Beiträge von Hildesheimer

    Zitat von "Brandmauer"

    Warum beschützt der Denkmalschutz denn bevorzugt dort Nachkriegsbauten, wo vor dem Krieg etwas Einzigartiges stand, und vor allem dann, wenn dessen Rekonstruktion angestrebt wird?


    Es gibt so viele Standorte in Hildesheim, an denen vor 1945 bedeutende Gebäude gestanden haben - da bleibt es nicht aus, dass auch geschützte Nachkriegsarchitektur an solchen Orten steht. Solche Standorte werden oft von Bauten besetzt, bei denen die Nachkriegsarchitekten versucht haben, mit ihren Mitteln der Bedeutung des Standortes gerecht zu werden, was halt mitunter zu entsprechenden Denkmalbewertungen dieser Architektur führt. Dies ist Steinborn mit dem Pfeilerhaus nach Einschätzung der Denkmalpflege hier gelungen. (Ich versuche hier nicht zu werten, sondern nur die Frage nach dem "Warum Denkmalschutz" zu beantworten.)
    Und laut Gesetz wird Denkmalschutz nicht deswegen pauschal aufgehoben, weil an einem bestimmten Standort andere Interessen verfolgt werden - dafür muss ein höheres öffentliches Interesse anderer Art den Abbruch eines Baudenkmals zwingend erfordern, so der Gesetzestext. Diese Voraussetzung wird von einer Rekonstruktionsabsicht wohl nicht erfüllt, jedenfalls nach derzeit gängiger Rechtsauffassung. (Ich versuche nur die rechtlichen Hintergründe darzulegen, werten muss das jeder selber.)

    Zitat von "Brandmauer"

    . Der Pavillion des Pfeilerhauses sehen Stadt und Denkmalschutz positiv als ein Denkmal des Wiederaufbaus, und deshalb darf er nicht weg, obwohl fast die ganze Innenstadt von Hildesheim aus Wiederaufbauten besteht und man vor einigen Monaten noch einen großen solchen am Hohen Weg abgerissen hat, ganz in der Nähe des Andreasplatzes. Aber dort mußte der Wiederaufbau für einen teueren, modernen Investorenbau weichen.

    Das abgerissene Woolworth-Gebäude stand nicht unter Denkmalschutz. Von der ganzen Wiederaufbauarchitektur in Hildesheim ist ein recht geringer Prozentsatz denkmalgeschützt (nach der Denkmaltopographie zu urteilen). Insofern konnte der Denkmalschutz gegen den Abbruch von Woolworth gar nichts einwenden, weil es kein Denkmal war. Im Straßenzug Hoher Weg/ Almsstraße sind es m.W. zwei einzelne Nachkriegbauten, der Nachbar zur Rechten des Woolworth-Grundstücks und die Ratsapotheke, die denkmalgeschützt sind. (Die Jakobikirche natürlich auch, aber das ist ja was anderes.) Wenn man mit dem Denkmalschutz argumentiert, können sicher 90 Prozent oder mehr der Innenstadtbauten abgerissen werden, darunter auch sehr viele Nachkriegsbauten.

    Zitat von "Brandmauer"

    Wie auf dem historischen Bild oben von Hildi zu sehen, gehörte der Durchgang unter dem Pfeilerhaus aber wesentlich zur historischen Raumsituation. Damit war der Durchgang zum Andreasplatz auch nicht so eng, wie er jetzt werden wird: es gab zwei Durchgänge.

    Das ist für mich ein großer Wermutstropfen bei dieser Lösung, zumal der ohnehin zugige Andreasplatz diesen schmalen Durchlaß womöglich zu einer regelrechten Düse werden lassen könnte - auf dem Platz ist es fast immer windig, vermutlich durch die große Baumasse und Höhe der Kirche bedingt und die doch recht eng dabei stehende Bebauung. Wenn dann alle Passanten um den Zuckerhut herumlaufen müssen, muss man sich auch über die Straße Gedanken machen - das recht grobe Kopfsteinpflaster ist für Leute, die nicht so gut zu Fuß sind, schwer zu begehen. (Stichwort demographischer Wandel - der Anteil an älteren Leuten, die eine Gehhilfe brauchen, nimmt zu.)

    Die Idee mit der Dauerausstellung zu Zerstörung und Wiederaufbau finde ich sehr gut! Das fehlt in Hildesheim in der Form noch.

    HAZ vom 05.02.2009:

    Zitat

    Hildesheim (-dt). Mehr als 60 Jahre nach seiner Zerstörung bekommt der nördliche Andreasplatz seinen historischen „umgestülpten Zuckerhut“ zurück. Die Weichen dafür stellte gestern der Stadtentwicklungsausschuss. Einstimmig wurde beschlossen, den gemeinsamen Vorschlag von Kaiserhaus- Stiftung mit Rat und Verwaltung anzunehmen. „Jetzt werden wir den umgestülpten Zuckerhut bauen“, sagte Ignaz Jung-Lundberg, Geschäftsführer der Kaiserhaus-Stiftung. Ende Januar hatte der Stiftungsrat den Weg für diesen Kompromiss frei gemacht. Jung-Lundberg berichtete gestern im Ausschuss, nach langen Diskussionen habe sich die Stiftung Heinz Geyer der neuen Vorlage von Rat und Verwaltung angeschlossen. Der Durchbruch sei erzielt worden, weil es Rat und Verwaltung gelungen war, den Pavillon und das künftige Erdgeschoss des Zuckerhuts zu einer „Nutzungseinheit“ zusammenzufassen, hatte Stadtbaurat Dr. Kay Brummer unter Hinweis auf bautechnische Gründe erklärt. Demnach schwebe das Dach des Pavillons an den Stützen des Pfeilerhauses. Weil auch der Boden erhalten bleibe, würden nur die Seitenteile neuen Glasflächen weichen. Damit bliebe die Nierenform des Pavillons erhalten, und mit der Fläche im Erdgeschoss des Zuckerhuts entstehe eine sinnvolle Fläche für das Café. Das Pfeilerhaus werde in seiner jetzigen Nutzung nicht angegriffen. Dann aber brachte Ignaz Jung-Lundberg die eigentliche Neuerung: Im ersten und zweiten Obergeschoss des Zuckerhuts soll eine Dauerausstellung zu „Zerstörung und Wiederaufbau Hildesheims“ eingerichtet werden. „Hier entsteht eine ganz neue Situation“, sagte Jung-Lundberg. Die Stiftung habe jetzt die Absicht, den so geänderten Bauantrag noch im Februar zu stellen. Jung-Lundberg: „Wir wollen bald mit den Bauarbeiten beginnen und hoffen, das Richtfest noch Ende 2009 feiern zu können.“ In Rat und Verwaltung herrschte eitel Freude über die gelungene Zusammenarbeit. Alle Vertreter der Parteien stellten der Verwaltung mit Stadtbaurat Brummer gute Noten aus. Einhellig wurde auch die geplante Nutzung des Zuckerhuts als Museum für Zerstörung und Wiederaufbau Hildesheims begrüßt. Brummer sagte, der schmale Durchgang zum Andreasplatz sei dann klein wie ein „Zen-Fenster“. Er hoffe aber, Besucher würden beim Passieren und Erblicken der Andreaskirche einen Aha- Effekt erleben. Als nächster Schritt werde, so Brummer, die Schließung des Durchgangs unter dem Pfeilerhaus vorbereitet. Anregungen, sich jetzt an die Umgestaltung des Andreasplatzes zu machen, nahm der Ausschuss nur zur Kenntnis.

    Zitat von "Booni"


    Schön wäre es aber, wenn sich der Denkmalschutz aus dem Thema Rekonstruktion einfach raushält bzw. auf Anfrage dokumentarisch unterstützt und ansonsten seine Arbeit macht - dem Erhalten von Denkmälern (und nicht jedes Mal abnicken, wenn mal wieder ein Denkmal einem Einkaufszentrum weichen muss).

    Ich glaube, das wäre den Denkmalschützern auch am liebsten, aber sie werden zu den Rekos auch immer befragt - siehe Kiesow, der jahrzehntelang hessischer Landeskonservator war. Denkmalpflege im Bestand, wie die Landesgesetze sie ja verstehen, hat mit reinen Rekos auch erstmal nichts zu tun.

    Tja, und dass Denkmale den Einkaufszentren weichen müssen - da wird dann mal schnell definiert, dass der Bau des jeweils neuesten Einkaufsungeheuers für die Stadtentwicklung so wichtig ist, dass dies ein höheres öffentliches Interesse als die "ewiggestrige" Denkmalpflege darstellt, und schwupps, schon kann das Denkmal weg. Da hilft dann der Investor dem Bürgermeister beim Nicken, und der Bürgermeister lässt seinen Denkmalpfleger nicken, und schon ist die Sache abgenickt. Gegen Millioneninvestitionen ist so ein popeliger alter Kasten nun mal nicht so stark.

    EDIT: Auf Hinweis von Hildi habe ich das Zitat gekürzt, aber es fiel mir schwer, ohne Sinnentstellung noch mehr zu kürzen.

    Zitat von "RMA"

    Kann man das Gebäude überhaupt noch retten? Wenn das Dach tatsächlich schon seit Sommer offen ist, dann hat's da doch seitdem dutzende Male reingeregnet, und die Holzbalkendecken des obersten, wenn nicht sogar mehrerer Stockwerke dürften schon völlig durchgefault sein, von den Frostschäden zu dieser Jahreszeit noch ganz zu schweigen? Vielleicht können ja mal Baufachleute (Riegel, Leipziger?) was dazu sagen?

    Das Problem wird wahrscheinlich eher das Löschwasser gewesen sein - es brennt, Feuerwehr löscht, für die anschließende Sanierung ist der Eigentümer verantwortlich. Kein Eigentümer, ergo: niemand kümmert sich drum. Die Schäden eines halben Jahres ohne Dach wäre noch in den Griff zu kriegen, hier sieht es nach keiner Bauunterhaltung seit Jahrzehnten und fehlenden Fenstern seit Jahren aus, dazu wahrscheinlich ein seit Jahren löchriges Dach - das halbe Jahr ohne Dach ist nur der Beschleuniger gewesen. Ich vermute, dass die Deckenbalken schon länger schadhaft waren (fehlende Fenster, keine Bauunterhaltung). Ein ausreichend dimensionierter, gesunder Balken ist auch bei freier Bewitterung nicht nach einem halben Jahr durchgefault.
    In Summe fürchte ich, dass sich hier viele Langzeitschäden mit dem großen Brandschaden und dem Löschwasser kombinieren und dem Haus den Garaus machen.

    Die Quelle der Aussage zu den Kosten würde mich sehr interessieren. Nach dem Krieg war es meiner Meinung nach eher eine Sache des Geschmacks, das Fachwerk nicht wieder aufzubauen - man wollte "modern" bauen. Aber das mag in dem Fall anders sein.
    Es gibt ja die Altstadtgilde, deren Vorsitzender Herr Geyer lange war, und die auch sein Anliegen unterstützt. Die wäre eigentlich der Ansprechpartner für solche Projekte.

    Karpa selber zur den Zerstörungen:

    "Die Dächer und Decken [...] sind eingestürzt. Die Gewölbe der Krypta blieben erhalten. Die Umfassungsmauern überstanden zwar das Zerstörungswerk, in den Ostteilen (Vierungsturm und Querschiff mit Treppentürmen) waren sie jedoch durch Hitze und Explosionsdruck in den oberen Teilen so zerrüttet, daß umfassende Erneuerungen nötig waren."

    (Quelle: Oskar Karpa, Die Kirche St. Michaelis HIldesheim, Hildesheim 1961, Gerstenberg; S. 42)

    Ein Foto dazu zeigt, dass das aufgehende Mauerwerk des Westchores und des Hauptschiffs in voller Höhe erhalten war, ebenso das südliche Seitenschiff. Das gotische Maßwerk in den Seitenschifffenstern war zerstört. Die Mohrmannsche Zutat des Südwestquerschiffs mit Treppenturm (1907/10) war erhalten, die westlichen Türme ebenfalls. Der Ostchor und die Apsiden fehlten schon seit 1650. Da von nahezu Neuaufbau zu sprechen, erscheint mir übertrieben.

    Karpa schreibt im Text: "Seit über 300 Jahren nur noch als beklagenswerter Torso überkommen..."
    (Quelle wie oben, S 25). Er schreibt auch, dass das originale Steinmaterial wieder verwendet wurde und die zusätzlichen Steine in technisch gleichartiger Weise hergestellt wurden.
    Er begreift die furchtbare Zerstörung als Chance, den Bau in seiner ursprünglichen Gestalt wieder herzustellen. Die ursprüngliche Gestalt hat für ihn den höheren Wert als die überkommene aus den Jahren bis 1945, daher nähert er sich diesem Ursprung so weit wie möglich wieder an.
    Die Denkmalpflege hat diese Wiederherstellung also voll unterstützt. (Karpa war zu dieser Zeit Landeskonservator)

    Zitat von "Der Herzog"

    das originale Westwerk war wunderbar ! Mit Kapelle mit Fresken aus der Romanik. St Michael ist wenn man so will eine der ersten Totalrekos nach dem Krieg, weiss jemand, was der Denkmalschutz dazu gesagt hat ?

    Wenn ich mich recht erinnere, hat der damalige Landeskonservator (Oskar Karpa?) das Vorhaben voll unterstützt. Totalreko hieße doch, etwas vollständig neu aufzubauen, richtig? Von der Michaeliskirche waren aber noch erhebliche Teile vorhanden, wenn auch schwer beschädigt. Viel Substanz des noch vorhandenen aufgehenden Mauerwerks wurde zunächst abgetragen und dann neu wieder aufgebaut, weil die Standsicherheit nicht mehr gewährleistet war. Auch wurde in Teilen Beton verwendet, um die Standsicherheit zu gewährleisten, da die Kirche bis heute Standsicherheitsprobleme hat, was am Untergrund liegt.
    Letztendlich ist die Michaeliskirche eine Mischung aus interpretierender Rekonstruktion und Anastilosis, mit einigen neuen Ergänzungen. Das Originalvorbild war auch nur aus historischen Abbildungen überliefert, da die Vierungstürme um 1660 abgetragen wurden. Die heutige Kirche ist eine Interpretation auf Basis der Überlieferungen.

    Die Doppelturmfassade des Hildesheimer Domes stammte aus der Mitte den 19. Jh., nachdem das originale Westwerk baufällig geworden war. Das Vorbild nach 1945 war Minden, das sich wiederum seinerzeit am originalen Hildesheimer Westwerk orientiert hatte - somit schließt sich hier der Kreis. Die heutige Erscheinung ist eine Orientierung am historischen Original, wie dies auch bei St. Michael geschehen ist. Es gibt historische Abbildungen, die das belegen. Also immer langsam mit den jungen Pferden :zwinkern:
    Was allerdings wenig bekannt ist, ist die Tatsache, dass sich im Westwerk des Domes etliche Tonnen Beton verbergen - im Glockenstuhlbereich ist das offen zu sehen, dahin kommt man nur sehr selten.

    Zitat von "Restitutor Orbis"


    Deine Kriterien für "gute Reko contra böse Reko" leuchten mir nicht ganz ein...

    Statt gut und böse würde ich lieber von sinnvoll und unsinnig sprechen.

    Der Nachkriegsmarktplatz in Hildesheim war zu groß und unwirtlich, er war zur Hälfte Parkplatz. Die Verkleinerung des Platzes war ein Gewinn für die Stadt, da der Platz wieder eine vernünftig nutzbare Dimension gewonnen hat. Durch die Reko wurde hier ein städtebaulicher Mißstand behoben. Es könnten da auch andere Gebäude stehen, wenn sie angemessen auf die städtebauliche Situation reagierten. Das hat zunächst nichts mit den Rekos zu tun. Da aber nun mit der Sparkasse die Hälfte der Platzwände alt oder auf alt getrimmt war, machte es auch keinen Sinn mehr, den Rest so zu lassen, wie er war - das hätte dann zu so befremdlichen Situationen wie bei der Alten Waage in Braunschweig geführt. Anders gesagt: Wäre die Idee nur gewesen, die nördliche Platzwand mit einer angemessenen Architektur wieder auf den alten Dimensionen herzustellen, könnte ich damit auch gut leben. So wie der Platz jetzt ist, ergibt er das in sich schlüssige Bild des historischen Platzes, das die Hildesheimer damals gerne so haben wollten. Ich habe nicht gesagt, dass der Marktplatz die Rückgewinnung der mittelalterlichen Stadt darstellt - das sehe ich nicht so. Er ist letztlich in weiten Teilen eine historisierende, aber eben in sich schlüssige Kulisse.

    Anders gesagt: Wenn sich im Rahmen einer Stadtreparatur, also der Behebung von Mißständen, die Gelegenheit zu einer Rekonstruktion ergibt, die dann auch noch ein schlüssiges Bild ergibt, kann das Ergebnis im Einzelfall durchaus gelungen sein.

    Der Zuckerhut erzeugt aber meines Erachtens einen Mißstand und behebt keinen. Als ich auf diesen Mißstand hingewiesen habe, wurde hier mit "das ist nun mal das Mittelalter" argumentiert. Es ist aber nunmal nicht das Mittelalter, sondern bestenfalls eine Nachbildung dessen, deswegen kann ich dieses Argument auch nicht akzeptieren. Zudem wäre dieses einzelne kleine Fachwerkhaus auf diesem Platz bestenfalls eine Kuriosität, schlimmstenfalls ein Fremdkörper, da er überhaupt nicht zur umgebenden Architektur passt.

    Rekos können meines Erachtens da sinnvoll sein, wo ohnehin städtebauliche Mißstände zu beheben sind und zu einem schlüssigen Gesamtbild führen. Eine Reko um der Reko willen, die zu einer Verschlechterung der städtebaulichen Situation führt, halte ich für wenig sinnvoll. Stadtreparatur hat nichts mit der Wiedergewinnung historischer Situationen und Dimensionen zu tun, es geht zunächst um Verbesserungen im Stadtgefüge.

    Zitat von "erbsenzaehler"


    Entschuldige, wenn ich meine Antwort auf diesen Punkt herunter kürze, aber mir scheint der Rest nicht wirklich diskussionswürdig.

    Ist in Ordnung. Ich habe ohnehin den Eindruck, dass ich mit meiner Meinung hier auf verlorenem Posten stehe. Daher werde ich mich wieder, wie anfangs, darauf beschränken, Sachinformationen und Zeitungsartikel beizusteuern.
    (ehe das falsch verstanden wird: ich bin nicht eingeschnappt oder so, es macht nur keinen Sinn, gegen Windmühlen zu kämpfen.)

    Nochmal ein Auszug:
    Aus dem "Kehrwieder am Sonntag" vom 23.11.2008

    Zitat


    Dass der Zuckerhut so manchem Hildesheimer tief im Herzen verankert ist, war auch schon früher in
    Leserzuschriften deutlich geworden. Nun tauchen in der Wahl der Meinungsäußerung aber auch ziemlich
    rüde Züge auf. Etwa mit anonymen Anrufen bei Thumm, die bedrohliche Untertöne enthalten.

    Was immer ein jeder über das Vorhaben einer Reko denkt, anonyme Drohanrufe gehen nun wirklich weit über das erträgliche Maß hinaus. Das hat nichts mehr mit einer sachlichen Diskussion zu tun.

    Leserbriefe aus dem Kehrwieder am Sonntag, 23.11.2008

    Aus dem "Kehrwieder am Sonntag" vom 23.11.2008

    Aus der HAZ vom 22.11.2008:

    Noch einmal: Das Argument, das (enge und verwinkelte) sei nun einmal das Mittelalter, kam ursprünglich nicht von mir. Wenn das Argument gilt, könnte ich jetzt spitzfindig werden und sagen, dann kleidet euch, wohnt, lebt und arbeitet bitte auch wie vor 500 Jahren. Da das aber wirklicher Unfug wäre, lasse ich das.

    Die heutige (Wieder-)herstellung solcher Unzulänglichkeiten aber mit dem Verweis aufs Mittelalter und mit "das ist halt so" rechtfertigen zu wollen, will mir nicht einleuchten. Der Marktplatz ist als Stadtreparatur im besten Sinne ein Gewinn für die Stadt. Davon bin ich beim Zuckerhut nicht überzeugt, weil er meines Erachtens nicht in den heutigen städtebaulichen Zusammenhang passt.

    Jedenfalls bin ich der Meinung, dass die mittelalterliche Stadt sich durch Rekonstruktionen nur bedingt zurückgewinnen lässt, weil einer Rekonstruktion eben die historische Dimension nicht zurückbringen kann. Die angesprochenen Zeitschichten machen eine Stadt aus, völlig richtig. Die Idee einer Rekonstruktion ist aber die Wiederherstellung irgendeines Zeitpunktes in der Vergangenheit aus einem Guss, ohne die Überlagerung der Zeitschichten, und muss zwangsläufig unvollständig sein, da die Bauwerke in der Vergangenheit nur partiell dokumentiert wurden. Durch eine Reko lässt sich allenfalls das Bild einer historischen Stadt wiederherstellen, nicht aber die historische Stadt an sich, die ja gerade durch die Zeitschichten ausgemacht wird. Die Zeitschichten Hildesheims wurden 1945 schlagartig weitgehend vernichtet (in der Kernstadt) und lassen sich durch Rekos allenfalls nachempfinden, aber nicht zurückholen - das ist leider für immer verloren. Und solche Nachempfindungen sollten meines Erachtens sparsam eingesetzt werden, sonst wird es Kulisse. Sinnvoll wäre z.B. eine neue Turmspitze für St. Jacobi, die neue Spitze von St. Lamberti ist für die Stadtsilhouette ein Gewinn.

    Im übrigen wurde von ca. 1880 bis 1910/15 auch schon einiges an mittelalterlicher Substanz vernichtet, es war 1945 in der Innenstadt eine Mischung aus "Mittelalter" bzw. Fachwerk und Gründerzeitbauten. Ich kann hierzu nur das Buch "Hildesheim zur Kaiserzeit" empfehlen. Es wurden auch schon Straßenführungen verändert, wie der Hohe Weg und der Pfaffenstieg. 1880 wurden einige Häuser, die direkt ans Rathaus hinten dran gebaut waren, abgerissen, um Platz zu schaffen.

    Meinen Beitrag von gestern habe ich leider nicht anderweitig gespeichert, der ist wohl verloren.

    Zitat von "Der Herzog"

    Moin,
    also der umgestülpte Zuckerhut mag wieein Propfen wirken, aber das ist das Mittelalter, eng und verwinkelt um jeden um jeden cm innerhalb der Stadtmauern zu nutzen.
    der Platz beim Kaiserhaus ist soweit mir kekannt ist einer der keimzellen des alten Hildesheim, als einer der ersten marktplätze !! Dieser Ort ist völlig unbefriedigend. Beschämend geradezu ist der Erker an der Schule. Es ist dort viel zu tun. Insbesondere sollte man das kaiserhaus rekonstruieren und nicht irgendwie halbheiten mit einem vermeintlichen Bildungsauftrag versehen erstellen !!
    Aber es gibt noch viel zu tun, so fällt mir hier das Neustädter rathaus am Neustädter Markt in HI ein !! Ist auch sehr wichtig.


    Hm, wir haben aber nun mal kein spätes Mittelalter bzw. frühe Neuzeit mehr. Von daher finde ich es fragwürdig, solche Situationen wieder herzustellen, zumal wenn sie sich wie hier (meines Erachtens) eher negativ auswirken. Eine Stadt muss sich an die Zeiten anpassen,um weiterhin zu funktionieren, sonst wird sie zum Museum - ich unterstelle mal, dass die wenigsten Menschen in einem Museum leben wollen, und Museen überleben meist nur mit staatlicher Förderung, weil sie aus sich selbst heraus nicht überlebensfähig wären. Daher finde ich Forderungen, einen (hypothetischen) mittelalterlichen Zustand wiederherstellen zu wollen, problematisch.

    Die Straße am Kaiserhaus heißt alter Markt, und ist eine der mutmaßlichen Siedlungszellen Hildesheims. Der Erker an der Schule ist innerhalb der Stadt schon zwei mal versetzt worden. Ursprünglich stand er am Pelizaeusplatz, dann an einem Haus in der Goethestraße, das in den 70ern abgerissen wurde. Dann kam er an den jetzigen Standort.