Beiträge von Atticus

    Zumindest die Hauptfassade hätte man problemlos nach demselben Prinzip wie beim Langen Stall retten können, selbst wenn man an der Stelle unbedingt 15-geschossige Wohnbebauung realisieren wollte. Natürlich hätte so eine schräg gestellte klassische Fassade den Wohlklang des gleichmäßigen grau-braunen Zementklotzensembles rund um die Straße Am Kanal empfindlich gestört …

    Wenn man mal nach der menschlichen Staffage auf den Visualisierungen geht, ist jedoch positiv hervorzuheben, daß die Projektentwickler wenn schon nicht in der Architektursprache, dann wohl aber im angestrebten soziokulturellen Milieu eine deutlich europäische Perspektive haben.

    Ich wollte nichts in Abrede stellen. Ich fand es nur seltsam, daß die Qualitätsunterschiede so immens sind. Und bei dem Vimeo-Film irritiert es, daß der Herstellungsprozess gar nicht gezeigt wird. Am Anfang fährt ein Druckkopf eine Weile über einer planen Fläche hin und her und einen Schnitt weiter wird bereits das fertige Element sauber gebürstet.

    Das sind ein paar sehr schöne Beispiele. Vor allem das Ägyptische Museum kommt mir sofort in den Sinn.

    Um eine Vorstellung vom Kairo der vorletzten Jahrhundertwende zu bekommen, lohnt vielleicht ein Blick nach Alexandria, wo sich deutlich mehr historische Viertel erhalten haben:

    Teils erinnert's überraschenderweise an Wien oder Prag, andernorts an Barcelona oder Südfrankreich. Angelsächsisches ist hingegen erstaunlich selten. Der europäische Charakter der Stadt ist jedoch allgegenwärtig .

    Zuweilen floß sogar Lokalkolorit (oder das Klischee desselben) in die Architektur ein. Auch die Kulturen verschiedener früherer Kolonialmächte wurden berücksichtigt.

    Es gibt jedoch leider dort auch so einige Beispiele dessen, was man realistischerweise wohl in der neuen Hauptstadt erwarten kann.

    Während die Druckresultate in dem arte-Beitrag zwar beeindruckend sind, kommen sie dennoch recht grobschlächtig rüber. Für eine Mondstation ist das sicher kein Kriterium. Innerstädtische Häuser wie aus dem leicht verstopfen Tintenstrahldrucker möchte ich eher ungern sehen. Die Ornamente von "Digital Grostesque" hingegen sind schon beeindruckend: Giger trifft Gaudí. Das dürfte unvorstellbare Möglichkeiten eröffnen.

    Ist das wirklich dieselbe Technik? Bzw. ist der Film über die Ornamente überhaupt echt? Die Website ist ziemlich rudimentär für die revolutionäre Technik, die da gezeigt wird.

    Es muß nicht in jeder innenstädtischen Straße Gewerbe im Erdgeschoß geben. Es zeichnen sich doch die meisten attraktiven historischen Innenstädte durch einen Wechsel von geschäftigen Hauptstraßen und ruhigeren Nebenstraßen aus. Wo dieses Prinzip intakt geblieben ist, funktionieren die Stadtzentren auch sozial nach wie vor sehr gut. In die Hose ging es zumeist mit den innovativen Ideen irgendwelcher Stadtplaner.

    Ich finde die Anlage insgesamt gut. Die Qualität der Architektur ist überdurchschnittlich, wiewohl es ein paar schlimme Ausreißer nach unten gibt. Insgesamt ist mir der Eindruck aber auch ein bißchen zu wirr (vor allem in der Blockhälfte zur Kleinen Jägerstraße hin).

    Amsterdamer Stadthäuser wären über die Farbwahl stärker verknüpft, New Yorker Brownstones durch einen einheitlicheren Stil, Terraced Houses in London durch beides. Es gäbe bei den gezeigten Berliner Townhouses durchaus einige, die ich mir mit kleineren Variationen in mehrfacher Ausführung nebeneinander vorstellen könnte.

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    Ein sehr guter Beitrag mit einem massiven Schönheitsfehler: Jürgen Todenhöfer. Auch wenn er zur überraschenden Abwechslung mal ganz vernünftig klang (aber vernünftig klangen auch ganz andere ab und an), hat er sich im letzten Jahr so unmöglich gemacht, daß selbst das öffentlich-rechtliche Fernsehen mal langsam die Finger von ihm lassen sollte. Es gibt ja nun wahrlich genug Experten, die man hätte interviewen können. Er hat ja auch keine besonderen Insider-Informationen von seiner Expedition zum IS (natürlich englisch ausgesprochen...) beigesteuert.

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    Das Fehlen eines Beweises ist ja nicht automatisch ein Gegenbeweis. Belegt ist durch Quellen, daß die vormalige Bebauung im 16. Jahrhundert abgebrochen wurde. Eine Synagoge des 13./14. Jahrhunderts einzig anhand verbliebener Kellermauern zu identifizieren, halte ich ohnehin für schwierig – im Umkehrschluß aber auch die Falsifikation. Bei der Mikwe sieht es schon ein wenig anders aus: Fast zwangsläufig zu erwarten wäre ein Tauchbad, das sich mit Grundwasser füllte und entsprechend in den Grundmauern nachweisbar sein müßte. Nach meiner Erinnerung wurde aber bei den Ausgrabungen nicht bis zum Grundwasser vorgestossen – schon gar nicht im gesamten Untersuchungsgebiet.

    Unzweifelhaft sind außerdem die Quellbelege, daß es zumindest im weiteren Umfeld der Grabungsstelle eine Synagoge gegeben hat. Bereits damit ist Konstantindegeers ursprüngliche Aussage, der Bau in der Heidereuthergasse sei die älteste Berliner Synagoge gewesen, eindeutig widerlegt.

    Was den Indikator Schweineknochendichte angeht, wäre es interessant zu erfahren, welche Müllgruben da genau ausgewertet wurden. Da man in jener Zeit allenthalben seinen Abfall vergrub, dürfte schwer auszuschließen sein, daß es sich um den Müll des Nachbarn handelte. Oder sollte angedeutet werden, daß in diesem Viertel evtl. gar keine Juden lebten – entgegen den Quellbelegen?

    einen Hinweis auf eine Synagoge oder/und eine Mikwe läßt sich nicht finden.

    Könntest Du mir dafür eine Quelle nennen? In diversen Zeitungsartikeln, Einträgen im archäologischen Jahrbuch und Beiträgen auf den Seiten von Berlin.de, bei ABD-Dressler sowie in diesem Forum finde ich die Information, in den Häusern 9 und 10 würden die Synagoge und Mikwe vermutet – nicht eine Meldung jedoch, die Deine Aussage bestätigt. Letztes Jahr bezeichnetest Du selbst den Jüdenhof noch als "älteste Stätte jüdischer Kultur".

    Nein. Die älteste befand sich nebst Mikwe am Großen Jüdenhof (daher der Name) und könnte bereits im 13. Jahrhundert bestanden haben (also zur Gründungszeit Berlins). Während der Pogrome im 16. Jahrhundert wurden die alten Bauten dort zerstört, der Name aber blieb. Im 17. Jahrhundert machte der Große Kurfürst dies wieder gut und erließ ein Edikt zur Aufnahme der nun aus Österreich vertriebenen Juden, die die damals neue Alte Synagoge nahe der Spandauer Vorstadt bauten.

    Wär das schön, wenn andere deutsche Städte, besonders die großen, sich diesen Umgang zum Vorbild nähmen und ihrerseits verlorengegangene Synagogen rekonstruieren würden, gerne auch mit modernen Elementen.

    In Berlin wäre das im Falle der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße durchaus noch möglich. Während der Kopfbau ab 1988 äußerlich originalgetreu und im Inneren mit einigen Vereinfachungen wieder aufgebaut wurde, war die Ruine der dreischiffigen Hauptsynagoge leider bereits 1958 abgebrochen worden. Das Grundstück ist nach wie vor frei und die ehemaligen Ausmaße des Baus sind mit Metallstelen markiert. Einem Wiederaufbau stünde in dieser Hinsicht nichts im Wege, zumal die jüdische Gemeinde Berlins ist in stetigem Wachstum begriffen ist.

    Während die Außenarchitektur von Eduard Knoblauch stammte, entwarf Friedrich August Stüler das Innere: Ein weiteres starkes Argument für eine möglichst originalgetreue Komplettierung.


    Bauakte, 1866, public domain

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    Ich meinte das auf die evolutionäre Entwicklung von Städtebau und Architektur bezogen, insbesondere unter Maßgabe einer intakten Stadt, die sich kontinuierlich hier und da mit Rücksicht auf das vorhandene neu fügen muß. Der große Bruch durch die Kriegszerstörung ist genau der Grund, warum es eine kontinuierliche Entwicklung, wie ich sie meinte, in Deutschland kaum gab (in Spanien ja z.B. schon). Es mag in Frankfurt ein neuer Entwicklungsprozess gestartet sein, aber der knüpfte eben nicht an die Reste der vorhandenen Stadt an.

    @ Münchner:

    Die Entwicklung des Frankfurter Hochhausviertels ist ja auch keine historische oder organische. Die Bauten wurden dort aus genau dem von Dir genannten Grund eingesetzt.

    Ich sprach aber von langen Entwicklungslinien, die quasi evolutionär zu Hochhäusern hinführten oder hätten hinführen können, wäre nicht der Krieg dazwischengekommen.