Ich freue mich, an dieser Stelle eine qualifizierte Diskussion führen zu können, die weitab von dem Diskurs vor Ort mit all seinen Befindlichkeiten und Querelen zum besseren gegenseitigen Verständnis gegensätzlicher Meinungen beitragen kann.
Das ganze Problem ist natürlich, wie so oft, viel komplexer, als es sich hier darstellt. Natürlich wäre es für das archtektonische Gesamtbild des Platzes das Beste, wenn das Gebäude in seiner ursprünglichen Form erhalten bliebe. Dies wäre auch möglich gewesen, wenn nicht seit Jahrzehnten sich niemand, aber wirklich niemand darum gekümmert hätte. Nur so ist zu erklären, warum es jetzt in einem so ruinösen Zustand ist. Glauben Sie mir, auf Bildern kann man sich keinen wirklichen Eindruck darüber machen, wie desaströs das Haus im Inneren aussieht. Auch habe ich keinerlei Zweifel an dem Befund der Gutachten zur Bausubstanz, die gerne von außen angezweifelt werden.
Natürlich ließe sich eine Sanierung durchführen, doch dafür scheint es, so mein Eindruck niemanden zu geben, der als Investor in Frage kommt. Das hat auch damit zu tun, dass die Befürworter der Sanierung wohl keine rechte Idee einer Nutzung haben. Das ist zugegeben auch nicht ihre Aufgabe, aber in Rudolstadt stehen noch einige andere Gebäude herum, die architektonisch bedeutender sein dürften als das fragliche Haus am Neumarkt und denen ebenso der Verfall droht. Zur Zeit steht die Schließung des Jugendgästehauses in der Schillerstrasse zur Debatte, ein Haus aus dem Klassizismus, das ebenso mit dem Namen Ketelhodt verbunden ist und vor 13 Jahren aufwendig restauriert wurde.
Deshalb plädiere ich für den verantwortungsvollen Umgang mit dem, was heute gern als kulturelles Erbe bezeichnet wird, wobei viele glauben, diese Bezeichnung nur auf Architektur bis zum 19. Jahrhundert anwenden zu müssen.
Die Bemerkung über das geschlossene architektonische Ensemble war vieleicht von mir nicht gerade glücklich gewählt, das gebe ich gern zu. Ich stimme mit Ihnen völlig darüber überein, dass eine gelungene Stadt, in welcher die Menschen sich wohlfühlen, auch immer ein Gemisch aus Baustilen aller Epochen sein kann, vielleicht sogar muss. Entscheidend ist dabei nicht, aus welchem Jahrhundert die Bauten stammen, sondern, wie den Baumeistern und Architekten gelungen ist, ein Ensemble zu erhalten, in dem die Proportionen stimmen und wo das Auge nicht verletzt wird.
Mein Fazit: es geht meiner Ansicht nach weniger darum, ob man das Gebäude am Neumarkt erhalten kann oder nicht, es geht darum, eine architektonische Lösung zu finden, die den Platz in seiner das Stadtbild prägenden Ausstrahlung erhält. Wenn Neubau, so ist wirklich ein Architekt gefragt, der sich in diese Problematik einfühlen kann. Alle bisherigen Lösungen sind in dieser Hinsicht als nicht brauchbar anzusehen. Wenn es technisch möglich und, dies sollte man nicht vergessen, bezahlbar ist, steht die Erhaltung natürlich vor jedem Gedanken an einen Neubau. Der städtische Investor kann dies offenbar nicht leisten.
Am schlechtesten wäre es aber, wenn die ganze Diskussion nur dazu führt, das weiterhin Stillstand herrscht, ich meine daher schon, dass es auch Pflicht der Gegner des Abrisses ist, nach Lösungen zu suchen, die weiter gehen als gebetsmühlenartige wiederholte Anschuldigungen Richtung Stadtverwaltung.