nach stimmann gegangen wäre, wären wohl gemäß des historischen parzellenplans bauherren für einzelne häuser gesucht worden, die dann auch gerne zeitgenössisch hätten bauen dürfen. in seinem unlängst erschienenen buch zur berliner altstadt findet sich kein einziger leitbau, den es seiner meinung nach wiederzuerrichten gelte, selbst für die petrikirche werden fünf neue testentwürfe der üblichen verdächtigen (kollhoff, kahlfeldt, meuser, burelli, hilmer & sattler) gezeigt. wobei man sagen muss, dass die berliner altstadt auch wenig kunsthistorisch bedeutende bürgerhaussubstanz besessen hat, so dass sich die qualität einer neubebauung tatsächlich eher an der kleinkörnigkeit der besitzverhältnisse und der maßstäblichkeit des raums misst.

    Zitat von "Kindvon2dresdnern"

    Die von ihm beschriebenen Probleme wären doch gar nicht da wenn solche Schreiberlinge mit der Architektenschaft im Rücken nicht ständig schlecht Stimmung gegen das Projekt Stadtschloss machen würden!

    das musst du mir jetzt aber erklären, wieso falk jaeger und eine angebliche architektenschaft in seinem rücken (hier in berlin zumindest ist eine ganze menge der architekten für die rekonstruktion des schlosses) dafür verantwortlich sein sollen, dass das bauministerium rechtswidrige verträge schließt und der preisträger nur zu einem bruchteil noch für die weitere planung verantwortlich sein soll zugunsten eines büros, das zwar gerne den ersten preis gewonnen hätte, aber leider kläglich früh ausgeschieden ist. hallo?

    Zitat von "ursus carpaticus"


    Ich fang mal an und stell Sep Ruf in den Raum (wobei das für diese Dreifachnull vielleicht zu viel der Ehre wäre...)

    warum gerade ruf? die akademie in nürnberg oder der kanzlerbungalow in bonn sind doch ausgesprochen elegant geratene vertreter der nachkriegsarchitektur.

    le corbusier als schlechtesten architekten küren zu wollen ist schlicht lächerlich. seine städtebaulichen utopien sind grauenerregend, das ist richtig, aber seinen bauten wird man große qualität kaum absprechen können. sowohl raum- und lichtführung als auch die fassaden sind innerhalb der modernen architektur kaum übertroffen. der verständliche unmut über die moderne in ihrer zweit- und drittklassigen westdeutschen fußgängerzonenallgegenwart und heutigen stadtrandtristesse sollte nicht dazu führen, ihre ikonen zu zerschlagen. damit erreicht man niemanden von denen, die man für veränderungen braucht. auch wenn pubertäres rempeln natürlich immer spass macht :zwinkern:

    Zitat von "ursus carpaticus"

    vorsicht mit solchen verallgemeinerungen: es gab etliche moderne architekten (rudolf schwarz, emil steffann, hans döllgast, otto bartning, um nur mal vier zu nennen, die mir auf anhieb einfallen), die genau dafür plädiert haben und vor einem zu raschen, allein ökonomischem druck gehorchenden wiederaufbau gewarnt haben, doch daran hatten die meisten bauherren wenig interesse. immerhin ist einiges gelungen, gerade im kirchenbau (wo eben kein ökonomischer druck existierte). das darmstädter gespräch 1951 kreiste genau um solche fragen, s. dazu auch den band aus der reihe bauwelt fundamente von ulrich conrads und peter neitzke.

    Zitat von "Wissmut"

    Der Besucher wird sich bestärkt in seiner Ansicht von Berlin als junger und (tiefen)geschichtsloser Planstadt wie Washington D.C. oder St. Petersburg fühlen, - denn vor Preußen gab es dort augenscheinlich nichts....

    augenscheinlich aber existieren immerhin noch reste der stadtbefestigung und drei mittelalterliche kirchen, wobei der ruinöse zustand der klosterkirche und ihre lage an der überdimensionierten grunerstraße in meinen augen eine der skandalösesten situationen im zentrum der stadt darstellt.

    nun, so weit gehen und das alles als temporären quatsch abkanzeln würde ich nicht (die info-box am leipziger platz war seinerzeit ein großer erfolg, und auch hier, denke ich, besteht unter den besuchern der stadt gewiss der wunsch, sich schon vor fertigstellung des humboldt-forums über die geschichte und zukunft des ortes zu informieren), aber es wäre in meinen augen wünschenswert, dort eine formal etwas bescheidenere zwischenlösung zu realisieren, die irgendeinen bezug aufbaut zu dem, was dort mal war bzw. sein wird.